Das Verkehrslexikon
Kammergericht Berlin Beschluss vom 07.05.2009 - 12 U 56/09 - Zur Unnötigkeit von Zeugenvernehmung bei vorliegendem Unfallrekonstruktionsgutachten
KG Berlin v. 07.05.2009: Zur Unnötigkeit von Zeugenvernehmung bei vorliegendem Unfallrekonstruktionsgutachten
Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 07.05.2009 - 12 U 56/09) hat entschieden:
- Dem Kläger obliegt die Darlegung der Verursachung des geltend gemachten Schadens durch das gegnerische Fahrzeug sowie des Umfangs des dadurch eingetretenen Schadens.
- Die Klage ist abzuweisen, wenn der gerichtliche Sachverständige feststellt, dass der Unfall sich nicht so, wie der Kläger dies behauptet, zugetragen haben kann; denn dann ist der Beweis einer Fahrzeugbeschädigung durch den Beklagten nicht geführt.
Siehe auch Kausalzusammenhang und Die Beweiswürdigung in Zivilsachen
Entscheidungsgründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten in Anspruch aus einem Vorfall vom 31. Dezember 2006 um 01.40 Uhr in der Oranienburger Straße in Berlin; er hat geltend gemacht, sein Taxi Mercedes-Benz E 220 CDI (B-...; EZ 29.01.2002, Laufleistung 294 377 km) sei gegen 0.30 Uhr am rechten Fahrbahnrand von seinem Fahrer M... Y... geparkt worden; gegen 01.40 Uhr stand ein weiteres Taxi Mercedes Benz (B-…) der A... Taxi GmbH vor dem Klägerfahrzeug. Der Kläger macht geltend, sein Taxi sei an der Front dadurch beschädigt worden, dass der vom Zweitbeklagten geführte und gehaltene sowie bei der Erstbeklagten gegen Haftpflicht versicherte Pkw BMW 318 Coupe (Kurzzeitkennzeichen B-…) aus der Gegenrichtung frontal gegen das Taxi der A... GmbH gefahren sei und dieses Fahrzeug gegen die Front seines dahinter stehenden Taxi geschoben habe.
Der Kläger hat der A... GmbH den Streit verkündet; diese hatte die Beklagten erfolglos in Anspruch genommen auf Ersatz des an ihrem Taxi B-… vorhandenen Schadens; die entsprechende Klage ist vom Landgericht Berlin durch Urteil vom 14. Februar 2008 – 59 O 152/07 – abgewiesen worden mit der Begründung, es liege ein manipuliertes Schadenereignis vor; die dagegen eingelegte Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 24. April 2009 – 12 U 96/08 -zurückgewiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen nach Beweisaufnahme zum Unfallhergang durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. M... H....
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein manipuliertes Geschehen fest. Denn nach dem überzeugenden Ergebnis des Sachverständigengutachtens sei der vom Kläger behauptete Unfallhergang (Beklagtenfahrzeug sei frontal auf das Taxi der A... GmbH gefahren und habe dieses Fahrzeug gegen die Front des klägerischen Taxi geschoben) technisch nicht nachvollziehbar.
Denn die Kollisionsstellungen der Fahrzeuge sowie Ausmaß und Höhenlage der Schäden würden damit nicht in Einklang zu bringen sein.; dies sei ein überaus gewichtiges Indiz für eine Unfallmanipulation, so dass andere möglicherweise relevante Umstände dahinstehen könnten.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er dieselbe Verurteilung der Beklagten wie in erster Instanz erstrebt.
Er macht geltend: Das Landgericht habe unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ohne jede Zeugenvernehmung und Vernehmung des Zweitbeklagten entschieden; derartiges sei auch nicht entbehrlich gewesen vor dem Hintergrund der Möglichkeit, dass diese nicht wahrheitsgemäß aussagen würden.
Auch sei zu beanstanden, dass das Gutachten nur aufgrund von Aktenmaterial erstellt worden sei, obwohl es geboten gewesen sei, die Parteien im Rahmen der Gutachtenerstellung anzuhören bzw. einen Ortstermin unter Hinzuziehung der Fahrzeuge durchzuführen. Das Landgericht habe ferner nicht berücksichtigt, dass der Kläger keinerlei Interesse an einem gestellten Unfall gehabt habe.
II.
1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
a) Es kann letztlich dahinstehen, ob – wie das Landgericht gemeint hat – die erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger an einem abgesprochenen Unfallgeschehen in der Weise beteiligt war, dass er in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat.
Entscheidend für die Aussichtslosigkeit der Berufung ist vielmehr der vom Landgericht zutreffend festgestellte Umstand, dass der Kläger Schäden an seinem Fahrzeug geltend macht, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme technisch nicht durch den von ihm behaupteten Unfallhergang verursacht worden sein können. Dies hat auch schon das Landgericht auf S. 6 des angefochtenen Urteils betont.
Die vom Kläger nach § 7 StVG, § 823 BGB geltend gemachten Schadensersatzansprüche setzen voraus dass der Kläger die den geltend gemachten Anspruch rechtfertigenden Umstände darzulegen hat. Diese ihm obliegende Darlegungslast umfasst die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug und das Ausmaß dieses Schadens (Senat , Urteil vom 14. Januar 1994 – 12 U 3157/93 –). Der Beweis der Fahrzeugbeschädigung durch den Beklagten ist nicht geführt, wenn der gerichtliche Sachverständige feststellt, dass die Schäden nicht zu dem von den Beteiligten behaupteten Geschehen passen (sog. So-nicht-Unfall, OLG Hamm, Urteil vom 18. November 1998 – 13 U 101/98 – r + s 1999, 322; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2005 – 20 U 228/03 –). Die Klage ist daher abzuweisen, wenn der Unfall sich nicht so, wie behauptet, ereignet haben kann.
b) So liegt der Fall hier.
In den vom Landgericht eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachten vom 3. Oktober 2008 hat der gerichtlich beauftragte Sachverständige H... auf S. 21 u.a. ausgeführt, dass aus dem Schadensbilder am klägerischen Taxi und dem Taxi der Streitverkündeten folgt, dass beide Taxis beim Kontakt nicht in ihren statischen Ruhelagen befunden haben, also nicht – wie vom Kläger behauptet – beim Kontakt gestanden haben.
Wenn aber vom Klägervortrag ausgegangen wird, dass das Taxi der Streitverkündeten durch den Frontanstoß des BMW nach hinten hin verschoben worden ist, wäre ein Anstoß der beiden Taxis in ihren statischen Höhenlagen zu erwarten gewesen; jedenfalls wäre der festzustellende deutliche Höhenunterschied der Kontaktstellen an den Fahrzeugen nicht erklärbar.
Auf S. 24 des Gutachten heißt es als Zusammenfassung u.a.:
„Die Auswertung der Unterlagen und der Schadensfotos hat ergeben, dass die vom Kläger behauptete Hergangsschilderung, wonach zunächst der beklagte BMW auf das vor dem Klägerfahrzeug abgestellte Taxi der Streitverkündeten aufgefahren sei und dieses aufgeschoben habe, nicht nachvollziehbar ist.
Ein Kollisionsablauf, wie er vom Kläger behauptet wird, lässt sich mit den aus den Schäden hervorgehenden Kollisionsstellungen der Fahrzeuge nicht in Einklang bringen und steht zudem im Widerspruch zu den Schadensausmaßen und den Höhenlagen der Schäden an den Fahrzeugen.“
c) Die hiergegen vom Kläger auf S. 3 der Berufungsbegründung vorgebrachten Angriffe haben keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger greift die Richtigkeit der technischen Ausführungen des Gutachters selbst nicht an; er wiederholt vielmehr im wesentlichen die Argumente seines erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 22. Dezember 2008, mit denen er zum Sachverständigengutachten Stellung genommen hat und die das Landgericht bereits auf S. 6 des angefochtenen Urteils zutreffend für nicht durchgreifend erachtet hat.
Die vom Kläger geforderte Vernehmung seines Fahrers und des Zweitbeklagten waren und sind nicht geeignet, die schlüssigen technischen Ausführungen des Sachverständigen zu widerlegen.
Entgegen der Auffassung des Kläger war es nicht Pflicht des Landgerichts, dem Sachverständigen aufzugeben, „die Parteien im Rahmen der Gutachtenerstellung anzuhören bzw. einen Ortstermin unter Hinzuziehung der Fahrzeuge durchzuführen“.
Der Sachverständige hatte den aktenkundigen Vortrag der Parteien zu berücksichtigen und entsprechend dem Inhalt des Beweisbeschlusses vom 13. Februar 2008 die Beweisfragen zu beurteilen. Dies hat er sachgerecht getan.
Die vom Kläger geforderte Durchführung eines Ortstermins unter Hinzuziehung der Fahrzeuge war und ist im Übrigen schon deshalb nicht möglich, weil der Beklagte zu 2 den BMW nach dem Unfall an einen Freund verkauft hat, der ihn sofort weiter nach Polen verkauft habe (vgl. S: 12 des Gutachtens Hahn).
Darüber hinaus ist die Entscheidung über die Erforderlichkeit eines Ortstermins Teil des Beurteilungsspielraums des Sachverständigen. Insoweit hat der Sachverständige nicht ausgeführt, ohne eine solche Maßnahme nicht zu einer zuverlässigen Einschätzung gelangen zu können.
III.
Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.