Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 16.08.2010 - 22 U 15/10 - Zu den erhöhten Sorgfaltspflichten beim Wenden und beim Linkseinbiegen in ein Grundstück

KG Berlin v. 16.08.2010: Zu den erhöhten Sorgfaltspflichten beim Wenden und beim Linkseinbiegen in ein Grundstück


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 16.08.2010 - 22 U 15/10) hat entschieden:
  1. Der Beweis des ersten Anscheins spricht nach der von beiden Verkehrssenaten des Kammergerichts in ständiger Rechtsprechung geteilten überwiegenden Ansicht für ein Alleinverschulden des Kraftfahrers, der nach links in eine Grundstückseinfahrt ausschert und dabei mit einem links an einer stehenden Fahrzeugkolonne vorbeifahrenden Kfz kollidiert.

  2. Der Begriff der unklaren Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bezieht sich im Wesentlichen auf den zu überholenden und etwaigen Querverkehr, weil der Gegenverkehr bereits durch § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO geschützt ist.

  3. Eine überhöhte Geschwindigkeit führt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nur dann zu einer Mithaftung des Bevorrechtigten, wenn sie sich ursächlich auf den Unfall ausgewirkt hat; dabei reicht es nicht aus, dass bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Unfallgegner später am Unfallort gewesen wäre.

  4. Sind keine Unfallspuren dokumentiert und trägt der Beklagte vor, er nehme an, dass zwar nicht die Kollisionsgeschwindigkeit, aber die Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers 50 km/h (statt zugelassener 30 km/h) betragen habe, ist dies mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen einem Beweis durch ein Unfallrekonstruktionsgutachten nicht zugänglich.

  5. Die Unkostenpauschale beträgt nach ständiger Rechtsprechung beider Verkehrssenate 20 EUR; nach wie vor erfordert die Preisentwicklung auf dem Kommunikationsmarkt keine Veränderung der Pauschale.

Siehe auch Linksabbiegen in ein Grundstück und Auslagenpauschale - Unkostenpauschale - Nebenkostenpauschale


Gründe:

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO) abgesehen.

I. Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

a) Haftung dem Grunde nach

Den Klägern steht, wie auch das Landgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Ersatz der ihnen infolge des Verkehrsunfalls vom 21. Oktober 2008 gegen 11.30 Uhr in der Schnellerstraße in Berlin Niederschöneweide erlittenen Schäden gemäß §§ 7, 17 StVG, §§ 823 Abs. 1 BGB bzw. § 115 Abs. 1 VVG in voller Höhe zu. Unstreitig hat sich der Unfall ereignet, als der Beklagte zu 1. aus der stehenden Fahrzeugkolonne nach links in eine Grundstückseinfahrt ausgeschert ist, um dort zu wenden und der Kläger zu 2. mit dem Kraftrad des Klägers zu 1. links an der stehenden Fahrzeugkolonne vorbeigefahren ist. Damit spricht nach ganz überwiegender und von beiden Verkehrssenaten des Kammergerichts in ständiger Rechtsprechung geteilter Ansicht der Beweis des ersten Anscheins für ein Alleinverschulden des Beklagten zu 1. an der Kollision (vgl. etwa KG, Beschluss vom 04. Dezember 2006 – 12 U 84/06 – NZV 2007, 408 f; Urteil vom 07. Oktober 2002 – 12 U 41>/01 – NZV 2003, 89 f; Hans OLG Bremen – Urteil vom 01. September 2009 – 3 U 36/09 – MDR 2010, 26; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Dezember 2012 – 6 U 106/08 –NJW-RR 2009, 746 ff;).

Es besteht auch nach nochmaliger Überprüfung keine Veranlassung, diese Ansicht aufzugeben. Denn gemäß § 9 Abs. 5 StVO muss sich ein Fahrzeugführer beim Abbiegen in ein Grundstück und beim Wenden wegen der mit solchen Verkehrsvorgängen verbundenen erhöhten Gefahren vor allem auch für andere Verkehrsteilnehmer über die Einhaltung der einem Linksabbieger gemäß § 9 StVO allgemein obliegenden Verpflichtungen hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Im Hinblick auf diese dem Abbiegenden gemäß § 9 Abs. 5 StVO abverlangte äußerste und gegenüber den in § 9 Absätze 1 bis 4 StVO normierten Pflichten nochmals erhöhte Sorgfaltspflicht, trägt der in ein Grundstück Abbiegende bzw. Wendende die Gefahr nahezu allein (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 StVO, Rdn 44 m.w.N.). Dabei muss seine Sorgfalt den gesamten entgegenkommenden und nachfolgenden Verkehr einbeziehen, wofür der Abbiegende die Verantwortung praktisch allein trägt (vgl. Hentschel, a.a.O., Rn 52 m. w. N.). Er haftet bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile (§ 17 StVG) wegen seiner in erheblichem Maße erhöhten Betriebsgefahr allein, wenn er dem anderen einen Fahrfehler nicht nachweist (vgl. KG, Beschluss vom 04. Dezember 2006 – 12 U 84/06 – NZV 2007, 408 f).

Entgegen der von den Beklagten vertretenen Ansicht ist hier auch nicht bereits deshalb eine andere Beurteilung geboten, weil die Betriebsgefahr eines Kraftrades generell erhöht wäre. Vielmehr ist das gerade nicht der Fall (vgl. dazu KG Urteil vom 25. 03.1999 – 12 U 9746/97 – Rdn. 30 zitiert nach juris).

Soweit die Beklagten in ihrem im Übrigen nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05. August 2010 Rechtsprechungsbeispiele für ihre Ansicht anführen, ein Anscheinsbeweis sei hier nicht begründet, betreffen diese Entscheidungen Fälle, in denen letztlich auch nach der Rechtsprechung des Kammergerichts der für ein Alleinverschulden des Linksabbiegers in ein Grundstück gegenüber dem Überholenden sprechende Beweis des ersten Anscheins entkräftet wäre. Denn entweder lag ein rechtswidriges Überholen im Überholverbot vor (so etwa die Entscheidung des OLG Naumburg) oder es stand ein ordnungsgemäßes Verhalten des Linksabbiegers, insbesondere durch Blinken, links Einordnen und Verlangsamen der Fahrt nach einer Beweisaufnahme fest, was allein oder in Verbindung mit besonderen anderen Umständen zur Annahme eines Überholens bei unklarer Verkehrslage und damit eines atypischen Geschehensablauf führte.

Daran fehlt es hier jedoch. So steht weder fest, dass der Beklagte zu 1. seine Absicht, aus der Fahrzeugkolonne nach links in die Grundstückseinfahrt zum Wenden abzubiegen durch rechtzeitiges Blinken und Einordnen zur Fahrzeugmitte für etwa überholende bzw. vorbeifahrende Fahrzeuge deutlich angezeigt hätte, noch ist ein Fahrfehler des Klägers zu 2. festzustellen.

Insbesondere war hier die Verkehrslage nicht unklar im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, mit der Folge, dass dem Kläger zu 2. ein Vorbeifahren nicht gestattet gewesen wäre. Dabei bezieht sich der Begriff der unklaren Verkehrslage im Wesentlichen auf den zu Überholenden und etwaigen Querverkehr, weil der Gegenverkehr durch § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO bereits geschützt ist (vgl. Hentschel, a.a.O., § 5 StVO Rdn. 4). Mit Querverkehr hatte der Kläger zu 2. an der Unfallstelle nicht zu rechnen, sondern erst an der - aus seiner Sicht mehrere Fahrzeuglängen dahinter befindlichen - Einmündung des Bruno-Bürgel-Weges, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Kläger zu 2. gegenüber etwa aus dem Bruno-Bürgel-Weg sich näherndem Verkehr bevorrechtigt war. Es sind auch keine Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt oder sonst erkennbar, aus denen sich für den Kläger zu 2. Anhaltspunkte für die Absicht eines vor dem beschrankten Bahnübergang wartenden Fahrzeugführers ergeben würden, aus der Fahrzeugkolonne auszuscheren. Ein Fahrfehler des Klägers zu 2. ist insoweit nicht festzustellen.

Soweit die Beklagten behaupten, der Kläger zu 2. sei an der in Fahrtrichtung der Parteien vor der Unfallstelle befindlichen Mittelinsel links (auf dem für den Gegenverkehr bestimmten Teil der Fahrbahn) gefahren, könnte dies zwar einen Verkehrsverstoß des Klägers zu 2. begründen, weil er in diesem Falle für den Beklagten zu 1. vor dessen Abbiegevorgang schwerer erkennbar gewesen sein könnte. Jedoch haben die Beklagten, die für ein Verschulden des Klägers oder eine Erhöhung der Betriebsgefahr des klägerischen Kraftrades die Beweislast tragen, diese Behauptung nicht schlüssig dargelegt, da der Beklagte zu 1. den Kläger zu 2. vor dem Unfall ja gerade nicht gesehen hat; jedenfalls haben die Beklagten einen ihnen obliegenden Beweis für ihre entsprechende Behauptung nicht angetreten. Die eigene Parteivernehmung ist insoweit kein zulässiger Beweisantritt, da die Beklagten ihr widersprochen haben (vgl. § 447 ZPO). Eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO scheidet hier aus, weil sie nur zulässig ist, wenn bereits ein gewisser Beweis für die entsprechende Behauptung erbracht ist, woran es hier fehlt.

Soweit die Beklagten behaupten, der Kläger sei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h gefahren, obwohl hier – was unstreitig ist - eine Tempo-30-Zone vorlag, und sich insoweit auf die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens berufen, ist diesem Beweisantritt nicht nachzugehen. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung führt eine überhöhte Geschwindigkeit nur dann zu einer Mithaftung des Bevorrechtigten, wenn sie sich ursächlich auf das Zustandekommen des Unfalls ausgewirkt hat. Dabei reicht nicht aus, dass bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Unfallgegner später am Unfallort gewesen wäre (vgl. etwa BGH Urteil vom 25. März 2003 – VI ZR 161/02 – Rdn. 11, zitiert nach juris). Für einen Zurechnungszusammenhang fehlt es hier aber sowohl an einem Sachvortrag als auch an einem Beweisantritt. Die Beklagten haben insbesondere keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger zu 2. entweder bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch in der Lage gewesen wäre, unfallverhütend zu reagieren, oder dass er beim Ausscheren des Beklagten zu 1. noch so weit entfernt vom Unfallort gewesen wäre, dass der Beklagte zu 1. hätte annehmen dürfen, er könne noch ohne jede Gefährdung auf die Grundstückseinfahrt fahren.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Betriebsgefahr des Krades erhöht wäre, wenn der Kläger zu 2. mit 50 km/h gefahren sein sollte, also 20 km/h zu schnell (vgl. dazu KG Urteil vom 25. 03.1999 – 12 U 9746/97 – Rdn. 29 ff zitiert nach juris), müsste die Einholung eines Sachverständigengutachtens jedenfalls deshalb unterbleiben, weil es an hinreichenden Anknüpfungstatsachen fehlt. So sind keine Unfallspuren dokumentiert und zu der ursprünglichen Behauptung der Beklagten, aus den Unfallschäden an den Fahrzeugen würde sich ergeben, dass der Kläger zu 2. mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf das Fahrzeug des Klägers aufgeprallt sei, hat der Beklagte zu 2. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, er behaupte keinen Aufprall mit 50 km/h, da in diesem Falle der Unfall wohl schwerwiegender ausgefallen wäre, er nehme aber an, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers zu 2. 50 km/h betragen habe. Diese Behauptung ist mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen jedoch einem Beweis durch ein Unfallrekonstruktionsgutachten nicht zugänglich.

Daher hat es insgesamt bei der vom Landgericht angenommenen vollen Haftung der Beklagten für die Unfallschäden der Kläger zu verbleiben.

b) Anspruchshöhe

aa) Kläger zu 1.

Die Höhe der dem Kläger zu 1. vom Landgericht zuerkannten Schadensbeträge wird von den Beklagten ausdrücklich mit der Berufung nicht beanstandet.

bb) Kläger zu 2.

(1) Schmerzensgeld:

Soweit die Beklagten das dem Kläger zu 2. zuerkannte Schmerzensgeld von insgesamt 5.000,00 EUR für überhöht erachten, ist dem nicht zu folgen. Der Senat erachtet das zuerkannte Schmerzensgeld für angemessen. Auf die überzeugende Begründung in der angefochtenen Entscheidung wird verwiesen, insbesondere auch auf die dort angeführten Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen, die entgegen der von den Beklagten vertretenen Ansicht auch zum Vergleich geeignet sind, zumal darin, soweit sie schwerere Verletzungen betreffen, als sie der Kläger erlitten hat, auch ein höheres Schmerzensgeld zuerkannt worden ist als das Landgericht dem Kläger zu 2. zuerkannt hat.

Die von den Beklagten für ein geringeres Schmerzensgeld angeführten Entscheidungen betreffen weitgehend Fälle, in denen deutlich geringere Verletzungen vorlagen als sie der Kläger zu 2. erlitten hat. Zum Teil betreffen diese Entscheidungen auch Fälle, in denen - anders als im vorliegenden Fall - ein erhebliches Mitverschulden des Verletzten vorlag. Im Übrigen wäre auch bei Zugrundelegung der angeführten Entscheidungen aufgrund ihres Alters meist eine deutliche Anhebung der Beträge veranlasst.

Soweit die Beklagten die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und ein Andauern der Therapiemaßnahmen zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestritten haben, hätten sie angesichts der vom Kläger zu 2. eingereichten ärztlichen Berichte, insbesondere des Entlassungsbriefs der D? -Kliniken K???? vom 20. Januar 21009, des Zwischenberichts derselben Klinik vom 10.06.2009 und des Reha-Zentrums K???? Anhaltspunkte vortragen müssen, aus denen sich insoweit ernsthafte Zweifel ergeben könnten. Die Behandlungszeiten und die Zeit der Arbeitsunfähigkeit für eine auch körperliche Tätigkeit erscheinen bei der vom Kläger zu 2. unfallbedingt erlittenen Ruptur des vorderen Kreuzbandes rechts sowie einer damit verbundenen Innenbandruptur rechts und einer schmerzhaften Prellung des seitlichen Gelenkfortsatzes des Oberschenkels mit Beteiligung des Knochenmarks und der dokumentierten Behandlungsmaßnahmen ohne weiteres plausibel. Das gilt insbesondere auch in Anbetracht des Umstandes, dass zur Behandlung zunächst das rechte Knie mit einer Plastikprothese (Don-Joy-Orthese) versorgt werden musste, die der Kläger bis zur Heilung des Innenbandes (bis zum 16. Januar 2009) trug, und dann zur Behandlung der Ruptur des Kreuzbandes Mitte Januar ein Kreuzbandplastikband operativ eingesetzt wurde, damit das Kreuzband verheilen konnte. Soweit die Beklagten einen Dauerschaden bestritten haben, wird ein solcher vom Kläger selbst nicht behauptet. Vielmehr hat er unter Einreichung entsprechender Belege vorgetragen, dass die Behandlung Mitte Mai 2009 erfolgreich und ohne verbleibende Schäden abgeschlossen werden konnte.

(2) Feststellungsantrag

Soweit die Beklagten mit der Berufung geltend machen, ein Feststellungsinteresse des Klägers zu 2. hinsichtlich etwaiger materieller Zukunftsschäden bestünde nicht mehr, nachdem feststehe, dass die Behandlung im Mai 2009 abgeschlossen werden konnte, könne der Kläger seinen Schaden beziffern, die Feststellungsklage sei daher nunmehr unzulässig, ist dies nicht zutreffend.

Ein Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage wäre nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung selbst dann nicht erforderlich, wenn der zunächst nicht bezifferbare Schaden des Klägers während des Rechtsstreits bezifferbar geworden wäre (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – IX ZR 159/01 – Rdn. 44, zitiert nach juris).

Vor allem ist aber die Schadensentwicklung für den Kläger noch nicht abgeschlossen. Nachdem er aufgrund seiner verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit seinen ursprünglichen Ausbildungsvertrag lösen musste, um einen neuen Ausbildungsvertrag bei demselben Ausbilder zu erreichen, hat sich damit seine gesamte Ausbildung, wie aus den eingereichten Verträgen ersichtlich ist, um ein Jahr verzögert. Damit wird sich auch sein Eintritt in das Berufsleben verzögern. Die Höhe eines ihm dadurch entstehenden Schadens, den er selbst auf zwischen 7.000,00 EUR und 12.000,00 EUR schätzt, wird auch davon abhängen, zu welchem Anfangsgehalt er nach Abschluss seiner Ausbildung eine Anstellung finden wird. Das Feststellungsinteresse des Klägers zu 2. betreffend die Ersatzpflicht der Beklagten für materielle Zukunftsschäden besteht daher nach wie vor.


II. Berufung des Klägers zu 1.

Die Berufung des Klägers zu 1. ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Kläger zu 1. ist durch die angefochtene Entscheidung auch in dem gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Umfang beschwert. Zwar verfolgt der Kläger zu 1. mit seine Berufung neben der Unkostenpauschale in Höhe von weiteren 5,00 EUR nur die in erster Instanz als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 828,59 EUR weiter und gemäß § 4 Abs. 1 ZPO bleiben Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Jedoch werden Kosten nach einem nicht mehr im Streit stehenden Hauptanspruch Hauptforderung im Sinne von § 4 ZPO (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 – VI ZB 60/07 – VersR 2009, 806 f). Demgemäß umfasst der Wert des Beschwerdegegenstands nicht nur den im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Teil der Unkostenpauschale in Höhe von 5,00 EUR, bei der es sich nicht um Nebenkosten im Sinne von § 4 ZPO handelt, sondern um eine Hauptforderung (vgl. dazu BGH Beschluss vom 11. März 2008 – VI ZB 9/06 –NJW-RR 2008, 898). Vielmehr wird der Wert des Beschwerdegegenstandes um die vom Kläger zu 1. mit der Berufung weiter geltend gemachten nicht anrechenbaren vorprozessualen Rechtsanwaltskosten erhöht, die auf den vorprozessual und in erster Instanz erledigten Teil der ursprünglichen Gesamtforderung entfallen. Er übersteigt damit 600 Euro, womit seine Berufung zulässig ist.

In der Sache hat die Berufung des Klägers zu 1. jedoch keinen Erfolg.

1. Unkostenpauschale

Insoweit war die Berufung des Klägers zu 1. zurückzuweisen, weil die Unkostenpauschale nach ständiger Rechtsprechung der beiden Verkehrssenate des Kammergerichts lediglich 20,00 EUR beträgt (vgl. etwa Senat , Urteil vom 10. September 2007 – 22 U 224/06 Rdn. 20, zitiert nach Juris, m. w. N. sowie die vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil genannten Entscheidungen). Nach wie vor erfordert die Preisentwicklung auf dem Kommunikationsmarkt keine Veränderung der Pauschale, insbesondere keine von dem Kläger zu 1. angestrebte Erhöhung.

2. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Insoweit besteht über den bereits vom Landgericht zuerkannten Teilbetrag von 272,87 EUR der nicht anrechenbaren Geschäftsgebühr hinaus, den das Landgericht zutreffend nach dem dem Kläger zu 1. in der Hauptsache zustehenden Schadenbetrag bemessen hat, kein Anspruch des Klägers zu 1. auf Schadensersatz. Denn dem Kläger zu 1. ist, soweit er Rechtsanwaltskosten geltend macht, die nach dem Schaden seines Sohnes, des Klägers zu 2., bemessen worden sind, kein eigener Schaden entstanden. Gemäß § 7 RVG bekommt der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, wobei ihm jeder der Kläger nur die Gebühren schuldet, die er schulden würde, wenn er allein Auftraggeber wäre. Da es sich hier bei den Schadensersatzforderungen des Klägers zu 1. und den Schadensersatzforderungen des Klägers zu 2. um verschiedene Gegenstände handelt, werden diese zur Ermittlung des Gegenstandswertes gem. § 22 RVG zusammengerechnet; einen Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV RVG gibt es nicht. Rechnerisch hat das Landgericht den danach dem Kläger zu 1. zustehenden Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zutreffend ermittelt.

Insgesamt war daher die Berufung des Klägers zu 1. zurückzuweisen.


III. Berufung des Klägers zu 2.:

Auch die Berufung des Klägers zu 2. ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch die erforderliche Beschwer liegt vor, weil der Kläger zu 2. bereits in erster Instanz – wenn auch in Form eines unbezifferten Klageantrages - ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,00 EUR geltend gemacht hat, von dem ihm das Landgericht über die bereits vorprozessual gezahlten 750,00 EUR hinaus nur weitere 4.250,00 EUR zuerkannt hat.

Die Berufung des Klägers zu 2. ist jedoch überwiegend unbegründet.

1. Weiteres Schmerzensgeld

Soweit der Kläger zu 2. ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von nunmehr beziffert weiteren 5.000,00 EUR geltend macht, besteht kein Anspruch aus §§ 7, 17, 11 Satz 2 StVG, § 253 BGB bzw. § 115 VVG. Art und Schwere der Verletzungen des Klägers lassen auch unter Berücksichtigung der Bemessungsgrundsätze des Senats sonst kein den zuerkannten Betrag von 5.000,00 EUR übersteigendes Schmerzensgeld angemessen erscheinen. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat anschließt, wird insoweit verwiesen. Die vom Kläger zu 2. in der Berufung angeführten Vergleichsfälle rechtfertigen nicht die Zuerkennung eines höheren Schmerzensgeldes, da dort, anders als im vorliegenden Fall, Dauerschäden vorlagen bzw. nicht abschätzbare Spätfolgen zu befürchten waren. Die Verletzung des Klägers ist dagegen folgenlos ausgeheilt.

2. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Insoweit hat die Berufung des Klägers zu 2. Erfolg. Der Kläger zu 2. hat wegen der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die in erster Instanz nur der Kläger zu 1. geltend gemacht hatte, seine Klage in der Berufung erweitert, was gemäß § 533 ZPO zulässig ist. Die Klageerweiterung ist sachdienlich, da sie der Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits dient und sie kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Der Anspruch ist auch aus §§ 7, 17, 11 Satz 2 StVG, § 253 BGB bzw. § 115 VVG jeweils in Verbindung mit § 249 BGB begründet. Wie bereits ausgeführt bekommt der Rechtsanwalt die Gebühren gemäß § 7 RVG nur einmal, wobei ihm jeder der Kläger die Gebühren schuldet, die er schulden würde, wenn er allein Auftraggeber wäre. Da sich die begründete Schadensersatzforderung des Klägers zu 2. nach dem ihm zustehenden Schmerzensgeld und dem Wert der Feststellung richtet, kann er insoweit Ersatz der auf diese Forderungen entfallenden vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangen. Diese sind rechnerisch jedenfalls nicht höher als der insoweit geltend gemachte Betrag von 828,59 EUR. Der Kläger kann insoweit auch Zahlung und nicht nur Freistellung (vgl. § 257 BGB) von der Forderung des von ihm mit der vorgerichtlichen Durchsetzung seiner Forderungen beauftragten Rechtsanwalts verlangen. Denn durch die für ihn von dem Kläger zu 1. als seinem Vater geleistete Zahlung ist die gegen ihn entstandene Forderung des Anwalts gemäß §§ 362, 267 BGB erfüllt worden. Sein Schaden besteht nunmehr darin fort, einer Forderung des Klägers zu 1. ausgesetzt zu sein, der, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, keinen eigenen Anspruch gegen die Beklagten erworben hat.

Die Kostenentscheidung, die für die erste Instanz gemäß § 308 Abs. 2 ZPO auch ohne entsprechenden Antrag im Hinblick auf den zugrunde zu legenden Streitwert von Amts wegen zu ändern war (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 528 Rdn. 35 m. w. N.), folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO).

Die Revision ist nicht zugelassen worden, da keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sind und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).