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Landgericht Dortmund Urteil vom 29.01.2009 - 2 S 33/08 - Zum Regress des Haftpflichtversicherers bei Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers

LG Dortmund v. 29.01.2009: Zum Regress des Haftpflichtversicherers bei Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers


Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 29.01.2009 - 2 S 33/08) hat entschieden:
  1. Zum Regress des Haftpflichtversicherers bei Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers.

  2. Die Bestellung eines eigenen Rechtsanwaltes begründet eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, wenn dieser damit die Prozeßführung des Haftpflichtversicherers „durchkreuzt“.

Siehe auch Die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts neben dem der Versicherung im Prozess des Unfallgegners gegen Haftpflichtversicherung und Versicherungsnehmer und Prozesskosten - Verfahrenskosten - Kosten des Rechtsstreits


Zum Sachverhalt: Der Beklagte nahm bei der Klägerin eine Haftpflichtversicherung für den von ihm gehaltenen Pkw mit dem Kennzeichen ….

§ 7 II (5) der von der Klägerin verwandten AKB lautet:
„Wenn es zu einem Rechtsstreit kommt, hat der Versicherungsnehmer die Führung eines Rechtsstreites dem Versicherer zu überlassen und dem vom Versicherer bestellten Anwalt Vollmacht und jede verlangte Aufklärung zu geben.“
Der Bruder des Beklagten verunfallte am 26.07.2006 mit dem versicherten Pkw. Es kam zu einer Kollision mit dem Fahrzeug eines Herrn H. Die Einzelheiten des Unfallgeschehens sind zwischen den Parteien streitig. Herr H. machte gegenüber der Klägerin Schadensersatzansprüche geltend. Nachdem die Klägerin eine Befriedigung dieser Ansprüche zunächst abgelehnt hatte, erhob Herr H. Klage gegen die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits und den Bruder des Beklagten als Fahrer. Gegen die ihm am 19.10.2006 zugestellte Klage wollte sich der Beklagte zur Wehr setzen. Er und sein Bruder beauftragten den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in dem Rechtsstreit, was der Prozessbevollmächtigte des Beklagten der Klägerin mit Schreiben vom 09.11.2006 anzeigte. Dieser hatte mit Schreiben vom 20.10.2006 gegenüber dem Landgericht Duisburg die Verteidigungsbereitschaft angezeigt.

Die Klägerin entschloss sich, Ansprüche des Herrn H. zu regulieren. Mit Schreiben vom 26.10.2006 rechnete sie gegenüber dessen Prozessbevollmächtigten die Ansprüche ab, bat um Rücknahme der Klage und versicherte, dass seitens der Beklagten keine Kostenanträge gestellt würden. Daraufhin nahm der Prozessbevollmächtigte des Herrn H. die Klage zurück und wies darauf hin, dass die Beklagten zugesichert hätten, keinen Kostenantrag zu stellen. Dessen ungeachtet stellte der Prozessbevollmächtige des Beklagten einen Kostenantrag. Daraufhin legte das Landgericht Duisburg Herrn H. die Kosten des Rechtsstreits im Beschlusswege auf. Dessen gegen den Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg.

Das Landgericht Duisburg setzte die Herrn H. zu erstattenden Kosten mit 856,45 € nebst Zinsen fest. Daraufhin zahlte Herr H. den Betrag in Höhe der Klageforderung an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Die Klägerin wiederum erstattete Herrn H. diesen Betrag, da die Zusage, keinen Kostenantrag zu stellen, nicht eingehalten wurde.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 930,80 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.
Sie war der Auffassung, ihr stehe gegen den Beklagten ein Regressanspruch zu, da dieser gegen seine Obliegenheit aus § 7 II (5) AKB verstoßen habe.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er behauptete, sein Bruder habe den Schaden vom 26.07.2006 nicht allein schuldhaft verursacht. Im Übrigen habe es dem Beklagten frei gestanden, einen eigenen Anwalt zu beauftragen. Bei einer Interessenkollision sei es dem Versicherungsnehmer nicht zumutbar, sich durch seinen Haftpflichtversicherer vertreten zu lassen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Obliegenheitsverletzung des Beklagten nicht vorliege, weil ein Versicherungsnehmer immer dann, wenn die Versicherung zum Ausdruck gebracht habe, dass sie die Forderung vorgerichtlich nicht begleichen wolle, er alles zu unternehmen habe, damit eine Entscheidung zu Lasten des Versicherungsnehmers und seiner Versicherung erschwert oder gar verhindert wird. Hierzu diene es, wenn der in Anspruch genommene Beklagte sich anwaltlicher Hilfe bediene.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgte.

Die Berufung war erfolgreich.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Berufung ist begründet.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Denn der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch in Höhe der Klageforderung aus §§ 426 BGB, 3 Nr. 9 PflVG a.F. in Verbindung mit § 7 II (5), V (1) AKB, § 6 Abs. 3 VVG a.F. zu. Die Klägerin kann den Beklagten mit Erfolg in Regress nehmen, da sie gegenüber diesem aufgrund einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei geworden ist.

Dabei liegt eine Obliegenheitsverletzung nicht in der Stellung des Kostenantrages durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten (dazu im Folgenden 1.). Der Beklagte hat aber eine Obliegenheitsverletzung begangen, als er seinen Prozessbevollmächtigten mandatierte (2.).

1. Unzweifelhaft hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten § 7 II (5) AKB zuwider gehandelt, als er den Kostenantrag stellte. Er hat die sich aus § 10 Abs. 4 AKB ergebende Vollmacht des Versicherers missachtet. Aus § 10 Abs. 4 AKB ergibt sich eine uneingeschränkte Vollmacht des Versicherers nach außen zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen mit bindender Wirkung auch gegenüber dem Versicherungsnehmer (vgl. BGH NJW-RR 2009, 382; NJW 2007, 69 zu den AHB). Die Erklärung des Versicherers, im Falle einer Klagerücknahme keinen Kostenantrag zu stellen, hatte daher bindende Wirkung auch für den Versicherungsnehmer und mitversicherte Personen ( LG Bochum RuS 1991, 363).

Allerdings lässt sich aus diesem Verhalten eine Obliegenheitsverletzung des Beklagten mangels Zurechnungsmöglichkeit nicht herleiten. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ist nicht dessen Erfüllungsgehilfe im Verhältnis zur Klägerin. Auch kann der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nicht als sein Repräsentant angesehen werden. Dies würde voraussetzen, dass der Beklagte seinen Prozessbevollmächtigten zumindest teilweise mit der Verwaltung des Versicherungsvertrages betraut hätte (vgl. hierzu Rixecker, Anm. zu KG Berlin zfs 2008, 342 ff.). Eine dahingehende Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist nicht ersichtlich. Die Mandatierung stand im Zusammenhang mit der Verteidigung gegen die Klage des Unfallgegners H.

2. Der Beklagte hat jedoch selbst gegen die Obliegenheit des § 7 II (5) AKB verstoßen, als er seinen Prozessbevollmächtigten mandatierte. Allerdings begründet die bloße Beauftragung eines eigenes Rechtsanwaltes noch keine Obliegenheitsverletzung (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AGB, Rn. 60; offen gelassen von BGH NJW 1981, 1952). Nach zutreffender Ansicht ist jedoch eine Obliegenheitsverletzung zu bejahen, wenn mit der Bestellung eines eigenes Rechtsanwaltes die Prozessführung des Versicherers „durchkreuzt“ wird (Prölss/Martin, a.a.O., § 5 AHB, Rn. 14; vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl., § 7 AKB Rn. 193 f.; Strenger Littbarski, AHB, § 5, Rn. 78 f.: Obliegenheitsverletzung bereits bei fehlender Zustimmung des Versicherers zur Einschaltung eines eigenen Rechtsanwaltes).

Diese Auslegung des § 7 II (5) AKB ist vom Wortlaut gedeckt und steht im Einklang mit dem erkennbaren Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Es gilt, Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Berechtigung der Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwaltes zu vermeiden. Insbesondere sollen Friktionen aufgrund unterschiedlicher Auffassungen und Prozesshandlungen verschiedener Rechtsanwälte vermieden werden (vgl. Littbarski a.a.O.).

Vorliegend durchkreuzte der Beklagte mit der Bestellung eines eigenen Rechtsanwalts die Prozessführung der Klägerin, welche die Entscheidung darüber umfasst, ob überhaupt der Rechtsstreit aufgenommen wird. Wie aus dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2006 hervorgeht, hat ein Sachbearbeiter der Klägerin ihm erklärt, dass die Klägerin „mit bestimmten Kanzleien zusammenarbeiten würde, die sich dieser Sache annehmen“ als er diesem „den Sachverhalt schilderte“. Bei dieser Sachlage war es für den Beklagten erkennbar noch offen, ob die Klägerin sich zur Regulierung gegenüber dem Unfallgegner entschließen würde. Damit durchkreuzte der Beklagte durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit dem Ziel, Ansprüchen des Unfallgegners entgegen zu treten die Prozessführung der Klägerin. Er verfolgte mit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes seine eigenen Interessen, die denen der Klägerin zuwider liefen.

Vorliegend war auch nicht ausnahmsweise die Mandatierung eines eigenen Rechtsanwaltes gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung für die Mandatierung eines eigenen Rechtsanwaltes wäre in Betracht zu ziehen, falls die Klägerin ihr Regulierungsermessen überschritten hätte. Dem Versicherer steht dabei ein weiter Ermessensspielraum zu (im Einzelnen vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR- Handbuch, 2. Aufl., § 29, Rn. 35 ff.). Ein ermessensfehlerhaftes Handeln der Klägerin trägt der Beklagte nicht vor. Insbesondere war die Klägerin nicht gehalten, die Unfallschilderung des Beklagten unkritisch zugrunde zu legen. Ein Ermessensfehlgebrauch ist auch nicht sonst ersichtlich. Es lagen widerstreitende Unfallschilderungen vor. Der Unfallgegner bezog sich in seiner Klageschrift für seine Unfalldarstellung auf das Zeugnis einer nicht im „Lager“ einer der Unfallbeteiligten stehenden Personen.

Nach alledem liegt eine Obliegenheitsverletzung objektiv vor. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit der Klägerin sind gegeben. Der Beklagte handelte grob fahrlässig, als er ungeachtet der o.g. Erklärungen des Sachbearbeiters der Klägerin einen eigenen Rechtsanwalt beauftragte. Dem Beklagten mußte sich die Erkenntnis aufdrängen, dass die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwaltes den Interessen der Klägerin zuwiderlief. Die Verletzung der Obliegenheit ist nicht folgenlos geblieben. Sie hat Einfluss auf den Umfang der der Klägerin obliegenden Leistung gehabt hat (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VVG, § 7 V (1) Satz 2 AKB). Die Mandatierung des Prozessbevollmächtigten hatte zur Folge, dass die Klägerin dem Unfallgegner Prozesskosten zu erstatten hatte. Denn dies wiederum war Folge der zu missbilligenden Stellung eines Kostenantrages durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Die dem Unfallgegner zu erstattenden Prozesskosten wären insgesamt nicht entstanden, so dass eine Aussonderung der Kosten, die im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Kostengrundentscheidung entstanden sind, nicht in Betracht kommt.

Soweit der Beklagte noch bestritten hat, dass die von der Klägerin vorgelegten AKB diejenigen seien, die dem Versicherungsvertrag mit der Klägerin zugrunde lagen, so ist dies unerheblich. Der Beklagte durfte sich bereits nicht auf einfaches Bestreiten hinsichtlich des Inhaltes der AKB verlegen, weil es ihm oblag, die streitgegenständlichen AKB mit den ihm bei Vertragsschluss überreichten zu vergleichen. Im Übrigen sind die AKB in den hier interessierenden Teilen seit geraumer Zeit unverändert geblieben und werden von allen Haftpflichtversicherern so verwandt. ..."







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