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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil vom 16.12.2009 - 15 K 1517/09 - Zur CE79-Berechtigung und zur Beratungspflicht der Fahrerlaubnisbehörde

VG Hamburg v. 16.12.2009: Da die CE79-Berechtigung keine eigene Fahrerlaubnisklasse ist, kann sie nicht isoliert erteilt werden - Beratungspflicht der Führerscheinbehörde


Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urteil vom 16.12.2009 - 15 K 1517/09) hat entschieden:
Da die CE79-Berechtigung keine eigene Fahrerlaubnisklasse ist, kann sie nicht isoliert erteilt werden. Hat der Betroffene beim Umtausch seines alten Führerscheins der Klasse 3 vergessen, die Berechtigung CE79 zu beantragen, so ist diese Berechtigung mit dem Umtausch erloschen. Befand sich auf dem Antragsformular ein ankreuzbares Feld mit der Bezeichnung "CE79", dann hätte der Betroffene aktiv erkundigen müssen, ob für ihn eine derartige Berechtigung in Betracht kommt. Die Behörde muss den Antragsteller nicht von sich aus die Möglichkeit eines solchen Antrags hinweisen.


Siehe auch Die Fahrerlaubnisklassen - Führerscheinklassen und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse CE 79.

Am 19. Mai 1995 wurde dem 1969 geborenen Kläger die Fahrerlaubnis der Klasse 3 erteilt. Mit Formularantrag vom 10. Januar 2005 beantragte der Kläger die Umstellung seiner Fahrerlaubnis nach § 6 Abs. 7 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf die entsprechenden neuen Fahrerlaubnisklassen des europäischen Scheckkartenführerscheins gemäß Anlage 3 zu § 6 Abs. 7 FeV. Das Formular enthielt unter dem eigentlichen Antrag auf Tausch des beigefügten Führerscheins folgendes Feld, in dem der Kläger kein Kreuz gemacht hatte:
Gilt für Inhaber der Klasse 3: (Bei Bedarf zutreffendes ankreuzen)
□ Ich bin noch keine 50 Jahre alt und beantrage die Klasse „CE 79“, die bis zum 50. Geburtstag befristet erteilt wird
□ Ich beantrage die Klasse T, weil ich in der Land- bzw. Forstwirtschaft tätig bin (Nachweis ist beigefügt).
Hierauf erfolgte am 14. Januar 2005 die Umstellung der Fahrerlaubnis von Klasse 3 (alt) auf Klasse C1E (neu) mit Aushändigung des neuen Führerscheins an den Kläger.

Mit Anwaltschreiben vom 30. Januar 2009 wandte sich der Kläger an die Beklagte und verlangte mit dem Hinweis, dass im Rahmen der Umstellung seiner Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnisklasse CE wohl versehentlich nicht eingetragen worden sei, die Umschreibung seines Führerscheins. Bis vor einer Woche sei er davon ausgegangen, dass er seit 2005 auch diese Führerscheinklasse besitze. Dass dies nicht der Fall sei, sei ihm erst im Zuge seines neuen Arbeitsverhältnisses aufgefallen, für das die entsprechende Fahrerlaubnis zwingende Voraussetzung sei.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 2. Februar 2009, dass eine nachträglich Erteilung der Fahrerlaubnisklasse nicht in Betracht komme: Die alte Fahrerlaubnisklasse 3 sei nicht identisch mit der Fahrerlaubnisklasse CE, weshalb diese nicht erteilt werden dürfe. Um den Besitzstand der Inhaber von alten Klasse-3-Führerscheinen zu sichern, sei es jedoch möglich, bei der Umstellung auf Antrag die Fahrerlaubnis CE in dem eingeschränkten Umfang zu erteilen, indem sie in der Klasse 3 enthalten gewesen sei. Dies werde als Fahrerlaubnisklasse CE 79 eingetragen. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger aber nicht gestellt. Damit enthalte sein neuer EU-Führerschein diese Klasse nicht. Der Kläger habe nach der Aushändigung des Ersatzführerscheins die Möglichkeit gehabt, innerhalb eines Jahres hiergegen Widerspruch einzulegen. Dies habe er nicht getan.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2009 beantragte der Kläger hinsichtlich der Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand: Er habe erst am 23. Januar 2009 von der fehlenden Eintragung jener Fahrerlaubnisklasse erfahren. Das 2005 durchgeführte Antragsverfahren zum Tausch des Führerscheins sei fehlerhaft gewesen. Die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten habe den Antrag mit Schreibmaschine ausgefüllt und ihm dann kommentarlos zur Unterschrift vorgelegt, ohne ihn über die besondere Antragstellung für die gegenständliche Fahrerlaubnisklasse zu informieren und zu belehren. Das Antragsformular selbst sei in keiner Weise verständlich und transparent. Das Fehlen jener Fahrerlaubnisklasse habe für ihn verheerende Folgen. Er habe Arbeit in der Baustellenabsicherung gefunden, die zu einem erheblichen Teil das Führen von beladenen Fahrzeugen, für die Fahrerlaubnisklasse CE 79 vorgeschrieben sei, umfasse. Er könne diese Touren nicht fahren, was sein Arbeitgeber nicht weiter dulden wolle. Er sei Alleinverdiener einer fünfköpfigen Familie.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2009, zugestellt am Folgetag, lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger nachträglich die Klasse CE 79 zu erteilen: Er habe beim Tausch seines Führerscheins keinen Antrag auf Erteilung der Klasse CE 79 gestellt. Ein solcher Antrag sei aber nötig gewesen. Der Verordnungsgeber habe das Antragserfordernis aufgestellt, weil er angenommen habe, dass nur ein geringer Teil der Berechtigten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde. Eine nachträgliche Erteilung der Klasse CE 79 komme nicht in Betracht, da der Kläger nach dem Umtausch seiner Fahrerlaubnis über diese Klasse nicht mehr verfügt habe. Eine fehlerhafte Sachbearbeitung könne auch nicht festgestellt werden. Offenbar habe der Kläger die Klasse CE 79 erst jetzt benötigt und deshalb damals keinen Anlass gesehen, sie zu beantragen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 19. März 2009 Widerspruch ein: Die Entscheidung berücksichtige nicht ansatzweise den vorliegenden Einzelfall. Weder werde auf die fehlerhafte Sachbearbeitung noch auf die jetzt gegebene existenzielle Gefährdung der ganzen Familie eingegangen.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009, zugestellt am 14. Mai 2009, zurück: Es sei nicht zu beanstanden, dass mit dem angefochtenen Bescheid dem Kläger die beantragte Fahrerlaubnis der Klasse CE mit der Schlüsselzahl 79 versagt worden sei. Die Zuteilung der begehrten Fahrerlaubnisklasse erfolge nur auf Antrag im Zusammenhang mit der Umstellung der Fahrerlaubnis. Eine Zuteilung außerhalb der Umstellung sei ausgeschlossen. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger damals nicht gestellt, sondern erst am 30. Januar 2009 nachgeholt. Die Umstellung sei mittlerweile unanfechtbar und damit bestandskräftig. Auf Besitzstandswahrung könne sich der Kläger nicht berufen, da er eine entsprechende Berechtigung bereits seit der Umstellung und damit seit mehr als vier Jahren nicht mehr besitze. Auch ein Härtefall liege nicht vor, da die jetzige Bewerbung auf einen neuen Arbeitsplatz mit einer für die angestrebte Tätigkeit nicht ausreichenden Fahrerlaubnis keinen Härtefall begründe, zumal der Kläger in den letzten Jahren diese Fahrerlaubnis offenbar nicht gebraucht habe.

Am 15. Juni 2009, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben: Ihm stehe der Anspruch auf Erteilung der begehrten Fahrerlaubnisklasse zu, wenn nicht schon aufgrund des fehlerhaft durchgeführten Antragsverfahrens im Jahr 2005, so jedenfalls doch aufgrund eines jetzt gegebene Härtefalles.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klasse CE mit der Schlüsselnummer 79 zu erteilen und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt zur Begründung vor, die Eintragung der Fahrerlaubnisklasse CE 79 hätte einen entsprechenden Antrag des Klägers bereits beim Tausch des alten Führerscheins vorausgesetzt. Diesen Antrag habe der Kläger nicht gestellt. Der Kläger hätte gegen den Verwaltungsakt der Ausstellung des neuen Führerscheines vorgehen müssen; dieser sei aber mittlerweile unanfechtbar.

Mit Beschluss vom 30. November 2009 ist der Rechtsstreit nach § 6 VwGO auf die Vorsitzende als Einzelrichter übertragen worden.

Am 16. Dezember 2009 ist in der Sache mündlich verhandelt worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Die Sachakte der Beklagten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.


Entscheidungsgründe:

I.

Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht zwar nicht über das Klagebegehren hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Dies bedeutet, dass das Gericht – insbesondere bei einer schwierigen Rechtslage – das erkennbare Klageziel auch anhand weiterer Erklärungen des Klägers sowie der Umstände des Falles zu ermitteln hat. Dies ergibt hier, dass der Kläger sich nicht darauf beschränken will, die streitbefangene Fahrerlaubnisklasse CE 79 nachträglich neu zu beantragen. Vielmehr zeigen seine Behauptungen, dass die Beklagte bei der Umstellung seiner Fahrerlaubnis einen Fehler gemacht habe, er jedenfalls aber schon bei Umtausch seines alten Führerscheins einen förmlichen Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnisklasse CE 79 gestellt hätte, wenn er darüber hinreichend informiert gewesen wäre, wie auch sein bei der Beklagten gestellter Wiedereinsetzungsantrag, dass er weiterhin auch die damalige Entscheidung angreift.


II.

Soweit das Begehren des Klägers so zu verstehen ist, dass er sich heute noch unmittelbar gegen die mit Aushändigung seines EU-Führerscheins im Jahr 2005 verfügten Einschränkungen seiner zuvor bestehenden Fahrerlaubnis wendet, ist seine Klage bereits unzulässig, da es an einem ordnungsgemäß durchgeführtem Vorverfahren fehlt. Die im Jahr 2005 verfügte Erteilung der EU-Fahrerlaubnis ohne die in der Klasse CE 79 enthaltenen Berechtigungen ist schon lange vor Klageerhebung bestandskräftig geworden:

Die im Zuge des Führerscheintausches bewirkte Einschränkung der Fahrerlaubnis des Klägers ist ein belastender Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 HmbVwVfG, der seine rechtlichen Grundlagen im Europarecht hat:

Zur Umsetzung der EU-Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991 ist auf der Grundlage des § 6 StVG die Fahrerlaubnisverordnung erlassen worden. Diese bestimmt in Anlage 3 zu § 6 Abs. 7 FeV auch den Umfang der Berechtigung nach Umstellung der alten Fahrerlaubnisklassen. Danach erhält, wer die Fahrerlaubnis der (alten) Klasse 3 bis zum 31. Dezember 1998 erworben hat, die (neuen) Fahrerlaubnisklassen B, BE, Cl, C1E, M und L. Dies schließt gegenüber der alten Klasse 3 das Führen gewisser Züge aus.

Aus Gründen der Besitzstandswahrung kann jedoch auf Antrag die neue Fahrerlaubnis um die Klasse CE 79 ergänzt werden, die die ausgeschlossenen Berechtigungen wieder in die Fahrerlaubnis einfügt. Diese ist keine „reguläre“ Fahrerlaubnisklasse und wird deshalb auch in dem insoweit abschließenden § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV nicht genannt. Ihre Einrichtung war erforderlich geworden, weil die (alte) Fahrerlaubnis der Klasse 3 auch zum Führen von Zügen bestehend aus einem Zugfahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 7,5 Tonnen und einem einachsigen Anhänger berechtigte. Soweit diese Kombination ein zulässiges Gesamtgewicht von 12 000 kg überschreitet, fällt sie in die Klasse CE, die ansonsten der (alten) Klasse 2 entspricht. Daher kann die Fahrerlaubnisklasse CE dem Inhaber einer Fahrerlaubnis der (alten) Klasse 3 nicht vollständig erteilt werden, sondern lediglich in dem Umfang, den er auch bisher mit Klasse 3 führen durfte. Diese Einschränkung wird auf dem Scheckkartenführerschein durch das Berechtigungsmerkmal „CE 79“ zum Ausdruck gebracht (vgl. amtliche Begründung, BR-Drucks. 443/98, S. 247 f.).

Da der Kläger damals jenen Antrag nicht gestellt hat, hat die Beklagte ihm den neuen Führerschein ohne die streitbefangene Fahrerlaubnisklasse erteilt. Seine Berechtigung, Kraftfahrzeuge zu führen, wurde hierdurch gegenüber dem früher bestehenden Zustand eingeschränkt.

Vor Erhebung einer Klage gegen diesen Verwaltungsakt waren Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit in einem Vorverfahren nachzuprüfen ( § 68 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO ). Der für ein solches gemäß § 69 VwGO erforderliche Widerspruch war gemäß §§ 70 Abs. 2 i.V.m. 58 Abs. 2 VwGO mangels Rechtsbehelfsbelehrung binnen Jahresfrist einzulegen. Da frühestens im Schreiben vom 30. Januar 2009 ein Widerspruch zu erblicken ist, ist diese Frist unzweifelhaft verstrichen.

Dem Kläger kann hinsichtlich seiner damaligen Widerspruchsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Dies scheitert hier bereits daran, dass gemäß §§ 70 Abs. 2 i.V.m. 60 Abs. 3 VwGO ein solcher Antrag nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist unzulässig ist, außer wenn – was hier unzweifelhaft nicht vorliegt – der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Eine Belehrung hierüber setzt der Lauf dieser Jahresfrist nicht voraus (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 60 Rn. 28). Da die Widerspruchsfrist hier im Januar 2006 endete, war ab Januar 2007 auch keine Wiedereinsetzung mehr möglich.


III.

1. Da bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte zwar nicht mehr unmittelbar durch das Gericht, aber durchaus noch durch die Behörde selbst abgeändert werden können, ist bei sachgerechter Auslegung des Klagebegehrens auch dieses hier gewollt. Der Kläger beantragt deshalb im Wege der Verpflichtungsklage auch, dass die Beklagte ihm unter Widerruf der bestandskräftig gewordenen Einschränkung seiner Fahrerlaubnis die entzogene Berechtigung zum Fahren bestimmter Züge durch Erteilung der Fahrerlaubnisklasse CE 79 erteilt.

Eine solche Klage ist auch zulässig. Ein Begehren, das die Beklagte zur Prüfung eines Widerrufs veranlassen musste, ist in den Schreiben vom 30. Januar 2009 und vom 2. Februar 2009 enthalten. Auf dessen Ablehnung hin ist ein ordnungsgemäßes Vorverfahren durchgeführt worden. Zudem hat der Kläger fristgemäß Klage erhoben. Gemäß § 74 Abs. 1 VwGO muss die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Der Widerspruchsbescheid ist ausweislich der Zustellungsurkunde dem Kläger am 14. Mai 2009 zugestellt worden. Damit endete die Klagefrist von einem Monat im Sinne des § 74 Abs. 1 VwGO am 15. Juni 2009, einem Montag (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188Abs. 2 BGB ), an dem sie auch bei Gericht einging.

2. In der Sache führt diese Klage jedoch nicht zum Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Widerruf der 2005 nur unter Einschränkungen erteilten Fahrerlaubnis und Erteilung jener Fahrerlaubnis nunmehr unter Einschluss der Fahrerlaubnisklasse CE 79. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide im Ergebnis rechtmäßig und verletzten Kläger nicht in seinen Rechten ( § 113 Abs. 5 S. 1 und 2 VwGO ).

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die damalige Einschränkung der Fahrerlaubnis des Klägers nach § 49 Abs. 1 HmbVwVfG zu widerrufen und damit den Weg zur Erteilung der begehrten Fahrerlaubnisklasse CE 79 zu eröffnen.

Zwar kann die Beklagte aufgrund dieser Bestimmung einen rechtmäßigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt auch dann, nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, wenn nicht ein Verwaltungsakt gleichen Inhaltes erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Entscheidung über einen Widerruf waren hier auch gegeben (unten a.). Jedoch hat die Beklagte einen solchen Widerruf ermessensfehlerfrei abgelehnt (unten b.).

a. Bei der Erteilung eines EU-Führerscheins an den Kläger, der die Fahrerlaubnisklasse CE mit der Schlüsselnummer 79 nicht mehr umfasst, handelte es sich um einen rechtmäßigen, insoweit nicht begünstigenden Verwaltungsakt. Die belastende Wirkung ergibt sich aus der Einschränkung der vorher bestehenden Fahrerlaubnis. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme folgt daraus, dass die im Zuge des Führerscheintausches mögliche Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 nach §§ 76 Ziffer 9 Satz 3, 6Abs. 7 Satz 5 FeV einen Antrag des Inhabers des Führerscheins der Klasse 3 voraussetzt. Diesen Antrag hat der Kläger damals nicht gestellt. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht, da dies Antragserfordernis den Fahrerlaubnisinhaber nicht unverhältnismäßig belastet.

Obwohl der Kläger im Zusammenhang mit dem damaligen Führerscheintausch keinen diesbezüglichen Antrag gestellt hat, dürfte die Beklagte nach einem Widerruf ihrer damaligen bestandskräftigen Entscheidung die streitbefangene Fahrerlaubnisklasse CE 79 heute jedenfalls im Wege der Ausnahme nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV erteilen. Somit ist ihr pflichtgemäßes Ermessen eröffnet, über einen solchen konkludent beantragten Widerruf zu entscheiden.

b. Die Entscheidung der Beklagten, ihre bestandskräftige Entscheidung nicht zu widerrufen, ist jedoch nicht ermessensfehlerhaft. Der Kläger hat damit weder einen Anspruch auf Widerruf des entgegenstehenden Verwaltungsaktes und Erteilung der streitbefangenen Fahrerlaubnis ( § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO ) noch lediglich auf Neubescheidung seines Widerrufsbegehrens ( § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO ).

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Absicht des Verordnungsgebers, die Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 nur auf einen im Zusammenhang mit dem Umtausch des Führerscheins gestellten Antrag hin zu vergeben, für gewichtiger eingeschätzt hat als die gegenläufigen Interessen des Klägers. Ohnehin kommt der Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes nur in Betracht, wenn die Aufrechterhaltung eines anfänglich rechtmäßigen belastenden Verwaltungsaktes in Bezug auf die Ziele der rechtlichen Regelung selbst oder aufgrund höherrangigen Rechts zu nicht länger tragbaren Konsequenzen führt. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Beklagte hat den vorliegenden Sachverhalt richtig erfasst und bei ihrer hierauf gegründeten Ermessensbetätigung weder die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ( § 114 S. 1 VwGO ). Auch wenn im Verwaltungsverfahren die Vorschrift des § 49 HmbVwVfG nicht ausdrücklich genannt wurde, lag doch kein Ermessensausfall vor, da die Beklagte schon dort erkennbar davon ausgegangen ist, dass ihr ein Entscheidungsspielraum zusteht und sie dem Kläger trotz der unanfechtbaren Ausgangsentscheidung im Ermessenswege die begehrte Fahrerlaubnisklasse erteilen dürfe. Sie hat insoweit Ermessenserwägungen getroffen und war deshalb auch berechtigt, diese nach § 114 S. 2 VwGO noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur ergänzen.

Die von der Beklagten angeführten Ermessenserwägungen genügen den rechtlichen Anforderungen. Ohnehin sind hier lediglich zwei Aspekte denkbar, unter denen ein Widerruf der damaligen Beschränkung der Fahrerlaubnis des Klägers zu erwägen war: Zum einen ist dies der Aspekt der Fehlberatung. Eine solche wäre gegeben, wenn allein aufgrund falscher oder vorwerfbar unvollständiger Beratung durch die Beklagte der Kläger beim Umtausch seines alten Führerscheins keinen Antrag gestellt hätte, um sich die Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 zu erhalten. Zum anderen ist dies das Vorliegen einer unbilligen Härte, die daraus folgt, dass sich nach Erlass des bestandskräftigen belastenden Verwaltungsaktes Aspekte ergeben, die seinen Fortbestand als unzumutbar erscheinen lassen.

Zu Recht geht die Beklagte davon aus, dass keine Fehlberatung erfolgt ist. Dafür, dass der Kläger in einer hier beachtlichen Weise beim Tausch seines Führerscheins fehlberaten wurde, spricht selbst sein eigener Vortrag nicht. Dass ein Antrag auf Erteilung der Klasse „CE 79“ gestellt werden kann, ist dem Antragsformular eindeutig und gut erkennbar zu entnehmen. Zwar wäre es zweifellos bürgerfreundlicher, die Betroffenen auf dem Antragsformular in verständlicher Sprache darauf hinzuweisen, was es mit diesem Antrag auf sich hat. Gleichwohl obliegt es letztendlich dem jeweiligen Antragsteller, sich zu informieren, was ein solcher optionaler Zusatzantrag für ihn bedeuten kann. Insoweit kommt gerade für einen Berufskraftfahrer, für den seine Fahrerlaubnis besondere Bedeutung hat, in Betracht, sich bereits vor dem Führerscheintausch über dessen Konsequenzen kundig zu machen, zum Beispiel in Fachzeitschriften, bei Verbänden wie dem ADAC oder im Internet. Jedenfalls hätte der Kläger aber die Mitarbeiter der Beklagten fragen können, wofür die auf dem Antragsformular genannte Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 benötigt wird und ob er diese nicht in seiner Lage beantragen solle. Diese hätten ihm hierauf eine angemessene Erklärung geschuldet. Sie waren allerdings nicht verpflichtet, jeden Antragsteller ungefragt darüber zu beraten, wann er einen solchen Zusatzantrag stellen solle und wann nicht. Dass er beim Umtausch seines Führerscheins nach dem Sinn eines solchen Antrags gefragt hat und hierauf unvollkommen oder falsch beraten wurde, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Sofern er vorträgt, er habe bei Antragstellung gefragt, ob auch er sich – wie einem anderen Kraftfahrer mitgeteilt worden war, der gleichzeitig seinen Führerschein getauscht hatte – nun alle fünf Jahre einer ärztlichen Untersuchung unterziehen müsse, bot auch dieses keinen Anlass für die Mitarbeiter der Beklagten, ihn über die Besonderheiten der Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 aufzuklären. Vielmehr war die Antwort, dass der Kläger, der diese Fahrerlaubnisklasse gerade nicht beantragt hatte, sich in Zukunft keiner ärztlichen Untersuchung unterziehen müsse, vollkommen richtig und in dieser Situation auch ausreichend.

Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Beklagte hier nicht von einem Härtefall ausgegangen ist, der zwingend einen Widerruf der damaligen Einschränkung zum Zweck der Erteilung der streitbefangenen Fahrerlaubnisklasse verlangt.

Die Erwägung der Beklagten, dass der Kläger über mehrere Jahre die streitbefangene Fahrerlaubnis gar nicht gebraucht habe und diese deshalb jetzt – nach einem Wechsel des Arbeitsplatzes – gewissermaßen neu beantrage, entspricht den tatsächlichen Verhältnissen. Seinen diesbezüglichen Besitzstand, den der Verordnungsgeber durch Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 schützen wollte, hatte der Kläger bei Antragstellung bereits seit langem verloren. Denn er verfügte im Januar 2009 seit gut vier Jahren nicht mehr über die uneingeschränkte Fahrerlaubnis der alten Klasse 3.

Die Beklagte war auch nicht gehalten, aufgrund der aktuellen beruflichen Situation des Klägers, in der die Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 zweifellos wichtig ist, eine andere Ermessensentscheidung zu treffen. So ist der Kläger durch den Verlust der streitbefangenen Berechtigungen nicht in eine ausweglose Lage geraten. Vielmehr darf die Beklagte ihn darauf verweisen, den regulär hierfür vorgesehenen Weg zu beschreiten und die das Führen von schweren Lastkraftwagen und Zügen erlaubende Fahrerlaubnis der Klasse CE zu erwerben. Zudem weist sie in nachvollziehbarer Weise daraufhin, dass ein dringender Handlungsbedarf auch deshalb nicht besteht, weil der Verordnungsgeber Kraftfahrern, die eine Fahrerlaubnis der alten Klasse 3 besaßen, in Zukunft die nachträgliche Beantragung der Fahrerlaubnisklasse CE 79 erlauben will. Auch die Probleme des Klägers dürfen sich damit in absehbarer Zeit erledigen.


IV.

Soweit das Begehren des Klägers schließlich auch umfasst, dass er nunmehr vor Gericht eine im Januar dieses Jahres erstmals aus aktuellem Anlass beantragte Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 erstreiten will, ist die Klage zwar ebenfalls zulässig, führt aber auch nicht zum Erfolg.

Einem solchen Begehren steht bereits entgegen, dass die Erteilung der Fahrerlaubnisklasse CE 79 unabhängig vom Umtausch eines Führerscheins der alten Klasse 3 von den maßgeblichen Rechtsvorschriften (noch) nicht vorgesehen ist.

Gemäß § 76 Ziffer 9 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 7 Satz 5 FeV ist der Antrag auf Erteilung der Klasse CE 79 im Zusammenhang mit dem Umtausch des Führerscheins zu stellen. Eine Erteilung dieser allein aus Gründen der Besitzstandswahrung erteilten Fahrerlaubnisklasse außerhalb der Umstellung ist nicht vorgesehen und auch nicht gewollt. Der Gesetzgeber ging insoweit davon aus, dass ein Großteil der Inhaber des Führerscheins der Klasse 3 keinen Bedarf an der Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse CE mit der Schlüsselnummer 79 haben würde und hat im Hinblick hierauf bewusst die Antragspflicht eingeführt (vgl. amtliche Begründung, BR-Drucks. 443/98, S. 247 f.). Wenn ein Kraftfahrer gerade jener Befugnisse, die mit der Umstellung seiner Fahrerlaubnis der Klasse 3 auf den neuen EU-Führerschein verloren gehen, bedurfte, konnte er diesen Antrag stellen und sich damit alle bisher erteilten Befugnisse bis zum 50. Lebensjahr erhalten. Wenn ein solcher Antrag nicht im Zusammenhang mit dem Führerschein-Tausch gestellt wurde, ist jedoch anzunehmen, dass er die Einschränkung der Fahrerlaubnis akzeptiert und auf die Besitzstandswahrung verzichtet. Eine erst später erfolgende Erweiterung der EU-Fahrerlaubnis wieder auf den Umfang der alten Fahrerlaubnis der Klasse 3 sollte vermieden werden, da sie mit erheblichem Aufwand verbunden und es dem Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 zuzumuten ist, sich beim Umtausch seines alten Führerscheins über die damit verbundenen Konsequenzen zu informieren. Nach Abschluss des Umtauschverfahrens, also nach bestandskräftig gewordener Erteilung der neuen EU-Fahrerlaubnis, die auch weder zurückzunehmen noch zu widerrufen ist, ist die streitbefangene Erweiterung der Fahrerlaubnis nach derzeit geltenden Recht deshalb ausgeschlossen.


V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO über die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren bedarf es nicht, da ein hierauf gegründeter Erstattungsanspruch eine Kostenlastentscheidung zu Gunsten des Klägers voraussetzt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.