Das Verkehrslexikon

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OLG Köln Urteil vom 07.12.2010 - 4 U 9/09 - Keine Mithaftung des bei klarer Verkehrslage überholenden Kfz-Führers gegenüber einem Wartepflichtigen

OLG Köln v. 07.12.2010: Keine Mithaftung des bei klarer Verkehrslage überholenden Kfz-Führers gegenüber einem Wartepflichtigen


Das OLG Köln (Urteil vom 07.12.2010 - 4 U 9/09) hat entschieden:
Überholt ein Kfz-Führer bei klarer Verkehrslage - nämlich auf gerader übersichtlicher vorfahrtberechtigter außerörtlicher Straße - mit zulässiger Geschwindigkeit von nicht mehr als 100/km mehrerer Fahrzeuge und kommt es sodann in einem Kreuzungsbereich zum Zusammenstoß mit einem wartepflichtigen Kfz-Führer, so trifft ihn keine Mithaftung.


Siehe auch Unklare Verkehrslage und Stichwörter zum Thema Vorfahrt


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 12.12.2002 gegen 07.30 Uhr auf der K 00 zwischen S.-X. und Meckenheim zwischen dem vom Kläger gesteuerten PKW B., amtliches Kennzeichen ..., und dem vom Beklagten zu 1 gesteuerten PKW W., amtliches Kennzeichen ..., dessen Halterin die Beklagte zu 2 ist und der bei der Beklagten zu 3 Haftpflicht versichert ist, ereignet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), allerdings mit der Abänderung, dass der Kläger das hier bezeichnete Fahrzeug B. und der Beklagte zu 1 das Fahrzeug W. steuerten.

Das Landgericht hat die auf Schmerzensgeld und Feststellung gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, den Kläger treffe ein Mitverschulden an dem Unfallgeschehen. Zudem treffe ihn ein Mitverschulden am Eintritt seiner Verletzungen gemäß 254 Abs. 1 BGB, weil nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme feststehe, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht ordnungsgemäß angeschnallt gewesen sei. Darüber hinaus seien weder die festgestellte Schulterluxation noch der "Morbus Sudek" dem Unfallgeschehen zuzuordnen, so dass unter Abwägung aller Umstände bei anzunehmenden unfallursächlichen Distorsionen der HWS und der LWS mit persistierenden Beschwerden und folgenlos ausgeheilter dilozierter Rippenserienfraktur und weiter erlittener contusio cordis mit nachfolgenden Herz-Rhythmus-Störungen dem Kläger über den gezahlten Betrag hinaus unter Berücksichtigung seines Mitverschuldensanteils von ¼ zum Unfallgeschehen und einem weiteren Viertel an den unfallbedingten Verletzungsfolgen kein Schmerzensgeld mehr zustehe. Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil die Möglichkeit eines weiteren zukünftigen Schadens nicht gegeben sei. Es bestehe kein Grund, mit dem Eintritt unfallbedingter Dauerschäden zu rechnen.

Gegen dieses dem Kläger am 07.05.2009 zugestellte Urteil hat dieser mit bei Gericht am 05.06.2009 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.08.2009 mit bei Gericht am 06.08.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er rügt in erster Linie, dass ihm ein Mitverschulden an dem Unfall angelastet werde, dass das Landgericht davon ausgegangen sei, dass er nicht angeschnallt gewesen sei und von daher auch für die Verletzungsfolgen mit ursächlich sei, dass die bei der Arztbehandlung im Malteserkrankenhaus im Dezember 2002 festgestellte Schulterluxation nicht als unfallursächlich angesehen werde, dass das Landgericht es nicht als erwiesen angesehen habe, dass als Spätfolgen des Unfalls davon auszugehen sei, dass ein posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS) aufgetreten sei und dass am linken Arm ein unfallbedingter sogenannter Morbus Sudeck (auch CRPF oder Algodystrophie genannt), welche zu einer Funktionslosigkeit des linken Armes geführt habe, vorhanden sei.

Das Landgericht habe seiner Auffassung schon nach verkannt, dass die Beklagten noch in der Klageerwiderung vom 19.09.2005 zunächst ihre 100%-ige Haftung zugestanden hätten (vgl. hierzu auch Blatt 24 GA), wenn es dort heiße:
"Die Beklagten haften dem Kläger dem Grunde nach auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallereignis vom 12.12.2002. Dennoch ist die Klage unbegründet, da unfallbedingte Beschwerden des Klägers bereits seit April 2003 folgenlos ausgeheilt sind, wie sich durch eine von der Berufungsgenossenschaft veranlasste gutachterliche Überprüfung ergeben hat. …"
Erstmals nach der Einholung der gerichtlichen Gutachten in erster Instanz, nachdem diese den Vortrag des Klägers bestätigt hätten, hätten die Beklagten mit Schriftsatz vom 09.11.2007 (vgl. Blatt 326 ff. GA) eine Mithaftung und ein Mitverschulden des Klägers infolge risikoreichen Überholens und Nichtangeschnalltseins gerügt. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht sodann die Privatgutachten, die die Beklagte zu 3) eingeholt habe, - nämlich das DEKRA-Gutachten vom 23.11.2007 (Blatt 381 ff. GA) sowie die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. Q. R. aus der Sitzung vom 18.03.2009 (Blatt 488 bis 489 R GA) - verwertet.

Tatsächlich sei das Unfallereignis für ihn unabwendbar gewesen. Ein eigenes Verschulden treffe ihn jedenfalls nicht, da er nicht bei unklarer Verkehrslage überholt habe. Auf jeden Fall überwiege aber die grob verkehrswidrige Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1 ein mögliches Mitverschulden des Klägers so sehr, dass dieses hinter dem Verschulden des Beklagten zu 1 vollständig zurücktrete.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 06.05.2009

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch nicht unter 65.000,00 € liegen sollte, abzüglich gezahlter 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

  2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden, der auf den Verkehrsunfall vom 12.12.2002 zurückzuführen ist, zu 100 % zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und treten dem Vortrag des Klägers entgegen. Zu keiner Zeit sei eine Haftung von 100 % von Beklagtenseite anerkannt worden. Nach wie vor sei davon auszugehen, dass der Kläger bei unklarer Verkehrslage überholt und daher den Unfall schuldhaft mit verursacht habe. Zudem seien die Verletzungsfolgen dadurch mit verschuldet, dass der Kläger nicht angeschnallt gewesen sei. Auch seien sie ausgeheilt. Die noch vorhandenen Beeinträchtigungen könnten, wenn sie denn nicht simuliert seien, jedenfalls dem Unfallereignis nicht zugeordnet werden. Viel spräche dafür, dass sich zumindest der Morbus Sudeck (CRPF = Algodystrophie) durch eine - möglicherweise außer Kontrolle geratene - Selbstschädigung ergeben habe, wovon im Übrigen auch im berufsgenossenschaftlichen Verfahren vor dem Sozialgericht ausgegangen werde.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 22.12.2009 (Blatt 647 GA) zu den Fragen, ob die vom Kläger behaupteten Unfallfolgen - hier insbesondere die posttraumatische Belastungsstörung sowie der Morbus Sudeck - dem Unfallgeschehen zuzuordnen sind oder ob konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger die derzeit noch behaupteten gesundheitlich Unfallfolgen simuliert oder sich selbst zugefügt hat (Morbus Sudeck), ob das vorgefundene Krankheitsbild zum Morbus Sudeck und zum posttraumatischen Belastungssyndrom als Unfallfolge dem Unfallgeschehen aus psychiatrisch-psychosomatischer Sicht zuordnenbar ist oder ob konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger die derzeit noch behaupteten gesundheitlichen Unfallfolgen simuliert und ob die beim Kläger aufgetretenen Verletzungen darauf hindeuten, dass dieser im Unfallzeitpunkt nicht angeschnallt war oder ob die erlittenen Verletzungen auch im angeschnallten Zustand erklärbar sind., durch Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des ergänzend zum fachorthopädischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. D. vom 03.07.2007 (Anlagenhefter I zu Bd. II GA) und zum fachärztlichen psychiatrisch-psychosomatischen Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. M. I. vom 26.02.2007 (Blatt 207 - 231 GA) eingeholten "Interdisziplinären Gutachtens" Prof. Dr. med. D. (Dr. med. M.) / Priv.-Doz. Dr. med. I. vom 02.06.2010 (Gutachtenheft 1) sowie das Ergebnis der mündlichen Anhörung der Gutachter zur Erläuterung der vor genannten Gutachten vor dem Senat im Termin am 26.10.2010 (vgl. Terminprotokoll, Blatt 848 – 853 GA) verwiesen.

Die Beklagten zweifeln auch im Hinblick auf andere Ergebnisse im sozialgerichtlichen Verfahren und privater Gutachter die Richtigkeit der Feststellungen der vom Senat mündlich wie schriftlich gehörten Sachverständigen an und haben die Einholung eines Obergutachtens beantragt.

Zum weiteren Sach- und Streitstand verweist der Senat auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die in Bezug genommenen Urkunden.


II.

Die zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeldanspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG (Halterhaftung); 17, 18 Abs. 1 und 3 StVG, 823 BGB, (Fahrerhaftung); 1 Abs. 1, 3 PflVG (Haftung der Haftpflichtversicherung); 253 BGB zu.

Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz und den tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil fest, dass das Unfallgeschehen auf das alleinige Verschulden des Beklagten zu 1 zurückzuführen ist, so dass es nicht darauf ankommt, ob aufgrund der Einlassung der Beklagten in der Klageerwiderung von einem prozessualen Geständnis zur vollen Haftung der Beklagten auszugehen ist. Hierfür könnte sprechen, dass die Beklagten vorprozessual die Verschuldensfrage nie problematisiert und den materiellen Schaden jedenfalls gegenüber dem Eigentümer/Halter des vom Kläger gesteuerten, am Unfall beteiligten PKW voll ersetzt hatten. Dieses Verhalten der Beklagten zu 3 könnte ein Indiz dafür sein, dass die als Verkehrshaftpflichtversicherer haftungsrechtlich nicht unerfahrene Beklagte zu 3 die nach Aktenlage vorgefundene Unfallsituation so einschätzte, dass sie zu 100 % für den Unfallschaden einzustehen habe.

Diese ursprüngliche mutmaßliche Einschätzung der Beklagten zu 3 ist auch zutreffend.

Von den Parteien nicht angegriffen hat das Landgericht zutreffend und mit überzeugender Begründung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, festgestellt, dass der Beklagte zu 1 den Unfall schuldhaft durch eine Vorfahrtsverletzung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVO verursacht hat.

Dagegen trifft den Kläger kein Verschulden an dem Unfallgeschehen. Der Kläger hatte nicht bei unklarer Verkehrslage überholt und dadurch den Unfall fahrlässig mit verursacht. Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen nicht mit einem gefahrlosen Überholvorgang rechnen darf. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Überholstrecke übersichtlich ist bzw. die Entwicklung der Verkehrslage bei Einleitung des Überholvorgangs nicht verlässlich beurteilt werden kann. Ein relevanter Zweifel an der Gefahrlosigkeit des Überholvorgangs kann auch dann entstehen, wenn das Verhalten eines Querverkehrs nicht übersehen werden kann (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 5 StVO Rdnr. 26 mit weiterem Nachweis).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor: Der Kläger hatte auf einer geraden, bevorrechtigten Straße außerhalb des Ortes mit einer zulässigen Geschwindigkeit von nicht über 100 km/h mehrere Fahrzeuge überholt. Die Straße war frei einsehbar. Entgegenkommender Verkehr war nicht vorhanden. Zur Unfallzeit war es dunkel. Der Unfallgegner, der Beklagte zu 1), fuhr mit dem unfallbeteiligten PKW der Beklagten zu 2), der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist, aus einer untergeordneten Straße nach rechts in die bevorrechtigte Straße, auf der sich der Kläger näherte und dessen Lichtkegel er auf der linken Fahrbahnhälfte herannahen sehen konnte und musste. Beim Rechtsabbiegen missachtete er die Vorfahrt des Klägers, ohne dass dies für den Kläger vorhersehbar war.

Allein der Umstand, dass der Kläger grundsätzlich bei seinem Fahrverhalten auch ein mögliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer einkalkulieren muss, reicht daher nicht aus, dass der Kläger bei ansonsten klarer Verkehrslage im Bereich der Straßeneinmündung generell nicht überholen durfte. Bezeichnenderweise war an dieser Stelle auch kein Überholverbot angeordnet, was darauf schließen lässt, dass eine allgemeine Gefahrensituation in diesem Straßenabschnitt nicht angenommen wurde. Ohne konkrete Anhaltspunkte für ein mögliches Fehlverhalten des Beklagten zu 1 brauchte der Kläger bei Einleitung des Überholvorgangs nicht davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1 als die Vorfahrt zu beachten habender Verkehrsteilnehmer seiner Wartepflicht nicht nachkommen würde. Allein die im Einmündungsbereich erkennbaren Lichtkegel des vom Beklagten zu 1 gesteuerten PKW zwangen den Kläger nicht, den Überholvorgang abzubrechen.

So hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Kläger beim Beginn des Überholvorgangs bei Anwendung der im Verkehr üblichen und von einem Kraftfahrer zu erwartenden Sorgfalt bereits hätte erkennen können und müssen, dass der Beklagte zu 1 seine, des Klägers, Vorfahrt missachten werde. Der Kläger verstieß nicht gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten eines Verkehrsteilnehmers, wenn er den Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1 nicht voraussah und seinen Überholungsvorgang fortsetzte. Vielmehr bog der Beklagte zu 1 recht überraschend nach rechts in die Vorfahrtsstraße ab, ohne zu erkennen, dass sich der überholende Kläger auf der für ihn linken Fahrspur, also der Fahrspur, in die der Beklagte zu 1 einbog, näherte. Mit diesem grob verkehrswidrigen Verhalten brauchte der Kläger bei Einleitung des Überholvorgangs nicht zu rechnen. Als er den Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1 erkennen konnte, war es für ein Abrechen des Überholvorgangs zu spät. Daher ist von einem alleinigen Verschulden des Beklagten zu 1 an dem Unfallgeschehen auszugehen, zumal nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, seine Annäherung an den Einmündungsbereich für den Beklagten zu 1 damit auch nicht überraschend schnell kam. Der Beklagte zu 1 hatte schlicht nicht aufgepasst.

Zusammenfassen kann somit zur Überzeugung des Senats eine Verkehrssituation festgestellt werden, die dem Kläger den Schluss erlaubte, dass er bei Einleitung seines Überholvorgangs das vor ihm sich entwickelnde Verkehrsgeschehen, insbesondere das Verkehrsgeschehen des abbiegenden Querverkehrs, ausreichend verlässlich beurteilen konnte und überholen durfte.

Da den Kläger als Fahrzeugführer nicht die Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters nach § 7 Abs. 1 StVG trifft, er vielmehr nur über § 18 Abs. 1 StVG der Verschuldenshaftung unterliegt, sich aber nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG entlastet hat, kommt es nicht darauf an, ob das Unfallgeschehen für den Kläger ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 StVG war oder der Unfall gar in Folge für ihn höherer Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG verursacht wurde.

Steht aber die gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten zu 1 aus §§ 17, 18 Abs. 1 und 3 StVG, der Beklagten zu 2 aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG und der Beklagten zu 3 aus §§ 1 Abs. 1, 3 PflVG dem Grunde nach zu 100 % fest, so kann der Kläger das beanspruchte Schmerzensgeld in Höhe von 65.000,00 € abzüglich der vorprozessual gezahlten 5.000,00 € aufgrund der Schwere der erlittenen Unfallverletzungen verlangen (§ 253 Abs. 2 BGB).

Der Senat geht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass neben den schon erstinstanzlich als bewiesen angesehenen Unfallverletzungen auch die vom Kläger behaupteten Unfallfolgen - hier insbesondere die posttraumatische Belastungsstörung sowie der Morbus Sudeck - dem Unfallgeschehen zuzuordnen sind. Dafür, dass der Kläger die derzeit noch behaupteten gesundheitlich Unfallfolgen simuliert oder sich selbst zugefügt hat (Morbus Sudeck), haben sich nach Durchführung der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben. Vielmehr hat insbesondere der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. med. I. in seinem o.g. Gutachten festgestellt, dass das vorgefundene Krankheitsbild zum Morbus Sudeck und zum posttraumatischen Belastungssyndrom als Unfallfolge dem Unfallgeschehen aus psychiatrisch-psychosomatischer Sicht ohne Weiteres zuordnenbar ist und nur theoretisch denkbar sei, ohne dass aber irgend welche konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger die derzeit noch behaupteten gesundheitlichen Unfallfolgen simuliert.

Dagegen konnten die Beklagten eine mögliche Mitverursachung der Unfallverletzungen – insbesondere im Schulter/Armbereich – nicht nachweisen. So hat insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. med. D. in seinem o.g. Gutachten festgestellt, dass die beim Kläger aufgetretenen Verletzungen nicht darauf hindeuten würden, dass dieser im Unfallzeitpunkt nicht angeschnallt war, sondern dass die erlittenen Verletzungen auch im angeschnallten Zustand durchaus erklärbar seien. Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des ergänzend zum fachorthopädischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. D. vom 03.07.2007 (Anlagenhefter I zu Bd. II GA) und zum fachärztlichen psychiatrisch-psychosomatischen Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. M. I. vom 26.02.2007 (Blatt 207 - 231 GA) eingeholten "Interdisziplinären Gutachtens" Prof. Dr. med. D. (Dr. med. M.) / Priv.-Doz. Dr. med. I. vom 02.06.2010 (Gutachtenheft 1) sowie die mündlichen Erläuterungen der vor genannten Gutachter anlässlich ihrer Anhörung vor dem Senat im Termin am 26.10.2010 (vgl. Sitzungsprotokoll Blatt 848 – 853 GA) verwiesen.

Insbesondere die mündlichen Erläuterungen der Sachverständigen in der letzten mündlichen Verhandlung haben für den Senat überzeugend ergeben, dass das dargelegte Krankheitsbild als Unfallfolge gegeben ist und keine vernünftigen Zweifel daran bestehen können, dass eine Simulation seitens des Klägers oder gar eine Eigenschädigung ausscheidet. Gerade auch im Hinblick auf den persönlichen Eindruck, den sich der Senat von dem Kläger in zwei Verhandlungsterminen hat machen können, und den gut nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen in der letzten mündlichen Verhandlung, kann der Senat aufgrund der von den Sachverständigen ihm vermittelten Sachkunde sicher beurteilen, dass das gesamte Krankheitsbild unfallursächlich ist.

So wurde deutlich, dass auch die Schulterluxation des Klägers unmittelbare Unfallfolge ist. Hier hat der Sachverständige Prof. Dr. med. D. bei seiner Anhörung vor dem Senat anschaulich geschildert, dass die Verursachung der Schulterluxation anlässlich einer Nachuntersuchung nicht denkbar sei. Vielmehr muss diese bei dem Unfallereignis selbst entstanden sein. Zum Verlauf der Nachuntersuchung am 23.12.2002 (vgl. Bl. 131 d. GA) hat der Sachverständige anhand der Aktenlage weiter ausgeführt, dass hierbei wiederum ein starker Schmerz an dieser Stelle durch den Kläger beklagt worden sei. Aufgrund der damaligen Nachuntersuchung habe der behandelnde Arzt eine Kernspinuntersuchung veranlasst. Nach dieser Untersuchung fand sich im Bereich des vorder-innenseitigen Oberarmkopfes eine sogenannte Reversed Hill-Sachs-Delle. Diese Verletzung am Gelenkkopf der Schulter war ein deutlicher Hinweis darauf, dass eine Schulterluxation beim Unfall stattgefunden hatte, wobei es jedoch wieder zu einem Einrenken der Schulter gekommen war.

Bei der Nachuntersuchung am 23.12.2002 habe der Arzt – so die Ausführungen des Sachverständigen – dann festgestellt, dass das Schultergelenk leicht auszurenken war. Dies hatte ihn dann zu der Kernspinuntersuchung veranlasst. Die in der Kernspinuntersuchung festgestellte Verletzung wertete der Sachverständige Prof. Dr. D. dahin, dass durch den Unfall eine Schulterluxation stattgefunden haben müsse, der Schulterkopf jedoch dann wieder in seine Ausgangslage zurückgegangen sei, allerdings Beschwerden bei dem Kläger hinterlassen habe. Damit steht in Übereinstimmung mit der Bewertung des Sachverständigen zur Überzeugung des Senats aufgrund einerseits dieser klinischen Untersuchungsbefunde der beiden Ärzte, andererseits aufgrund des Ergebnisses der Kernspintomografie fest, dass eine Schulterluxation durch den Unfall stattgefunden hat. Auch der Senat schließt danach der Beurteilung an, dass nach menschlichem Ermessen eine Schulterluxation durch eine ärztliche Untersuchung, wie sie hier im Verfahren angesprochen worden ist, ausgeschlossen werden kann. Hingegen ist der andere Ablauf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

Gleichzeitig hat der Sachverständige Prof. Dr. D. erläutert, dass sich die Schulterluxation, die sich als hintere Luxation darstellt, ohne weiteres mit dem Zustand des Angeschnalltseins vereinbaren lasse. Bei diesem Unfall sind folgende Faktoren maßgeblich zu beachten: Zunächst eine Krafteinleitung bzw. zweidimensionale Belastung, wie der Sachverständige sie auf Seite 15 ff. seines Zweitgutachten dargestellt hat. Diese summiert sich insgesamt auf 24,8 km/h. Das ist eine extreme Belastung für den Unfallbeteiligten. Ferner ist von Bedeutung, dass der Kläger, wie er auf Befragen spontan und Hinweis auf die Bedeutung der Frage angegeben hatte, mit gestreckten Armen in den Unfall hineingefahren ist. Nimmt man diese beiden Faktoren zusammen und berücksichtigt noch das Ergebnis der Kernspinuntersuchung vom 27.12.2002, so ergibt sich auch für den Senat zwangslos, dass dieses Ereignis zu einer Luxation der linken Schulter nach hinten führen musste und sich aufgrund der einwirkenden Kräfte der vorgetragene angeschnallte Zustand ohne weiteres in Einklang bringen lässt mit der erlittenen hinteren Schulterluxation.

Der Umstand, dass eine entsprechende Verletzung auch eingetreten sein kann, wenn der Fahrer nicht angeschnallt gewesen wäre, reicht dagegen nicht aus, um den positivem Nachweis hierfür zu erbringen. Da die Frage des Mitverschuldens an der Herbeiführung der Unfallfolge eine (teilweise) anspruchsvernichtende Einwendung ist, trifft die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für deren Vorliegen. Ein non-liquet geht insoweit zu ihren Lasten.

Auch die Übrigen Gesundheitsbeeinträchtigungen, hier insbesondere die posttraumatische Belastungsstörung sowie der Morbus Sudeck, sind nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. I. und Prof. Dr. D. in ihren Gutachten und ihren Erläuterungen hierzu in der mündlichen Verhandlung auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Die gegen die Verwertbarkeit bzw. Sachkunde gerichteten Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Zum einen hat der Sachverständige Dr. Castro bei seiner erneuten Begutachtung des Klägers nicht eigenmächtig gegen Auflagen zur Untersuchung verstoßen. Vielmehr hat er aus fachärztlicher Sicht plausibel erläutert, warum er bei der "Nachbegutachtung" auf eine erneute bildgebende Untersuchung verzichtet hat. Eine solche war aus orthopädischer Sicht nicht zielführend und daher zu Recht unterlassen worden. Auch in der mündlichen Verhandlung haben sich bei der Anhörung des Sachverständigen keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

Für das Vorliegen eines unfallbedingten "Morbus Sudeck" hat insbesondere der Sachverständige Dr. I., der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin und ausgewiesener Fachmann für dieses wenig untersuchte und erforschte Krankheitsbild ist, für den Senat die Voraussetzungen überzeugend bejaht. Danach kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger im linken Armbereich unter einem "Morbus Sudeck" leidet, der den Arm gebrauchsunfähig macht und eine Heilungschance nicht absehbar ist. Der Sachverständige hat eine bewusste Selbstschädigung des Klägers überzeugend ausgeschlossen. Erklärbar ist das Krankheitsbild unter 3 Gesichtspunkten: in Betracht kommt einerseits eine bewusste, vernunftmäßige Entscheidung zur Manipulation des Patienten; die nächste Möglichkeit ist eine sogenannte Artefakt-Störung; und das Dritte ist dann CRPS (auch "Morbus Sudeck" genannt). Der Sachverständige hat eingehend dargelegt, dass auf Seiten des Klägers keinerlei Persönlichkeitsstrukturen erkennbar sind, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass sich der Kläger bewusst dieser achtjährigen Leidensgeschichte unterziehen wollte. Auch ein "außer Kontrolle geraten" eines solchen Versuchs konnte der Sachverständige aufgrund der Persönlichkeitsstruktur und des Krankheitsverlaufs ausschließen.

Die 2. Möglichkeit "Artefakt-Störung" hat der Sachverständige vorliegend praktisch ausgeschlossen. Artefakt-Störungen kommen in der Regel vor bei Personen am Rande einer Psychose, die bereits eine schwere chronische Persönlichkeitsstörung aufweisen. Sie verwenden Schmerzen, um sich als lebensfähig zu empfinden und halten sich im Grunde mit den Schmerzen noch am Leben. Für eine solche Störung können aber bei dem Kläger keinerlei Indizien festgestellt werden. So ist der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. med. I. nach zweimaliger eingehender Untersuchung des Klägers zu dem Befund gekommen, dass bei diesem ein klares Bild eines CRPS gegeben sei. Hierbei hat der Sachverständige auch deutliche Worte zu der Beachtlichkeit anderer aktenkundiger Beurteilung gefunden. So könne dem "Gutachten Volpert" nicht gefolgt werden. Seinen Schlussfolgerungen, der Kläger habe, um die Nachfolge im väterlichen Betrieb der Druckerei nicht antreten zu müssen, sich in dieses Krankheitsbild geflüchtet, entsprächen nicht dem gefundenen Persönlichkeitsbild des Klägers. Soweit der Kläger bei der Schilderung des Unfalles sehr gefasst und vernünftig gewirkt habe, sei auch dies kein Indiz für das Nichtvorliegen eines CRPS und einer posttraumatischen Störung. Bei einer posttraumatischen Störung sind die Reaktionen der Patienten nach dem Trauma durchaus unterschiedlich. So kann festgestellt werden, dass bei ca. 50 % der Patienten eine gefasste und "coole" Reaktion vorliegt, während bei den weiteren 50 % Emotionsausbrüche in Form von Tränen oder Weinen festzustellen waren. So hat sich das Verhalten des Klägers beim Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. I. im Übrigen anderes dargestellt als bei dem Gutachter Volpert.

Weiter erläuterte der Sachverständige überzeugend, dass die Möglichkeit, sich selbst eine kleinere Läsion zuzufügen und damit einen Morbus Sudek zu provozieren, extrem unwahrscheinlich ist. Dem widersprächen die Selbstheilungskräfte des Körpers. Auch wenn man sich kleine Wunden selber zufügt, wird sich in aller Regel daraus kein CRPS entwickeln. Die Krankheit CRPS ist nicht an der Wunde oder an dem Körperteil allein zu verorten, sondern ist im Grund eine Zentral-Nervöse Störung. Allein durch Zufügen von Wunden, oder Abklemmen eines Armes kann man keinen Morbus Sudeck provozieren. Schon das schließt die Manipulation weitgehend aus.

Soweit in diesem Verfahren gegenüber dem Kläger vorgebracht worden sei, er habe gelegentlich an dem Arm irgendwelche Verletzungen verursacht oder Handlungen ausgeführt, lasse sich dies – so der Gutachter Dr. I. - damit erklären, dass sich aus der Sicht des Klägers der Arm anfühle wie ein fremdes Teil, was mit seinem Körper verbunden sei. Dabei hat der Kläger aber zugleich – ähnlich einem Phantomscherz bei einer Amputation - erhebliche Schmerzen an diesem Arm. Insofern ist es verständlich, dass der Kläger gelegentlich mit der anderen Hand diesen Arm berührt, um festzustellen, was dort los ist. Daraus kann aber kein Indiz abgeleitet werden, dass hier Manipulationen im Sinne einer Artefakt-Störung vorgenommen worden sind oder aus sonstigen Gründen eine Selbstverstümmelung erfolgen sollte.

Bereits im Gutachten der behandelnden Ärzte der Universitätsklinik Köln vom 03.11.2003, das im Auftrag der Beklagten zu 3 erstellt wurde, wird ein "progredienter Morbus Sudeck" diagnostiziert, und zwar als "fast vollständiger Funktionsverlust des linken Armes", ausgeprägt als "Sudeck-Syndrom mit prominenter Schwellung als Folge des Verkehrsunfalls" (Bl. 798 ff. GA).

Die klaren, gut nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen der gerichtlich beauftragten Sachverständigen, die im Einklang stehen mit den Feststellungen der Uniklinik L. aus dem Jahr 2003 und die für den Senat überzeugend auch die gegenteiligen Beurteilungen anderer Mediziner entkräften konnten, lassen ein vom Beklagten beantragtes Obergutachten nicht erforderlich erscheinen. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Beklagten die "Gutachten Castro und Huber" zuletzt nicht mehr substantiiert angreifen, insbesondere nicht aufzeigen, dass die Gutachter gegen medizinische Grundsätze verstoßen oder neuere Untersuchungsmethoden außer Acht gelassen hätten. Gegen Denkgesetze haben die Gutachter nicht verstoßen, sondern logisch konsequent ihre Schlussfolgerungen gezogen.

Die gefundenen Ergebnisse decken sich zudem mit den Erkenntnissen des Senats, die dieser aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnen hat. Folgt man den Sachverständigen, ergibt sich ein stimmiges medizinisches Bild. Dagegen wirken die Einwendungen der Beklagten konstruiert und theoretisch, so dass Anlass, gemäß § 412 Abs. 1 ZPO ein Obergutachten einzuholen, nicht besteht. Die Sachverständigen haben ihre Ausführungen nach sorgfältiger Auswertung aller Befunde und unter Zugrundelegung zutreffender Anknüpfungstatsachen nachvollziehbar, widerspruchsfrei, alle vorgetragenen Argumente gewissenhaft abwägend und in jeder Hinsicht überzeugend begründet. Sie haben sich mit den in anderen Verfahren eingeholten Gutachten auseinandergesetzt und insbesondere nochmals in der mündlichen Verhandlung dem Senat gegenüber sehr anschaulich erläutert, dass die dort getroffenen Befunde teilweise rein nach Aktenlage erfolgt sind, ohne dass eine gründlich Untersuchung des Klägers vorangegangen sei. Dass die Beklagten die Einschätzung durch die Sachverständigen nicht teilen, ist kein zureichender Grund für die Erholung eines Obergutachtens.

Aus diesem Grund vermag der Senat auch keinen Aussetzungsgrund bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens oder einen Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu erkennen. Eine Vorgreiflichkeit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist nicht gegeben. Die gefundenen Beweisergebnisse sind überzeugend. Die Sache ist entscheidungsreif.

Auch die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldes ist mit insgesamt 65.000,00 € angesichts der Schwere der Unfallfolgen und der fortdauernden Beeinträchtigungen nicht zu beanstanden. Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (vgl. BGHZ 18,149,154). Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2010, § 253 Rdnr. 17; Erman/I. Ebert, BGB, 12. Aufl.2008, § 253 Rdnr. 20 ff.). Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind weitere Faktoren bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., § 253 Rdnr. 10). Hierbei kommt es nicht zuletzt auch auf das Alter des Geschädigten an: Ein und dieselbe Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden.

Darüber hinaus kann die verzögerte Schadensregulierung als Bemessungsfaktor nicht völlig unbeachtet bleiben. Denn die leistungsfähige Beklagte zu 3 hat sich einem erkennbar begründeten Anspruch ohne schutzwürdiges Interesse widersetzt (Palandt/Grüneberg, aaO, § 253 Rdnr. 17; vgl. OLGR Nürnberg, 2007, 112; OLG Naumburg, NJW-RR 2002, 672, 2008,693; VersR 2010, 73). Die Berücksichtigung ist auch deswegen gerechtfertigt, weil die verzögerte Zahlung das gem. § 253 BGB geschützte Interesse des Gläubigers beeinträchtigt hat. Der Kläger musste eine lange Untersuchungsprozedur über sich ergehen lassen und wurde zudem verdächtigt, sich Leistungen erschleichen zu wollen, obwohl nach dem Unfallereignis zunächst eine schnelle Regulierung zu erfolgen schien. Unter der langen Dauer der Schadensregulierung – seit dem Unfall sind 8 Jahre vergangen - musste der Kläger gerade auch wegen der grundlosen Verdächtigungen notgedrungen leiden.

Auf der Grundlage dieser allgemeinen Überlegungen (vgl. hierzu im Einzelnen OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.07.2010 - 4 U 585/09 - in juris) kann unter Berücksichtigung des Alters des Beklagten, er ist am 19.07.1967 geboren, den nicht absehbaren Heilungschancen und der Tatsache, dass der Kläger sowohl in seiner Berufsausübung wie auch in seiner Freizeitgestaltung durch die Nichtgebrauchsfähigkeit seines geschädigten linken Arms voraussichtlich auf Dauer erheblich beeinträchtigt sein wird, die Höhe des geforderten Schmerzensgeldes nicht beanstandet werden.

Für den Feststellungsantrag besteht ein Feststellungsinteresse sowohl für die materiellen wie auch die zukünftigen immateriellen Schäden. Es ist noch nicht abschließend geklärt, inwieweit Beeinträchtigungen und Dauerschäden des Klägers auf Grund der erlittenen Verletzungen zurückbleiben. Es steht außerdem noch nicht abschließend fest, ob und in welchem Grad eine Minderung der Erwerbstätigkeit besteht. Dabei ist für den zukünftigen immateriellen Schaden darauf hinzuweisen, dass bei der Schmerzensgeldzumessung bereits berücksichtigt ist, dass sich eine voraussichtliche Dauerbeeinträchtigung auch mit psychischen Beeinträchtigungen nicht ausschließen lässt. Soweit unvorhersehbare Verschlimmerungen dieses Zustandes eintreten sollten, wäre ein weiterer immaterieller Schaden in der Zukunft zu ersetzen.

Die Verpflichtung zur Zinszahlung beruht auf §§ 291, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Berufungsstreitwert beträgt
Für den Antrag zu 160.000,00 €,
für den Antrag zu 2 60.000,00 €,
insgesamt also 120.000,00 €.