Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Eilenburg Beschluss vom 22.09.2009 - 5 Owi 253 Js 53556/08 - Bildaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen sind unzulässig

AG Eilenburg v. 22.09.2009: Bildaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen sind unzulässig


Das Amtsgericht Eilenburg (Beschluss vom 22.09.2009 - 5 Owi 253 Js 53556/08) hat entschieden:
  1. Eine Aufzeichnung des Verkehrsteilnehmers jeglicher Artist nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Eingriff in das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht kann Einschränkung finden im überwiegenden Allgemeininteresse. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass es dazu jedoch einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die dem rechtstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden.

  2. Auch in vergleichbaren Fällen geständiger Täter müssen die Verfahren eingestellt werden, da es ansonsten nicht hinzunehmen wäre, dass die Täter, die von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen oder die Tat bestreiten, gegenüber geständigen und reumütigen Tätern einen rechtlichen Vorteil erlangen.

Siehe auch Ungenehmigte Video-und Foto-Personenaufnahmen und deren Verwertung und Verwertungsverbote


Gründe:

Der Betroffenen lag mit Bußgeldbescheid des Landratsamtes Delitzsch vom 02.07.2008, AZ: … zur Last, sie habe am 25.05.2008 um 10.17 Uhr die … in Fahrtrichtung Leipzig als Führerin des Pkw amtliches Kennzeichen … mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h befahren, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit gemäß § 3 Abs. 3 StVO 50 km/h betragen habe. Gegen die Betroffene war eine Geldbuße von 80,00 Euro und ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt worden.

Die Betroffene legte form- und fristgerecht gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein.

Das Verfahren war gem. § 47 Abs. 2 OwiG einzustellen aus Opportunitätsgründen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 11.08.2009, AZ: 2 BvR 941/08 entschieden, dass die mittels einer Videoaufzeichnung vorgenommene Geschwindigkeitsmessung aufgrund eines Erlasses eines Ministeriums unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar und daher willkürlich sei, weshalb die dort vorgelegte Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet sei. Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass durch die angefertigte Videoaufzeichnung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung für den Beschwerdeführer vorliege. Durch die Aufzeichnung würden beobachtete Lebensvorgänge technisch fixiert, diese können später zu Beweiszwecken abgerufen, aufbereitet und ausgewertet werden. Eine Identifizierung des Fahrers sei möglich und beabsichtigt. Auf den gefertigten Bildern seien das Kennzeichen des Fahrzeuges und der Fahrzeugführer deutlich zu erkennen.

Vorliegende Umstände treffen auf das vorliegende Bußgeldverfahren analog zu. Auch vorliegend ist für die Identifizierung des Fahrers die Hinzuziehung eines Bildes notwendig, auch dieses ist technisch fixiert und als Beweismittel jederzeit abrufbar, kann aufbereitet und ausgewertet werden. Auch hinsichtlich der Identifizierung des Fahrzeuges und des Kennzeichens ist das Zurückgreifen auf diese technische Aufzeichnung erforderlich. Eine Aufzeichnung des Verkehrsteilnehmers jeglicher Artist nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Eingriff in das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht kann Einschränkung finden im überwiegenden Allgemeininteresse. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass es dazu jedoch einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die dem rechtstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat offen gelassen, ob in dem zu entscheidenden Fall das zweifelsfrei vorgelegene Beweiserhebungsverbot auch zu einem Beweisverwertungsverbot führen würde.

Im vorliegenden Bußgeldverfahren liegt nach Auffassung des Gerichts ebenfalls ein Beweiserhebungsverbot vor. Auch im Freistaat Sachsen liegt keine gesetzliche Grundlage für die vorgenommene Beweiserhebung vor. § 100h StPO scheidet als Ermächtigungsgrundlage ebenfalls aus, da hier die Herstellung von Bildern zur Observation gemeint ist, wie sich aus dem Zusammenhang mit Abs. I Nr. 2 ergibt. Die Fertigung von Bildern zur Beweissicherung und Auswertung fällt nicht unter dieser Vorschrift (Vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. zum gleichlautenden § 100 f a.F.)

Im vorliegenden Verfahren ist es notwendig zur Feststellung des Fahrzeugführers, seines Fahrzeuges und seines Kennzeichens auf die gefertigten Bilder, welche technisch fixiert, zu Beweiszwecken abgerufen, aufbereitet und ausgewertet werden, zurückzugreifen.

Es erscheint nicht opportun in jedem Einzelfall bei vorgeworfenen Geschwindigkeits- und Abstandsverstößen, welche in einem sogenannten standardisierten Mess- und Auswerteverfahren ermittelt wurden, in einer kostenintensiven Beweisaufnahme zu prüfen, ob das nach Auffassung des Gerichts zweifelsfrei vorliegende Beweiserhebungsverbot zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Dabei lässt sich das Gericht von dem Grundsatz leiten, dass sofern die Behörden flächendeckend in einer hohen Anzahl an Fällen in das Persönlichkeitsrecht des Täters ohne gesetzliche Grundlage eingreifen, ein gravierender Verfahrensverstoß vorliegt. Demgegenüber ist die Bedeutung des Einzelfalles gering. In überwiegenden Vorwürfen der Geschwindigkeits- und Abstandsunterschreitung geht es lediglich um die Verletzung von Ordnungsvorschriften, ohne jegliche Gefährdung oder Behinderung.

Auch in vergleichbaren Fällen geständiger Täter wird vorgenannte Verfahrensweise erfolgen, da es ansonsten nicht hinzunehmen wäre, dass die Täter, die von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen oder die Tat bestreiten, gegenüber geständigen und reumütigen Tätern einen rechtlichen Vorteil erlangen.

Kosten: § 46 Abs. 1 OwiG i.V.m. § 467 StPO



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