BGH v. 23.11.1971:
Deutsches Recht ist als Recht des Begehungsorts auch bei gleicher (ausländischer) Staatsangehörigkeit von Schädiger und Verletztem jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Beteiligten (hier: Gastarbeiter) das Gastland für längere Zeit zu ihrem Lebensmittelpunkt gewählt haben. - Verschuldet ein niederländischer Staatsangehöriger mit seinem in den Niederlanden zugelassenen und versicherten Kraftfahrzeug in der Bundesrepublik einen Verkehrsunfall, so kann der Verletzte die sogenannte Direktklage auch gegen den niederländischen Haftpflichtversicherer erheben.
OLG Köln v. 12.09.2005:
Entgegen der bisherigen herrschenden Meinung in der Literatur legt der Senat Artikel 11 Absatz 2 EUGVVO dahingehend aus, dass die Vorschrift des Artikel 9 Absatz 1 b EUGVVO auf den Geschädigten entsprechend Anwendung findet und für diesen einen Klägergerichtsstand an seinem Wohnort begründet.
LG Hamburg v. 28.04.2006:
Ein durch einen Verkehrsunfall im Ausland Geschädigter kann den ausländischen Haftpflichtversicherer nicht in dem Mitgliedsstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, verklagen. Ein entsprechender Gerichtsstand ist den Regelungen der Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b EuGGVO nicht zu entnehmen.
BGH v. 26.09.2006:
Es sprechen überwiegende Gründe für die Annahme, dass der Geschädigte eines Kfz-Unfalls den Direktanspruch gegen den Versicherer vor dem Gericht an seinem Wohnsitz geltend machen kann.
(Vorlagefrage an den EuGH)
BGH v. 06.05.2008:
Nach Art. 11 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO kann der Geschädigte, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat.
OLG Nürnberg v. 10.04.2012:
Die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, einen Direktanspruch zu normieren, dient zu nichts anderem, als die in Art. 11 Abs. 2 EuGVVO vorgesehene Möglichkeit einer Direktklage gegen den Versicherer beim Heimatgericht des Geschädigten zu ermöglichen. Ein deutscher Geschädigter kann einen italienischen Haftpflichtversicherer nach einem Unfall in Italien vor seinem Wohnsitzgericht verklagen, ohne den italienischen Unfallgegner mitverklagen zu müssen.
BGH v. 23.10.2012:
Nach den Art. 9 und 11 des Luganer Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 (LugÜ 2007) kann der Geschädigte einen nach dem anwendbaren nationalen Recht bestehenden Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer mit Sitz in einem ausländischen Staat im Geltungsbereich des LugÜ 2007 beim Gericht seines Wohnsitzes geltend machen.
BGH v. 19.02.2013:
Die für die Aussetzung gemäß Art. 27 EuGVVO erforderliche Parteiidentität ist zu verneinen, wenn der in Deutschland ansässige Beteiligte eines Verkehrsunfalls seine unfallbedingten Schadensersatzansprüche gegen den ausländischen Haftpflichtversicherer bei seinem deutschen Wohnsitzgericht einklagt, nachdem zuvor der ausländische Unfallbeteiligte wegen seiner Ansprüche Klage gegen ihn bei den Gerichten des anderen EU-Staats erhoben hat.
LG Dortmund v. 18.06.2014:
Gem. Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 b) EuGVVO greift ein besonderer Gerichtsstand ein, demzufolge die Versicherung des Schädigers in Deutschland verklagt werden kann. Die Norm findet aber auf den Führer des unfallbeteiligten PKW keine Anwendung. Nach dem eindeutigen Wortlaut und der systematischen Einordnung in dem Abschnitt "Zuständigkeit für Versicherungssachen" ist dieser Gerichtsstand allein für Klagen gegen einen Versicherer einschlägig. Die inländischen Gerichte sind auch nicht wegen des engen Sachzusammenhangs mit der Klage gegen den Kfz-Führer gem. Art. 6 Nr. 1 EuGVVO international zuständig (sog. Annexzuständigkeit). Die Norm setzt ihrem Wortlaut nach voraus, dass der Wohnsitz eines der Beklagten an dem zu begründenden Gerichtsstand liegen muss; eine Ausweitung über den Wortlaut hinaus ist nicht geboten.
OLG Frankfurt am Main v. 23.06.2014:
Die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 EuGVVO auf Art. 9 Abs. 1 lit b EuGVVO ist dahin auszulegen, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Orts in einem Mitgliedsstaat, an der er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats ansässig ist. Der Zweck dieser Vorschriften liegt laut Erwägungsgrund 13 der Verordnung Nr. 44/2001 (= EuGVVO) darin, die wirtschaftlich schwächere und rechtlich weniger erfahrene Partei durch Zuständigkeitsvorschriften zu schützen, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung. Aus diesem Schutzzweck ergibt sich, dass die Abweichungen von den Zuständigkeitsregeln in Versicherungssachen eng ausgelegt werden müssen. Die in Rede stehenden besonderen Zuständigkeitsregeln dürfen nicht auf Personen erstreckt werden, die dieses Schutzes nicht bedürfen.
BGH v. 24.02.2015:
Nach Art. 11 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO kann der Geschädigte, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat (Anschluss an BGH, 6. Mai 2008, VI ZR 200/05, BGHZ 176, 276). - Art. 6 Nr. 1 EuGVVO eröffnet trotz Konnexität mit der Klage gegen den Versicherer diesen Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers nicht für eine Klage gegen den Versicherten oder Versicherungsnehmer, wenn dieser gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem des Kläger hat. Die durch den sogenannten "Ankerbeklagten" vermittelte internationale Zuständigkeit nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO kann nur auf dessen Wohnsitzgerichtsstand (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO) gestützt werden.
EuGH v. 13.12.2007:
Die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist.
BGH v. 18.08.2015:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:
Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahin auszulegen, dass der Begriff "Ansprüche aus einem Vertrag" auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 erfasst, der gegenüber einem ausführenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist?
Soweit Art. 5 Nr. 1 VO (EG) Nr. 44/2001 Anwendung findet:
Ist bei einer Personenbeförderung auf einer aus mehreren Flügen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke als Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich VO (EG) Nr. 44/2001 anzusehen, auch wenn die Flugverbindung von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden ist und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen einer anderen Teilstrecke richtet, auf der es zu einer großen Verspätung gekommen ist?
EuGH v. 21.01.2016:
Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ist dahin auszulegen, dass diese Vorschrift keine spezielle Kollisionsnorm zur Bestimmung des auf die Regressklage zwischen Versicherern in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren anzuwendenden Rechts enthält. - Die Verordnungen (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) und (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) sind dahin auszulegen, dass das auf eine Regressklage des Versicherers einer Zugmaschine, der den Schaden der Opfer eines vom Fahrer dieses Fahrzeugs verursachten Unfalls beglichen hat, gegen den Versicherer des bei diesem Unfall gezogenen Anhängers anzuwendende Recht nach Art. 7 der Rom‑I‑Verordnung bestimmt wird, wenn die nach den Art. 4 ff. der Rom‑II‑Verordnung auf diesen Unfall anzuwendenden deliktischen Haftungsnormen eine Aufteilung der Schadensersatzpflicht vorsehen.
OLG Celle v. 27.02.2008:
Macht eine GmbH, die ihren satzungsmäßigen Sitz und somit auch ihren Wohnsitz gem. Art. 11 Abs. 2, 9 Abs. 1 Buchst. b EUGVVO in Deutschland hat, als Klägerin gegen die Beklagte, einen in Polen ansässigen Kfz-Haftpflichtversicherer, Schadensersatzansprüche aus einem von einem polnischen Versicherungsnehmer der Beklagten in Polen verursachten Verkehrsunfall geltend, dann ist auch die juristische Person einer GmbH als schwächerer Partei im Verhältnis zu einem Versicherungsunternehmen als "Geschädigte" i.S.d. Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EUGVVO anzusehen. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 72/166/EWG definiert als Geschädigter allgemein "jede Person, die ein Recht auf Ersatz eines von einem Fahrzeug verursachten Schaden hat". Damit sind deutsche Gerichte für eine Klage aufgrund eines Direktanspruchs international zuständig.
AG Bückeburg v. 02.06.2010:
Eine weltweit tätige GmbH ist als Geschädigte eines Kfz-Unfalles gegenüber einer ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherung nicht als schwächere Partei i.S.d. Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b EuGVVO anzusehen.
OLG Karlsruhe v. 07.09.2007:
Internationale Zuständigkeit für Schadensersatzklage eines in Deutschland wohnhaften Geschädigten gegen in der Schweiz ansässige Haftpflichtversicherung wegen Verkehrsunfalls in Frankreich: Nach dem für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Verhältnis zur Schweiz maßgeblichen Lugano-Übereinkommen kann der Geschädigte einen ausländischen Versicherer nicht am Wohnsitz des Geschädigten verklagen.
OLG Saarbrücken v. 23.09.2008:
Die örtliche Zuständigkeit für vom Versicherungsnehmer gegen den Versicherer im Jahre 2008 erhobene Klagen bestimmt sich nach § 215 Abs. 1 VVG 2008 und nicht mehr nach § 48 VVG a.F.
OLG Hamburg v. 30.03.2009:
Für Klagen, die Versicherungsnehmer bis zum Ende des Jahres 2008 gegen den Versicherer aufgrund von Versicherungsverhältnissen erheben, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes am 1. Januar 2008 entstanden sind (Altverträge), gilt nicht der neue Gerichtsstand des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers. Die Übergangsvorschrift des VVG ordnet die Fortgeltung des alten VVG für Altverträge eindeutig an.
OLG Frankfurt am Main v. 21.04.2009:
Die örtliche Zuständigkeit für vom Versicherungsnehmer gegen den Versicherer nach dem 1.1.2008 erhobene Klagen bestimmt sich nach § 215 VVG in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung und nicht mehr nach § 48 VVG a.F.
OLG Hamm v. 08.05.2009:
Aus Art. 1 Abs. 2 EGVVG ergibt sich, dass auf das streitgegenständliche Vertragsverhältnis das VVG in seiner früheren Fassung anzuwenden ist. Anhaltspunkte, dass diesbezüglich für die prozessuale Bestimmung des § 215 VVG n.F. anderes gelten könnte, sieht der Senat nicht. Ein Gerichtsstand am Wohnsitz des Versicherungsnehmers ist bei Streitigkeiten aus Altverträgen nicht gegeben.
OLG Hamm v. 13.04.2017:
Wird eine Schadensersatzklage aus einem Verkehrsunfall gegen zwei Beklagte (Fahrer/Halter und Haftpflichtversicherer) mit unterschiedlichen allgemeinen Gerichtsständen im allgemeinen Gerichtsstand eines der Beklagten erhoben, kann das angerufene Gericht die Klage nicht insgesamt weiterverweisen, um eine einheitliche Verhandlung und Entscheidung vor einem anderen Gericht, vor dem ein Gerichtsstand gegen beide Beklagten begründet wäre, zu gewährleisten. Dem steht die bereits vorgenommene, bindende Gerichtsstandswahl des Klägers in Bezug auf einen der Beklagten entgegen (§ 35 ZPO). Ein die getroffene Gerichtsstandswahl missachtender, beide Beklagten betreffender Verweisungsbeschluss kann grob rechtsfehlerhaft und nicht verbindlich sein.