In nahezu allen Rechtsgebieten spielen Kausalitätsprobleme eine oft entscheidende Rolle. Es kann sich dabei um Fragen nach der Ursächlichkeit bestimmter Ereignisse oder Handlungen bzw. Unterlassungen für wieder andere Geschehnisse handeln. Es kann aber auch um die Frage nach der Ursächlichkeit bestimmter Ereignisse für spätere Folgen, insbesondere für den Eintritt eines Schadens, gehen.
Im Bereich des Zivilrechts werden Antworten auf Fragen nach einem bestimmten Kausalzusammenhang anders beantwortet als im Bereich des Strafrechts. Wieder andere Maßstäbe gelten im öffentlichen Recht.
Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, für die verschiedenen Bereiche des Rechts die jeweiligen Anforderungen zu entwickeln, die erfüllt sein müssen, um von einem bestimmten Ursachenzusammenhang ausgehen zu können. Im Recht geht es dabei keineswegs immer um einen rein naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang, sondern sehr häufig um eine wertende Ursachenzurechnung.
Im Schadensersatzrecht wird zwischen haftungsbegründender (die Verletzungshandlung führt zur Rechtsgutsverletzung) und haftungsausfüllender (die Rechtsgutsverletzung führt zum Schaden) Kausalität unterschieden. Diese Unterscheidung hat wiederum Einfluss auf die jeweiligen Beweisanforderungen; während der einen Anspruch geltend machende Geschädigte für die haftungsbegründende Kausalität in der Regel den Vollbeweis zu führen hat, kann das Gericht im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität eine gewisse Wahrscheinlichkeit unterhalb der Schwelle absoluter Gewissheit genügen lassen.
BGH v. 25.09.1957:
Als ursächlich für einen schädlichen Erfolg darf ein verkehrswidriges Verhalten nur dann angenommen werden, wenn sicher ist, dass es bei verkehrsgerechtem Verhalten nicht zu dem Erfolg gekommen wäre. Allerdings steht der Bejahung der Ursächlichkeit die bloße gedankliche Möglichkeit eines gleichen Erfolgs nicht entgegen; vielmehr muss sich eine solche Möglichkeit auf Grund bestimmter Tatsachen, die im Urteil mitzuteilen und zu würdigen sind, so verdichten, dass sie die Überzeugung von der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit des Gegenteils vernünftigerweise ausschließt.
OLG Dresden v. 30.01.2004:
Es genügt für den rechtlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten eines Kraftfahrers und seiner späteren Beteiligung an einem Verkehrsunfall nicht schon, dass der Unfall ohne den Verkehrsverstoß vermieden worden wäre, weil der Kraftfahrer mit seinem Fahrzeug bei verkehrsordnungsgemäßer Fahrweise sich nicht an der Unfallstelle befunden hätte. Vielmehr muss sich im Unfall gerade die Gefahr ausgewirkt haben, die zu vermeiden dem Kraftfahrer durch die in Frage stehende Norm aufgegeben worden war.
KG Berlin v. 07.05.2009:
Dem Kläger obliegt die Darlegung der Verursachung des geltend gemachten Schadens durch das gegnerische Fahrzeug sowie des Umfangs des dadurch eingetretenen Schadens. Die Klage ist abzuweisen, wenn der gerichtliche Sachverständige feststellt, dass der Unfall sich nicht so, wie der Kläger dies behauptet, zugetragen haben kann; denn dann ist der Beweis einer Fahrzeugbeschädigung durch den Beklagten nicht geführt.
LG Köln v. 0.08.2012:
Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität haftet der Schädiger dabei für alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte durch die Schädigungshandlung davonträgt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist dabei die bloße Mitursächlichkeit, sei sie auch nur „Auslöser“ neben erheblichen anderen Umständen; eine richtungsgebende Veränderung ist nicht erforderlich. Eine zum Schaden neigende Konstitution des Geschädigten, die den Schaden ermöglicht oder wesentlich erhöht, schließt den Zurechnungszusammenhang ebenfalls nicht aus.
OLG Hamm v. 18.01.2013:
Zum Kausalitätsnachweis für Folgeschäden, die erstmals rund 24 Jahre nach dem unfallbedingten Primärschaden eintreten.
OLG Hamm v. 15.10.2013:
Die haftungsbegründende Kausalität ist im Rahmen der Haftung gemäß §§ 7, 18 StVG bereits dann zu bejahen, wenn der Betrieb eines Kraftfahrzeuges in einer Weise auf das geschützte Rechtsgut eingewirkt hat, die nachteilige Folgen auslösen kann. Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 ZPO festgestellt werden, dass die von dem Geschädigten behaupteten Schäden in ihrer Gesamtheit oder zumindest ein abgrenzbarer Teil hiervon bei dem Unfall entstanden sind. Lässt sich dies nicht feststellen, ist ein Schadensersatzanspruch zu verneinen (s.g. "So-Nicht-Unfall" bezogen auf den Schadensumfang).
OLG Hamm v. 10.03.2015:
Ist im Rahmen der Haftung gemäß §§ 7, 18 StVG der äußere Tatbestand der Rechtsgutverletzung (hier: Kollision zwischen 2 PKW) nach dem für die haftungsbegründende Kausalität geforderten Maßstab des § 286 ZPO vom Geschädigten bewiesen, steht (lediglich) haftungsbegründend fest, dass ihm dadurch ein (kollisionsbedingter) Schaden entstanden ist.
OLG Brandenburg v. 07.07.2016:
Ein Unfallgeschädigter hat den Vollbeweis zu führen, dass er bei dem Unfall eine Primärverletzung - vorliegend eine Hüftgelenksverletzung - erlitten hat.
OLG Hamm v. 29.11.2016:
Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist zu beurteilen, ob aktuelle Beschwerden eines Geschädigten noch auf einem Jahre zurückliegenden Verkehrsunfall beruhen. Zugrunde zu legen ist der Beweismaßstab des § 287 ZPO, nachdem es ausreichend ist, wenn zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die behaupteten Beschwerden zumindest mitursächlich auf das schädigende Unfallereignis zurückzuführen sind.
BGH v. 07.11.1978:
Auch wenn ungewiss bleibt, worauf die tödliche Verletzung eines Verkehrsteilnehmers beruht, der, von einem Kraftfahrzeug angefahren, auf der Fahrbahn liegend von einem zweiten erfasst worden ist, ist für die Anwendung des BGB § 830 Abs 1 S 2 insoweit kein Raum, als die Auswirkungen des zweiten Unfalls dem Verursacher des ersten Unfalls haftungsrechtlich zuzurechnen sind.
OLG Saarbrücken v. 27.01.2004:
Steht nach der Beweisaufnahme nicht fest, dass die schadensursächliche Kollision zwischen zwei Kraftfahrzeugen (hier Krad und Pkw) vom Fahrzeug des Beklagten verursacht wurde, und ist nicht nachgewiesen, dass und in welcher Höhe durch eine als solche nicht bestrittene Zweitkollision mit dem Beklagtenfahrzeug eine Schadensvertiefung eingetreten ist, so kann eine Haftung weder über § 287 ZPO noch über § 830 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründet werden.
OLG München v. 24.03.2021:
Bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen der Rechtsgutverletzung und dem eingetretenen Schaden ist der Tatrichter nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO unterliegt; vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 I 1 ZPO freier gestellt: Zwar kann er auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist; im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt – hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere oder deutlich höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung.
BGH v. 10.02.2004:
Zum haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen einem Erst- und einem Zweitunfall
BGH v. 11.06.1974:
Zwischen dem Hochschleudern eines Steins durch einen Sattelschlepper, der sodann die Windschutzscheibe eines entgegenkommenden Fahrzeugs zertrümmert und dem Herztod, den dessen Fahrer daraufhin erleidet, besteht ein adäquater Kausalzusammenhang
OLG Nürnberg v. 24.05.2005:
Der durch eine Unfallbenachrichtigung eines nahen Angehörigen ausgelöste Schock mit der Folge eines Schlaganfalls ist als psychisch vermittelte organische Verletzung grundsätzlich ersatzfähiger eigener Gesundheitsschaden und nicht Drittschaden. Die schlichte Kausalitätsfeststellung im Sinne eines logischen Bedingungszusammenhangs muss in den Fällen psychisch vermittelter Kausalität aber durch eine wertende Betrachtungsweise einschränkend korrigiert werden. Denn ein solcher Schaden gehört grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko.
OLG München v. 14.06.2013:
Mit einer Computertomographie, die eine Vorwölbung im Segment HWK 5/6 zeigt, kann ein Verletzter nicht den Beweis führen, dass ein drei Jahre zurückliegender Unfall zu einem unfallbedingten Bandscheibenvorfall mit kausal darauf zurückzuführenden Nackenschmerzen geführt habe, da bei einer Computertomographie das Alter einer solchen Vorwölbung nicht festgestellt werden kann.
LG Ravensburg v. 16.08.2013:
Den Geschädigten trifft die Beweislast (Strengbeweis nach § 286 ZPO) dafür, dass er bei einem Verkehrsunfall Verletzungen erlitten hat (so genannte Primärverletzungen). Erst im Rahmen der so genannten Sekundärverletzungen kommt dem Anspruchsteller die Beweiserleichterung nach § 287 ZPO dergestalt zugute, dass bereits der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Unfallbedingtheit der Sekundärfolgen für die Beweiswürdigung im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung ausreichend sein kann.
OLG Brandenburg v. 07.07.2016:
Musste der Geschädigte über einen Zeitraum von acht Monaten bis zur Durchführung der Hüftgelenksarthroskopie mit andauernden Schmerzen im Hüftgelenk leben und liegt ein erhebliches Verschulden des Beklagten zu 1. vor, rechtfertigt bereits die erlittene Hüftgelenksverletzung das geltend gemachte Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 €.
OLG Hamm v. 05.07.2019:
Ein Vorhofflimmern tritt in den meisten Fällen plötzlich und unerwartet auf. Auslösende Ursachen, die unmittelbar zum Vorhofflimmern führen, sind nur in wenigen Fällen bekannt. Sofern ausnahmsweise ein solcher "Trigger" vorliegt, tritt das Vorhofflimmern unmittelbar oder kurz danach auf. Bei einem Schlaganfall als Folge eines Vorhofflimmerns zwei Wochen nach einem Unfall ist ein Ursachenzusammenhang eher unwahrscheinlich.