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Verwaltungsgericht Kassel Urteil vom 20.05.2010 - 6 K 929/09 - Zur Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr für Zwangsstilllegungsmaßnahmen

VG Kassel v. 20.05.2010: Zur Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr für Zwangsstilllegungsmaßnahmen




Das Verwaltungsgericht Kassel (Urteil vom 20.05.2010 - 6 K 929/09) hat entschieden:

   Die Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung für Zwangsstilllegungsmaßnahmen wegen Nichtbestehens einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nach der Fahrzeugzulassungsverordnung ist die bundesrechtliche Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr und nicht eine Kostenordnung nach dem jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz. Eine Gebühr fällt damit auch dann an, wenn die Voraussetzungen für die Stilllegungsanordnung nach Einleitung der Zwangsmaßnahmen wegfallen.

Siehe auch
Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung
und
Zwangsabmeldung - Zwangsstilllegung


Tatbestand:


Die Klägerin wendet sich gegen einen Verwaltungskostenbescheid der Beklagten in Höhe von 130,43 € für Maßnahmen im Straßenverkehr.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung der Klägerin - die Z-Versicherung - zeigte der Zulassungsbehörde der Beklagten am 20.03.2009 an, dass das Versicherungsverhältnis zur Klägerin für das Kraftfahrzeug X seit dem 09.03.2009 nicht mehr bestehe.

Daraufhin untersagte die Beklagte der Klägerin mit Verfügung vom 24.03.2009 den weiteren Betrieb des Kraftfahrzeuges im öffentlichen Verkehr und forderte sie auf, spätestens bis zum 31.03.2009 die Kennzeichenschilder zur Entstempelung sowie die Zulassungsbescheinigung I und II vorzulegen. Für den Fall, dass sie der Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt, wurde die zwangsweise Außerbetriebsetzung des Kraftfahrzeuges angedroht. Diese Verfügung ist bestandskräftig geworden.




Nachdem bis zur gesetzten Frist am 31.03.2009 weder eine neue Versicherungsbestätigung noch die Kennzeichenschilder zur Entstempelung vorgelegt worden waren, beauftragte die Zulassungsbehörde am 03.04.2009 den Vollzugsdienst mit der Zwangsstilllegung des Kraftfahrzeuges der Klägerin.

Der Vollzugsdienst suchte sie am 08.04.2009 auf, wobei festgestellt wurde, dass der Versicherungsbetrag zwar noch nicht vollständig entrichtet, die Klägerin aber bereit war, dies unverzüglich nachzuholen. Nach den Feststellungen des Vollzugsdienstes sicherte eine Mitarbeiterin der Versicherungsgesellschaft zugleich die Übersendung der Versicherungsbestätigung nach Zahlungseingang zu. Daraufhin verzichtete der Vollzugsdienst auf die Zwangsstilllegung des Fahrzeuges. Am 14.04.2009 ging dann eine Versicherungsbestätigung bei der Beklagten ein. Dies hatte zur Folge, dass das Zwangsstilllegungsverfahren eingestellt wurde.

Mit Bescheid vom 07.07.2009 „ gemäß der Bundesgebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr- GebOSt - “ setzte die Beklagte eine Gebühr für die durchgeführten Maßnahmen gemäß Geb.Nr. 254 GebOSt in Höhe von 127,80 € sowie Auslagen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt in Höhe von 2,63 € fest.

Gegen den ihr am 09.07.2009 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 10.08.2009 (montags) Klage erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Gebührenforderung deshalb nicht berechtigt sei, weil keine zwangsweise Außerbetriebsetzung ihres Kraftfahrzeuges durchgeführt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

   den Bescheid der Beklagten vom 07.07.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kostenbescheid sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht erlassen worden sei.

Die Kammer hat den Rechtstreit mit Beschluss vom 17.09.2009 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Der Prozesskostenhilfeantrag der Kläger wurde mit Beschluss vom 23.09.2009 abgelehnt, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.

Auf die dagegen eingelegte Beschwerde änderte der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 09.12.2009 die angefochtene Prozesskostenhilfeentscheidung ab und gewährte der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. In der Begründung ist ausgeführt, dass es streitig sei, ob für eine Maßnahme, die vom Vollzugsdienst zur Durchsetzung einer Außerbetriebsetzungsanordnung im Wege der Verwaltungsvollstreckung getroffen werde, die bundesrechtliche Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr oder das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz i.V.m. einer dazu ergangenen Kostenordnung gelte. Der Senat neige zur letztgenannten Auffassung. Die Vollstreckung der verkehrsrechtlichen Grundverfügung richte sich in Hessen nach dem Hess. Verwaltungsvollstreckungsgesetz, wofür Kosten nach der Vollstreckungskostenordnung zu erheben seien.

Das Gericht hat am 20.05.2010 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf die angefertigte Niederschrift verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakte und die Behördenakten der Beklagten (1Hefter) Bezug genommen.




Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Kostenbescheid der Beklagten vom 07.07.2009 ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtmäßig und verletzt daher die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV - hat die Zulassungsbehörde unverzüglich Maßnahmen zur Außerbetriebsetzung eines Kraftfahrzeuges einzuleiten, wenn - wie hier - durch eine Anzeige einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bekannt gegeben wird, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mehr besteht. Eine solche Anzeige hat die Kfz-Haftpflichtversicherung der Klägerin - Z-Versicherung - am 20.03.2009 bei der Zulassungsbehörde der Beklagten eingereicht und mitgeteilt, dass das Versicherungsverhältnis zur Klägerin für das Kraftfahrzeug X seit dem 09.03.2009 nicht mehr bestehe.

§ 25 Abs. 4 FZV verpflichtet die Zulassungsbehörde, nach Eingang einer solchen Anzeige unverzüglich Maßnahmen zur Außerbetriebsetzung eines Kraftfahrzeuges einzuleiten. Denn die Vorschrift dient dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer und soll die weitere Verwendung nicht mehr ausreichend versicherter Fahrzeuge im Straßenverkehr unverzüglich verhindern. Die Zulassungsbehörde ist auch nicht verpflichtet, durch Rückfragen beim Versicherer und/oder beim Fahrzeughalter nachzuprüfen, ob eine Erlöschensanzeige zu Recht ergangen ist. Ihre Verpflichtung zum unverzüglichen Einschreiten wird allein durch den Eingang der Erlöschensanzeige des Versicherers ausgelöst (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1992, BVerwGE 91, 109).




Die Beklagte untersagte deshalb der Klägerin mit der – bestandskräftigen - Verfügung vom 24.03.2009 zu Recht den weiteren Betrieb des Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr und drohte ihr rechtsfehlerfrei die zwangsweise Stilllegung des Kraftfahrzeuges für den Fall an, dass sie nicht bis spätestens zum 31.03.2009 die Kennzeichenschilder zur Entstempelung sowie die Zulassungsbescheinigung vorgelegt habe.

Nachdem die Klägerin dieser Verfügung bis zur gesetzten Frist am 31.03.2009 nicht nachgekommen war, war die Beklagte gemäß § 25 Abs. 4 FZV gehalten, ihren Vollzugsdienst mit der Zwangsstilllegung des Kraftfahrzeuges der Klägerin zu beauftragen.


Entgegen der vom Hess. Verwaltungsgerichtshof in dem Beschluss vom 09.12.2009 – 5 D 2775/09 – (Fundstelle: juris) vertretenen Auffassung hat die Beklagte ihre Gebührenforderung für die Einleitung der Zwangsstilllegung des Fahrzeuges der Klägerin zutreffend auf Nr. 254 der – bundesrechtlichen – Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt - gestützt, die einen Gebührenrahmen von 14,30 € bis 286,00 € für von Kfz-Haltern veranlasste Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde vorsieht.

Zu Unrecht meint der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass die Gebührennummer 254 GebOSt nur einen Gebührentatbestand für die verkehrsrechtliche Grundverfügung, nicht aber auch für die Vollstreckung der Anordnung im Verwaltungsvollstreckungsverfahren darstelle. Diese Gebührenordnung hat der Bund in Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz für den Straßenverkehr gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 Grundgesetz – GG – auf der Grundlage der Ermächtigung des § 6a Straßenverkehrsgesetz - StVG – erlassen. Danach werden Gebühren und Auslagen erhoben für Amtshandlungen nach dem Straßenverkehrsgesetz. Der Hess. Verwaltungsgerichtshof hat in dem vorgenannten Verfahren 5 D 2775/09 (a .a.O.) übersehen, dass durch Art. 5 der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl I 2008, Nr. 31, S. 1338-1376), in Kraft getreten am 30.10.2008, die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr geändert worden ist, indem u.a. folgender Satz angefügt wurde:

   „Die Gebühr umfasst auch die im Zusammenhang mit der Vollstreckung der Anordnungen entstehenden Kosten.“

Damit ist klargestellt worden, dass dazu auch Maßnahmen im Zusammenhang mit der Stilllegung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und damit Vollstreckungsakte gehören. Eine Gebühr wird somit auch fällig, wenn die Voraussetzungen für die von einem Kraftfahrzeughalten veranlasste Stilllegungsanordnung nach Einleitung der Zwangsmaßnahmen wegfallen.



In Ausführung des durch Bundesrecht vorgegebenen Gebührenrahmens sieht die Gebührenliste der Beklagten für eine eingeleitete Zwangsstilllegung - ohne dass es zu einer solchen tatsächlich gekommen ist - eine Gebühr in Höhe von 127,80 € vor. Dagegen ist nichts zu erinnern, denn die von der Antragstellerin veranlasste Maßnahme erforderte einen erheblichen Verwaltungsaufwand, wobei die konkret festgesetzte Gebühr sich im mittleren Bereich des vorgegebenen Gebührenrahmens bewegt.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner auch die Entgelte für die Zustellung der Anordnungen nach dem Straßenverkehrsgesetz zu tragen, so dass auch insoweit die Klage keinen Erfolg hat.

Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des Hess. Verwaltungsgerichtshofs abweicht.

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