Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 20.08.2001 - 2 Ss 143/01 - 3 Ws (B) 353/01 - Zum Verhalten an einem Grünpfeil bei roter Ampel

KG Berlin v. 20.08.2001: Zur Bedeutung eines grünen Rechtsabbiegepfeils vor dem Kreisverkehr


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 20.08.2001 - 2 Ss 143/01 - 3 Ws (B) 353/01) hat entschieden:
Das grüne Pfeilschild berechtigt nur dann zum Abbiegen nach rechts bei Rot, wenn sich das Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen befindet (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 und 8 StVO; vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl., § 37 StVO Rdnr. 53). Befindet sich die Lichtzeichenanlage vor einem Kreisverkehr, erlaubt die Grünpfeilregelung im übrigen nur das sofortige Ausfahren bei der ersten Möglichkeit, nicht die Weiterfahrt im Kreis (vgl. KG NZV 1994, 159).


Siehe auch Kreisverkehr und Der Grünpfeil


Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 250,00 DM verurteilt und ihm nach § 25 StVG für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen; es hat bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein des Betroffenen nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene mit seinem PKW die L. Straße in B.-F. auf der mittleren von drei Fahrspuren seiner Fahrtrichtung. Vor der Haltlinie am Kreisverkehr des S. Platzes hielt er "in Beachtung des roten Wechsellichtzeichens" an. Im Hinblick auf den rechts neben dem Signalgeber angebrachten Grünpfeil fuhr ein im rechten Fahrstreifen haltender PKW "nach einigen Sekunden" an und bog an der nächsten Ausmündung nach rechts (K.-M.-Allee Richtung Osten) ab. Daraufhin fuhr auch der Betroffene bei andauernder Rotphase los. Er behielt die mittlere Fahrspur bei und verließ den Kreisverkehr erst an der zweiten Ausmündung (F. Straße in Richtung Platz der Nationen). Gegenüber einer zufällig anwesenden Polizeistreife gab er an, er habe angenommen, wegen des Grünpfeils bei Rot fahren zu dürfen. In der Hauptverhandlung hat er sich unwiderlegt dahin eingelassen, er habe sich von dem Fahrzeug im rechten Fahrstreifen mitziehen lassen; er habe zunächst in die Karl-Marx-Allee abbiegen wollen, nach Überfahren der Haltlinie aber spontan beschlossen, zur Erledigung einer Besorgung "geradeaus" weiterzufahren.

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines fahrlässig begangenen qualifizierten Rotlichtverstoßes nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO in Verbindung mit Nr. 34.2 BKat. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass der Betroffene keinen Rotlichtverstoß begangen, sondern nur das Gebot missachtet habe, zum Abbiegen den rechten Fahrstreifen zu benutzen, trifft nicht zu. Das grüne Pfeilschild berechtigt nur dann zum Abbiegen nach rechts bei Rot, wenn sich das Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen befindet (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 und 8 StVO; vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl., § 37 StVO Rdnr. 53). Befindet sich die Lichtzeichenanlage - wie hier - vor einem Kreisverkehr, erlaubt die Grünpfeilregelung im übrigen nur das sofortige Ausfahren bei der ersten Möglichkeit, nicht die Weiterfahrt im Kreis (vgl. KG NZV 1994, 159).

Auch die Feststellung, dass die Rotphase bereits länger als eine Sekunde dauerte, als der Betroffene die Haltlinie überquerte, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Insoweit beruht das Urteil ersichtlich auf einer Schätzung des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Zeugen W., der sich in dem Streifenwagen schräg hinter dem Betroffenen befand und von dort aus den Verkehrsverstoß beobachtete. Die Schätzung eines Zeitablaufs durch Zeugen ist zwar wegen der in Betracht kommenden Fehlerquellen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, denen die Beweiswürdigung in nachvollziehbarer Weise Rechnung tragen muss (vgl. OLG Düsseldorf VRS 95, 439, 440 m. N.). Dem wird das angefochtene Urteil jedoch in noch ausreichender Weise dadurch gerecht, dass es während der Rotlichtdauer abgelaufene Vorgänge mitteilt, die eine zeitliche Eingrenzung ermöglicht (der Betroffene hielt bei bereits aufleuchtendem Rotlicht an, nach einer gewissen Wartezeit fuhr zunächst der rechts haltende PKW los und bog in die nächste Ausmündung ein, bevor der Betroffene wieder startete).

3. Die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Die an dem Regelsatz des Bußgeldkatalogs orientierte Bemessung der Geldbuße ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Auch die Anordnung des einmonatigen Fahrverbots hält rechtlicher Prüfung stand. Das Verhalten des Betroffenen erfüllt den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV in Verbindung mit Nr. 34.2 des Bußgeldkatalogs. Dies indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig - und so auch hier - der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf (vgl. BGHSt 38, 125, 134). Besonderheiten, die ein Abweichen von der Regelmaßnahme rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde setzt die Anwendung von Nr. 34.2 BKat nicht voraus, dass andere Verkehrsteilnehmer durch den Rotlichtverstoß konkret gefährdet worden sind. Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmung und der Gegenüberstellung mit Nr. 34.1 BKat, die das Fahrverbot auch bei kürzerer Rotphase vorsieht, wenn durch den Verstoß eine konkrete Gefährdung oder Sachbeschädigung eingetreten ist (vgl. OLG Zweibrücken NZV 1994, 160). Das Amtsgericht hat aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei ein bloßes "Augenblicksversagen" des Betroffenen verneint. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einen "Mitzieheffekt" durch den neben ihm startenden Rechtsabbieger geltend macht, ist dem entgegenzuhalten, dass sich der Betroffene auch hinter der Haltlinie keineswegs so verhalten hat, wie es der Grünpfeil für Rechtsabbieger vorschreibt, sondern trotz Rotlichts - möglicherweise aufgrund eines spontanen Entschlusses - "geradeaus" weitergefahren ist.

Das Amtsgericht hat geprüft, ob der mit dem Fahrverbot erstrebte Zweck allein mit einer erhöhten Geldbuße erreicht werden kann, und diese Frage rechtsfehlerfrei verneint. Die festgestellten nachteiligen Auswirkungen des Fahrverbots für den Betroffenen als Rentner (zeitweilige Unmöglichkeit, die Post für einen Bekannten zu besorgen und durch gelegentliche Warentransporte einen Nebenverdienst zu erzielen) hat das Amtsgericht zu Recht nicht als außergewöhnliche Härte gewertet.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.



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