Entspricht eine Geschwindigkeitsmessung nicht den Richtlinien für die polizeiliche Verkehrsüberwachung, muss sich, wenn der Tatrichter dennoch die für den Verkehrsverstoß vorgesehenen Regelfolgen des BKat festsetzt, den Urteilsgründen entnehmen lassen, ob der Geschwindigkeitsmessung ein Ausnahmefall i.S. der Richtlinien zugrunde gelegen hat.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Ravensburg hat den Betroffenen am 05. November 2010 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts um 32 km/h zu der Geldbuße von 200,-- € verurteilt. Außerdem verhängte es ein Fahrverbot von einem Monat, das erst mit der Abgabe des Führerscheins in amtliche Verwahrung, spätestens jedoch vier Monate nach Rechtskraft des Urteils, wirksam werden sollte.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere sei die Geschwindigkeitsmessung unter Verstoß gegen die Richtlinien für die polizeiliche Verkehrsüberwachung erfolgt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat beantragt, wie geschehen zu entscheiden.
II.
Die auf die zulässig erhobene Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils ergibt, dass der Rechtsfolgenausspruch - zumindest vorläufig - keinen Bestand haben kann und aufzuheben ist (§ 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 4 StPO).
Nach den Urteilsfeststellungen geht das Amtsgericht bei der Bemessung der Rechtsfolgen davon aus, dass eine Ausnahme vom Regelfall nicht vorliegt. Es hat auf Grund dessen den Regelsatz der Nr. 11.3.6 BKat, der eine Geldbuße von 160,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot vorsieht, zugrunde gelegt. Wegen einer Voreintragung im Verkehrszentralregister wurde eine Erhöhung der Geldbuße auf 200,00 € vorgenommen.
Die Annahme des Amtsgerichts wird jedoch von den Feststellungen nicht getragen. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 25. Januar 2011 ausgeführt:Die Geschwindigkeitsmessung hat vorliegend nach den Feststellungen des Amtsgerichts nur 98 Meter vor dem die Geschwindigkeitsbegrenzung aufhebenden Ortsschild stattgefunden. In den Erlassen des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg vom 17. März 1997 über den Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten (i. V. m. Verkehrsüberwachungserlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 19. Mai 1980) und vom 17. Februar 1997 ist bestimmt, dass Geschwindigkeitsmessungen grundsätzlich so anzulegen sind, dass sie vom Beginn und Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung mindestens 150 Meter entfernt sind.Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Ravensburg zurückzuverweisen (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 OWiG).
Diesen Grundsätzen entsprach die Messung vorliegend nicht. Das Amtsgericht ist gleichwohl von einem Regelfall der BKatV ausgegangen und hat im Hinblick auf die Höhe der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung als Regelfolge der Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3. BKatV und Nr. 11.3.6. der Tabelle 1c des Anhangs ein einmonatiges Fahrverbot gegen den Betroffenen verhängt. Die Möglichkeit, dass aufgrund der Unterschreitung des in den o.g. Erlassen vorgesehenen Mindestabstands von 150 Meter zum Ortsausgangsschild ein Ausnahmefall vorliegen könnte, wurde im amtsrichterlichen Urteil verneint. Dies begegnet rechtlichen Bedenken.
Die Erlasse des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg über den Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten stellen zwar lediglich innerdienstliche Vorschriften dar. Sie sichern jedoch auch die Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer in vergleichbaren Kontrollsituationen, indem sie für alle mit der Verkehrsüberwachung betrauten Beamten verbindlich sind (BayObLSt 1995, 184 ff.; OLG Oldenburg NZV 1994, 286; BayObLG NStZ-RR 2002, 345 ff.). Ein Unterschreiten der festgelegten Mindestabstände komm nach der Erlasslage nur in begründeten Fällen, z.B. Gefahrenstellen, Gefahrenzeichen oder Geschwindigkeitstrichtern in Betracht. Feststellungen dazu, warum die Messstelle vorliegend weniger als 150 Meter vor dem Ortsausgangsschild aufgebaut worden ist, etwa weil es sich um eine besondere Gefahrenstelle handelt oder die Ortsdurchfahrt so kurz ist, dass sich der Mindestabstand nicht einhalten lässt, wurden jedoch vom Amtsgericht nicht getroffen.
Da dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden kann, ob die Geschwindigkeitsmessung entsprechend den Erlassen des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg über den Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten erfolgt ist, ist der Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.