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Landgericht Saarbrücken Urteil vom 12.02.2010 - 13 S 221/09 - Bei angefallenen Behandlungskosten hat Unfallgeschädigter einen Anspruch auf Ersatz der Arztkosten

LG Saarbrücken v. 12.02.2010: Zur Frage der Darlegungs- und Beweislast bei der Behauptung, dem privat krankenversicherten Geschädigten fehle es an der Aktivlegitimation bezüglich geltend gemachter Arztkosten


Das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 12.02.2010 - 13 S 221/09) hat entschieden:
Zur Frage der Darlegungs- und Beweislast bei der Behauptung, dem privat krankenversicherten Geschädigten fehle es an der Aktivlegitimation bezüglich geltend gemachter Arztkosten.

Auch ein unfallgeschädigter Arzt, dem ein Kollege standesgemäß die Kosten für die Behandlung erlässt, hat einen Anspruch auf den Ersatz der an sich angefallenen Behandlungskosten.


Siehe auch Kausalzusammenhang und Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang


Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten Ersatzansprüche aus einem Unfallgeschehen geltend, das sich am 21.9.2006 ereignet hat. Die Einstandspflicht des Beklagten für die Unfallfolgen ist rechtskräftig festgestellt. Soweit in der Berufung noch von Belang sind im Streit Arztkosten in Höhe von 872,94, die für die Heilbehandlung des Klägers angefallen sind. Der privat krankenversicherte Kläger hat dargelegt, er habe diese Kosten selbst übernommen und keine Abrechnung mit seiner Krankenversicherung, der ..., vorgenommen.

Die Beklagten meinen, der Kläger sei darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er keine Abrechnung vorgenommen habe und daher kein Forderungsübergang auf die Krankenversicherung eingetreten ist.

Das Erstgericht hat die Klage, soweit sie auf Zahlung der Arztkosten gerichtet ist, abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe – obwohl ihm dies ohne weiteres möglich gewesen sei – weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass ein Forderungsübergang, der für den Bestand seines Anspruchs und damit seine Aktivlegitimation entscheidend sei, nicht stattgefunden habe. Dies gehe zu seinen Lasten, da er insoweit darlegungs- und beweisbelastet sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den hinsichtlich der Arztkosten nebst gesetzlichen Zinsen abgewiesenen Zahlungsanspruch weiter. Er meint, das Erstgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.


II.

Die zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung ist begründet. Das Erstgericht hat den Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner Heilbehandlungskosten zu Unrecht verneint.

1. Auch das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die geltend gemachten Arztkosten im Rahmen der Schadensersatzpflicht des Beklagten Teil des zu ersetzenden Gesundheitsschaden des Geschädigten sind und daher grundsätzlich in voller Höhe von dem Beklagten gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzen sind. Dies ist zutreffend und in der Berufung nicht im Streit.

2. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Zur Begründetheit der Klage gehört zwar, dass das eingeklagte Recht dem Kläger zusteht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., vor § 253 Rdn. 39). Dies ist hier indes zunächst nicht zweifelhaft, weil der Kläger der aus dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen Geschädigte ist, dem die Ersatzansprüche aus der erlittenen Körperverletzung und damit die angefallenen Heilbehandlungskosten in eigener Person zustehen. Dafür dass diese Aktivlegitimation nachträglich entfallen ist, ist nach allgemeinen Beweislastregeln (statt aller: Thomas/Putzo aaO vor § 284 Rdn. 17 f., 24 m.w.N.) derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich darauf beruft, mithin der Beklagte. Dieser hat sich indessen lediglich darauf beschränkt, die Aktivlegitimation des Klägers zu bestreiten.

3. Anlass dafür, eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugunsten des Geschädigten anzunehmen, besteht hier nicht. Ob, wie dies das Erstgericht annimmt, davon ausgegangen werden kann, dass die Rechteinhaberschaft des privat krankenversicherten Geschädigten regelmäßig wegfällt, weil der Versicherte seine private Krankenversicherung in Anspruch nimmt mit der Folge, dass die Ansprüche gem. § 67 VVG a.F. bzw. § 86 VVG n.F. auf den Versicherer übergegangen sind, kann die Kammer nicht überprüfen und bleibt zumindest zweifelhaft. Denn die Inanspruchnahme der privaten Krankenversicherung in den Fällen, in dem ein Schädiger für die unfallursächlichen Behandlungskosten vollumfänglich aufzukommen hat, hängt letztlich von der jeweiligen Entscheidung des Geschädigten ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte, der seine private Krankenversicherung in Anspruch nimmt, umständehalber Gefahr läuft, seine Prämienrückzahlung zu verlieren und zugleich diesen Verlust nicht als eigenen Vermögensschaden gegenüber dem Geschädigten geltend machen zu können (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rdn. 761 m.w.N.). Insbesondere ist der Geschädigte aber nicht verpflichtet, seine private Krankenversicherung in solchen Fällen in Anspruch zu nehmen (vgl. Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 29 Rdn. 27; Küppersbusch aaO m.w.N.). Eine Vermutung dafür, dass der Geschädigte seine private Krankenversicherung in Anspruch genommen hat, mit der Folge, dass er dies durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung seiner Krankenversicherung zu widerlegen hat, scheidet damit aus.

4. Auch auf eine Beweiserleichterung kann sich der Beklagte im Streitfall nicht berufen. Steht allerdings eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des Geschehensablaufs und kann sie auch von sich aus den Sachverhalt nicht ermitteln, während die Gegenseite die erforderlichen Informationen hat oder sich leicht beschaffen kann, genügt nach Treu und Glauben ein einfaches Bestreiten nicht. In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (vgl. BGH NJW 2008, 982; 2009, 1494; Thomas/Putzo aaO vor § 284 Rdn. 18 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht gegeben. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger bereits substantiiert vorgetragen hat, keine Abrechnung mit der Krankenversicherung vorgenommen zu haben, kann sich der Beklagte vorliegend nicht auf diese, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete sekundäre Behauptungslast berufen, weil er es seinerseits verabsäumt hat, den Sachverhalt im Rahmen des ihm Zumutbaren selbst zu ermitteln. Insbesondere hat er weder ein Auskunftsersuchen an die Krankenversicherung des Klägers gestellt, noch den Kläger aufgefordert, eine entsprechende Erklärung abzugeben, mit deren Hilfe der Beklagte ein Auskunftsersuchen an die Krankenversicherung des Klägers hätte gerichtet werden können.

Der Beklagte bzw. die hinter diesem stehende Haftpflichtversicherung haben vielmehr vorprozessual zunächst seine Einstandspflicht für die erlittenen Verletzungen überhaupt in Abrede gestellt, weil diese nicht unfallbedingt eingetreten seien. Im Lauf des Rechtsstreits hat der Beklagte den Kläger dann aufgefordert, zu erklären, ob er die Arztrechnungen bei seiner Krankenkasse eingereicht und Ersatz erhalten habe. Nachdem der Kläger dies ausdrücklich verneint und erklärt hatte, selbst in Vorlage getreten zu sein, forderte der Beklagte den Kläger auf, entweder seine private Krankenkasse zu benennen oder eine Bestätigung derselben vorzulegen, dass diese die Arztrechnungen nicht beglichen habe. Auch dieser Aufforderung kam der Kläger nach, indem er seine Krankenkasse mitteilte. Darauf hin vertrat der Beklagte die Rechtsansicht, dass der privat krankenversicherte Kläger nachzuweisen habe, dass er die Arztrechnungen nicht mit seiner Krankenversicherung abgerechnet habe. Der Beklagte erhalte keine Auskunft und kenne weder die Mitgliedsnummer des Klägers noch die Filiale der Krankenkasse, bei der der Kläger versichert sei. Eine Aufforderung an den Kläger, ihm weitere Angaben und gegebenenfalls eine Ermächtigungserklärung zu übermitteln, die ihm die Einholung einer solchen Auskunft ermöglichen würde, erfolgte hingegen nicht. Da dem Beklagten bzw. der hinter diesem stehenden Versicherungsunternehmen indes zumutbar gewesen wäre, sich bei der Krankenversicherung des Klägers – ggfs. mit dessen Einverständnis – darüber zu erkundigen, ob eine Abrechnung erfolgt war, ist hier für eine prozessuale Verpflichtung des Klägers zu weiteren Angaben zu der Nichtabrechnung etwa in Gestalt der Vorlage einer Bescheinigung seiner Versicherung – was damit einer Umkehr der Beweislast gleich käme – kein Raum.

5. Soweit schließlich der Beklagte weiter in Frage stellt, ob die Rechnungen überhaupt vom Kläger bezahlt wurden, verhilft ihm dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Zwar ist die Dispositionsfreiheit des Geschädigten bei der Heilbehandlung von Personenschäden eingeschränkt, so dass er insbesondere keinen Ersatz nicht angefallener, fiktiver Behandlungskosten verlangen kann (vgl. BGHZ 97, 14; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 249 Rdn. 6 m.w.N.). Hier sind die Kosten der Heilbehandlung indes angefallen, so dass der Kläger verpflichtet ist, diese zu zahlen. Sollte der Kläger, der selbst Arzt ist, der Zahlungspflicht aufgrund besonderer Vereinbarung mit seinen Kollegen enthoben sein, würde dieser Vorteil auf einer freigiebigen Leistung Dritter beruhen, die den Schädiger nicht entlasten, sondern dem Geschädigten zugute kommen soll, und damit einer Anrechnung im Rahmen der Vorteilsausgleichung entzogen ist (vgl. Palandt/Grüneberg aaO vor § 249 Rdn. 67 f., 82 m.w.N.).


III.

Die erstinstanzliche Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei die Kammer von einem erstinstanzlichen Streitwert von 1 405,96 EUR (Antrag zu 1), 2 500,– EUR (Antrag zu 2) sowie 1 819,17 (Hilfsaufrechnung der Beklagten, über die auch entschieden wurde), zusammen also 5 725,13 EUR bis zum 6.11.2009 und ab diesem Zeitpunkt von 5 725,13 EUR ./. 465,63 EUR = 5 259,50 EUR ausgegangen ist. Die zweitinstanzliche Entscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und sie keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen ( § 543 Abs. 2 ZPO ).



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