Das Verkehrslexikon
OLG Dresden Beschluss vom 25.05.2009 - Ss (OWi) 83/09 - Zur Zulässigkeit der Täteridentifikation durch eine Videoaufzeichnung
OLG Dresden v. 25.05.2009: Zur Zulässigkeit der Täteridentifikation durch eine Videoaufzeichnung
Das OLG Dresden (Beschluss vom 25.05.2009 - Ss (OWi) 83/09) hat entschieden:
Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Identifikation eines Betroffenen anhand eines bei dem Verkehrsverstoß gefertigten Tatfotos (BGH, a.a.O.) gelten daher auch für die Identifikation anhand einer Videoaufzeichnung (OLG Zweibrücken, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches OLG, SchlHA 2007, 288). Die vom Brandenburgischen Oberlandesgericht geäußerte Gegenauffassung, zur Identifizierung des Fahrers „scheine“ es grundsätzlich ausgeschlossen, auf einen Videofilm insgesamt zu verweisen, da Zweifel am Gegenstand der Verweisung nicht ausgeschlossen werden konnten ( DAR 2005, 635), hält der Senat für nicht zutreffend. Bei einer hinreichend konkreten Bezugnahme auf einen auf Videokassette oder CD-Rom aufgenommenen Videofilm halt der Senat Zweifel am Gegenstand der Verweisung für nicht nachvollziehbar.
Siehe auch Ungenehmigte Video-und Foto-Personenaufnahmen und deren Verwertung und Verwertungsverbote
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Das Amtsgericht Eilenburg hat den Betroffenen mit Urteil vom 19. September 2008 wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Abstandes zu einer Geldbuße von 170,00 EUR verurteilt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat gegen ihn verhängt.
Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Verfahrens- sowie der Sachrüge begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, sie ist der Auffassung, das Amtsgericht habe zur Täteridentifizierung nicht wirksam auf eine Videosequenz Bezug genommen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich als unbegründet.
1. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages sowie die Aufklärungsrüge erweisen sich bereits als unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG nicht entsprechen.
Der Beschwerdeführer muss die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so vollständig und genau mitteilen, dass das Rechtsbeschwerdegericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Für einen erschöpfenden Vortrag sind dabei auch die Verfahrenstatsachen vorzutragen, die der erhobenen Rüge entgegenstehen könnten. Dies hat die Rechtsbeschwerde vorliegend unterlassen. Nachdem der Verteidiger den Beweisantrag gestellt hatte, erläuterte das Gericht weiter, dass Nasenpartie und Nasenlöcher durch Schattierungen zu sehen seien sowie die Nasenspitze höher stehe und dies bei dem Betroffenen gut zu erkennen sei. Diese gerichtliche Erläuterung teilt die Rechtsbeschwerde nicht mit, obwohl sie für die Beurteilung der Verfahrensrüge bedeutsam ist. Gleiches gilt für die erhobene Aufklärungsrüge.
Unabhängig davon waren die Rügen auch unbegründet. Die Frage, ob der Betroffene mit dem auf dem Tatfoto bzw. Tatvideo abgebildeten Fahrzeuglenker identisch ist, wird nicht durch ein Sachverständigengutachten, sondern durch einen Lichtbildvergleich im Wege des Augenscheins festgestellt. Die darauf beruhende Beurteilung über die Täterschaft des Betroffenen und die Qualität des Lichtbildes ist Aufgabe des erkennenden Gerichts (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2001, Az.: 3 Ws [B] 612/00).
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen ergeben.
Die Beweiswürdigung entspricht den Anforderungen an die Urteilsdarstellung bei Identifizierung eines Betroffenen anhand eines bei der Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigten Tatfotos bzw. Tatvideos ( BGH NJW 1996, 1420).
Die Tatrichterin hat den Betroffenen als Täter des vorgeworfenen Verkehrsverstoßes aufgrund Inaugenscheinnahme des Betroffenen und Vergleich desselben mit der ebenfalls in Augenschein genommenen anlässlich der Tatbegehung gefertigten Videosequenz identifiziert. Dies ist ausreichend.
2. a. Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vorgetragenen und von der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen Auffassung kann der Tatrichter wirksam gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG bezüglich der Einzelheiten nicht nur auf einzelne Tatfotos, sondern auch auf ein Tatvideo als Ganzes verweisen.
Unter den Begriff der „Abbildungen“ im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO fallen nach allgemeiner Meinung alle Arten von bildlichen Darstellungen, also alle durch Gesichts- und Tastsinn in ihrem Aussagegehalt erfassbaren Gebilde. Format und Material des Bildträgers spielen dabei keine Rolle (vgl. Löwe-Rosenberg-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 267 Rdnr. 13; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 267 Rdnr. 4; KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 267 Rdnr. 6).
Eine für die Bezugnahme geeignete Abbildung im vorgenannten Sinne liegt nach Auffassung des Senats auch dann vor, wenn – wie vorliegend – technische Hilfsmittel notwendig sind, um sie betrachten zu können. Dies ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck der Regelung des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, der die Bezugnahme auf bei der Akte befindliche Abbildungen gerade zur Vereinfachung der schriftlichen Urteilsgründe und zur Verringerung des Schreibwerks zulässt (so Löwe-Rosenberg-Gollwitzer, a.a.O., RdNrn. 11, 14; KK-Engelhard, a.a.O.; Pfeiffer, a.a.O.).
Damit stellen auch Videoaufzeichnungen geeignete Abbildungen im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO dar, auf die der Tatrichter in den Urteilsgründen wegen der Einzelheiten verweisen darf (so auch OLG Zweibrücken, DAR 2002, 234; OLG Rostock, Beschluss vom 10. Juni 2004, Az.: 2 Sa OWi 167/04 – zitiert nach Juris; wohl auch Schleswig-Holsteinisches OLG, SchlHA 97, 170; SchlHA 2007, 268).
Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Identifikation eines Betroffenen anhand eines bei dem Verkehrsverstoß gefertigten Tatfotos (BGH, a.a.O.) gelten daher auch für die Identifikation anhand einer Videoaufzeichnung (OLG Zweibrücken, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches OLG, SchlHA 2007, 288). Die vom Brandenburgischen Oberlandesgericht geäußerte Gegenauffassung, zur Identifizierung des Fahrers „scheine“ es grundsätzlich ausgeschlossen, auf einen Videofilm insgesamt zu verweisen, da Zweifel am Gegenstand der Verweisung nicht ausgeschlossen werden konnten ( DAR 2005, 635), hält der Senat für nicht zutreffend. Bei einer hinreichend konkreten Bezugnahme auf einen auf Videokassette oder CD-Rom aufgenommenen Videofilm halt der Senat Zweifel am Gegenstand der Verweisung für nicht nachvollziehbar. Eine Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 GVG besteht nicht, da die Ausführungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für dessen Entscheidung nicht relevant waren; es handelte sich insoweit um ein „obiter dictum“ (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. § 121 OVG, Rdnr. 11).
2. b. Vorliegend hat die Tatrichterin in den Urteilsgründen wirksam gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die bei der Akte befindliche Cd-Rom, welche die in Bezug genommene Videosequenz enthält, verwiesen. Soweit diesbezüglich in den Urteilsgründen § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO und nicht richtigerweise § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zitiert wird, handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich eindeutig, dass die Amtsrichterin die in Augenschein genommene Videosequenz zum Gegenstand der Urteilsgründe machen wollte.
Der Umstand, dass die konkrete Aktenstelle mit Blattzahl, an der sich die CD-Rom befindet, nicht ausdrücklich genannt ist, schadet vorliegend nicht, da sich nur eine CD-Rom bei der Akte befindet. Der Verweisungsbezug ist daher eindeutig.
2. c. Die Videosequenz, die dem Senat aufgrund der wirksamen Verweisung zugänglich ist, ist von hinreichender Qualität und damit zur Identifizierung des Betroffenen geeignet.
Nach alledem war die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet zu verwerfen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG."