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Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Köln Urteil vom 18.12.2008 - 20 K 3999/07 - Keine Verpflichtung zur Umschau nach Halteverbotsschildern, wenn vor einem Parkplatz ein Erlaubnisschild angebracht ist

VG Köln v. 18.12.2008: Keine Verpflichtung zur Umschau nach Halteverbotsschildern, wenn vor einem Parkplatz ein Erlaubnisschild angebracht ist


Das Verwaltungsgericht Köln (Urteil vom 18.12.2008 - 20 K 3999/07) hat entschieden:
Ist vor einer Parktasche ein Parkerlaubnisschild mit dem Hinweis „mit Parkschein werktags 9 - 21 h“ (Zeichen 314 mit Zusatz) angebracht und ist das Lösen eines Parkscheins möglich, so muss der Fahrzeugführer keine weitere Umschau halten, ob die vorgefundene Beschilderung durch eine an anderer Stelle angebrachte Verbotsbeschilderung aufgehoben sein könnte. Ein dennoch durchgeführter Abschleppvorgang ist rechtswidrig, so dass keine Kostentragungspflicht besteht.


Siehe auch Abschleppkosten bei Halt- und Parkverstößen und Stichwörter zum Thema Abschleppkosten


Tatbestand:

Der Kläger stellte am Donnerstag, den 26.04.2007 das Fahrzeug Typ VW mit dem amtlichen Kennzeichen WTM - 00 000 an der Deutzer Freiheit ab und legte einen Parkschein, gültig bis 27.04.2007, 9.16 Uhr hinter der Scheibe des Fahrzeuges aus. Im maßgeblichen Bereich sind auf einem Seitenstreifen fünf Parktaschen schräg angeordnet. Der Kläger parkte seinen Wagen auf dem am rechten Rand der ausgewiesenen Parkfläche angelegten Parkplatz. Vor Kopf dieses Parkplatzes befindet sich eine stationäre Parkerlaubnisbeschilderung (Zeichen 314). Auf einem Zusatzschild ist ausgewiesen „mit Parkschein werktags (9 - 21 h)“. Vor dem drei Buchten weiter links befindlichen Parkplatz befindet sich ein Haltverbotsschild (Zeichen 283) mit dem Zusatz „Fr 5 - 14 h auf dem Seitenstreifen“. Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf die Skizze Bl. 17 des Verwaltungsvorgangs sowie die Lichtbilder (Bl. 15 und 16 des Verwaltungsvorgangs) Bezug genommen.

Nachdem Mitarbeiter des Beklagten am Freitag, den 27.04.2007 den Wagen des Klägers an der genannten Stelle vorfanden, erteilten sie um 5.05 Uhr einen Abschleppauftrag. Der Kläger löste sein Fahrzeug um 10.33 Uhr desselben Tages bei der Firma Mauritius gegen Zahlung der Abschleppkosten in Höhe von 102,34 EUR aus. Dort wurde dem Kläger unter anderem ein mit Rechtsbehelfsbelehrung versehener „Sicherstellungsauftrag“ ausgehändigt.

Der Kläger legte durch seinen Prozessbevollmächtigten unter dem 22.05.2007 Widerspruch gegen die Sicherstellung ein und beantragte die Erstattung des gezahlten Betrages. Er macht geltend, er habe in einem Bereich geparkt, in dem das Parken erlaubt gewesen sei, wobei er den erforderlichen Parkschein ausgelegt habe. Eine Verbotsbeschilderung für Freitag 5 - 14 h habe nur bezüglich einer anderen Parkfläche bestanden. Der Beklagte erließ unter dem 06.06.2007 zunächst einen Leistungsbescheid über die Kosten der Sicherstellung eines verkehrswidrig abgestellten Kfz. In diesem Bescheid wurden zugleich Verwaltungsgebühren in Höhe von 25 EUR festgesetzt. Ferner erließ der Beklagte einen gesonderten Gebührenbescheid über 25 EUR; in diesem Bescheid wurde auf den Leistungsbescheid Bezug genommen.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger unter dem 12.06.2007 Widerspruch ein, über den nicht entschieden wurde.

Der Kläger hat am 28.09.2007 Untätigkeitsklage sowohl gegen den Sicherstellungsauftrag als auch gegen den Leistungs- und den Gebührenbescheid jeweils vom 06.06.2007 erhoben. Er verweist darauf, dass die vorhandenen Beschilderungen sich an Freitagen im Zeitraum von 5 - 14 Uhr widersprächen, indem sowohl Zeichen 314 als auch Zeichen 283 durch einen weißen Pfeil im Schild Geltung für sich beanspruchten. Aus diesem Grunde fehlt es nach Auffassung des Klägers an einer hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der Verkehrsregelung, mit der Folge ihrer Unwirksamkeit.

Der Kläger beantragt,
den Sicherstellungsauftrag vom 27.04.2007 sowie den Leistungs- und den Gebührenbescheid vom 06.06.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Abschleppmaßnahme für rechtmäßig, da das Haltverbot (Zeichen 283) auch für den Bereich Geltung beanspruche, in dem der Kläger geparkt habe. Des Weiteren vertritt er die Auffassung, bei der Verbotsbeschilderung (freitags von 5 - 14 Uhr) handele es sich um eine spezielle Regelung, welche Vorrang vor einer allgemeinen Regelung (werktags 9 - 21 Uhr) habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden; die Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt.

Die Klage ist gemäß § 75 VwGO als Untätigkeitsklage zulässig, nachdem der Beklagte ohne zureichenden Grund über die Widersprüche des Klägers länger als drei Monate nicht entschieden hat.

Sie ist auch begründet.

Soweit sich die Klage gegen die als „Sicherstellungsauftrag“ bezeichnete Verfügung vom 24.07.2007 richtet, ist sie auch in Ansehung der Klarstellung des Regelungsgegenstandes dieser Verfügung im Schriftsatz des Beklagten vom 26.11.2008 zulässig. Dort hat der Beklagte ausgeführt, Regelungsgehalt der Verfügung sei (allein) die Festlegung, dass eine Herausgabe des sichergestellten Fahrzeugs nur gegen Zahlung der durch die Sicherstellung entstandenen Kosten an das Abschleppunternehmen erfolge.

Ein derartiger (ausschließlicher) Inhalt ist nach dem Empfängerhorizont nicht erkennbar. Bezüglich des unklaren Regelungsgehaltes dieser Verfügung wird im Übrigen auf die Verfügung des Gerichts vom 08.09.2008 Bezug genommen. Wegen des belastenden Rechtsscheins der Verfügung, der vom Kläger ausweislich des Schreibens vom 12.06.2007 als Grundverwaltungsakt über die Sicherstellung verstanden worden ist, ist die Klage zulässig.

Des Weiteren ist Gegenstand der Klage der als Leistungsbescheid bezeichnete Leistungs- und Gebührenbescheid des Beklagten vom 06.06.2007, wobei der Beklagte klargestellt hat, dass es sich bei der im Gebührenbescheid festgesetzten Gebühr um dieselbe Gebühr handele, welche bereits mit dem Leistungsbescheid festgesetzt worden sei.

Die genannten Verfügungen sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. Satz 1 VwGO.

Die Abschleppmaßnahme vom 27.04.2007 war rechtswidrig. Der Kläger ist nicht verpflichtet, für die durchgeführte Abschleppmaßnahme Verwaltungsgebühren gemäß § 77 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 7a Abs. 1 Nr. 7 KostO NRW zu entrichten.

Die Tatbestandsmerkmale des § 14 OBG NRW i.V.m. § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NRW bzw. des § 24 OBG NRW, § 43 Nr. 1, § 46 Abs. 3 PolG NRW sind nicht erfüllt.

Voraussetzung für ein Eingreifen nach den vorgenannten Vorschriften ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der mit Mitteln des Ordnungsrechtes begegnet werden kann. Zur öffentlichen Sicherheit im Sinne des Ordnungsrechts gehört die Unverletzlichkeit der geschriebenen Rechtsordnung, zu welcher wiederum auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) zählt.

Im Zeitpunkt des Einschreitens des Beklagten lag ein Verstoß gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung nicht vor. Insbesondere ist der Tatbestand des § 12 Abs. 1 Nr. 6a StVO nicht erfüllt. Der Kläger hat das Fahrzeug nicht in einem Bereich abgestellt, in dem das Halten und Parken wirksam durch Verkehrszeichen 283 nach § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO verboten war.

Das Haltverbotsschild Z 283 als Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG NRW) wird gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG NRW gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt bei Verkehrszeichen durch Aufstellen (§ 39 Abs. 1 und 1a, § 45 Abs. 4 StVO).
vgl. BVerwG; Urteil vom 11.12.1996, - 11 C 15/95 -, BVerwGE 102, 316 ff;
Sie setzt voraus, dass das Zeichen von demjenigen, der mit seinem Fahrzeug in den Wirkungsbereich des Verkehrszeichens gelangt, bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabes ohne Weiteres wahrgenommen werden kann. Unerheblich ist dabei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ob der Betroffene das Verkehrszeichen tatsächlich wahrgenommen hat,
vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12 1996 - 11 C 15.95 -, wie vor sowie OVG NRW, Urteil vom 23.05.1995 - 5 A 2092/93 -, NWVBl. 1995, S. 475 und Urteil vom 15.05.1990, - 5 A 1687/89 -, NJW 1990, S. 2835.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die Anbringung oder Aufbringung in der Weise erfolgen muss, dass der im Sinne des § 1 StVO sorgfältig handelnde Verkehrsteilnehmer die Anordnung ohne weitere Überlegung eindeutig erfassen kann,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.05.1990, - 5 A 1687/89 -, NJW 1990, S. 2835 f., Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 30 StVO Rn 32 ff.
Ist diesen Maßgaben genügt, äußert das Zeichen die ihm eigentümliche Rechtswirkung.

Hier steht einer wirksamen verkehrsrechtlichen Anordnung durch Haltverbotsschild jedoch entgegen, dass unter Anwendung des Sorgfaltsmaßstabes aus § 1 StVO für den Verkehrsteilnehmer aufgrund der daneben angebrachten Erlaubnisbeschilderung (Zeichen 314 mit dem Zusatz „mit Parkschein werktags 9 - 21 h“) nicht eindeutig zu erkennen war, welche Verkehrsregelung für den Zeitraum der Überschneidung (freitags 5 - 14 h) tatsächlich maßgeblich sein sollte: durch die entsprechenden weißen Pfeile auf beiden Schildern beanspruchten beide Geltung für den hier maßgeblichen Bereich des Seitenstreifens.

Zunächst kann nicht festgestellt werden, dass der Verbotsbeschilderung aus sich heraus ein Geltungsvorrang vor der Erlaubnisbeschilderung zukommt. Für den Fall einer zeitlich befristeten Außerkraftsetzung einer Dauerbeschilderung durch eine mobile Haltverbotsbeschilderung ist dies vom OVG NRW so festgestellt worden,

vgl. Beschluss vom 07.12.2005 - 5 A 5109/94 - (veröffentlicht unter www.nrwe.de.).
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts beanspruchen diese Grundsätze auch in der hier gegebenen Konstellation zweier einander widersprechender Beschilderungen Geltung.

Auch vermag das Gericht nicht der Auffassung des Beklagten zu folgen, wonach die spezielle Regelung (freitags von 5 - 14 h) stets Vorrang vor einer allgemeinen Regelung (werktags von 9 - 21 h) - gemeint: Zeichen 314 mit der genannten Einschränkung - habe. Vielmehr hätte hier der zeitliche Umfang der Erlaubnisbeschilderung durch einen entsprechenden Zusatz klargestellt werden müssen.

Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen zur widersprüchlichen Beschilderung ist auch im konkreten Fall das Haltverbot dem Kläger gegenüber nicht wirksam bekannt gegeben worden: Angesichts des unmittelbar vor seiner Parktasche angebrachten Parkerlaubnisschildes sowie dem weiteren Umstand, dass es dem Kläger möglich war, einen gültigen Parkschein für Freitag, den 27.04.2007 zu ziehen, war für ihn die Parksituation im Sinne einer Parkberechtigung geklärt. Es bestand in der gegebenen Ausgangslage kein Anlass, weitere Informationen darüber einzuholen, ob die vorgefundene Beschilderung eventuell durch eine an anderer Stelle angebrachte Verbotsbeschilderung aufgehoben sein würde.

Fehlt es somit an einem Verstoß gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung liegt auch kein zur Einleitung eines Abschleppvorgangs berechtigender Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor, so dass die Abschleppmaßnahme rechtswidrig war. Der Kläger ist nicht verpflichtet, eine Verwaltungsgebühr für eine rechtswidrige Abschleppmaßnahme zu entrichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.