1. |
Das Auffahren ist ein tatsächlicher Vorgang, der mittels eines Beweises des ersten Anscheins bewiesen werden kann.
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2. |
Kommt es auf ebener Fahrbahn im gleichgerichteten Verkehr in demselben Fahrstreifen zu einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen mit der Folge eines Frontschadens an dem einen und eines Heckschadens an dem anderen Fahrzeug und steht fest, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden entweder vorwärts gefahren ist oder (jedenfalls zunächst) stillgestanden hat, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Fahrzeug mit dem Frontschaden aufgefahren ist.
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3. |
Der Anscheinsbeweis eines Auffahrens ist nicht schon dadurch zu entkräften, dass der Auffahrende einen Sachverhalt darlegt, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufes ergibt. Er muss die der Typizität entgegenstehenden Tatsachen, hier ein eigenes Stillstehen oder ein Rückwärtsfahren des anderen Fahrzeugs, beweisen. Ein lediglich denkmöglicher, theoretischer Geschehensablauf, ohne dass sich im konkreten Fall Anhaltspunkte für die ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Verlaufs ergeben würden, reicht nicht aus.
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4. |
Die ernsthafte Möglichkeit eines Rückwärtsfahrens besteht nicht bereits deshalb, weil mit einem Kraftfahrzeug konstruktionsbedingt auch rückwärts gefahren werden kann. Die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes besteht auch noch nicht, wenn es theoretisch möglich ist, dass beide Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision in einer gegenläufigen Bewegung gewesen sein können.
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5. |
Ist mittels des ersten Anscheinsbeweises die Tatsache des Auffahrens bewiesen, dann folgt aus der Tatsache des Auffahrens im Wege des zweiten Anscheinsbeweises das Verschulden des Auffahrenden.
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6. |
Gegen den Auffahrenden spricht der Beweis des ersten Anscheins, dass er entweder zu schnell (vgl StVO § 3 Abs 1), mit nicht ausreichendem Sicherheitsabstand (vgl StVO § 4 Abs 1 S 1) oder generell unaufmerksam (vgl StVO § 1 Abs 2) gefahren ist, dies führt regelmäßig zunächst zu seiner Alleinhaftung.
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7. |
Auch der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis eines schuldhaften Auffahrens ist nur dadurch zu entkräften, dass der Auffahrende einen Sachverhalt darlegt und im Sinne des ZPO § 286 Abs 1 beweist, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufes ergibt. Der Auffahrende kann darlegen und beweisen, dass das vor ihm befindliche Fahrzeug zurückgesetzt hat bzw dessen Zurückfahren oder Zurückrollen ernsthaft möglich ist. Auch hier genügt die bloß theoretische Möglichkeit einer rückwärtigen Bewegung selbst dann nicht, wenn diese nicht absolut ausgeschlossen werden kann.
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