OLG Oldenburg v. 21.04.1978:
Im Falle einer Kollision zwischen einem nach links in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden und einem überholenden Kfz spricht in aller Regel der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des einbiegenden Fahrers. Dieses Verschulden kann in Verbindung mit der durch das Einbiegemanöver erhöhten Kfz-Betriebsgefahr dazu führen, dass die Mithaftung des Überholenden auf das Verhältnis 2:1 begrenzt wird.
OLG Düsseldorf v. 14.10.1981:
Im Hinblick auf die vom Einbiegen in ein Grundstück ausgehenden objektiven Gefahren trägt der Abbiegende die Verantwortung für das damit verbundene Verkehrsgeschehen in der Regel allein.
KG Berlin v. 05.10.1981:
Ein nach links in ein Grundstück Abbiegender Kraftfahrer ist trotz rechtzeitig gegebener Blinkzeichen von der Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Abbiegen nicht befreit, wenn er sich nicht zur Straßenmitte eingeordnet hatte und für ihn offenkundig ist, dass ihm ein ungeduldiger, Hupzeichen gebender Fahrzeugführer nachfolgt, dessen Reaktion nicht vorauszusehen ist.
OLG Karlsruhe v. 14.07.1989:
Schadensteilung bei Kollision zwischen Linksabbieger in Grundstück und entgegenkommendem zu schnell fahrendem Rechtsüberholer
OLG Dresden v. 24.04.2002:
Bei einem Auffahrunfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende unaufmerksam war oder den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat. Bei einer Kollision des Auffahrenden mit einem Fahrzeug, dessen Fahrer nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegen will, greift der Anscheinsbeweis auch gegen den Linksabbieger ein. Spricht in einem solchen Fall gegen beide Unfallbeteiligte der Anscheinsbeweis, heben sich die tatsächlichen Vermutungen gegenseitig auf, und entfällt die damit verbundene Beweiserleichterung. Macht der Auffahrende Schadensersatzansprüche geltend, muss er daher den vollen Beweis der Tatsachen erbringen, aus denen sich ergibt, dass der Linksabbieger die behaupteten Schäden schuldhaft herbeigeführt hat.
KG Berlin v. 25.11.2002:
Die Grundsätze der sogenannten "Lückenrechtsprechung" gelten nur, soweit in einer Kolonne in einer vorfahrtsberechtigten Straße eine Lücke zur Ein- oder Ausfahrt in eine Nebenstraße freigehalten wird. Sie gilt nicht für die Ausnutzung von Lücken zur Ein- oder Ausfahrt in oder aus normalen Grundstücksausfahrten, etwa Parkplatzausfahrten.
OLG München v. 21.01.2005:
Haftungsverteilung bei Kollision zwischen einem Linksabbieger in ein Grundstück und einem aus der Gegenrichtung vom Fahrbahnrand Anfahrenden (Schadensteilung bis 2/3 zugunsten des Einbiegenden)
OLG Schleswig v. 07.07.2005:
Haftung je zur Hälfte, wenn der Führer einer Kehrmaschine beim Linksabbiegen in eine Mülldeponie die zweite Rückschau versäumt und dabei mit einem Porsche kollidiert, dessen Führer in unklarer Verkehrslage überholt und den Zusammenstoß durch Bremsen hätte vermeiden können.
OLG Düsseldorf v. 20.02.2006:
Wer zum Wenden unter vollständigem Verlassen der Fahrbahn eine Grundstückseinfahrt nutzt, unterliegt den Regeln für das Abbiegen in ein Grundstück und anschließend für das Einfahren aus diesem in die Fahrbahn. Er ist gemäß § 9 Abs. 5 StVO verpflichtet, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer - insbesondere auch der aus der entgegengesetzten Fahrtrichtung kommenden - Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Bei einer Kollision des in ein Grundstück Abbiegenden mit dem durchgehenden Verkehr spricht der Anschein schuldhafter Unfallverursachung gegen den Abbiegenden.
OLG Celle v. 21.2.2006:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Einbiegende unmittelbar vor dem Hinüberfahren nach links erneut durch sorgfältige Beobachtung der rückwärtigen Verkehrslage davon überzeugen, dass die Gefährdung der nachfolgenden Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, wenn sich die Einfahrt nicht deutlich von den Nachbargrundstücken abhebt, sodass sie nur für den Eingeweihten oder jedenfalls nur aus nächster Nähe wahrnehmbar ist oder auch für einen aufmerksamen Verkehrsteilnehmer Zweifel bestehen können, ob sein Vordermann in ein Grundstück fahren oder in eine Straßeneinmündung einbiegen will (vgl. BGHSt 15, 178, 183). Beim Abbiegen in eine als Straße erkennbare Privatstraße treffen diese Anforderungen jedoch nicht zu.
OLG München v. 16.05.2008:
Verlangsamt der Kfz-Führer vor dem beabsichtigten Linksabbiegen und blinkt er dabei links, dann ist von einer unklaren Verkehrslage auszugehen und bei einer Kollision mit einem Überholer ist Schadensteilung angemessen.
KG Berlin v. 13.08.2009:
Kommt es im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers. Eine Beweislastumkehr greift zu Lasten einer Partei nicht ein. Der Anscheinsbeweis ist Folge der besonderen Gefährlichkeit des Linksabbiegens, die sich weder durch das prozessuale Verhalten der Parteien noch das Aussageverhalten von Zeugen ändert.
OLG Bremen v. 01.09.2009:
Bei einem Zusammenstoß zwischen einem links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Pkw und einem in gleicher Richtung fahrenden, den Linksabbieger überholenden Pkw spricht der Beweis des ersten Anscheins wegen der dem Linksabbieger abverlangten äußersten Sorgfalt für ein Verschulden des Linksabbiegers.
OLG Naumburg v. 25.03.2010:
Wiegt die Verursachung eines Beteiligten so schwer, dass der Verursachungsbeitrag oder die Betriebsgefahr des anderen Teils davon überlagert wird, so ist auch eine 100 %ige Haftung des in ein Grundstück einbiegenden Linksabbiegers denkbar. Denn nach einhelliger Rechtsprechung kann bei einem schwerwiegenden Verkehrsverstoß die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs ganz zurücktreten. Dies ist der Fall, wenn ein Kfz-Führer verbotenermaßen überholt. Im Rahmen seiner äußersten Sorgfaltspflicht muss ein Linksabbieger nicht damit rechnen, dass er während des andauernden Überholverbotes überholt werden würde. Insofern dürfen die Anforderungen an die gesteigerte Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden. Unvorhersehbare Regelwidrigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer muss der Wendende, für den gem. § 9 V StVO dieselben Anforderungen gelten wie für den Abbiegenden auf ein Grundstück, nicht in seine Überlegungen mit einbeziehen.
OLG Stuttgart v. 22.06.2010:
Zwar kann ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Linksabbieger seiner Rückschaupflicht nachkommt. Eine Berufung auf den Vertrauensgrundsatz scheidet aber dann aus, wenn der Kfz-Führer seinerseits gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat, indem er nicht die jeweils geltende Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat. Es ist auch Sinn und Zweck einer Geschwindigkeitsbeschränkung, die anderen Verkehrsteilnehmer vor einem zu schnellen Herannahen anderer Fahrzeuge zu schützen.
KG Berlin v. 16.08.2010:
Der Beweis des ersten Anscheins spricht für ein Alleinverschulden des Kraftfahrers, der nach links in eine Grundstückseinfahrt ausschert und dabei mit einem links an einer stehenden Fahrzeugkolonne vorbeifahrenden Kfz kollidiert.
KG Berlin v. 16.06.2011:
Erlaubt eine schmale Straße kein deutliches und rechtzeitiges Einordnen eines Linksabbiegers, so muss dieser die größte Sorgfalt unter Rückschau walten lassen. Dabei hat der Linksabbieger in ein Grundstück jeden möglicherweise kollidierenden Folge- und Gegenverkehr durch zweiten Umblick festzustellen und zu berücksichtigen und gegebenenfalls zunächst durchfahren lassen.
LG Konstanz v. 06.09.2011:
Bei einem Unfall mit einem Linksabbieger in ein Grundstück, der die doppelte Rückschaupflicht verletzt hat, ist eine Mithaftung des Überholenden von 2/5 angemessen, wenn er in einer für ihn unklaren Verkehrslage überholt hat.
LG Magdeburg v. 06.10.2011:
Nach § 9 Abs. 5 StVO muss sich der Fahrzeugführer beim Abbiegen in ein Grundstück so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Damit trägt der Abbieger in ein Grundstück die Verantwortung praktisch allein, insbesondere, wenn er dabei sogar noch eine durchgezogene Linie überfahren muss.
OLG Hamm v. 09.07.2013:
Die Grundsätze des Beweis des ersten Anscheins greifen nicht stets zu Gunsten eines eine kurze Kolonne überholenden Motorrollerfahrers ein, der mit dem die Kolonne anführenden und nach links in eine Grundstückszufahrt einbiegenden Fahrzeugs kollidiert.
OLG Schleswig v- 28.11.2013:
Pflichten beim Linksabbiegen von einer Bundesstraße in eine Grundstücksauffahrt. - Alleine das mäßige Verlangsamen einer Kolonne führt noch nicht zu einer "unklaren Verkehrslage" i.S.v. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO.
LG Berlin v. 15.05.2014:
Kommt es zwischen dem nach links in ein Grundstück abbiegenden Kraftfahrer und einem überholenden Fahrzeug zu einem Unfall, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der nach links abbiegende Kraftfahrzeugführer die ihm nach § 9 Abs. 1, 5 StVO obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten verletzt hat. - Grundsätzlich haftet derjenige, der verkehrswidrig nach links abbiegt und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Kraftfahrzeug zusammenstößt, allein für den entstandenen Schaden.
OLG Düsseldorf v. 23.06.2015:
Fährt ein nachfolgendes Fahrzeug auf ein Fahrzeug auf, das im Begriff ist, nach links in ein Grundstück abzubiegen, rechtfertigt die Lebenserfahrung nicht die Annahme, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Abbiegenden besteht (gegen LG Saarbrücken, Urteil vom 24. Januar 2014, 13 S 168/13). - Ebenso wenig lässt sich aus den hohen Anforderungen, die § 9 Abs. 5 StVO an den Abbiegenden stellt, ableiten, dass in diesen Fällen jedenfalls der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert sei (gegen OLG Dresden, Urteil vom 24. April 2002, 11 U 2948/01).
OLG Celle v. 12.05.2011:
Schneidet ein vorfahrtberechtigter Kfz-Führer beim Linksabbiegen in eine Tankstelle die Kurve und kollidiert mit einem von einem Tankstellengelände ausfahrenden Kfz, so ist hälftige Schadensteilung angemessen.
LG Saarbrücken v. 21.11.2014:
Zur Haftungsbeurteilung bei Kollision zwischen Linksabbieger auf Tankstellengelände und Gegenverkehr - Grundstücke im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO sind nur solche "privaten" Grundflächen, die nicht für jedermann zugelassen sind bzw. von jedermann tatsächlich genutzt werden.
OLG Düsseldorf v. 20.02.2006:
Wer zum Wenden unter vollständigem Verlassen der Fahrbahn eine Grundstückseinfahrt nutzt, unterliegt den Regeln für das Abbiegen in ein Grundstück und anschließend für das Einfahren aus diesem in die Fahrbahn. Er ist gemäß § 9 Abs. 5 StVO verpflichtet, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer - insbesondere auch der aus der entgegengesetzten Fahrtrichtung kommenden - Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Bei einer Kollision des in ein Grundstück Abbiegenden mit dem durchgehenden Verkehr spricht der Anschein schuldhafter Unfallverursachung gegen den Abbiegenden.
OLG Saarbrücken v. 30.01.2007:
In Linksabbiegesituationen hat der prinzipiell bevorrechtigte Geradeaus-Verkehr, wenn er erkennen kann, dass sein Vorrecht missachtet wird oder aber die Verkehrslage unklar ist, seine Fahrweise anzupassen; er muss gegebenenfalls anhalten und den Verkehrsverstoß des Linksabbiegers sogar hinnehmen. Er darf sich sein Vorrecht vor dem Linksabbieger keinesfalls erzwingen (Kolonne von Kradfahrern).
OLG Köln v. 17.03.1999:
Vergewissert sich der Pkw-Fahrer nach Einleiten des in einem Zuge durchgeführten Wendevorgangs trotz eingeschränkter Sichtverhältnisse nicht nochmals über den fließenden Verkehr, bevor er nach teilweiser Inanspruchnahme der Grundstückseinfahrt wieder auf die Fahrbahn einfährt, so trägt er auch dann den überwiegenden Haftungsanteil (hier: 2/3), wenn ein auf der Gegenfahrbahn überholender, mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit (hier: mindestens 75 km/h anstatt zulässiger 50 km/h) herannahender Motorradfahrer zur Vermeidung einer Kollision sein Krad stark abbremst und dabei stürzt.
LG Dessau-Roßlau v. 01.06.2012:
Kann einem bevorrechtigten Kradfahrer bei einem Zusammenstoß mit einem ihm entgegen kommenden Linksabbieger lediglich vorgeworfen werden, dass er vor der Kollision zur Schadensminderung hätte früher reagieren können, dann haftet er für den Schaden lediglich in Höhe einer Erhöhung der Betriebsgefahr des Krades auf 30% mit.
LG Mönchengladbach v. 09.01.2017:
Kann einem bevorrechtigten Kradfahrer bei einem Zusammenstoß mit einem ihm entgegen kommenden Linksabbieger lediglich vorgeworfen werden, dass er vor der Kollision zur Schadensminderung hätte früher reagieren können, dann haftet er für den Schaden lediglich in Höhe einer Erhöhung der Betriebsgefahr des Krades auf 30% mit.
OLG Hamm v. 16.11.2018:
Hat der Führer eines aus einem Mercedes Transporter und Pferdeanhänger samt Pferd bestehenden Gespanns beim Linksabbiegen aus einer Landstraße in einen Reiterhof die zweite Rückschau unterlassen, so ist eine Haftungsverteilung von 70:30 zu Lasten eines mit 100 km/h überholenden Fahrzeugs gerechtfertigt, wenn an der Unfallstelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h nur baustellenbedingt vorübergehend angeordnet war.