Es kann offen bleiben, ob es sich bei dem PoliScanSpeed-Messsystem um ein anerkanntes und standardisiertes Messverfahren handelt. Ein Freispruch ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn der Tatrichter keine Feststellungen zu den konkreten Umständen der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung durch das PolyScanSpeed-Messsystem und deren Auswertung getroffen noch mitgeteilt, welche gutachterlichen Erkenntnisse gerade im vorliegenden Fall den Sachverständigen zur Aufgabe seiner Bedenken veranlasst haben. Allein die systembedingt nicht mögliche nachträgliche Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung, die auch bei anderen – standardisierten- Lasermessverfahren gegeben ist, steht der Verwertbarkeit des Messergebnisses grundsätzlich nicht entgegen.
Gründe:
Das Regierungspräsidium in O1 hat gegen die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h am ... 2009 um 21. 44 Uhr auf der A … in der Gemarkung X um 56 km/h eine Geldbuße von 300,- € und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer festgesetzt. Auf den Einspruch der Betroffenen hat das Amtsgericht Dillenburg durch Beschluss vom 2. 10. 2009 die Betroffene „ aus tatsächlichen Gründen zumindest nach dem Grundsatz in dubio pro reo“ freigesprochen, da „zumindest Restzweifel, ob die mit dem nicht standardisierten PoliScanSpeed-Messverfahren ermittelte Geschwindigkeit zutreffend ist“, verblieben seien.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthaften, form – und fristgerecht eingelegten und gleichermaßen begründeten Rechtsbeschwerde, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Der angefochtene Beschluss genügt nicht den Anforderungen, die an ein freisprechendes Urteil und demzufolge an einen Freispruch im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG zu stellen sind (vgl. Göhler, OWiG, 15. Auflage, § 72 RN 63). Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen müssen die vom Gericht als erwiesen angesehenen Tatsachen und die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die mangelnde Überführbarkeit der Betroffenen ergibt. Dabei müssen auch die entscheidenden Gesichtspunkte der Beweiswürdigung mitgeteilt werden, um dem Rechtsmittelgericht eine umfassende rechtliche Nachprüfung zu ermöglichen (KK-Engelhardt, StPO, 6. Auflage, Rdnr. 41 zu § 267).
Gemessen an diesen Grundsätzen kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Die Feststellungen sind lückenhaft und tragen nicht den Freispruch aus tatsächlichen Gründen.
Es kann hier offen bleiben, ob es sich bei dem PoliScanSpeed-Messsystem um ein anerkanntes und standardisiertes Messverfahren handelt (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. 1. 2010, IV- 5 Ss- OWi 206/09-(OWi) 178/09; offen gelassen in OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. 2. 2010 – 3(5) SsBs 629/09-AK 4/10, Beschluss vom 17. 2. 2010, 1(8) SsBs 276/09-AK 79/09; vgl. hierzu allgemein BGHSt 39, 241 ff.; 43, 277 ff.). Das Amtsgericht stützt seine nicht überwindbaren Zweifel an der zutreffenden Ermittlung der Geschwindigkeit durch das PolyScanSpeed-Messverfahren im Wesentlichen darauf, dass mangels detaillierter Unterlagen über die Funktionsweise des Messsystems die Messung einer nachträglichen Geschwindigkeitskontrolle nicht zugänglich sei. Gleichzeitig ist den Beschlussgründen zu entnehmen, dass der Sachverständige Dr. SV1 in seinem Gutachten vom 9. 9. 2009 zu dem Endergebnis komme, dass es keine Hinweise für eine Fehlmessung gebe und sämtliche in seinem Gutachten zuvor genannten Unzulänglichkeiten/Bedenken gegenüber dem PoliScanSpeed-Messsystem im konkreten Fall nicht zum Tragen kämen. Das Amtsgericht hat jedoch weder Feststellungen zu den konkreten Umständen der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung durch das PolyScanSpeed-Messsystem und deren Auswertung getroffen noch mitgeteilt, welche gutachterlichen Erkenntnisse gerade im vorliegenden Fall den Sachverständigen zur Aufgabe seiner Bedenken veranlasst haben. Diese lückenhaften Feststellungen begründen einen sachlich-rechtlichen Fehler, da das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob der Tatrichter rechtsfehlerfrei sich nicht von der Verlässlichkeit und Korrektheit der Messung im konkreten Einzelfall überzeugen konnte. Allein die systembedingt nicht mögliche nachträgliche Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung, die auch bei anderen – standardisierten- Lasermessverfahren gegeben ist, steht der Verwertbarkeit des Messergebnisses grundsätzlich nicht entgegen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. 4. 2009, 2 Ss-OWi 120/09). Die von dem Amtsgericht in diesem Zusammenhang gezogene Parallele zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung von elektronischen Wahlgeräten (BVerfG Urt. v. 3. 3. 2009, BGBl I 2009, 525 = DVBl 2009, 511-516) geht fehl, da Prüfungsmaßstab hier der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl aus Art. 38 i. V. m. Art. 20 I und II GG war.
Anlass, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, besteht nicht.