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OLG Saarbrücken Beschluss vom 23.09.2008 - 5 W 220/0 - Zum Gerichtsstand des Versicherungsnehmers nach neuem VVG-Recht
OLG Saarbrücken v. 23.09.2008: Zum Gerichtsstand des Versicherungsnehmers nach neuem VVG-Recht
Das OLG Saarbrücken (Beschluss vom 23.09.2008 - 5 W 220/08) hat entschieden:
Die örtliche Zuständigkeit für vom Versicherungsnehmer gegen den Versicherer im Jahre 2008 erhobene Klagen bestimmt sich nach § 215 Abs. 1 VVG 2008 und nicht mehr nach § 48 VVG a.F.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung und Nationaler und internationaler Gerichtsstand für Kfz-Haftpflichtklagen
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Der in dem Bezirk des Landgerichts Trier wohnende Kläger beansprucht eine Entschädigung aus einem bei der Beklagten unterhaltenen Vollkaskoversicherungsvertrag. Das zunächst angerufene Landgericht Saarbrücken, in dessen Bezirk die Hauptagentur der Beklagten ihren Sitz hat, hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien an das Landgericht Trier verwiesen. Das Landgericht Trier hat sich für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Zuständiges Gericht ist das Landgericht Trier.
1. Das folgt schon daraus, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 19.08.2008 gemäß § 281 Abs.2 Satz 4 ZPO für das Landgericht Trier bindend ist. Zwar entfällt die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses dann, wenn das verweisende Gericht den Anspruch der Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu der beabsichtigten Verweisung verletzt hat, oder wenn der Verweisungsbeschluss jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (BGH, Beschl. v. 09.07.2002 - X ARZ 110/02 - NJW - RR 2002, 1489; Senat, Beschl. v. 27.06.2007 - 5 W 139/07-44 - st. Rspr.). Diese Voraussetzungen liegen indessen nicht vor, weil das Landgericht Saarbrücken den Parteien rechtliches Gehör zu der beabsichtigten Verweisung gewährt hat und angesichts des Streits um den zeitlichen Beginn der Geltung des § 215 Abs. 1 VVG (n.F.) von einer offensichtlich fehlenden rechtlichen Grundlage für die Entscheidung von vornherein keine Rede sein kann.
2. Im Übrigen trifft die Rechtsauffassung des Landgerichts Saarbrücken zu, nach der ab dem 1.1.2008 § 48 Abs. 1 VVG a.F. nicht mehr gilt und für im Jahr 2008 erhobene Klagen aus dem Versicherungsvertrag nach § 215 Abs. 1 VVG - auch - das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz und in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Das folgt - entgegen einer in der Rechtslehre ohne weitere Begründung vertretenen Auffassung (Schwintowski/ Brömmelmeyer, Kommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2008, § 215 Rdn. 16) - sowohl aus dem Wortlaut des Art. 1 EGVVG 2008 als auch aus seiner rechtssystematischen Einordnung (Schneider, VersR 2008, 859) und seinem Sinn und Zweck.
Schon der Wortlaut des Artikels 1 Abs. 1 EGVVG lässt erkennen, dass das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 1.1.2008 geltenden Fassung bis zum 31.12.2008 "auf Versicherungsverhältnisse", also auf die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer, soweit der Versicherungsvertrag sie regelt, - und nur auf sie - anzuwenden ist. § 48 VVG a.F. ist indessen keine das Versicherungsverhältnis betreffende Bestimmung. Mit der Gewährung eines zusätzlichen Gerichtsstandes neben den von den §§ 12 ff. ZPO vorgesehenen enthält die Vorschrift eine Regelung, die sich demgegenüber auf das Prozessrechtsverhältnis zwischen einem klagenden Versicherungsnehmer und seinem Versicherer bezieht. Dafür gilt aber als Grundsatz des intertemporalen Verfahrensrechts, dass gesetzliche Änderungen, soweit spezifische Übergangsvorschriften vorgesehen sind und kein besonderes Vertrauen zu schützen ist, sogar bereits anhängige Verfahren erfassen (vgl. u.a. BVerfGE 87, 48; BFH, Beschl. v. 8.6.2005 - V S 12/04).
Dass Art. 1 Abs. 1 EGVVG 2008 die Anwendbarkeit des neuen Rechts nicht vollständig für alle Rechtsfragen aus Anlass eines Rechtsstreits zwischen einem Versicherungsnehmer und einem Versicherer auf den 1.1.2009 befristet, folgt sodann aus den ihm folgenden Vorschriften, die lediglich für in einer Übergangszeit eingetretene Versicherungsfälle sowie für bestimmte Versicherungsverträge Sonderregelungen anordnen. Das zeigt sich besonders deutlich in Art. 1 Abs. 2 EGVVG, der sogar für "Altverträge" das alte Recht ausschließlich "insoweit" fortgelten lässt, als es um die Beurteilung des Versicherungsfalls (und die aus ihm folgenden materiellen Rechte und Pflichten) geht.
Die sich aus Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts ergebende grundsätzliche Geltung des neuen Rechts ab dem 1.1.2008 ist schließlich durch die Art. 1 ff EGVVG 2008 nur aus Gründen des Bestandsschutzes und der Gewährung eines Anpassungszeitraums für Versicherer eingeschränkt worden. Solche Gründe vermögen indessen die Fortgeltung des § 48 Abs. 1 VVG a.F. nicht zu rechtfertigen. Soweit ein Rechtsstreit zwischen einem Versicherungsnehmer und einem Versicherer zum 1.1.2008 bereits anhängig war, leistet § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die nötige Verlässlichkeit der einmal begründeten Zuständigkeit eines Gerichts.