Das Absehen vom Regelfahrverbot gegen eine drastische Erhöhung des Regelbußgeldes von 250,00 auf 700,00 €, weil dem Betroffenen ein Urlaubsanspruch bislang noch nicht zustehe und er auch im Falle einer Festanstellung in den ersten 6 Monaten keinen Urlaub nehmen könne, muss im einzelnen durch Darlegung der Umstände, weshalb ein Urlaub in angemessener Frist nicht möglich ist, im Urteil dargelegt werden.Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht Arnsberg hat den Betroffenen durch Urteil vom 07. Januar 2008 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l zu einer Geldbuße von 700,00 € verurteilt und dabei von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen.
Nach den Feststellungen führte der Betroffene am 29. Mai 2007 gegen 17.45 Uhr auf der T-Straße in T den Pkw der Marke Opel mit dem amtlichen Kennzeichen …, obwohl er unter Alkoholeinfluss stand. Eine zwischen 18.04 und 18.11 Uhr durchgeführte Atemalkoholmessung ergab im Mittelwert eine Atemalkoholkonzentration von 0,52 mg/l.
Gegen dieses Urteil richtete sich die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen, der die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beigetreten ist.
Das Rechtsmittel war - vorläufig - erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die gem. §§ 79 Abs. 3 und 4 OWiG, 341 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l, wie es das Amtsgericht im wesentlichen aufgrund der geständigen Einlassung des Betroffenen und des Zeugen PK G festgestellt hat.
Indes kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteil keinen Bestand haben. Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung des gem. § 25 Abs. 1 S. 2 StVG, § 4 Abs. 3 Bußgeldkatalogverordnung i.V.m. § 24a StVG indizierten Fahrverbots.
Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäss von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2004 - 3 SsOWi 769/03 - m.w.N.; Beschluss vom 09.03.2004 - 4 SsOWi 145/04).
Der Gesetzgeber hat Trunkenheitsfahrten nach § 24a StVG als besonders verantwortungslos klassifiziert und die Bewertung hinsichtlich der Anordnung eines Fahrverbotes vorweggenommen. Hieran sind die Verwaltungsbehörden und Gerichte gebunden. Ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes kommt daher nur bei Vorliegen ganz besonderer Ausnahmeumstände äußerer und innerer Art in Betracht oder wenn das Fahrverbot für den Betroffenen eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.
Nach diesen Maßstäben stellen die vom Amtsgericht angeführten Umstände weder für sich allein noch in der Gesamtschau Gründe dar, die das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle gleichartiger Delikte in der Weise abweichend erscheinen lassen, dass ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes angemessen wäre. Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt das Fahrverbot nicht nur Ausnahmefällen, sondern solche entstehen regelmäßig und sind grundsätzlich vom Betroffenen als selbst verschuldet in Kauf zu nehmen. Hierauf hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 25. März 2008 zu Recht unter Bezugnahme auf die ständige obergerichtliche Rechtsprechung hingewiesen. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot ist vom Tatrichter eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen, die eine Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ermöglichen. Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen könnten, bedarf dabei der positiven Feststellung und Darlegung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen, wobei eine unkritische Übernahme von Angaben des Betroffenen oder eines nicht von eigenen Interessen freien Zeugen nicht ausreichend ist.
Die Ausführungen des angefochtenen Urteils, aufgrund derer das Amtsgericht gegen drastische Erhöhung des Regelbußgeldes von 250,00 auf 700,00 € vom Fahrverbot abgesehen hat, tragen diese Entscheidung nicht. Soweit das Amtsgericht ausführt, dass das indizierte Fahrverbot hier deshalb nicht angemessen erscheine, weil dem Betroffenen ein Urlaubsanspruch bislang noch nicht zustehe und er auch im Falle einer Festanstellung in den ersten 6 Monaten keinen Urlaub nehmen könne, sind diese Ausführungen nicht hinreichend nachvollziehbar. Gründe für den nicht vorhandenen Urlaubsanspruch lassen sich den Urteilsgründen insoweit nicht entnehmen, als Angaben zur Vertragsgestaltung, insbesondere auch zur Dauer des seinerzeitigen Beschäftigungsverhältnisses auf 400,00 €-Basis fehlen. Dass der Verurteilte aufgrund des seinerzeitigen Beschäftigungsverhältnisses auf 400,00 €-Basis keinerlei Urlaubsanspruch hat, ist weder dargetan noch plausibel, zumal es an der Feststellung fehlt, ob der Betroffene in dem Zeitraum zwischen dem Vorfall und der Hauptverhandlung bereits Urlaub in Anspruch genommen hatte; in diesem Fall könnte er sich nicht mehr darauf berufen, dass ihm ein Urlaubsanspruch zur Abwicklung des Fahrverbots nicht (mehr) zustehe.
Das Amtsgericht hat insoweit keinerlei - kritisch geprüfte - Umstände dargetan, aufgrund derer es zu der entsprechenden Annahme gelangen konnte, dem Betroffenen stehe kein Urlaubsanspruch zu.
Da das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes mithin auf einer nicht tragfähigen Begründung beruht, kann das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Weil weitere Feststellungen zur Frage der außergewöhnlichen Härte wahrscheinlich sind, kommt eine Entscheidung durch Senat nicht in Betracht. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Arnsberg zurückzuverweisen.
Bei der neuen Entscheidungsfindung wird insbesondere auch zu bedenken sein, dass angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit seit der Begründung des offenbar ab Mitte Januar 2007 beabsichtigten festen Arbeitsverhältnisses selbst unter Berücksichtigung einer sechsmonatigen Urlaubssperre im ersten halben Jahr unter Berücksichtigung der Viermonatsfrist gem. § 25 Abs. 2a StVG ein Urlaubsanspruch zumindest zur teilweisen Abmilderung der Folgen des Fahrverbotes zur Verfügung stehen dürfte. Im übrigen rechtfertigt auch die Möglichkeit einer Kündigung ohne nähere Feststellungen zu deren Wahrscheinlichkeit und Durchsetzbarkeit grundsätzlich ein Absehen von einem Regelfahrverbot nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.11.2005 - 3 SsOWi 717/05 m.w.N.).
Im Rahmen der Gesamtabwägung wird schließlich zu würdigen sein, dass eine Atemalkoholkonzentration von 0,52 mg/l bereits nahe an die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit heranreicht, so dass ein besonders gravierender Verstoß des Betroffenen vorliegt. Dem Gewicht dieses Verstoßes hat das Amtsgericht bei seiner Abwägung der Umstände beim Absehen vom Fahrverbot ebenfalls nicht hinreichend Rechnung getragen; nähere Ausführungen hierzu sind den Urteilsgründen jedenfalls nicht zu entnehmen. ..."