Bei einer durch geparkte Fahrzeuge verengten Fahrbahn, die ein Aneinandervorbeifahren sich begegnender Fahrzeuge nicht zulässt, muss der Vorfahrtberechtigte gegebenenfalls auf seinen Vorrang verzichten, wenn es die Verkehrslage erlaubt und erfordert. Bemerkt ein Fahrzeugführer beim Einbiegen in eine ersichtlich zu enge Straße das Herannahen eines entgegenkommenden Fahrzeugs, so ist er gegebenenfalls verpflichtet, bereits im Kreuzungsbereich anzuhalten, um dem Entgegenkommenden, der wegen hinter ihm fahrender Fahrzeuge nicht zurücksetzen kann, die Durchfahrt zu ermöglichen. Fährt er dennoch in die Straße ein und kollidiert mit dem Fahrzeug des Entgegenkommenden, weil dieser versucht hat, an seinem Fahrzeug vorbeizufahren, haftet er für den Schaden des Entgegenkommenden in Höhe von 2/3.
Siehe auch Begegnungsunfall und Verzicht auf das Vorfahrtrecht - Vorrangverzicht
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 30.04.2008 in München in der Dauthendeystraße ereignet hat.
Bei der Dauthendeystraße handelt es sich um eine Nebenstraße ohne Fahrbahnmittelmarkierung. Auf der Seite, auf der der Kläger mit seinem Mercedes in die Straße einfuhr, standen durchgehend parkende Autos. Als er die Straße zum Teil bereits passiert hatte, kam ihm der Porsche, der Beklagten zu zwei, der vom Beklagten zu eins geführt wurde und bei der Beklagten zu drei haftpflichtversichert war, entgegen. Beide Fahrzeuge blieben zunächst stehen, weil der Platz zum Aneinandervorbeifahren nicht reichte. Nachdem der Beklagte zu eins jedoch nicht zurückfahren wollte, versuchte der Kläger mit seinem Fahrzeug zwischen dem Porsche und den geparkten Fahrzeugen vorbei zu fahren. Dabei wurde sein Fahrzeug beschädigt.
Wegen des Parteivortrags zum Unfallhergang wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Der Kläger beantragt zuletzt nach durchgeführter Reparatur:Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.567,92 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den Basiszinssatz aus 1.453,92 € seit 01.06.2008 bis 25.05.2009 und aus 1.567,92 € seit 26.05.2009 zu bezahlen.Die Beklagten beantragen
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch dazu verurteilt, an den Kläger außergerichtlich Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 € zu bezahlen.die Klage kostenpflichtig abzuweisen.Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin W.…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 08.05.2009 Bezug genommen. Der ebenfalls geladene Beklagte zu eins erschien weder im Termin vom 08.05.2009, noch im Termin vom 10.07.2009. Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zum größeren Teil begründet.
I.
1. Grundsätzlich haften bei einem Verkehrsunfall mit zwei Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 3 StVG wegen der Betriebsgefahr beide Seiten, §§ 17 Abs. 2 S. 1, 18 Abs. 3 StVG. Auf der Beklagtenseite hat die Beklagte zu drei gemäß §§ 115 Abs. 1 Nr. 1, S. 4, Abs. 2 VVG i.V.m. § 1 PflVG gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden einzustehen. Hier war auch hinsichtlich des Fahrzeugs der Beklagten die Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Das Fahrzeug befand sich nämlich auf der Straße und nahm damit am Verkehrsgeschehen teil.
2. An der generellen Haftungsteilung ändert sich etwas, wenn sich eine der beiden Seiten auf einen Geschehensablauf berufen oder nachweisen kann, der eine andere Quote oder sogar eine Alleinhaftung der Gegenseite rechtfertigt.
3. Hier hat sich die Beklagtenseite zunächst auf § 6 StVO berufen. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass derjenige, der an einem Hindernis auf der Fahrbahn links vorbeifahren will, den entgegenkommenden Verkehr durchfahren lassen muss.
Diese Vorschrift ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. Denn § 6 StVO regelt nur, welche Verkehrsrichtung bei vorübergehender Fahrbahnverengung durch Hindernisse zuerst fahren darf. Nicht geregelt ist der Fall, dass erst beim Vorbeifahren Gegenverkehr sichtbar wird (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, 2009 § 6 StVO, Rd. 3).
4. Vorliegend sind vielmehr die Rechtsgedanken der §§ 11 Abs. 3 StVO und 1 Abs. 2 StVO maßgeblich. Danach hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Wenn es die Verkehrslage erfordert muss ein Verkehrsteilnehmer sogar auf einen etwaigen Vorrang verzichten.
5. Demzufolge musste das Gericht hier eine Haftungsverteilung vornehmen. Denn beide Fahrer haben gegen ihre Pflichten verstoßen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätte es dem Porschefahrer geringere Mühe gemacht, die für beide Seiten missliche Situation aufzulösen. Er wäre deshalb dazu verpflichtet gewesen (Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 11 StVO, Rd. 6). Die Zeugin schilderte, dass sich auf der rechten Seite des Porschefahrers noch ca. 30 cm Platz befunden hätte und sich auch hinter dem Porschefahrer keine Fahrzeuge befanden. Nach ihrer Darstellung hätte der Beklagte zu eins das entgegenkommende Fahrzeug schon beim Einfahren in die Straße sehen können und hätte daher auch bereits im Kreuzungsbereich stehen bleiben können und, müssen. Der Kläger hätte aber wegen nachfolgender Fahrzeuge weder zurückfahren können, noch konnte er vorbeifahren, was das weitere Geschehen zeigt. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin sind in der Verhandlung nicht aufgetaucht. Der Beklagte zu eins hat die Gelegenheit seine Sicht der Dinge darzustellen nicht wahrgenommen. Auch aus diesem Grund muss das Gericht hier davon ausgehen, dass die Zeugin die Vorgänge richtig geschildert hat. Die Beklagtenseite trägt mithin die Hauptverantwortung für die Folgen des Unfalls.
Auf der anderen Seite war es der Kläger selbst, der durch sein Vorbeifahren den Schaden verursachte. Nach Auffassung des Gerichts ist sein Verantwortungsbeitrag jedoch geringer, als der Beitrag des Beklagten zu eins. Denn zum einen, kann dem Kläger nur Fahrlässigkeit vorgeworfen werden und zum anderen versuchte er durch Nachgeben die Situation zu entschärfen, während der Beklagte zu eins nach der Schilderung der Zeugin durch Einfahren in die ersichtlich zu enge Straße die Situation erst herbeiführte und selbst nicht dazu beitrug diese aufzulösen.
Das Gericht hält daher eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten der Beklagten für angemessen. Die Beklagten haften demnach zu 2/3 für den entstandenen Schaden.
II.
Zu den einzelnen Schadenspositionen ist Folgendes auszuführen:
1. Die Höhe der Reparaturkosten und der Auslagenpauschale, 1.453,92 € und 25 €, sind unstreitig.
2. Die Reparaturdauer ist durch Vorlage der Bescheinigung Anlage K 5 (Blatt 32 der Akte) nachgewiesen. Die Beklagtenseite hat sich hierzu auch nicht mehr geäußert. Der Nutzungsausgleich beträgt damit 114 €.
Von diesen Beträgen kann der Kläger 2/3 geltend machen, das sind 1.045,21 €. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
III.
Für die Nebenforderungen gilt:
1. Auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten können geltend gemacht werden. Unter Berücksichtigung des Gegenstandswertes von 1.045,28 € betragen die angemessenen Rechtsanwaltskosten 154,70 €. Diese Kosten kann die Klagepartei auch jetzt schon verlangen, unabhängig davon, ob sie bereits in Rechnung gestellt und bezahlt wurden (AG München, 343 C 15534/08 m.w.N.).
2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 208, 291 BGB. Die Klage war hier teilweise abzuweisen, nachdem in der Nutzungsausgleich erst mit Rechtshängigkeit bekannt und damit fällig geworden ist. Der entsprechende Schriftsatz ist der Beklagtenseite spätestens am 05.06.2009 zugegangen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.