Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Amtsgericht Erkelenz Urteil vom 30.09.2008 - 6 C 215/08 - Zur Haftung des den Bürgersteig verlassenden Krankenfahrstuhlführers bei Kollision mit Pkw

AG Erkelenz v. 30.09.2008: Zur Haftung des den Bürgersteig verlassenden Krankenfahrstuhlführers bei Kollision mit Pkw und zur Wertminderung bei älteren Fahrzeugen


Das Amtsgericht Erkelenz (Urteil vom 30.09.2008 - 6 C 215/08) hat entschieden:
  1. Verlässt der Fahrer eines Krankenfahrstuhls den Bürgersteig und kollidiert auf der Fahrbahn mit einem gerade wieder anfahrenden Kfz, dann trifft ihn die überwiegende Haftung.

  2. Auch bei Fahrzeugen, die älter als fünf Jahre sind, kann ein Anspruch auf Ersatz der merkantilen Wertminderung gegeben sein.


Siehe auch Anderer Straßenteil und Wertminderung / merkantiler Minderwert


Tatbestand:

Die Klägerin verfolgt Ersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall.

Die Klägerin befuhr am 17.12.2007 bei dichtem Verkehr die R...straße in H mit ihrem Pkw Fiat Punto, Kennzeichen ..., welcher am 28.10.2002 erstzugelassen worden war und eine Laufleistung von 84.876 km aufwies. Den Pkw hatte die Klägerin an die finanzierende ... zur Sicherheit übereignet, welche die Klägerin mit Schreiben vom 09.07.2008 (Bl. 77 GA) ermächtigte, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Ansprüche aus dem Schadensereignis vom 17.12.2007 klageweise geltend zu machen. In Höhe einer Einfahrt zur Hausnummer 11-15 musste die Klägerin mit ihrem Pkw kurzzeitig verkehrsbedingt in einer Fahrzeugschlange anhalten. Daraufhin fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem Krankenfahrstuhl, Versicherungskennzeichen .. vom Bürgersteig, wo er zunächst mit erhobenem Arm und Blinkzeichen gestanden hatte, auf die Fahrbahn, als die Klägerin selbst gerade wieder anfahren wollte. Dabei kollidierte der Krankenfahrstuhl mit der vorderen rechten Seite des Pkws.

Für eine sachverständige Begutachtung der Unfallschäden im Auftrag der Klägerin stellte der Sachverständige ... dieser eine Rechnung über eine Vergütung in Höhe von 380,80 Euro. Die Kosten für die Reparatur des Pkws der Klägerin betragen unstreitig 2.526,63 Euro. Für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges entstanden der Klägerin unter Anrechnung von 3% Eigenersparnis Kosten in Höhe von 332,45 Euro. Ferner machte die Klägerin vorgerichtlich 200,00 Euro – streitige – Wertminderung an ihrem Fahrzeug, 10,00 Euro Kosten für eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakte, eine Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 Euro sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 359,50 Euro geltend. Ihre Ersatzansprüche im Hinblick auf die Reparatur- und Mietwagenkosten trat die Klägerin zur Sicherheit an die Firma Auto ..., ihre Ansprüche auf Ersatz der Sachverständigenkosten zur Sicherheit an den Sachverständigen ... ab. Für Einzelheiten wird auf die Sicherungsabtretungsvereinbarung mit dem Sachverständigen... vom 07.02.2008 (Bl. 66 GA) verwiesen.

Die Klägerin forderte die Beklagte vorgerichtlich mehrfach zur Regulierung der Schäden auf, unter anderem mit Schreiben vom 10.02.2008 mit Fristsetzung bis zum 25.02.2008 hinsichtlich der Sachverständigenkosten, der Wertminderung und der Unkostenpauschale sowie mit Schreiben vom 20.03.2008 unter Fristsetzung bis zum 31.03.2008 hinsichtlich der Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Akteneinsichtspauschale und Rechtsanwaltskosten.

Vorgerichtlich zahlte die Beklagte zu 2) zunächst 22,50 Euro auf die Unkostenpauschale bzw. die Kosten für die Einsichtnahme in die Ermittlungsakte. Am 02.04.2008 zahlte die Beklagte zu 2) an das Auto ... einen Betrag in Höhe von 1.374,33 Euro und an die Klägerin weitere 7,50 Euro auf die Unfallkostenpauschale bzw. die Kosten für die Einsichtnahme in die Ermittlungsakte.

Die Klägerin behauptet, der Unfall sei für sie unvermeidbar gewesen, weil sie den Beklagte zu 1), der sich ihr von hinten genähert habe, nicht habe sehen können. Ferner ist sie der Ansicht, die Sicherungsabtretung an die Firma Auto ... sei unwirksam gewesen. Im Übrigen behauptet sie, durch die Firma ... zur Klage auf Schadenersatz in eigenem Namen ermächtigt worden zu sein, ebenso wie seitens des Sachverständigen ... .

Die Klägerin hat mit am 15.04.2008 eingegangenem Schriftsatz die Klage teilweise hinsichtlich des Klageantrags zu 1) in Höhe von 1.374,33 Euro und hinsichtlich des Klageantrags zu 4) in Höhe von 7,50 Euro zurückgenommen sowie mit am 24.05.2008 eingegangenem Schriftsatz in Höhe von 769,98 Euro bzgl. des Klageantrags zu 1) sowie in Höhe von 272,87 Euro bzgl. des Klageantrags zu 5 einseitig für erledigt erklärt. Mit am 09.06.2006 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die Klage teilweise wegen der zunächst erhobenen Zinsansprüche zurückgenommen und schließlich mit am 12.08.2008 eingegangenem Schriftsatz hinsichtlich des Klageantrags zu 1) in Höhe von 10,28 Euro zurückgenommen. Nunmehr beantragt die Klägerin,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

  1. an die Firma Auto ... aus ... 1.484,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 zu zahlen abzüglich am 20.05.2008 gezahlter 769,98 Euro;

  2. an den Sachverständigen ... aus ... weitere 380,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2008 zu zahlen;

  3. an die .. Bank ..zu Finanzierungsnummer ... 200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2008 zu zahlen;

  4. an sie 10,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 zu zahlen;

  5. sie von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen in Höhe von 359,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 freizustellen abzüglich am 20.05.2008 gezahlter 272,87 Euro.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, die Klägerin treffe eine Mithaftung an dem Unfallgeschehen in Höhe einer Quote von 25%. Hierzu behaupten sie, die Klägerin habe den Beklagten zu 1) vor dessen Einfahrt auf die Straße gesehen bzw. sehen müssen. Sie vertreten ferner die Auffassung, dass die Sachverständigenkosten der Klägerin nicht zu ersetzen seien, wozu sie behaupten, dass die Klägerin mit der Sachbearbeiterin der Beklagten zu 2) vereinbart habe, dass ein Schadensgutachten durch die Beklagte zu 2) eingeholt werden solle. Ferner sind die Beklagten der Ansicht, eine Wertminderung hinsichtlich des Pkws der Klägerin sei nicht zu berücksichtigen, da dieser älter als 5 Jahre sei und Instandsetzungsarbeiten nicht notwendig gewesen seien, weil eine Tür ausgetauscht worden sei.

Die Klage ist am 04.04.2008 bei Gericht eingegangen. Die Beklagte zu 2) hat am 20.05.2008 an die Firma Auto ... weitere 769,98 Euro sowie an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf die Rechtsanwaltsvergütungsansprüche 272,87 Euro gezahlt. Die Klage ist dem Beklagten zu 1) am 04.06.2008 und der Beklagten zu 2) am 05.06.2008 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet.

Soweit die Klägerin die Klage wegen Reparaturkosten bzw. Mietwagenkosten in Höhe von 1.384,61 Euro, wegen allgemeiner Unfallkosten bzw. Akteneinsichtskosten in Höhe von 7,50 Euro sowie wegen Zinsansprüchen zurückgenommen hat, war über sie in der Hauptsache nicht mehr zu entscheiden.

Im Übrigen hat die Klägerin Anspruch auf Reparatur- und Mietwagenkostenersatz in Höhe von 1.495,02 Euro abzüglich am 20.05.2008 gezahlter 769,98 Euro, auf Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von 380,80 Euro, auf Ersatz eines merkantilen Minderwerts in Höhe von 200,00 Euro, auf Erstattung von 359,50 Euro Rechtsanwaltskosten abzüglich am 20.05.2008 gezahlter 272,87 Euro sowie auf Ersatz weiterer Kosten in Höhe von 5,00 Euro aus den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG gegen den Beklagten zu 1) bzw. aus §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i. V. m. § 3 Nr. 1 PflVG a. F. gegen die Beklagte zu 2). Die Haftungsvorschrift des § 3 Nr. 1 PflVG a. F. findet gemäß § 1 Abs. 1 EGVVG auch nach Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631) Anwendung, da es sich vorliegend offensichtlich um Ansprüche aus einem vor dem 01.01.2008 abgeschlossenen Versicherungsverhältnis handelt. In Höhe der Teilzahlungen von 769,98 Euro und 272,87 Euro war eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht festzustellen, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

Da der Pkw der Klägerin bei dem Unfall durch den Betrieb des Krankenfahrstuhls des Beklagten zu 1) beschädigt wurde, liegen die Haftungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG vor. Dass der Krankenfahrstuhl auf ebener Bahn nicht schneller als 20 km/h fahren konnte, so dass die Gefährdungshaftung ausnahmsweise gemäß § 8 Nr. 1 StVG ausgeschlossen wäre, haben die Beklagten nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

Die Haftungsverteilung zwischen den Fahrzeughaltern ist nach den einzelnen Verursachungsbeiträgen gemäß §§ 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 3 StVG vorzunehmen. Bei der Bestimmung des Gewichts der Verursachungsbeiträge sind nur feststehende Umstände zu berücksichtigen, die sich nachweislich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt haben (BGH NJW 2000, 3069; BGH NJW 95, 1029).

Vorliegend trifft den Beklagten zu 1) ein schwerwiegender, schuldhafter Verstoß gegen seine Sorgfaltspflicht beim Einfahren vom Bürgersteig auf die Fahrbahn gemäß § 10 StVO. Der Klägerin hingegen fallen Verkehrsverstöße nicht zur Last. Die einfache Betriebsgefahr ihres Pkw tritt hinter dem gravierenden Verschulden des Beklagten zu 1) zurück.

Der Beklagte zu 1) hat in schuldhafter Weise gegen § 10 StVO verstoßen. § 10 StVO bestimmt, dass derjenige, der aus einem anderen Straßenteil auf die Fahrbahn einfahren will, sich dabei so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er hat seine Absicht rechtzeitig und deutlich anzukündigen und dabei die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Den Verkehr hat er sorgfältig zu beobachten und darf sich erst dann in ihn einordnen, wenn er keinen Verkehrsteilnehmer, insbesondere kein von hinten herankommendes Fahrzeug, gefährdet oder mehr als den Umständen nach unvermeidbar behindert oder belästigt. Kommt es im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Ein- und Ausfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ein- und Ausfahrenden (vgl. Janiszewski/Jagow/Burmann/ Burmann , Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage, § 10 StVO, Rn. 8 mwN.). Da von dem einfahrenden Fahrzeugführer ein Höchstmaß an Sorgfalt gefordert wird, tritt die Betriebsgefahr des sich im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs regelmäßig zurück (vgl. Janiszewski/Jagow/Burmann/ Burmann a. a. O.).

Vorliegend stellt der Bürgersteig, von welchem der Beklagte anfuhr, einen "anderen Straßenteil" i. S. von § 10 StVO dar. Die Klägerin befand sich mit ihrem Pkw im fließenden Verkehr und genoss damit den absoluten Vorrang vor dem Beklagten zu 1), wobei es unerheblich ist, dass der Verkehrsfluss kurzzeitig zum Halt gekommen war, denn auch der Fahrer eines vorübergehend verkehrsbedingt angehaltenen Fahrzeugs ist "Verkehrsteilnehmer" im Sinne von § 10 StVO. Den Vorrang der Klägerin hat der Beklagte zu 1) in grober Weise missachtet und diese als Verkehrsteilnehmerin sehenden Auges gefährdet. Denn es war für den Beklagten zu 1) ersichtlich, dass der Verkehrsfluss nur vorübergehend stockte und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in dieser Situation – zumal beim beabsichtigten Überqueren (!) der Fahrbahn – gerade nicht ausgeschlossen war. Es war vielmehr mit einem jederzeitigen Wiederanfahren der haltenden Fahrzeuge zu rechnen. Unter Beachtung der von ihm geforderten Sorgfalt hätte der Beklagte zu 1) deshalb warten müssen, bis die Straße frei gewesen wäre oder aber einen geeigneten Fußgängerüberweg suchen müssen. Als Führer eines Krankenfahrstuhls wäre der Beklagte zu 1) gemäß § 24 Abs. 2 StVO berechtigt gewesen, bei Einhaltung von Schrittgeschwindigkeit Fußgängerwege zu benutzen.

Die Klägerin hat hingegen nicht gegen ihre allgemeine Rücksichtspflicht nach § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Nach der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht ist auch der vorschriftsmäßig Fahrende von dem Augenblick an zur Unfallverhütung verpflichtet, in dem er erkennt oder erkennen muss, dass ein anderer durch vorschriftswidrige Fahrweise die Gefahr eines Unfalls herbeiführt. Er darf dann nicht auf sein Recht pochen, sondern muss seinerseits das Möglichste tun, die Gefahr abzuwenden (BGH VRS 5, 289; 15, 94). Nach Ansicht des Gerichts musste die Klägerin bei gebotener Vorsicht nicht damit rechnen, dass der Beklagte zu 1) angesichts des kurzzeitig stockenden Verkehrs unversehens auf die Fahrbahn einfahren würde. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin den Beklagten zu 1) überhaupt aus ihrem Sichtfeld heraus hätte bemerken können. Selbst wenn sie den Beklagten zu 1) mit erhobenem Arm und gesetztem Richtungsanzeiger auf dem Bürgersteig hätten stehen sehen, dann hätte sie dies lediglich als vorbereitende Maßnahmen zu einer später beabsichtigten Einfahrt auf die Fahrbahn bei geeigneter Verkehrslage interpretieren müssen. Keinesfalls musste sie aber damit rechnen, dass der Beklagte unvermittelt und obwohl er die lediglich kurzzeitig haltenden Fahrzeuge ersichtlich zur Kenntnis genommen hatte, auf die Fahrbahn einfahren würde. Eine verbale oder visuelle Verständigung mit der Klägerin darüber, ob diese ihn passieren lassen würde, hat der Beklagte zu 1) offensichtlich nicht herbeizuführen versucht. Die Verkehrssituation war nicht so beschaffen, dass die Klägerin annehmen musste, der Beklagte zu 1) habe sie nicht gesehen und werde aus Unaufmerksamkeit auf die Fahrbahn fahren. Nicht vergleichbar war die Situation auch mit der eines am Straßenrand stehenden Fußgängers oder Rollstuhlfahrers, da diese mangels Verwendung zum Straßenverkehr zugelassener Fahrzeuge nicht den besonderen Pflichten des § 10 StVO unterliegen, so dass mit einer unvorsichtigen Querung der Fahrbahn seitens dieser eher zu rechnen ist. Aber selbst dann hat sich ein Teilnehmer des fließenden Verkehrs auf die mögliche Überquerung der Fahrbahn nach Auffassung des Gerichts nur dann einzurichten, wenn es nicht nur zu einem vorübergehenden Halt des Verkehrs, sondern zu einem längeren Stau kommt.

Aufgrund ihrer vollen Haftung für das Unfallgeschehen haben die Beklagten der Klägerin als Gesamtschuldner die entstandenen Unfallschäden gemäß § 249 BGB zu ersetzen.

Die Klägerin hat zunächst aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Anspruch auf Zahlung weiterer 1.495,02 Euro Reparatur- und Mietwagenkosten an die Firma Auto .... Die Reparaturkosten in ursprünglicher Höhe von 2.526,63 Euro sind unstreitig ebenso wie die Mietwagenkosten von 332,45 Euro (= 342,72 Euro abzüglich 3 % Eigenersparnis).

Nach Teilzahlungen von 1.374,33 Euro und 769,98 Euro steht noch ein Betrag in Höhe von 714,77 Euro an Reparaturkosten offen. Die Klägerin kann insoweit Zahlung an die Firma Auto C GmbH verlangen. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz von Reparaturkosten ging die Sicherungsabtretung an die Firma Auto ins Leere, da aufgrund der Sicherungsübereignung des Pkw an die finanzierende ...Bank diese Inhaberin sämtlicher substanzbezogenen Schadenersatzansprüche ist. Die ...Bank hat allerdings der Klägerin mit Schreiben vom 09.07.2008 eine umfassende Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus dem Unfallereignis im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erteilt, was die Klägerin zur Einziehung der Forderung auch durch Zahlung an die Firma Auto ...als Dritte berechtigt.

Hinsichtlich der nutzungsbezogenen Mietwagenkosten, welche als Schadenersatz der Klägerin selbst zustanden, war die Sicherungsabtretung an die Firma ...zwar gemäß § 398 BGB wirksam. Jedoch hat diese die Klägerin ebenfalls ermächtigt, Ansprüche im eigenen Namen und auf eine Rechnung geltend zu machen, was der Klägerin zumindest eine Klage im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft ermöglicht, da sie auch ein Eigeninteresse an einer Erfüllung der ihr gegenüber seitens der Firma Auto ... bestehenden Mietzinsansprüche hat. Die Ermächtigung der Klägerin zur Geltendmachung der Ansprüche haben die Beklagten ohne Darlegung von Anhaltspunkten für Zweifel ins Blaue hinein bestritten, obwohl bei der Sicherungsabtretung von Reparatur- bzw. Mietwagenkostenansprüchen regelmäßig der Geschädigte diese Ansprüche selbst gerichtlich verfolgen darf, weshalb der Vortrag der Klägerin als gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden gilt. Im Übrigen verhalten sich die Beklagten widersprüchlich und verstoßen gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO, wenn sie außergerichtlich ohne Beanstandung auf Anforderung der Klägerin Regulierungszahlungen an die Firma Auto ... erbringen, ohne die Einziehungsermächtigung der Klägerin in Zweifel zu ziehen, was ihr prozessuales Bestreiten ebenfalls unbeachtlich macht.

Ferner kann die Klägerin gemäß § 251 BGB die Zahlung einer nach Reparatur verbleibenden Wertminderung in Höhe von 200,00 Euro kraft ihrer Prozessstandschaft an die ... Bank verlangen. Beim merkantilen Minderwert handelt es sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (vgl. BGHZ 27, 181; 35, 396). Die Klägerin hat insofern substanziiert dargelegt, dass der Parteigutachter ... die Wertminderung unter Anwendung der Methode Ruhkopf/Sahm errechnet habe. Hiergegen ist nichts zu erinnern, da diese Methode seit langem als geeignete Schätzungsmethode für den Minderwert von KfZ anerkannt ist (vgl. Palandt/ Heinrichs , § 251, Rn. 15). Die Wertminderung von 200,00 Euro macht das Gericht daher zum Gegenstand seiner Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO.

Die Beklagten haben nicht behauptet, dass die Berechnung des Sachverständigen ... nach dieser Methode unzutreffend sei. Sie berufen sich vielmehr ohne Erfolg pauschal darauf, dass das KfZ zum Unfallzeitpunkt älter als 5 Jahre gewesen sei und daher eine Wertminderung ausscheiden müsse. Wie der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2005, 277) zutreffend ausführt, kann es zwar keine starre Grenze geben, ab welcher die Annahme einer Wertminderung in jedem Fall abzulehnen ist. Allerdings weist er zugleich darauf hin, dass in früheren Entscheidungen eine Grenzziehung bei 100.000 km Fahrleistung erwogen worden sei, weil Pkws dann im allgemeinen nur noch einen derart geringen Handelswert hätten, dass ein messbarer Minderwert nach Behebung der Unfallschäden nicht mehr vorhanden sei. Aufgrund der technischen Entwicklung und der zunehmenden Langlebigkeit der Fahrzeuge (z. B. infolge längerer Haltbarkeit von Motoren, vollverzinkter Karosserien etc.) sei diese Faustformel aber fließend nach oben zu korrigieren. Demnach ist aber jedenfalls bei einer Laufleistung unterhalb von 100.000 km, wie sie vorliegend mit 84.876 km im Zeitpunkt des Unfalls gegeben war, und eines Pkw-Alters nur knapp über 5 Jahren (Erstzulassung: 28.10.2002; Unfall: 17.12.2007), der pauschale Hinweis der Beklagten auf das Alter des Pkws nicht geeignet, die Annahme einer Wertminderung in Zweifel zu ziehen. Da sich die merkantile Wertminderung vor allem auf den Verdacht potentieller Erwerber bezieht, es könnten bei dem Unfall verborgene Schäden zurückgeblieben sein, ist auch der Einwand der Beklagten nicht stichhaltig, dass wegen des Austauschs einer Tür Instandsetzungsarbeiten nicht erforderlich gewesen seien. Dies schließt nämlich den Verbleib verborgener Schäden an sonstigen Fahrzeugteilen nicht aus.

Ferner hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Höhe von 380,80 Euro an den Sachverständigen .... Auch zur Geltendmachung dieser Ansprüche ist die Klägerin in gewillkürter Prozessstandschaft nach dem Inhalt der Sicherungsabtretung vom 07.02.2008 berechtigt. Nach dieser nämlich das Recht der Klägerin, die Schadensregulierung selbst durchzuführen, von der Abtretung der Ersatzansprüche unberührt. Die Echtheit dieser in Abschrift vorgelegten Vereinbarung haben die Beklagten nicht bestritten. Der Kostenanspruch ist auch in der Sache berechtigt. Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten darauf, dass die Klägerin einer sachverständigen Begutachtung durch die Eis KG im Auftrag der Beklagten zugestimmt habe. Selbst wenn diese streitige Behauptung als wahr unterstellt würde, haben die Parteien hierdurch das Recht der Klägerin, einen eigenen Privatgutachter zu beauftragen, nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Ein Geschädigter darf aus Gründen der Waffengleichheit selbst einen Sachverständigen beauftragen, auch wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung schon die Hinzuziehung eines eigenen Sachverständigen angekündigt hat (vgl. auch AG Oldenburg: Urteil vom 22.04.2008 – 22 C 1021/07, zitiert nach Juris ). Im Übrigen war die Beauftragung des Sachverständigen ...schon deshalb erforderlich, weil die Beklagten selbst die Teilregulierungen nicht auf Basis der von der.. KG brutto auf 1.470,00 Euro bezifferten Reparaturkosten, sondern ausgehend von Gesamtreparaturkosten in Höhe von 2.526,63 Euro vornahmen, welche den von dem Sachverständigen... bezifferten Reparaturkostenanschlag von 2.342,75 Euro brutto nur unwesentlich übersteigen. Insofern war das von den Beklagten eingeholte Gutachten völlig unbrauchbar, und die Klägerin hätte zum Beleg ihrer Kosten ohnehin ein eigenes Gutachten mit den geltend gemachten Kosten einholen dürfen.

Des Weiteren hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung restlicher 5,00 Euro Kostenersatz. Ursprünglich konnte die Klägerin die Zahlung einer angemessenen Unkostenpauschale von 25,00 Euro (vgl. OLG Düsseldorf, Verkehrsrecht aktuell 2007, 135) sowie weiterer 10,00 Euro notwendiger Rechtsverfolgungskosten für die Einsicht in die Ermittlungsakte fordern. Nach Teilzahlungen in Höhe von 22,50 Euro und 7,50 Euro verbleibt ein Restbetrag von 5,00 Euro.

Ferner hat die Klägerin Anspruch auf Schadenersatz wegen der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten nach einem berechtigten Gegenstandswert von 3.462,65 Euro (= Summe der ursprünglich berechtigten Schadenspositionen abzüglich 5,00 Euro Unkostenpauschale) in Höhe von restlichen 86,63 Euro. Sie konnte ursprünglich Zahlung von Gebühren in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG nebst Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG zuzüglich 19% Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG verlangen, was einem Betrag von 359,50 Euro entspricht. Nach Teilzahlung in Höhe von 272,87 Euro verbleibt der genannte Restbetrag. Diese vorgerichtlichen Kosten stehen der Klägerin auch ungekürzt zu. Der Bundesgerichtshof hat insoweit entschieden, dass soweit nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr vermindert (BGH NJW 2007, 2049). Da die Rechtsanwaltskosten bislang unbeglichen sind, hat die Klägerin nur Anspruch auf Freihaltung und nicht auf Zahlung.

Die Zinsansprüche der Klägerin folgen aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB nach Mahnung hinsichtlich der einzelnen Schadenspositionen.

Im Hinblick auf die von der Klägerin einseitig für erledigt erklärten Teilforderungen hinsichtlich der Reparatur- bzw. Mietwagenkosten in Höhe von 769,98 Euro und hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 272,87 Euro war die Klage abzuweisen. Die Feststellung der Erledigung setzt voraus, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet und durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Vor Rechtshängigkeit besteht kein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien, welches sich erledigt haben könnte, und es greift zudem die Sonderregelung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Vorliegend erfolgten die Teilzahlungen vor Zustellung der Klage an die Beklagten am 04.06.2008 bzw. 05.06.2008. An einer Umdeutung der Erledigungserklärungen in eine Klagerücknahme sieht sich das Gericht aufgrund der bewusst in den Schriftsätzen der Klägerin vorgenommenen Abgrenzung zwischen Klagerücknahme und Erledigungserklärung gehindert (vgl. auch BGH NJW 2007, 1460 zur Ablehnung der Umdeutung einer Klagerücknahme in eine einseitige Erledigungserklärung).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Nach § 269 Abs. 3 S. 3 BGB hat das Gericht, sofern der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wird, die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu verteilen. Vorliegend war die Klage nach den getroffenen Feststellungen auch in Höhe der zurückgenommen Ansprüche auf Zahlung von Reparaturkosten in Höhe von 1.374,33 Euro sowie auf Zahlung von Unkosten in Höhe von 7,50 Euro begründet, als vor Rechtshängigkeit seitens der Beklagten hierauf reguliert wurde, so dass die Kostenlast insoweit die Beklagten trifft. Die Beklagten habe durch das Verstreichenlassen der vorgerichtlich gesetzten Zahlungsfristen auch Klageanlass gegeben, so dass der Rechtsgedanke des § 93 ZPO nicht greift. Hinsichtlich der unberechtigten Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits im Hinblick auf einen Hauptforderungsbetrag von 769,98 Euro hat hingegen die Klägerin die Kosten zu tragen. Die unberechtigt für erledigt erklärten Rechtsanwaltskosten von 272,87 Euro bleiben hingegen als geringfügige Nebenforderung für die Kostenverteilung ebenso unbeachtlich wie die teilweise zurückgenommenen Zinsansprüche.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert beträgt:

bis 14.04.2008: 3.467,65 Euro (= 2.869,35 Euro + 380,80 Euro + 200,00 Euro + 17,50 Euro);
ab 15.04.2008: 2.085,82 Euro (= 1.495,02 Euro + 380,80 Euro + 200,00 Euro + 10,00 Euro).
ab 12.08.2008: 2.075,54 Euro (= 1.484,74 Euro + 380,80 Euro + 200,00 Euro + 10,00 Euro).

Die einseitigen Erledigungserklärungen der Klägerin blieben ohne Auswirkung auf die Höhe des Streitwerts.