Werden bei einem Fahrerlaubnisinhaber bei einer polizeilichen Kontrolle 15,13 g Marihuana gefunden, so ist die Anordnung eines fachärztlichen Gutachtens zu seinen Konsumgewohnheiten gerechtfertigt. Wird das Screening nicht erbracht, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen. Der Besitz einer derartigen Menge lässt den Schluss zu, dass der Konsum über gelegentliche Einnahme hinausgeht, denn über einen Zeitraum von zwei Monaten ist damit ein mindestens fünfmaliger Konsum pro Woche möglich. Ein derartiger Konsum ist fahrerlaubnisrechtlich derartig problematisch, dass eine fachärztliche Abklärung des tatsächlichen Konsummusters erfolgen muss.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Januar 2010, in dem dieses es abgelehnt hat, für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist begründet.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO die Bedürftigkeit des Antragstellers in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht voraus, zudem muss die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Der streitige Fahrerlaubnisentziehungsbescheid vom 27. Oktober 2009 beruht darauf, dass der Beklagte gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen hat, weil dieser ein von ihm gefordertes fachärztliches Gutachten nicht vorgelegt hat. Dieses war angeordnet worden, weil im Zuge einer Fahrzeugkontrolle bei dem Kläger am 11. Mai 2009 nach dem Grenzübertritt aus den Niederlanden 15,13 g Marihuana gefunden worden waren. Zur Begründung der den Antrag auf Prozesskostenhilfe ablehnenden Entscheidung hat das Verwaltungsgericht auf Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 15.5.2009 - 16 B 114/09 -, juris; Beschl. v. 15.3.2007 - 16 A 4487/04 - sowie insbes. Beschl. v. 15.3.2007 - 16 A 3899/05 -) Bezug genommen. Danach reicht für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 FeV der nur gelegentliche Cannabiskonsum nicht aus, wenn nicht zusätzlich erschwerende Umstände vorliegen (z. B. mangelnde Trennung von Konsum und Verkehrsteilnahme). Sofern sich jedoch über den gelegentlichen Cannabiskonsum hinaus Verdachtsmomente für einen regelmäßigen Konsum ergeben, darf ein ärztliches Gutachten verlangt werden. Hinreichende Verdachtsmomente für einen regelmäßigen Konsum ergeben sich nach dieser Rechtsprechung, wenn der Betreffende einen Cannabisvorrat bei sich führt, der über einen Zeitraum von jedenfalls zwei Monaten einen mindestens fünfmaligen Cannabiskonsum pro Woche ermöglicht. Dies sei bei einer gefundenen Marihuanamenge von mindestens 9 g der Fall. Da sich daraus ein Vorrat von 48 Cannabiskonsumeinheiten ergebe, lägen hinreichende Anhaltspunkte für einen im Hinblick auf die Fahreignung problematischen Cannabiskonsum vor, der die Anordnung eines medizinischen Gutachtens rechtfertige. Das Verwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und darauf hingewiesen, dass die Menge von 9 g Marihuana im vorliegenden Fall deutlich (15,13 g) überschritten sei.
Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen und damit auch des Beschlusses des ihm folgenden Verwaltungsgerichts ergeben sich, weil nicht sicher erscheint und gegebenenfalls im Klageverfahren noch aufgeklärt werden müsste, ob die vom Oberverwaltungsgericht angestellte pauschale Berechnung der Konsumeinheiten anhand der gefundene Marihuanamenge in dieser Allgemeinheit tragfähig oder vorliegend eine konkretere Betrachtung angezeigt ist. Diese Zweifel bestehen im Übrigen auch, wenn man mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 26.2.2009 - 3 C 1.08 -, BVerwGE 133, 186) unter regelmäßiger Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung einen Konsum versteht, der nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand als solcher und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall die Fahreignung ausschließt, wobei diese Voraussetzungen jedenfalls dann vorliegen, wenn täglich oder nahezu täglich Cannabis konsumiert wird. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat ausgeführt, dass für aus den Niederlanden eingeführtes Marihuana ein THC-Gehalt von jedenfalls 8 % zugrunde gelegt werden könne. Auf dieser Grundlage hat es errechnet, dass sich bei einer pro Konsumeinheit zu veranschlagenden THC-Menge von 15 mg aus 9 g Marihuana rund 48 Cannabiskonsumeinheiten ergeben (vgl. Beschl. v. 15.3.2007 - 16 A 3899/05 -). Den der Berechnung zugrunde gelegten THC-Gehalt von 8 % hat es damit begründet, dass nach dem Rauschgiftjahresbericht 2002 des Bundeskriminalamtes der durchschnittliche THC-Wert für Marihuana bei ca. 8,39 % lag und bei aus den Niederlanden eingeführter Ware von tendenziell höheren Wirkstoffanteilen ausgegangen werden müsse. Diese Argumentation ist nach derzeitigem Kenntnisstand des Senates jedoch nicht ohne weiteres tragfähig. Ausweislich der Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. schwankt der THC-Gehalt von Marihuana von 1 % bis zu 15 % (vgl. http://www.dhs.de/web/suchtstoffe/cannabis.php). In der Literatur werden gar Werte von 1% bis über 20 % genannt (Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, S. 214 m. w. N.). Das Bundesverfassungsgericht nahm im Jahr 1994 für seine Entscheidung Werte von unter 2 % bei schlechter und bis zu 10 % bei guter Qualität (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 2 BvL 43/92 -, NJW 1994, 1577) an. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen weist in seiner Entscheidung zwar zutreffend darauf hin, dass der Wirkstoffgehalt gerade auch angesichts des insbesondere in den Niederlanden praktizierten Indoor-Anbaus seit längerem eher ansteigt (vgl. Rauschgiftjahresbericht 2002, S. 115 f.; Berr/Krause/Sachs, a. a. O.). Daraus allein lässt sich aber für den vorliegenden Fall nicht ableiten, dass das vom Kläger eingeführte Marihuana aller Wahrscheinlichkeit nach einen Wirkstoffgehalt von jedenfalls 8 % besaß und diese Konzentration deshalb der Berechnung zugrunde gelegt werden durfte. Auch bei dem aus den Niederlanden eingeführten Marihuana gibt es nach telefonischer Auskunft des BKA nämlich eine erhebliche Streubreite hinsichtlich des Wirkstoffgehaltes. Es ist insoweit nach Angaben des BKA zu berücksichtigen, dass verschiedene "Arten" von Marihuana vertrieben werden, nämlich zum einen ein Gemisch von zerriebenen Blättern, Stängelresten sowie Blüten der weiblichen Hanfpflanze, welches im Allgemeinen einen THC-Gehalt von rund 2 % aufweist, und zum anderen der Blütenabstrich als Marihuana "besserer Qualität", der THC-Werte von 10 % bis 15 %, in Einzelfällen bis zu 20 % erreicht. Diese Angaben finden ihre Entsprechung auch in dem vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zitierten Rauschgiftjahresbericht 2002, wonach der Anteil des Marihuanas mit weniger als 2 % THC bei 18 % des sichergestellten Materials (vgl. Rauschgiftjahresbericht 2002, S. 172) lag, auf der anderen Seite aber 46 % des Materials eine THC-Konzentration von 8 bis 16 % aufwies. Legt man dies zugrunde, ist derzeit ungeklärt, ob die bei dem Kläger gefundene Menge von ca. 15 g Marihuana tatsächlich, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten einen nahezu täglichen Konsum ermöglicht hätte. Bei einem Wirkstoffanteil von 1 - 2 % THC und der in der Rechtsprechung auch des Senats zugrunde gelegten Konsumeinheit von 15 mg THC (vgl. Beschl. v. 11.7.2003 - 12 ME 287/03 -, DAR 2003, 480; BGH, Beschl. v. 20.12.1995 - 3 StR 245/95 -, NJW 1996, 794) ergäben sich aus den aufgefundenen 15,13 g Marihuana nämlich "nur" 10 bis 20 Konsumeinheiten. Dagegen würden sich bei einer ebenfalls denkbaren THC-Konzentration von 10 - 15% aus dem Rauschgift 100 bis 150 Konsumeinheiten gewinnen lassen. Diese Werte korrelieren auch mit anderen Angaben. Soweit die Literatur für die Bestimmung der Konsumeinheit nicht an die Menge des Wirkstoffes (THC), sondern des Rauschgiftes insgesamt anknüpft, werden nämlich Werten von ca. 0,1 g bis 1 g Haschisch bzw. Marihuana je Konsumakt genannt (vgl. etwa Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Auflage, S. 384). Unterstellt man zugunsten des Klägers eine Menge von 1 g je Konsumakt, so bedeuteten die bei ihm gefundenen 15 g Marihuana "nur" einen Vorrat von ca. 15 Konsumeinheiten, wohingegen bei einer Verwendung von 0,1 g rund 150 Konsumakte möglich wären. Berücksichtigt man, dass der Anteil des Marihuanas mit weniger als 2 % THC - wie dargelegt - nach dem Rauschgiftjahresbericht 2002 bei 18 % des sichergestellten Materials lag und "nur" etwas mehr als die Hälfte der Proben eine THC-Konzentration von 8 % oder mehr aufwies (vgl. Rauschgiftjahresbericht 2002, S. 172), ist es jedenfalls nicht ohne weitere Anhaltspunkte zulässig, für die Berechnung der Konsumeinheiten einen THC-Gehalt von 8 % zugrunde zu legen.
Im Hinblick darauf hat die Rechtsverfolgung des Klägers auf der Basis des derzeitigen Kenntnisstandes die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat seine Bedürftigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht mit den von ihm eingereichten Unterlagen hinreichend glaubhaft gemacht.