Eine gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens liegt immer dann vor, wenn ein Ermittlungsorgan den Willen geäußert hat, dass dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt werden soll. Dies ist anzunehmen, wenn der zuständige Beamte der Verwaltungsbehörde verfügt hat, dass dem Betroffenen ein Anhörungsbogen zugesandt werden soll. Eine derartige Verfügung liegt auch vor, wenn der Wille des Sachbearbeiters als elektronischer Befehl zur Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens im Arbeitsprogramm des Rechners der Verwaltungsbehörde niedergelegt wird. Es macht nämlich keinen sachlichen Unterschied, ob eine schriftliche Verfügung des Sachbearbeiters, den Anhörungsbogen zu erstellen und zu versenden, an eine mit dieser Aufgabe betraute Schreibkraft gerichtet oder ob eine in der Sache identische, aber elektronisch gespeicherte Verfügung des Sachbearbeiters vom Arbeitsprogramm des Rechners ausgeführt wird. In beiden Fällen wird der vom Sachbearbeiter gefasste Wille, gegen einen bestimmten Betroffenen wegen einer bestimmten mit Bußgeld bedrohten Handlung vorzugehen, auf gleiche Weise konkretisiert.Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Steinfurt vom 17. Dezember 2007 eine Geldbuße in Höhe von 125,00 Euro sowie unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden. Der Betroffene soll am 12. September 2007 um 3.21 Uhr als Führer des Pkw Ford mit dem amtlichen Kennzeichen OS-... in Ibbenbüren im Bereich der L 501/L 796 in Fahrtrichtung Lotte/Osnabrück außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h infolge Fahrlässigkeit um 46 km/h überschritten haben. Gegen den ihm am 19. Dezember 2007 zugestellten Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2007, der am selben Tage bei dem Kreis Steinfurt eingegangen ist, Einspruch eingelegt.
In der Hauptverhandlung vom 16. Mai 2008 hat das Amtsgericht den Betroffenen aus Rechtsgründen freigesprochen, weil zwischen Tatbegehung und Erlass des Bußgeldbescheides Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Die Frage einer zwischenzeitlichen Verjährungsunterbrechung hat das Amtsgericht nicht geprüft.
Hiergegen richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Münster, die mit der Rüge der Verletzung des materiellen Rechts die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ibbenbüren begehrt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich diesem Antrag insoweit angeschlossen, als die Zurückverweisung an das Amtsgericht Ibbenbüren beantragt wird.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Münster hat jedenfalls einen vorläufigen Erfolg.
Abgesehen davon, dass bei Vorliegen eines Verfahrenshindernisses das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO hätte durch Urteil eingestellt werden müssen, ist Verfolgungsverjährung auch nicht eingetreten. Bei der Prüfung von Verfahrenshindernissen ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht an die vom Tatrichter hierzu getroffenen Feststellungen gebunden, sondern hat dies selbst unter Benutzung aller ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren zu prüfen (vgl. Göhler, OWiG, 51. Auflage, § 79 Rdnr. 47 a).
Vorliegend ergaben sich bereits aus Bl. 5, 9 und 11 d.A. deutliche Hinweise darauf, dass unter dem 19. Oktober 2007 eine Anhörung des Betroffenen erfolgt ist. Insoweit ist auch nicht erforderlich, dass für die Wirksamkeit einer solchen Anordnung zur Dokumentation der Übernahme der Verantwortung des Sachbearbeiters und für die Richtigkeit der Beurkundung des Datums der Verfügung die Anbringung einer Unterschrift oder eines Handzeichens in der Akte geboten wäre (so noch die Beschlüsse des OLG Dresden vom 27.4.2004 (DAR 2004, 534) und vom 10.5.2005 (DAR 2005, 570)). Eine gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens liegt vielmehr immer dann vor, falls ein Ermittlungsorgan den Willen geäußert hat, dass dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt werden soll (vgl. zum insoweit wortgleichen § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB: Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 78 c Rdn. 3). Solches wird angenommen, wenn der zuständige Beamte der Verwaltungsbehörde verfügt hat, dass dem Betroffenen ein Anhörungsbogen zugesandt werden soll (BGHSt 25, 6, 8). Eine derartige Verfügung liegt auch vor, wenn der Wille des Sachbearbeiters als elektronischer Befehl zur Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens im Arbeitsprogramm des Rechners der Verwaltungsbehörde niedergelegt wird (vgl. Olizeg, NZV 2005, 130). Es macht nämlich keinen sachlichen Unterschied, ob eine schriftliche Verfügung des Sachbearbeiters, den Anhörungsbogen zu erstellen und zu versenden, an eine mit dieser Aufgabe betraute Schreibkraft gerichtet oder ob eine in der Sache identische, aber elektronisch gespeicherte Verfügung des Sachbearbeiters vom Arbeitsprogramm des Rechners ausgeführt wird. In beiden Fällen wird der vom Sachbearbeiter gefasste Wille, gegen einen bestimmten Betroffenen wegen einer bestimmten mit Bußgeld bedrohten Handlung vorzugehen, auf gleiche Weise konkretisiert (so BGH, DAR 2006, 462 (462 f.) = NStZ 2007, 177 = BGHSt 51, 73).
Diese Voraussetzungen sind hier zweifelsfrei erfüllt. Der Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde hatte nach Auswertung der Messfotos das Geschlecht des Betroffenen gespeichert und sodann den elektronisch gespeicherten Befehl hinterlegt, dass dem Halter, soweit das Geschlecht des Halters mit der gemessenen Person übereinstimmt, einen Anhörungsbogen als Betroffener erhalten sollte. Der nach automatischer Speicherung der Daten des Betroffenen, die die Bußgeldbehörde aufgrund der Halteranfrage beim Kraftfahrtbundesamt erlangt hatte, gegen diesen gerichtete Verfolgungswille des Sachbearbeiters der Verwaltungsbehörde hat sich somit in den elektronisch gespeicherten Befehlen zur Fertigung und Versendung des Anhörungsbogens manifestiert. Insoweit ist ausreichend, dass die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens dem Betroffenen mittels eines (auch gespeicherten) elektronischen Briefes (vgl. Weller in KK OWiG, 3. Aufl., § 33 Rdn. 11) erfolgt oder das Arbeitsprogramm des Rechners der Verwaltungsbehörde nach Eingabe der Daten des Betroffenen die Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens selbsttätig veranlasst. Auf den tatsächlichen Zugang des Anhörungsschreiben bei dem Betroffenen kommt es hingegen nicht an (vgl. Göhler, a.a.O., § 33 Rdnr. 11).
Dieses Ergebnis wird auch dem Zweck der Anhörung gerecht, denn dieser erfordert keine schriftliche Dokumentation der Anordnung. Die Rechtseinrichtung der Verjährung soll dem Rechtsfrieden und damit der Rechtssicherheit dienen und einer etwaigen Untätigkeit der Behörden in jedem Abschnitt des Verfahrens entgegentreten (vgl. BGHSt 11, 393; 396; 12, 335, 337). Der Rechtsfrieden tritt nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Verjährungsfrist durch Eintritt der Verfolgungsverjährung ein. Den Möglichkeiten einer Verjährungsunterbrechung kommt demnach als Eingriff in eine vom Gesetz festgesetzte Regelfrist Ausnahmecharakter zu, der zu einer engen Auslegung der Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung nötigt (vgl. BGHSt 12, 335, 337; 26, 80, 83; 28, 381, 382). Indes liegt es in der Natur der Sache, dass in den Fällen, in denen das Gesetz zur Unterbrechung der Verjährung die Anordnung einer Maßnahme genügen lässt, die Unterbrechungshandlung grundsätzlich auch mündlich oder durch schlüssige Handlung ergehen kann (vgl. zu § 78 c Abs. 1 Nr. 3 StGB: BGHSt 28, 381, 382; BGH, Beschl. vom 10.9.1982 3 StR 280/82; zu § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG: OLG Schleswig, VRS 63, 138; OLG Hamm, NStZ 1988; 137). Deshalb ist auch die Anordnung der Anhörung des Betroffenen grundsätzlich an keine bestimmte Form gebunden (vgl. KG, VRS 100, 134, 135; Gübner; NZV 1998, 230, 232; König, DAR 2002, 526; Olizeg, NZV 2005, 130).
Allerdings erfordert jede Feststellung, ob die Verjährungsfrist abgelaufen ist, eine hierfür ausreichend transparente Entscheidungsgrundlage. Die Voraussetzungen einer verjährungsunterbrechenden Anordnung müssen deshalb nach ihrem Inhalt und dem Zeitpunkt ihres Ergehens erkennbar sein und in ihrer Wirkung auf das Verfahren abgeschätzt werden können (vgl. zu § 78 c Abs. 1 Nr. 3 StGB: BGHSt 28, 381, 382; BGH bei Holtz MDR 1978, 986). Für die Wirksamkeit der Anordnung, dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt zu geben, ist es ausreichend, dass sich für deren Zeitpunkt und Inhalt konkrete Anhaltspunkte aus den Akten ergeben (vgl. zu § 78 c Abs. 1 Nr. 3 StGB: BGHSt 30, 215, 219 f.; BGH, Beschl. vom 10.9.1982 3 StR 280/82; zu § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG: KG, VRS 100, 134, 135) und sich so der behördliche Wille zur Vornahme der Unterbrechungshandlung mit Gewissheit feststellen lässt (vgl. BayObLG, DAR 2004, 401; 531, 532; VRS 62, 58, 59; Weller in KK OWiG 3. Aufl. § 33 Rdn. 11; Göhler, OWiG 14. Aufl. § 33 Rdn. 45; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG 3. Aufl. § 33 Rdn. 46 a; Lemke/Mosbacher OWiG 2. Aufl., § 33 Rdn. 10). Nichts anderes hat zu gelten, wenn die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an den Betroffenen mittels eines (auch gespeicherten) elektronischen Briefes (vgl. Weller in KK OWiG 3. Aufl. § 33 Rdn. 11) erfolgt oder wenn ein Arbeitsprogramm des Rechners der Verwaltungsbehörde nach individueller Eingabe der Daten des Betroffenen die Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens selbsttätig veranlasst (vgl. hierzu grundlegend: BGH, DAR 2006, 462 (463 f.) = NStZ 2007, 177 = BGHSt 51, 73).
Entscheidendes Erfordernis für die Annahme einer mit verjährungsunterbrechenden Wirkungen verbundenen Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung bzw. Anhörung ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, dass dem Betroffenen klar gemacht wird, welchen Status, Zeuge oder Betroffener, er inne hat, da hieran unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen. Das ist hier erfüllt, weil der Betroffene in dieser prozessualen Rolle angehört worden ist und somit Zweifel über seinen prozessualen Status nicht aufkommen konnten. Weitere Voraussetzung der Wirksamkeit der Anhörung ist die hinreichende Individualisierung des Betroffenen, wobei sich ermitteln lassen können muss, dass der Verfolgungswille der Verwaltungsbehörde sich gerade auf die Person des Betroffenen bezog. Auch diese Voraussetzung ist nach den zu berücksichtigenden Ermittlungen des Senats gegeben. Der elektronisch niedergelegte Verfolgungswille des individualisierbaren Sachbearbeiters der Verwaltungsbehörde bezog sich nämlich im ersten Schritt auf die Person des Halters, soweit diese nach ihrem Geschlecht mit der abgebildeten Person des Fahrers übereinstimmte. Auch das reicht nach Ansicht des Senats aus, um die in einem computergestützten Massenverfahren so individualisierten Person als Betroffenen anzuhören.
Bei dieser eindeutigen Sachlage kommt dem Umstand, dass die Verwaltungsbehörde das Verjährungsdatum zunächst nicht der neuen prozessualen Situation angepasst hat, keine Bedeutung zu.
Die Sache bedarf daher der neuen Behandlung und Entscheidung durch das Amtsgericht. Gründe, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, sind nicht erkennbar."