Werden zwei Bußgeldbescheide mit Fahrverboten gleichzeitig rechtskräftig, so sind die beiden Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken, wobei es naheliegt mit dem älteren Bußgeldbescheid zu beginnen. Eine gleichzeitige Vollstreckung kommt nicht in Betracht.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Betroffene fuhr am 26.10.2007 so schnell, dass dafür durch Bescheid vom 28.12.2007 u.a. ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet werden musste. Da die Voraussetzungen vorlagen, war auch eine Abgabefrist von vier Monaten zu gewähren.
Am 14.12.2007 fuhr der Betroffene erneut zu schnell; auch in diesem Falle wurde im Bußgeldbescheid vom 4.2.2008 ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet, wiederum verbunden mit einer Abgabefrist von vier Monaten.
Der Betroffene legte gegen beide Bescheide Einspruch ein; beide Einsprüche nahm er in einem Fax-Anschreiben vom 25.3.2008 zurück. Damit sind beide Bußgeldbescheide gleichzeitig rechtskräftig geworden.
Auf diesen Umstand stützt der Betroffene sein Begehren, beide Fahrverbote gleichzeitig und parallel zu vollstrecken, was dazu führen würde, dass eins der Fahrverbote faktisch in Wegfall geriete. Dem hierauf gerichteten Antrag hat die Verwaltungsbehörde nicht entsprochen, sondern ausdrücklich erklärt, dass beabsichtigt ist, die beiden Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken.
Gegen diese Verfügung hat der Betroffene die gerichtliche Entscheidung beantragt.
Dieser Antrag ist zulässig. Der Betroffene wendet sich gegen die Zulässigkeit der Art der Vollstreckung der Fahrverbote; insoweit hat die Verwaltungsbehörde die Entscheidung getroffen, die Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken. Über die Einwände gegen diese Entscheidung hat das Gericht gem. §§ 103, 104 OWiG zu entscheiden.
Die Verfahren sind zu verbinden, da sowohl die angefochtene Entscheidung der Verwaltungsbehörde als auch die vom Gericht zu treffende Entscheidung notwendigerweise beide Verfahren betreffen und nur einheitlich entschieden werden kann.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch unbegründet. Die beiden Fahrverbote sind nacheinander zu vollstrecken. Dies ergibt sich aus § 25 Abs. 2 S. 2 StVG. Nach dieser Vorschrift sind die Fristen für mehrere Fahrverbote nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft zu berechnen.
Der Betroffene meint nun, diese Vorschrift sei nicht anwendbar, da beide Bußgeldbescheide und damit beide Fahrverbote gleichzeitig rechtskräftig geworden seien, was dazu führe, dass keine Reihenfolge der Vollstreckung feststellbar sei. Folglich sei parallel zu vollstrecken. Er beruft sich dabei auf einen Aufsatz von Carsten Krumm aus Lüdinghausen, der in der Zeitschrift DAR 1/2008 eine solche Meinung vertreten hat und die Verteidiger aufgefordert hat, bei Einspruchsrücknahmen kreativ darauf zu achten, dass diese zeitgleich wirksam werden.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Zwar geht die Regelung in § 25 Abs. 2 S. 2 StVG ersichtlich davon aus, dass sich eine Reihenfolge der Rechtskraft feststellen lässt. Tatsächlich ist diese Annahme des Gesetzgebers nachvollziehbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Bußgeldbescheide mit Fahrverboten gegen dieselbe Person zufällig gleichzeitig rechtskräftig werden, ist so gering, dass sie nicht ausdrücklich geregelt werden muss. Dies ist auch angesichts der Kreativität der Verteidiger nicht erforderlich. Es liegt nämlich keine Gesetzeslücke vor, die im Wege der Analogie zu schließen wäre, was im Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts problematisch wäre. Die Unklarheit kann vielmehr durch Anwendung gewöhnlicher Auslegungsregeln geklärt werden.
Danach ist, wenn der Wortlaut einer Vorschrift im Einzelfall unklar bleibt, eine teleologische Auslegung vorzunehmen und zu fragen, was der Gesetzgeber mit seiner Regelung bezweckt.
§ 25 Abs. 2 S. 2 StVG bezieht sich ausschließlich auf die Situation, dass ein Fahrverbot mit Abgabefrist und ein weiteres Fahrverbot (mit oder ohne Abgabefrist) zeitlich zusammentreffen. Diese Situation ermöglichte es dem Betroffenen, durch ein geschicktes Timing eine zeitliche Überlappung oder Überdeckung der Fahrverbote zu erreichen, mit der Folge, dass eins der Fahrverbote nicht oder nur teilweise vollstreckt würde. Er würde sich dadurch zum Teil der verdienten Sanktion entziehen. Für diesen Fall bestimmt § 25 Abs. 2 S. 2 StVG, dass die Berechnung der Fahrverbotsfristen per Addition erfolgt.
Folgte man der Auffassung des Betroffenen, in dem Sonderfall der gleichzeitigen Rechtskraft der beiden Bußgeldbescheide müsste ihm nun die Möglichkeit eingeräumt werden, in einem Monat zwei Fahrverbote von je einem Monat verbüßen zu dürfen, so stünde dies dem Zweck der Vorschrift des § 25 Abs. 2 S. 2 StVG diametral entgegen.
Durch eine solche Auslegung wäre auch der Gleichheitssatz verletzt. Art. 3 GG bestimmt, dass Gleiches gleich zu behandeln ist. Hieraus leitet das Bundesverfassungsgericht das Willkürverbot ab. Willkürlich wäre es, eine unterschiedliche Behandlung gleichartiger Sachverhalte auf sachwidrige Gründe zu stützen.
Die Frage, ob ein Betroffener einen oder zwei Monate auf seinen Führerschein verzichten muss, kann daher nicht von dem Zufall abhängig gemacht werden, ob die beiden Bußgeldbescheide nacheinander oder gleichzeitig rechtskräftig werden. Dies wäre willkürlich. Eine grundgesetzkonforme Auslegung des § 25 Abs. 2 S. 2 StVG zwingt dazu, auch in einem solchen Fall die mehreren Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken.
Dies gilt auch dann, wenn der gleichzeitige Rechtskrafteintritt nicht zufällig eingetreten ist, sondern zielgerichtet und kreativ herbeigeführt wurde. Würde man in diesem Falle eine parallele Vollstreckung vornehmen, so hätte dies zur Folge, dass zahlreiche Einsprüche nur deshalb eingelegt werden, um sie gleichzeitig zurücknehmen zu können. Dies würde zu einem erheblichen, überflüssigen und teuren Aufwand bei Verwaltung und Gericht führen, der dem eigentlichen Ziel beider Behörden, gerechte Entscheidungen zu treffen, zuwider laufen würde.
Schließlich wäre auch denkbar, dass ein Betroffener, der weiß, dass demnächst ein Fahrverbot gegen ihn verhängt werden wird oder gegen den ein Fahrverbot bereits verhängt ist, dieses jedoch noch nicht rechtskräftig ist, darauf spekuliert, dass weitere Fahrverbote ihn für eine gewisse Zeit nicht mehr treffen würden, wenn er sich eines kreativen Anwalts bedient. Der eigentliche Zweck eines Fahrverbots, die künftige Beachtung der StVO zu fördern, wäre damit in sein Gegenteil verkehrt.
Welches der beiden Fahrverbote im Falle gleichzeitigen Rechtskrafteintritts zuerst vollstreckt werden soll, ist eine weit überwiegend formale, faktisch unerhebliche Frage. Allerdings muss sie beantwortet werden.
Die Gewährung von Abgabefristen in beiden Fällen gibt dem Betroffenen das Recht, selbst zu bestimmen, in welcher Reihenfolge die Fahrverbote zu vollstrecken sind. Macht er von diesem Recht keinen Gebrauch, ist es naheliegend, den ältesten Bußgeldbescheid zuerst zu vollstrecken. ..."