Von der Anwendung der Bußgeldkatalog-Verordnung kann nur in solchen Einzelfällen abgesehen werden, in denen der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, daß die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist, wie dies etwa in Fällen mit denkbar geringer Bedeutung und minimalem Handlungsunwert oder bei möglichen Ausnahmeumständen persönlicher Art der Fall sein kann (BayObLGSt 1994, 56; 100/101; 1996, 3/4 f.). Allein der Umstand, dass der Betroffene - wie hier - als so genannter Frühstarter aufgrund einer momentanen Fehlentscheidung seine Fahrt ungeachtet der für seine Fahrtrichtung Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage fortsetzte, kann einen derartigen Ausnahmefall jedoch nicht begründen.Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht hat den geständigen Betroffenen, einen angestellten Taxifahrer, wegen einer am 12.12.2006 als Führer eines Pkw innerorts fahrlässig begangenen Nichtbeachtung einer länger als eine Sekunde andauernden Rotlichtphase (so genannter qualifizierter Rotlichtverstoß) zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt; von der Verhängung des im Bußgeldbescheid vom 29.12.2006 neben einer Geldbuße von 125 Euro angeordneten Fahrverbot von einem Monat hat es demgegenüber abgesehen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügte die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandete, dass das Amtsgericht kein Fahrverbot verhängt hat.
Die Rechtsbeschwerde hatte - vorläufigen - Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, erweist sich - jedenfalls vorläufig - als erfolgreich.
1. Aufgrund der Feststellungen des Amtsgerichts kam gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. Nr. 132.2 BKat die Anordnung eines Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht. Dies hat das Amtsgericht auch nicht verkannt, jedoch von der Anordnung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes von 125 Euro auf 200 Euro (§ 4 Abs. 4 BKatV) mit der Begründung abgesehen, zugunsten des Betroffenen sei von einem die Indizwirkung des verwirklichten Regelbeispiels beseitigenden „atypischen Fall“ auszugehen.
Dies ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, zumal die zu beurteilende Fallgestaltung in der Tat die Annahme eines so genannten Augenblicksversagens und damit eines nur leicht fahrlässigen Verhaltens des Betroffenen nahe legen könnte. Bei näherer Betrachtung zählt hierzu aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts allerdings nur, dass der als Taxifahrer offenbar ortskundige Betroffene die für ihn als Linksabbieger geltende Lichtzeichenanlage - wie das zunächst erfolgte Anhalten bei Rotlicht belegt - nicht gänzlich unbeachtet gelassen hat und möglicherweise durch den auf der benachbarten (weiteren) Linksabbiegespur bei Rotlicht ebenfalls haltenden Streifenwagen der Polizei derart abgelenkt worden sein könnte, dass er aufgrund einer Verwechslung der für ihn maßgeblichen Lichtzeichenanlage seine Fahrt bei anhaltender Rotlichtphase fortgesetzt haben könnte, als die sich aus seiner Sicht ganz rechts befindliche und vom Betroffenen wahrgenommene, jedoch ausschließlich für den Geradeausverkehr bestimmte Lichtzeichenanlage auf Grünlicht umschaltete (vgl. zu vergleichbaren “Frühstarter“ - Fällen aus der Rspr. z.B. OLG Hamm NZV 1997, 190 f. und 446f:; ferner OLG Hamm NJW 1997, 2125/2126f; OLG Karlsruhe NJW 2003, 3719/3720f und schon OLG Hamm NZV 1996, 117; zusammenfassend: Deutscher, in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren <2005> Rn. 809 ff., insbesondere Rn. 837 ff. m. weit. Nachw.).
2. All diese im Einzelfall privilegierenden Umstände können allerdings, wie die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer differenzierten und mit der ständigen Rechtssprechung sowohl des vormaligen Bayerischen Obersten Landesgerichts als auch der Rechtsbeschwerdesenate des OLG Bamberg übereinstimmenden Antragsschrift zutreffend herausstellt, ein Absehen vom Fahrverbot hier nicht rechtfertigen:
Von der Anwendung der Bußgeldkatalog-Verordnung kann nur in solchen Einzelfällen abgesehen werden, in denen der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, daß die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist, wie dies etwa in Fällen mit denkbar geringer Bedeutung und minimalem Handlungsunwert oder bei möglichen Ausnahmeumständen persönlicher Art der Fall sein kann (BayObLGSt 1994, 56; 100/101; 1996, 3/4 f.). Allein der Umstand, dass der Betroffene - wie hier - als so genannter Frühstarter aufgrund einer momentanen Fehlentscheidung seine Fahrt ungeachtet der für seine Fahrtrichtung Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage fortsetzte, kann einen derartigen Ausnahmefall jedoch nicht begründen. Denn die verbotswidrige Fahrweise des Betroffenen war hier in gleicher Weise gefährlich wie die eines schlichten Nachzüglers, insbesondere war durch das festgestellte verbotswidrige Handeln eine abstrakte Gefährdung des geschützten Querverkehrs keinesfalls ausgeschlossen. Darauf, dass eine derartiges fahrlässiges Verhalten mit guten Gründen nicht zugleich als rücksichtslos zu qualifizieren wäre, kommt es nicht an, solange - wie hier - aufgrund der erhöhten abstrakten Gefährlichkeit im Bereich einer innerstädtischen Kreuzung und zwar auch zur Nachtzeit (vgl. hierzu OLG Bamberg, Beschluss v. 09.01.2007 - 3 Ss OWi 1708/2006 = VerkMitt 2007, Nr. 83 = VRR 2007, 235 f.) von einem groben Pflichtenverstoß auszugehen ist, für den es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf (BGHSt 38, 195; 231/235).
III.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil das Amtsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bisher noch keine näheren Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob ein (nur) einmonatiges Fahrverbot für den Betroffenen tatsächlich eine unverhältnismäßige Härte darstellen kann (zu den insoweit zu beachtenden Begründungs- und Darlegungsanforderungen vgl.u.a. Senatsbeschlüsse vom 14.12.2005 - 3 Ss OWi 1396/05 = ZfSch 2006, 412 ff. und vom 11.04.2006 - 3 Ss OWi 354/06 = ZfSch 2006, 533 ff. = DAR 2006, 515 f. = VRS 111, 62 ff. = VRR 2006, 230 f. = SVR 2007, 65 f., jew.m. zahl. weit. Nachw.). ..."