Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 08.12.2009 - VI ZR 119/09 - Ersatz von 130% des Wiederbeschaffungswerts nur bei tatsächlicher fachgerechter Reparatur
BGH v. 08.12.2009: Zum Ersatz von 130% des Wiederbeschaffungswerts nur bei tatsächlicher fachgerechter Reparatur
Der BGH (Urteil vom 08.12.2009 - VI ZR 119/09) hat entschieden:
- In den Fällen, in denen der Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegt, können Reparaturkosten nur bei konkreter Schadensabrechnung ersetzt verlangt werden.
- Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann dabei nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Senatsurteile BGHZ 154, 395 und 162, 161).
- Reparaturkosten für eine Teilreparatur, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen und den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, können in diesen Fällen ebenfalls nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt; anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (Senatsurteil BGHZ 162, 170).
Siehe auch Abstrakte bzw. sog. fiktive Schadensabrechnung - Abrechnung auf Gutachtenbasis und Integritätsinteresse und Ersatz der Reparaturkosten bis zu 130-% des Wiederbeschaffungswertes - die sog. 130-%-Grenze
Tatbestand:
Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 9. November 2007, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in vollem Umfang einzustehen hat. Der vom Kläger vorgerichtlich beauftragte Sachverständige ermittelte erforderliche Reparaturkosten in Höhe von 6.313,22 € (brutto), einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 5.300 € und einen Restwert in Höhe von 2.700 €. Die Beklagte zahlte an den Kläger den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Rest-wert) in Höhe von 2.600 €. Mit seiner vorliegenden Klage macht der Kläger weitere (fiktive) Reparaturkosten in Höhe von 2.700 € bis zum Wiederbeschaffungswert geltend mit der Begründung, er habe sein Fahrzeug instand gesetzt und nutze es weiter.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat für den Fall, dass die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert bis zu 30 % übersteigen, die Möglichkeit einer fiktiven Reparaturkostenabrechnung in Höhe des Wiederbeschaffungswerts verneint. Da der Kläger darüber hinaus auch nicht substantiiert dargelegt habe, in welchem wertmäßigen Umfang das Fahrzeug tatsächlich repariert worden sei, stehe ihm auch kein Anspruch auf Ersatz konkreter Reparaturkosten zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert zu.
II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in den Fällen, in denen der Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegt, Reparaturkosten nur bei konkreter Schadensabrechnung ersetzt verlangt werden können.
Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann dabei nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Senatsurteile BGHZ 154, 395, 400 und 162, 161, 167 f.). Reparaturkosten für eine Teilreparatur, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen und den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, können in diesen Fällen ebenfalls nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt; anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (Senatsurteil BGHZ 162, 170 ).
2. Ohne Erfolg versucht die Revision aus dem Senatsurteil vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07 – VersR 2008, 839, 840 ihre Auffassung herzuleiten, der Geschädigte könne auch im 130 %-Fall die fiktiven Kosten einer Reparatur bis zur Grenze des Wiederbeschaffungswertes geltend machen, wenn er das Fahrzeug verkehrssicher (teil-)reparieren lässt und es mindestens sechs Monate weiter nutzt. Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass das vorgenannte Senatsurteil einen Fall betraf, in dem die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert lagen und deshalb eine fiktive Reparaturkostenabrechnung überhaupt erst möglich war (vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 395, 400; 168, 43, 46 ) . Da nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall die geschätzten Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert liegen, kommt hier – wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist – nur eine konkrete Schadensabrechnung in Betracht.
3. Erfolglos bleibt schließlich die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht hätte den vom Kläger für seine ergänzende Behauptung angebotenen Sachverständigenbeweis, dass das Fahrzeug in einem Umfang repariert worden sei, der den Wiederbeschaffungsaufwand deutlich übersteige, erheben müssen. Das Berufungsgericht hat den angebotenen Sachverständigenbeweis mit der verfahrensfehlerfreien Begründung nicht erhoben, der Kläger habe hinsichtlich des Umfangs und des Wertes der Reparatur nicht substantiiert vorgetragen. Der von der Revision für ihre gegenteilige Auffassung herangezogene Umstand, dass dem Kläger eine Beurteilung des Wertes der durchgeführten Reparatur ohne Hilfe eines Sachverständigen nicht möglich gewesen sei, enthebt diesen nicht von seiner Darlegungslast im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch nicht gegen seine Hinweispflicht im Sinne des § 139 ZPO verstoßen. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2009 darauf hingewiesen worden ist, nur der nachgewiesene Wert einer konkreten Reparatur sei durch die Beklagte zu ersetzen. Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der DEKRA vom 10. Januar 2008, in der es lediglich heißt: „Der vormals begutachtete Schaden vorne rechts wurde instand gesetzt“, war insoweit ersichtlich ohne Aussagekraft. Diese Erklärung hat die DEKRA mit Schreiben vom 11. Februar 2008 ausdrücklich dahingehend relativiert, dass eine Aussage hinsichtlich des exakten Instandsetzungsumfanges ohne erneute Begutachtung nicht getroffen werden könne. Unter diesen Umständen bedurfte es keiner weitergehenden Hinweise des Berufungsgerichts, dass es die bisherigen Darlegungen des Klägers zur Höhe der behaupteten wertmäßigen Instandsetzung nicht für ausreichend erachte.