Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann im Einzelfall aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit auch bei einer Unterschreitung des Richtwertes von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen oder aber der früheren Geschwindigkeitsverstöße geboten sein.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene am 15.07.2009 wegen einer am 09.02.2009 fahrlässig begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um (mindestens) 30 km/h zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen sie – entsprechend dem Bußgeldbescheid vom 12.05.2009 – ein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verbundenes Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Mit ihrer aufgrund der mit Verteidigerschriftsatz vom 06.07.2009 wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung (§ 67 Abs. 2 OWiG) nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Rechtsbeschwerde gegen das vorgenannte Urteil rügt die Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht hält die Rechtsbeschwerde ebenfalls für begründet und beantragt,das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das verhängte Fahrverbot entfällt.Insbesondere enthalte das Urteil keine tragbare Begründung dafür, weshalb aus der Sicht des Tatrichters in Abweichung von der in der BKatV zum Ausdruck kommenden Vorbewertung des Gesetzgebers „gleich in doppelter Hinsicht eine Verschärfung der Ahndung“ angezeigt erscheine, nämlich neben der (erstmaligen) Erhöhung der Regelgeldbuße auch noch die Anordnung eines Fahrverbots.
II.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt insbesondere im Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf:
1. Gegen die Betroffene wurden wegen zweier Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb bzw. innerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h (Tatzeit: 14.05.2007) sowie um 21 km/h (Tatzeit: 21.02.2008) am 28.06.2007 bzw. am 03.04.2008 jeweils (Regel-) Geldbußen in Höhe von 75 Euro und 50 Euro verhängt; Rechtskraft trat am 17.07.2007 und am 24.04.2008 ein.
Damit steht fest, dass die Betroffene in einem Zeitraum von weniger als 21 Monaten in drei Fällen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen, darunter in zwei Fällen jeweils deutlich über dem ‚Richtwert‘ von 26 km/h (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV), in Erscheinung getreten ist, wobei seit Rechtskrafteintritt der letzten Vorahndung lediglich ein Zeitraum von rund 9 1/2 Monaten und seit Rechtskraft der ersten Vorahndung bis zur zweiten Geschwindigkeitsüberschreitung am 21.02.2009 von gut 7 Monaten vergangen ist.
2. Von Beharrlichkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Betroffenen subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (BGHSt 38, 231/234 f; BayObLGSt 2003, 132/133; st.Rspr. des Senats).
a) Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines – hier allein in Betracht kommenden – beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann im Einzelfall aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit auch bei einer Unterschreitung des Richtwertes von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen oder aber der früheren Geschwindigkeitsverstöße geboten sein (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. rechtsgrundsätzlich OLG Bamberg, Beschluss v. 04.10.2007 – 3 Ss OWi 1364/07 = NJW 2007 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = ZfSch 2007, 707 ff. = DAR 2008, 152 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 39 = VRR 2008, 36 f. m. Anm. Gieg sowie OLG Bamberg, Beschluss v. 29.03.2007 – 3 Ss OWi 422/07 = VRR 2007, 318 f. m. Anm. Deutscher = OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = Verkehrsrecht aktuell 2007, 146 = VerkMitt. 2007 Nr. 99, jeweils m. zahlr. weit. Nachw.).
b) Dem Zeitmoment kommt, wie sich § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten (OLG Bamberg a.a.O.).
c) Der Begriff der Beharrlichkeit ist prinzipiell nicht nur losgelöst von der konkreten Schuldform zu bestimmen. Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen eines Fahrverbots, darunter die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, ist auch unabhängig von dem gegebenenfalls auf einer späteren Stufe zu erörternden Eingreifen des Übermaßverbotes mit der Folge eines ausnahmsweisen Wegfalls des Fahrverbots zu beurteilen (OLG Bamberg a.a.O.).
3. Die vorliegend aus den einschlägigen Vorahndungen und ihrer zeitliche Abfolge gezogene Schlussfolgerung des Amtsgerichts, dass sich die Betroffene wiederholt in dem Bestreben, möglichst rasch voranzukommen, über ihre Pflichten als Kraftfahrzeugführerin hinwegsetzt und ihr deshalb die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche rechtstreue Gesinnung und die notwendige Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlen, hält sich bei Anlegung dieser von Rechts wegen zu beachtenden Maßstäbe innerhalb des allein dem Tatrichter zugewiesenen Bewertungsspielraums, innerhalb dessen er die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen hat. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht insoweit der zweimaligen erheblichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 34 km/h und (nunmehr) um 30 km/h und damit jeweils klar über dem in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV genannten ‚Richtwert‘ von 26 km/h erkennbar maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung des neuerlichen Pflichtenverstoßes der Betroffenen als ‚beharrlich‘ zugemessen hat.
Im Übrigen hat das Amtsgericht im Rahmen seiner sehr sorgfältigen Rechtsfolgenerwägungen auch die zugunsten der Betroffenen sprechenden Gesichtspunkte (bisherige Verhängung von Regelgeldbußen und Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in einem Fall um ‚lediglich‘ 21 km/h) durchaus erkannt und ausdrücklich in seinen Abwägungsvorgang eingestellt.
4. Die Ahndung bereits früherer Geschwindigkeitsüberschreitungen oder sonstiger vergleichbarer Verkehrsverstöße mit einem ‚erhöhten‘ Bußgeld wird zwar in vielen Fällen ohne weiteres die Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes nahe legen (BayObLG DAR 1998, 448 f. und st.Rspr. des Senats), sie ist jedoch – wovon das Amtsgericht ebenfalls zutreffend ausgeht – nicht wesensnotwendige Voraussetzung für die Annahme der ‚Beharrlichkeit‘ im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG, was schon daraus folgt, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV, an dessen Regelungsgehalt das wertungsmäßig dem Regelfall entsprechende Gewicht der Beharrlichkeit zu messen ist, die Verhängung eines Fahrverbots gerade unabhängig davon vorsieht, ob wegen der vorangegangenen Geschwindigkeitsüberschreitung schon eine ‚erhöhte‘ Geldbuße verhängt worden war oder nicht (BayObLG DAR 2004, 230 f. = VRS 106, 394 ff. = VerkMitt. 2004, Nr. 40; Deutscher in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., Rn. 1031 a.E.).
Schließlich ist den Urteilsgründen ausdrücklich zu entnehmen, dass sich das Amtsgericht auch der Möglichkeit eines Absehens vom Fahrverbot „unter Berücksichtigung einer möglichen weiteren Erhöhung der Geldbuße“ durchaus bewusst gewesen ist.
5. Auch sonst deckt die Überprüfung des Urteils keinen sachlich-rechtlichen Mangel zum Nachteil der Betroffenen auf. Insbesondere besteht für den Senat keine Veranlassung, die neben dem Fahrverbot festgesetzte und gegenüber dem Regelsatz von 80 Euro nach Nr. 11.3.5 BKat gemäß §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 BKatV verdoppelte Geldbuße zu reduzieren. Das Amtsgericht durfte aufgrund der Vorahndungen der Betroffenen die Verhängung lediglich der Regelgeldbuße als unzureichende Rechtsfolge ansehen und diese deshalb verdoppeln; von einer im Hinblick auf das ebenfalls verhängte Fahrverbot unzulässigen Doppelverwertung zum Nachteil der Betroffenen kann unter den gegebenen Umständen keine Rede sein (OLG Jena VRS 113, 339 ff. = NStZ-RR 2008, 123 = NZV 2008, 372).
III.
Die Rechtsbeschwerde wird daher nach § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG durch Beschluss verworfen.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.