Das Verkehrslexikon
Landgericht München Urteil vom 11.05.2010 - 17 O 13169/09 - Zur Haftung beim Rückwärtsfahren beim Verlassen des Bordsteins und zu Geschwindigkeitsschätzungen durch Zeugen
LG München v. 11.05.2010: Zur Haftung beim Rückwärtsfahren beim Verlassen des Bordsteins und zu Geschwindigkeitsschätzungen durch Zeugen
Das Landgericht München I (Urteil vom 11.05.2010 - 17 O 13169/09) hat entschieden:
- Zum Beweiswert der Geschwindigkeitseinschätzung eines Zeugen, der ein anderes Fahrzeug im linken Außenspiegel nahen sieht.
- Fährt ein Verkehrsteilnehmer rückwärts vom Bordstein in den fließenden Verkehr ein und kommt es dabei zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Ausfahrt nicht mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erfolgte.
- Kann der rückwärts Ausfahrende nicht eine überhöhte Geschwindigkeit des fließenden Verkehrs nachweisen, haftet er für die Unfallfolgen regelmäßig allein.
Siehe auch Anderer Straßenteil und Parkplatz-Unfälle
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 11.02.2009 gegen ca. 16.15 Uhr auf der Ainmillerstraße auf Höhe der Hausnummer 40 in München. Die Ainmillerstraße ist an der Unfallstelle eine in Richtung Westen verlaufende Einbahnstraße; die zulässige Geschwindigkeit ist auf 30 km/h begrenzt.
Die Klagepartei war an dem Unfallgeschehen mit dem Fahrzeug Porsche Cayenne, amtliches Kennzeichen ... beteiligt, der Drittwiderbeklagte lenkte am Unfalltag den PKW des Klägers, amtliches Kennzeichen ... .
Die Beklagte zu 1 stand mit ihrem Fahrzeug fahrbahnparallel auf dem Gehweg vor dem Anwesen Ainmillerstraße 40 in München. Sie parkte westlich der durch die zwei Einfahrten geschaffenen Bordsteinabsenkung auf dem Bürgersteig. Die Beklagte zu 1 beabsichtigte rückwärts derart auf die Fahrbahn einzufahren, dass sie zunächst rückwärts gegen die Einbahnstraße einfuhr, um sodann vorwärts in Richtung Westen zu fahren. Sie hatte sich von ihrer Parkposition aus umgeschaut, ob in der Ainmillerstraße Verkehr nahen würde und kein Fahrzeug gesehen. Sodann ließ sie den mit einem Automatikgetriebe fahrenden Wagen mit Standgas rückwärts auf die Straße auffahren. Dabei hatte sie keine Sicht auf die Straße, da östlich der Bordsteinabsenkung ein Kleinlaster parkte, der ihr die Sicht nahm.
Der Drittwiderbeklagte näherte sich der Unfallstelle durch die Ainmillerstraße. Als er das Beklagtenfahrzeug auf die Straße zurücksetzen sah, versuchte er vor dem zurücksetzenden Fahrzeug anzuhalten, was jedoch nicht gelang, so dass es zur Kollision kam.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe sich zunächst langsam aus der Ausfahrt herausgetastet. Sie habe dann angehalten, so dass der Drittwiderbeklagte nicht länger verzögert habe, sondern normal weiter gefahren sei.
Der Kläger macht folgenden Schaden geltend:
[folgt eine Aufstellung]
Die Klagepartei beantragt deshalb:
- Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 2 280,44 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.03.2009 zu zahlen.
- Die Beklagten werden ferner als Gesamtschuldner verurteilt, weitere 144,30 Euro außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 1 beantragt zugleich im Wege der Widerklage:
- Der Drittwiderbeklagte und der Widerbeklagte werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte zu 1 8 596,48 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.03.2009 zu bezahlen.
- Der Drittwiderbeklagte und der Widerbeklagte werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte zu 1 718,40 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.03.2009 zu bezahlen.
Die Klagepartei beantragt insoweit,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten dazu, das klägerische Fahrzeug sei mit einer überhöhten Geschwindigkeit von ca. 60 km/h gefahren. Der Fahrer habe mutmaßlich telefoniert und sei so vom Fahrgeschehen abgelenkt worden. Die Beklagte zu 1 habe mitnichten angehalten, bevor sie auf die Straße eingefahren sei, vielmehr sei sie gleichmäßig rückwärts gefahren. Sie sei dann auf der Straße schon lange gestanden, bevor der klägerische Wagen in das stehende Auto der Beklagten hineingefahren sei.
Sie machen mit der Widerklage 100 % des ihnen entstandenen Schadens in Höhe des Widerklageantrags geltend.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen M. in der Verhandlung am 10.11.2009. Außerdem wurden der Drittwiderbeklagte sowie die Beklagte zu 1 jeweils informatorisch zur Sache angehört. Schließlich wurde ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige L. wohnte der Beweisaufnahme am 10.11.2009 bei und wurde nach der Beweisaufnahme vor Erstellung seines schriftlichen Gutachtens befragt. Auf die Verhandlungsprotokolle wird vollumfänglich Bezug genommen. Auf Antrag des Beklagtenvertreters erstellte der Sachverständige sodann noch ein schriftliches Gutachten.
Außerdem wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen L. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage hatte vollen Erfolg.
1. Die Beklagten haften dem Grunde nach aus § 18 StVG bzw. § 7 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG.
Diese Haftung war auch nicht nach § 17 Abs. 2 und 1 StVG zu mindern.
a. Das Gericht legt der Beweiswürdigung die Anscheinsbeweise gegen den in den fließenden Verkehr Einfahrenden sowie gegen den rückwärts fahrenden Verkehrsteilnehmer zugrunde.
Unstreitig ist die Beklagte unmittelbar vor dem Unfallereignis oder sogar zum Unfallzeitpunkt rückwärts gegen die Einbahnstraße in den Verkehrsraum für den fließenden Verkehr eingefahren.
Die Beklagten haben den aus diesen Anscheinsbeweis folgenden Anschein der Verantwortlichkeit der Beklagten nicht widerlegen können.
b. Die Beweisaufnahme hat im Einzelnen nicht dazu geführt, dass von dem Anscheinsbeweis Abstand zu nehmen wäre.
aa. Das Gericht konnte insbesondere nicht feststellen, dass der klägerische Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sein sollte.
(1) Der Drittwiderbeklagte hat angegeben, dass er die Ainmillerstraße normal befahren habe. Er sei etwa 30 km/h schnell gefahren. Es sei dann die Beklagte zu 1 rückwärts mit ihrem Fahrzeug auf die Straße aufgefahren, habe sich aber noch hinter der Linie der parkenden Fahrzeuge befunden. Sie sei dann zum Stehen gekommen, so dass er seine verzögerte Fahrt wieder fortgesetzt habe. Später sei die Beklagte dann, als er nur noch ein bis zwei Autolängen entfernt gewesen sei, plötzlich wieder angefahren. Er habe noch versucht zu bremsen; es sei aber zur Kollision gekommen.
(2) Die Beklagte hat angegeben, dass sie auf dem Bordstein parallel zu den am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugen geparkt hätte. Sie sei dann, nachdem sie sich von dort aus vergewissert habe, dass von hinten kein Verkehr nahe, rückwärts auf die Ainmillerstraße aufgefahren. Da sie wegen des östlich der Einfahrt stehenden Kastenwagens nichts gesehen habe, habe sie sich langsam in die Straße vorgetastet. Beim Auffahren habe sie über ein bis zwei Sekunden einen laut aufheulenden Motor gehört, so dass sie gebremst habe. Dann seien weitere zwei Sekunden vergangen, in denen sie das Quietschen von Bremsen vernommen habe. Schließlich habe sie, die sie sich nach hinten umgeschaut habe, das klägerische Fahrzeug herannahen sehen. Es sei ihr schnell erschienen. Es sei zur Kollision gekommen.
(3) Der Zeuge M. befand sich in dem Kastenwagen, der der Beklagten die Sicht versperrte. Er sah den von der Beklagten gesteuerten Wagen, der sich rückwärts in die Straße hereintastete. Der Zeuge beschrieb außerdem, dass er den klägerischen Wagen im Außenspiegel habe herannahen sehen; dieser sei seiner Einschätzung nach ziemlich schnell gewesen. Dann sei es zur Kollision gekommen.
(4) Der Sachverständige hat lediglich die Relativgeschwindigkeit der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Kollision ermittelt. Diese lag bei 15-20 km/h. Die Absolutgeschwindigkeiten der Fahrzeuge konnte der Sachverständige mangels Anknüpfungstatsachen nicht herleiten.
(5) Das Gericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit den Ausführungen aller Beteiligter auseinandergesetzt. Auch die Angaben der Parteien konnten in die Beweiswürdigung mit einbezogen werden. Das Gericht hat nicht verkannt, dass die im Rahmen einer informatorischen Beweiswürdigung gemachten Angaben einer Partei nicht als Beweismittel gewertet werden dürfen. Das Gericht folgt der herrschenden Rechtsprechung aber darin, dass die Ergebnisse einer Anhörung ohne weiteres im Rahmen einer Beweiswürdigung verwertet werden dürfen (vgl. zuletzt KG Berlin, Beschluss v. 06.10.2008, 12 U 196/08, Abs. 32 mwN.).
Der Drittwiderbeklagte beschrieb jedoch von Anfang an keine überhöhte Geschwindigkeit. Die Angaben der Beklagten zu 1 und des Zeugen M. sind keine ausreichende Grundlage, um von einer tatsächlich erhöhten Geschwindigkeit auszugehen. Das Gericht sah sich aber an den Beweismaßstab des § 286 ZPO gebunden. Auch wenn für die im Rahmen der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ erforderlich ist, sondern nur ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, so gilt doch, dass weniger als die Überzeugung von der Wahrheit der behaupteten Tatsache für das Bewiesensein nicht ausreichen und ein bloßes Glauben, Wähnen, Fürwahrscheinlichhalten den Richter nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmals berechtigt (KG Berlin, Urt. v. 21.11.2005, 12 U 214/04, Abs. 23). Der Zeuge M. hat den Wagen lediglich im Außenspiegel beobachtet. Das Gericht hält diese Einschätzung nicht für ausreichend. Die Wahrnehmung eines von hinten herannahenden Fahrzeugs im Außenspiegel erscheint dem Gericht nicht geeignet, um eine hinreichende Gewissheit (§ 286 ZPO) über die Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs zu gewinnen.
Die Beklagte konnte die Geschwindigkeit jedoch nicht beziffern. Es ist mithin völlig unklar, welche Geschwindigkeit ihr schnell erschien. Berücksichtigt man, dass die Beklagte den klägerischen Wagen nur auf einer kurzen Wegstrecke sehen konnte, ist es plausibel, dass dieser ihr schnell erschien. Allerdings erlaubt dies keinen Rückschluss auf die Ausgangsgeschwindigkeit des PKW.
Soweit der Beklagtenvertreter die Beklagte zu 1 anregte, zu beschreiben, dass der klägerische Fahrer nach der Unfallaufnahme mit hoher Geschwindigkeit davon fuhr, hat die Beklagte zu 1 zutreffend bereits in der Sitzung darauf hingewiesen, dass sich hieraus nicht auf die Geschwindigkeit vor bzw. im Moment der Kollision schließen lässt.
bb. Das Gericht fand darüber hinaus auch keinen Anhaltspunkt für die Mutmaßungen der Beklagten zur Ablenkung durch ein Mobiltelefon.
Das Gericht hatte die Beklagten bereits mit Beschluss vom 17.09.2009 darauf hingewiesen, dass die Behauptung völlig ins Blaue getätigt erscheint. Dieser Eindruck verfestigte sich in der Hauptverhandlung.
Das Gericht hat jedoch auch feststellen müssen, dass die Beklagte entsprechendes nicht behauptet und nach dem Eindruck in der Verhandlung auch nicht dem sie vertretenden Gatten geschildert hatte.
cc. Auch haben die Beklagten nicht beweisen können, dass die Beklagte vor der Kollision schon längere Zeit auf der Ainmillerstraße gestanden hat.
(1) Entgegen dem Vortrag des Beklagtenvertreters hatte bereits die Beklagte offen angegeben, dass sie erst angehalten habe, als sie bereits die Straße erreicht hatte und die Motorengeräusche vom klägerischen Fahrzeug hörte.
Der Kläger hatte ohnehin nur ein viel früheres kurzzeitiges Anhalten, auf das dann aber ein Weiterfahren folgte, geschildert.
(2) Der Zeuge M. hatte nur noch in Erinnerung, dass die Beklagte langsam auf die Straße aufgefahren sei und es dann schon zur Kollision gekommen sei.
(3) Auch der Sachverständige hat insoweit keine Erhellung schaffen können. Technisch gesehen sind nach den Ausführungen des Sachverständigen beide Geschehen möglich.
(4) Die Angaben der Beteiligten waren somit allesamt unergiebig. Der Einwand verfing deshalb nicht.
dd. Soweit die Beklagten schließlich vorgetragen haben, dass die Beklagte zu 1 sich vor dem Rückwärtsfahren von ihrem Standort auf dem Bürgersteig aus umgeschaut habe und so den Verkehr über eine ausreichende Strecke habe einsehen können, hat der Sachverständige eine solche Verkehrsbeobachtung ausgeschlossen. Der Sachverständige hat durch eine Nachstellung der (Vor-)Unfallsituation und die Fertigung entsprechender Lichtbilder vom Sichtbereich der Beklagten zu 1 eindrucksvoll dokumentiert, dass die Beklagte zu 1 keine bzw. zumindest keine ausreichende Sicht auf den Straßenverkehr hatte.
Das Gericht führt zu den Ausführungen des Sachverständigen – auch bezüglich der anderen Punkte – aus, dass es den Darlegungen des Sachverständigen, der für das Gericht ständig tätig ist und den das Gericht wegen seiner gut verständlichen sowie fachlich überzeugenden Gutachten schätzt, folgt. Der Sachverständige hat einen Teil seiner Ausführungen bereits mündlich angedeutet, die übrigen Überlegungen hat er schriftlich niedergelegt. Beide Teile waren nachvollziehbar und sind auch durch die Parteien nicht in Frage gestellt worden.
c. Das Gericht hatte damit von einem gegen die Beklagten sprechenden Anschein auszugehen. Dieser rechtfertigt, eine im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 2 und 1 StVG eine alleinige Haftung der Beklagten für das Unfallgeschehen anzunehmen.
aa. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jede Seite hat dabei die Umstände zu beweisen, die der Gegenseite zum Verschulden gereichen und aus denen sie für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (Brandenburgisches OLG, Urt. v. 17.09.2009, 12 U 26/09, Abs. 23).
bb. Der klägerische Fahrer hat zu dem Unfall beigetragen, indem sie die Ainmillerstraße in westliche Richtung befuhr und dann mit dem Beklagtenfahrzeug kollidierte. Die Beklagte hat zu dem Unfallgeschehen beigetragen, indem sie rückwärts vom Bürgersteig in die Ainmillerstraße zurücksetzte, obwohl sie keine ausreichende Rücksicht hatte.
cc. Der Kläger hat geringfügig sorgfaltswidrig gehandelt.
Vorliegend steht eine Verletzung des Sichtfahrgebots (§ 3 StVO) im Raum, da der Kläger sah, dass ein Fahrzeug rückwärts auf die Fahrbahn einfuhr. Der Kläger hätte sich insoweit bremsbereit zu halten gehabt. Weitere Sorgfaltspflichtverletzungen sind dem Kläger nicht nachzuweisen.
Die Beklagte zu 1 hat sorgfaltswidrig gehandelt, indem sie rückwärts auf die Ainmillerstraße zurücksetzte, obwohl sie vor der Einfahrt auf die Straße keine Sicht auf diese hatte, § 10 Satz 1 StVO. Zugleich hat sie die sie in besonderer Weise beim Rückwärtsfahren treffende Pflicht aus § 9 Abs. 5 StVO verletzt. Diese Sorgfaltspflicht war in der Einbahnstraße nochmals erhöht (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, Rz. 51). Die Beklagte hätte sich beim rückwärtigen Ausfahren einweisen lassen müssen. Darüber hinaus hat sie das Sichtfahrgebot (§ 3 StVO) verletzt, indem sie in einen Verkehrsraum eingefahren ist, in den sie nicht einblicken konnte.
dd. Die Abwägung der jeweiligen Beiträge führt zu einer alleinigen Haftung der Beklagten. Die Beklagte hat selber eingeräumt, dass sie nur beim Anfahren den rückwärtigen Straßenverlauf gesehen habe, dann aber ihre Sicht versperrt gewesen sei. Sie hat damit in den Augen des Gerichts in eklatanter Weise sorgfaltswidrig und leichtfertig gehandelt. Die Beklagte hätte sich einweisen lassen müssen. Dass die Beklagte nicht zunächst einmal angehalten hat und abgewartet hat, ob Fahrzeuge passieren oder sie möglicherweise einfahren lassen, erhöht die Sorgfaltswidrigkeit des Verursachungsbeitrags noch weiter.
Der Beitrag des Drittwiderbeklagten tritt demgegenüber vollkommen zurück. Vorliegend blieb nicht einmal Raum, eine Mithaftung aufgrund der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs anzunehmen. Die Sorglosigkeit des Fahrstils der Beklagten war zu groß.
3. Die Schadenshöhe bei der Klagepartei steht nicht im Streit, so dass der gesamte Betrag zuzusprechen war.
4. Gleiches gilt für die geltend gemachten Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung.
II.
Die Widerklage hatte dementsprechend keinen Erfolg.
III.
Der Kostenausspruch resultiert aus § 92 Abs. 1 ZPO. Es war allerdings zu berücksichtigen, dass allein die Beklagte die Widerklage erhoben hatte.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts des Verfahrens beruht auf §§ 3, 5 ZPO.