- Der bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Hinterherfahren von der Rechtsprechung bisher vorgenommene Sicherheitsabzug von 10% der am justierten Tachometer des Polizeifahrzeugs abgelesenen Geschwindigkeit reicht nicht aus, um sämtliche möglicherweise zuungunsten des Betroffenen auftretenden Messfehler und -ungenauigkeiten auszugleichen.
Erforderlich ist vielmehr ein Abzug von 13,5%, der jedoch nur dann ausreicht, wenn
- seit der letzten Justierung die Reifen des Polizeifahrzeugs nicht mehr als ca 30.000 km gelaufen sind und keine Umrüstung von Sommer- auf Winterreifen - bzw umgekehrt - oder auf ein anderes Reifenfabrikat erfolgt ist,
- mit gleichbleibender Geschwindigkeit etwa in einem dem halben Tachometerwert entsprechenden Abstand über eine Strecke nachgefahren wurde, die mindestens das Zehnfache des halben Tachometerwertes beträgt; dabei kann ein zu großer Abstand durch eine entsprechend längere Nachfahrstrecke ausgeglichen werden.
Ist auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist der Sicherheitsabzug auf 15% zu erhöhen.
- Zur Frage, welche Nachfahrabstände und -strecken eine verwertbare Geschwindigkeitsmessung nicht mehr zulassen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen (fahrlässiger) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft (§§ 41 - Zeichen 274 -, 49 Abs. 3 Ziff. 4 StVO, 24 StVG) zu einer Geldbuße von 150 DM verurteilt.
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die der Senat durch Beschluss vom 31. Juli 1986 zur Fortbildung des Rechts gemäß § 80 Abs. 1 OWiG zugelassen hat.
Nach den Urteilsfeststellungen befuhr die Betroffene am 15. August 1985 mit ihrem Pkw die Bundesautobahn A in M in Fahrtrichtung K unter Überschreitung der dort durch Zeichen 274 der StVO auf 80 km/h festgesetzten Höchstgeschwindigkeit. Die überhöhte Geschwindigkeit der Betroffenen wurde von zwei Polizeibeamten festgestellt, die dem von ihr gesteuerten Pkw mit einem Zivilfahrzeug über etwa 800 m in einem gleichbleibenden Abstand von ca. 100 m folgten und dabei auf dem - zuletzt im März 1985 justierten - Tachometer eine Geschwindigkeit von 125 km/h ablasen.
Das Amtsgericht hat die nach seinen Feststellungen von der Betroffenen eingehaltene Geschwindigkeit von mindestens 112 km/h dadurch errechnet, dass es von der im Polizeiwagen abgelesenen Geschwindigkeit zum Ausgleich aller eventuellen Messfehler und -ungenauigkeiten einen Sicherheitsabzug von 10 % vorgenommen hat.
Mit der Rechtsbeschwerde macht die Betroffene geltend, es müsse zu ihren Gunsten von einer geringeren Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen werden, da der den Feststellungen des Amtsgerichts zugrundeliegende Sicherheitsabzug nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gering sei. Das Rechtsmittel, mit dem der Schuldspruch des Urteils ersichtlich nicht angegriffen werden soll, führt zur Herabsetzung der vom Amtsgericht verhängten Geldbuße.
Der Senat hat ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, welcher Sicherheitsabzug bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit einem Polizeifahrzeug von der am justierten Tachometer abgelesenen Geschwindigkeit vorzunehmen ist, um sämtliche bei dieser Messmethode möglicherweise zuungunsten des Beschuldigten aufgetretenen Fehler und Ungenauigkeiten auszugleichen.
Mit der Gutachtenerstattung ist der Sachverständige Dr. rer.nat. L aus F beauftragt worden. Dr. L ist öffentlich bestellter Sachverständiger für die Rekonstruktion von Unfallursachen unter anderem im Straßenverkehr und als solcher ständiger Vertragspartner der D A - T GmbH (D) in S; außerdem gehört er der Freiburger Forschungsgruppe für Verkehrsunfälle an. Er befasst sich seit Jahren mit Fragen der Zuverlässigkeit polizeilicher Überwachungsmethoden und in diesem Zusammenhang insbesondere mit der Genauigkeit polizeilicher Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen.
II.
Aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen vom 16. März 1987 ergibt sich, dass der bei der hier angewandten Messmethode bisher - soweit ersichtlich ohne gutachtliche Überprüfung - von der Rechtsprechung, wie auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf, allgemein vorgenommene Sicherheitsabzug von 10 % der im Polizeifahrzeug abgelesenen Geschwindigkeit (vgl. die Nachweise bei Jagusch/Hentschel, 29. Aufl., Rdnr. 62 zu 3 StVO) nicht ausreicht, um alle im für den Täter ungünstigsten Falle möglichen Abweichungen der abgelesenen Geschwindigkeit von der - in Wirklichkeit niedrigeren - Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs auszugleichen.
Zu den einzelnen bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Hinterherfahren in Betracht kommenden Fehlerquellen und dem Umfang der durch sie möglicherweise verursachten Messfehler gilt nach den Ausführungen des Sachverständigen folgendes:
1.
a) Fehlerquellen im Tachometer
Jeder Tachometer zeigt bereits nach der Herstellung aufgrund von unvermeidbaren Toleranzen in den Abmessungen seiner Einzelteile, technischen Unzulänglichkeiten bei der Fertigung sowie mechanischen Einflüssen beim Betrieb einen von der wirklichen Geschwindigkeit geringfügig abweichenden Wert an (sog. Eigenfehler). Neben diese anfängliche Messungenauigkeit treten beim Gebrauch eines ordnungsgemäß funktionierenden Gerätes im Zeitraum zwischen zwei Eichungen - durch Abnutzung von Einzelteilen bzw. sonstige mechanische Veränderungen im Gerät - zusätzliche Messfehler, die im ungünstigsten Falle in dieselbe Richtung wirken wie der Eigenfehler und dann zu diesem zu addieren sind.
Will man diese - sämtlich auf die Beschaffenheit des Gerätes selbst zurückzuführenden - Fehler besonders gering halten, so wird etwa das Messwerk in hochwertigen Kugellagern gelagert, die Zifferblätter werden unter Mitberücksichtigung möglicher Nicht- Linearitäten der Messfeder einzeln bedruckt, und Beeinträchtigungen der Messgenauigkeit durch Temperatureinflüsse und Erschütterungen beim Betrieb wird durch Verwendung hochwertiger Materialien und durch entsprechende technische Maßnahmen entgegengewirkt. Nur die mit solchen speziellen Fertigungsmethoden hergestellten Geräte sind für eine Eichung, d.h. für eine Einstellung entsprechend den strengen Erfordernissen der Eichordnung - EO - vom 15. Januar 1975 (BGBl Teil I S. 233 ff), geeignet.
Bei seinen Überlegungen geht der Sachverständige nun zunächst von den Fehlergrenzen aus, wie sie bei solchen eichfähigen Tachometern nach der Eichordnung bindend festgelegt sind. Dabei wird unterschieden zwischen den "Eichfehlergrenzen" für den Eigenfehler des Gerätes und den darüber hinausgehenden "Verkehrsfehlergrenzen".
Die Eichfehlergrenzen, die für die Ersteichung und für jede weitere Nacheichung gelten, sind "das größte Mehr oder Minder bis zu dem der einzelne Messwert bei der Eichung vom Normal" - d.h. von der wirklichen Geschwindigkeit - "abweichen darf" (§ 9 Abs. 1 EO). Sie betragen gemäß Abschnitt 3 Ziff. 9.2.1 der Anlage 18 zur Eichordnung (Anlagenband 9 zum BGBl I Nr. 6 vom 21.01.1975) bei der Geschwindigkeitsanzeige +/- 2 km/h bei Messwerten bis 100 km/h und +/- 2 % des richtigen Wertes bei Messwerten oberhalb 100 km/h.
Die Verkehrsfehlergrenzen dagegen sind nach § 9 Abs. 2 EO "das größte Mehr oder Minder, bis zu dem der einzelne Messwert des geeichten Messgerätes bei seiner Verwendung vom Normal abweichen darf", d.h. sie bezeichnen das zulässige Höchstmaß des bei einem in ein Fahrzeug eingebauten Geschwindigkeitsmesser im Verlaufe des Betriebes insgesamt auftretenden Fehlers. Sie betragen gemäß Ziff. 9.3 der Anlage 18 laut Eichordnung +/- 5 km/h bei Messwerten bis 100 km/h und +/- 5 % des richtigen Wertes bei Messwerten oberhalb 100 km/h.
Den Gegensatz zu den eichfähigen Geschwindigkeitsmessern bilden die in den verkehrsüblichen Kraftfahrzeugen - d.h. in der Regel auch in den von der Polizei als Streifenwagen verwendeten Fahrzeugen - eingebauten serienmäßigen Geschwindigkeitsmesser, bei denen die genannten besonderen Fertigungsmethoden nicht angewendet wurden und die daher naturgemäß wesentlich ungenauer arbeiten und sich deshalb für eine Eichung nicht eignen.
b) Begriff des "justierten Tachometers" und sein Eigenfehler
Die bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren verwendeten Polizeifahrzeuge müssen - wenn sie nicht ausnahmsweise einen geeichten Geschwindigkeitsmesser mit Fahrtschreiber, sondern nur ein serienmäßiges Anzeigegerät besitzen - mit einem sogenannten justierten Tachometer ausgerüstet sein; die Justierung wird in vorgeschriebenen Abständen - meist mindestens einmal jährlich - durch eine Fachfirma vorgenommen (vgl. für Nordrhein-Westfalen den Runderlass des Innenministers NW IV C 5 - 621/6231/6242 vom 12. Februar 1981, abgedruckt in MinBl. NW Nr. 26 vom 30. März 1981 S. 496 ff.).
Ein Tachometer ist - wie der Sachverständige ausführt - dann justiert, wenn man nach der Überprüfung durch die entsprechende Fachfirma für jeden Istwert - d.h. jeden angezeigten Geschwindigkeitswert - den jeweiligen Sollwert - d.h. die tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit - kennt. Überprüft wird bei der Justierung stets das aus dem Fahrzeug ausgebaute Gerät.
Gesetzliche Vorschriften, um wieviel der Istwert eines justierten Tachometers von seinem Sollwert abweichen darf, um die an ihn gestellten Anforderungen - etwa bei polizeilichen Geschwindigkeitskontrollen - zu erfüllen, gibt es nicht. Der Sachverständige hat jedoch ermittelt, dass nach den internen, von den anerkannten Fachwerkstätten überwiegend auch eingehaltenen Richtlinien der Firma M -K ein Tachometer dann als justiert gilt, wenn die Überprüfung ergeben hat, dass die Abweichung von der tatsächlichen Geschwindigkeit bei Geschwindigkeiten von 100 km/h +/- 3 km/h und darüber +/- 3 % des Sollwerts nicht überschreitet. Diese Justierfehlergrenze für den Eigenfehler des Geräts entspricht auch den in Ziffer 4.1 des vorgenannten nordrhein-westfälischen Runderlasses vorgeschriebenen Werten.
c) Fehlerquellen des Fahrzeugs
Um unter Zugrundelegung dieses höchstmöglichen Eigenfehlers eines justierten Tachometers die insgesamt mögliche Abweichung der beim Nachfahren zur Tatzeit angezeigten von der wirklichen Geschwindigkeit zu ermitteln, hat der Sachverständige zunächst noch untersucht, welche durch Eigenschaften des Fahrzeugs verursachten Messungenauigkeiten in der Betriebszeit nach der Justierung und dem Wiedereinbau des Gerätes ins Fahrzeugs zu den im Tachometer selbst begründeten Fehlern hinzutreten können. Dabei handelt es sich um Einflüsse, die etwa durch den wechselnden Reifenluftdruck, den Verschleiß des Reifenprofils, die unterschiedliche Dicke von Reifen verschiedener Reifenfabrikate (bzw von Winter- gegenüber Sommerreifen), die Beladung und damit das Gewicht des Fahrzeugs sowie den sogenannten Schlupf an den Antriebsrädern auf den Abrollumfang der Räder und damit auf die Geschwindigkeitsanzeige ausgeübt werden.
Während es aufgrund unterschiedlicher Beladung sowie infolge des Schlupfs - die Räder drehen sich je nach Straßenzustand schneller, als es ihrem Umfang entspräche - nach den Erkenntnissen des Sachverständigen nur zu minimalen Anzeigeabweichungen kommt, kann ein um etwa 0,4 bar zu geringer Luftdruck zu einer bis zu 1 % höheren Geschwindigkeitsanzeige führen, und eine Verringerung der Profiltiefe um 6 mm kann im Extremfall sogar einen Anzeigefehler von bis zu 2 % ergeben. Als besonders kritisch sieht der Sachverständige ein Umrüsten des Fahrzeugs von Sommer- auf Winterreifen - bzw. umgekehrt - und ein Umrüsten auf Reifen eines anderen Fabrikates an. Aus diesen Gründen empfiehlt er unbedingt eine Nachjustierung bei jeder derartigen Reifen-Umrüstung, darüber hinaus aber - abweichend von der bisher eingehaltenen Jahresfrist - grundsätzlich auch nach Reifen-Laufleistungen von ca. 30.000 km, um den Einfluss abnehmender Profiltiefe möglichst gering zu halten.
Von der Einhaltung dieser Vorbedingungen macht der Sachverständige die nachfolgenden Überlegungen abhängig.
d) Gesamtfehler Tachometer/Fahrzeug
Bei der Ermittlung des möglichen Höchstwertes aller bisher erörterten, also durch die Beschaffenheit des Tachometers selbst und des Fahrzeugs begründeten Messfehler geht der Sachverständige von dem im ungünstigsten Falle mit +/- 3 km/h bzw. +/- 3 % anzusetzenden Eigenfehler eines nicht eichfähigen, justierten Gerätes aus und schließt die Erwägung an, dass der bei der Verwendung des in das Fahrzeug eingebauten Gerätes auftretende Gesamtfehler in der Geschwindigkeitsanzeige jedenfalls höher sein müsse als die Verkehrsfehlergrenze eines geeichten Messgerätes, also als +/- 5 km/h bzw. +/- 5 %. Er kommt zu dem Schluss, dass - unter Einrechnung auch der vom Fahrzeug ausgehenden Einflüsse - die Annahme eines den Eigenfehler um das 1,5fache übersteigenden Gesamtfehlers von +/- 7,5 km/h bzw. +/- 7,5 % sämtliche als Ursache für eine überhöhte Geschwindigkeitsanzeige in Betracht kommenden Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt und damit allen Eventualitäten gerecht wird.
2. Ablesefehler
Eine weitere Fehlerquelle bei der Feststellung der vom Polizeifahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit liegt darin, dass der Polizeibeamte den angezeigten Geschwindigkeitswert nicht mit absoluter Genauigkeit ablesen kann. Zum einen wird sein Blick nicht immer genau von vorn auf den Tachometerzeiger und das dahinterliegende Zifferblatt gerichtet sein; zum anderen zeigen die einzelnen Markierungsstriche höchstens Zwischenwerte von jeweils 5 km/h an, so dass der Beamte unter Umständen - wenn die Tachonadel sich nicht mit einem Markierungsstrich deckt - den angezeigten Wert innerhalb des entsprechenden Zwischenbereichs schätzen muss.
Die auf diese Weise möglicherweise entstehende Ableseungenauigkeit liegt nach den Ausführungen des Sachverständigen bei technisch mängelfreiem Zustand des Anzeigeteils des Geschwindigkeitsmessers, insbesondere des Zeigers, zwischen etwa 1 bis maximal 3 km/h, d.h. bezogen auf eine Geschwindigkeit von 100 km/h bei höchstens 3 %.
3. Fehler durch Abstandsveränderungen
Damit zuverlässige Rückschlüsse von der Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs auf diejenige des vorausfahrenden - überwachten - Fahrzeugs gezogen werden können, muss der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen über eine bestimmte Strecke zumindest annähernd konstant sein, da etwa bei einer Verringerung des Abstandes die Geschwindigkeit des überwachten Fahrzeugs in Wirklichkeit geringer ist als die des Polizeiwagens.
Aus den vom Sachverständigen durchgeführten Fahrversuchen hat sich ergeben, dass bei gleichbleibender Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs und Einhaltung eines etwa dem halben Tachometerwert entsprechenden - möglichst gleichbleibenden - Abstandes Fehler durch Abstandsveränderungen in Größenordnungen von bis zu 3 % der im Polizeifahrzeug abgelesenen Geschwindigkeit zustandekommen können. Fährt also ein Polizeiwagen mit 100 km/h im Abstand von 50 m über eine Strecke von etwa 500 m hinter einem mit derselben Geschwindigkeit fahrenden Fahrzeug her, so darf sich - bezogen auf die gesamte Nachfahrstrecke - der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen um nicht mehr als +/- 15 m ändern, damit durch die - niemals völlig zu vermeidenden - Abstandsschwankungen kein größerer Fehler als 3 % der im Polizeifahrzeug angezeigten Geschwindigkeit entsteht.
Abstandsveränderungen außerhalb des Bereiches von +/- 15 m können nach den Erkenntnissen des Sachverständigen von einem geübten Fahrer bei konstanter Geschwindigkeit vermieden werden. Entsprechendes gilt bei höheren bzw. niedrigeren Geschwindigkeiten, wenn der Abstand zwischen den Fahrzeugen jeweils den halben Tachometerwert nicht überschreitet und die Messstrecke mindestens das Zehnfache des Tachometerwertes beträgt.
Wie der Sachverständige weiter ausführt, wird das Einhalten der 3 %-Fehlergrenze bei größerem Fahrzeugabstand bzw. geringerer Nachfahrstrecke zumindest schwieriger, so dass er diese Fehlergrenze grundsätzlich nur dann gelten lassen will, wenn die von ihm für die Länge des Messabstandes und der Messstrecke aufgestellte Regel vom Fahrer des Polizeifahrzeugs beachtet wurde. Allerdings könne im Einzelfall ein zu großer Nachfahrabstand durch eine entsprechend längere - also über dem Zehnfachen des halben Tachometerabstandes liegende - Nachfahrstrecke ausgeglichen werden, ohne dass dabei die Genauigkeit der Geschwindigkeitsmessung beeinträchtigt werde (vgl. dazu bereits die bisherige Rechtsprechung, etwa OLG Stuttgart VRS 66, 467, 469; OLG Düsseldorf - 5. Senat für Bußgeldsachen - VRS 59, 290, 291). Der Nachfahrabstand dürfe jedoch höchstens ca. 100 m betragen, um überhaupt noch eine zuverlässige und damit gerichtlich verwertbare Geschwindigkeitsmessung zuzulassen.
Für den umgekehrten Fall kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine zu kurze Nachfahrstrecke nicht durch einen besonders geringen Abstand ausgeglichen werden könne, da eine Messung, bei der der Nachfahrabstand den halben Tachometerwert unterschritten habe, in der Regel unverwertbar sei. In solchen Fällen sei nämlich nicht auszuschließen, dass sich der Vorausfahrende durch das dichte Auffahren bedrängt oder sogar gefährdet fühlte und deshalb schneller fuhr als beabsichtigt. Eine Geschwindigkeitsmessung mit - bei regelgerechtem Abstand - zu kurzer Nachfahrstrecke kann nach den Erkenntnissen des Sachverständigen überhaupt nur dann noch verwertet werden, wenn die Abweichung vom Regelwert - d.h. vom Zehnfachen des halben Tachometerwertes - nicht mehr als etwa 25 % beträgt.
4. Gesamt-Sicherheitsabzug
Aufgrund der zu den einzelnen Fehlerquellen erarbeiteten Ergebnisse gelangt der Sachverständige dementsprechend zu dem Schluss, dass - bei gleichgerichtetem Zusammenwirken aller Einzelfehler - der höchstmögliche Gesamtfehler 7,5 % + 3 % + 3 % = 13,5 % des abgelesenen Geschwindigkeitsmesswertes beträgt, d.h. im für den Betroffenen ungünstigsten Fall die von ihm während der Messung eingehaltene Geschwindigkeit in Wirklichkeit um 13,5 % geringer war als der im Polizeifahrzeug abgelesene Wert.
Wenn dabei für Geschwindigkeiten von unter 100 km/h eine geringfügige Ungenauigkeit dadurch entsteht, dass die bei den Einzeluntersuchungen gefundenen Messfehler bei solchen Geschwindigkeiten überwiegend nicht in Prozenten, sondern in km/h-Werten gemessen werden, während der Sachverständige den Gesamtfehler stets als - dann eigentlich zu niedrigen - Prozentwert ausdrücken will, so erscheint dies im Interesse der Einheitlichkeit und größeren Praktikabilität vertretbar. Dies gilt um so mehr, als der theoretisch mögliche höchste Gesamtfehler zu Ungunsten des Betroffenen im Einzelfall fast niemals wirksam werden wird.
In Beantwortung der ihm gestellten Beweisfrage hält es der Sachverständige demzufolge für erforderlich, von der im Polizeifahrzeug abgelesenen Geschwindigkeit einen Sicherheitsabzug von 13,5 % vorzunehmen, um sämtliche möglicherweise zu Ungunsten des Beschuldigten auftretenden Messfehler und -ungenauigkeiten auszugleichen.
Einen solchen Abzug hält er aber nur dann für ausreichend, wenn der Tachometer des Polizeifahrzeugs jeweils nach Laufleistungen der Reifen von höchstens ca. 30.000 km sowie bei Umrüstung von Sommer- auf Winterreifen oder auf ein anderes Reifenfabrikat neu justiert worden ist und wenn mit konstanter Geschwindigkeit etwa im halben Tachometerabstand über eine Strecke nachgefahren wird, die mindestens dem Zehnfachen des halben Tachometerabstandes entspricht, wobei ein zu großer Abstand ggfs. durch eine entsprechend längere Messstrecke ausgeglichen werden kann. Falls auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben ist, so hält der Sachverständige - bei einer insgesamt verwertbaren Messung - eine Erhöhung des Sicherheitsabzuges auf 15 % für erforderlich, aber auch für ausreichend.
III.
Der Senat folgt dem sorgfältig begründeten, soweit möglich durch praktische Erfahrungswerte und Fahrversuche bestätigten Gutachten, das in allen Punkten überzeugt und dessen Verfasser sich bereits seit längerer Zeit eingehend mit Fragen der Zuverlässigkeit von Geschwindigkeitsmessungen befasst.
Soweit der Gutachter bei Einhaltung der von ihm für wünschenswert gehaltenen Messbedingungen einen Sicherheitsabzug von 13,5 % vorschlägt, bestehen dagegen um so weniger Bedenken, als der ursprünglich von der Verteidigung benannte Sachverständige Dipl.-Ing. G - Leiter der Abteilung Unfallforschung, D Hauptverwaltung S - bei seinen gutachtlichen Untersuchungen zur Genauigkeit der hier interessierenden Messmethode zuletzt zu ganz ähnlichen - von ihm selbst allerdings als nur vorläufig bezeichneten - Ergebnissen gelangt ist. Er hält folgende Abzüge für erforderlich: 5 % des Anzeigebereichsendwertes zum Ausgleich von Messungenauigkeiten des justierten Tachometers, 3 % der so ermittelten Geschwindigkeit zum Ausgleich der durch Abstandsveränderungen entstehenden Fehler sowie 3 km/h für mögliche Ablesefehler (vgl. "Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik" 1986, S. 21 und 45 ff., 49). Dabei geht er von denselben Nachfahrabständen und -strecken aus wie der Sachverständige Dr. L (vgl. dazu "Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 1983, S. 6).
Der Senat gibt daher seine bisherige Rechtsprechung auf und hält nunmehr im Regelfall einen Sicherheitsabzug von 13,5 % der abgelesenen Geschwindigkeit für erforderlich, der auf 15 % zu erhöhen ist, wenn die oben genannten Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt sind.
IV.
Das angefochtene Urteil ist somit im Rechtsfolgenausspruch abzuändern.
Das Amtsgericht ist zu seiner Feststellung, die Betroffene sei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 112 km/h und damit um 32 km/h zu schnell gefahren, unter Zugrundelegung eines Sicherheitsabzuges von nur 10 % gelangt. Darauf beruht zugleich die Höhe der mit 150 DM bemessenen Geldbuße, die das Gericht der Ziffer 3.3. des Bußgeldkataloges - "Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h" -entnommen hat.
Einer Zurückverweisung an das Amtsgericht zur Neufestsetzung der Geldbuße bedarf es nicht. Die von der Betroffenen mindestens eingehaltene Geschwindigkeit kann der Senat aufgrund des nach den neuesten Erkenntnissen erforderlichen Sicherheitsabzuges in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 6 OWiG selbst feststellen und danach abschließend in der Sache entscheiden.
Da sich aufgrund des Urteilssachverhaltes nicht ausschließen lässt, dass zwischen der letzten Justierung des Tachometers und dem Tattag mit dem Polizeifahrzeug mehr als 30.000 km gefahren worden waren oder eine Umrüstung der Reifen stattgefunden hatte, und da auch der Nachfahrabstand von 100 m den halben Tachometerwert von ca. 63 m überstieg, ist ein Sicherheitsabzug von 15 % der abgelesenen Geschwindigkeit vorzunehmen. Daraus ergibt sich eine Mindestgeschwindigkeit der Betroffenen von nur etwa 106 km/h und damit eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um rund 26 km/h. Es besteht kein Anlass, bei der in durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden, nicht vorbelasteten Betroffenen von der für eine solche Geschwindigkeitsüberschreitung in Ziffer 3.2. des Bußgeldkatalogs vorgesehenen Regelgeldbuße von 100 DM abzuweichen.
Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen des Rechtsbeschwerdeverfahrens beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 4 StPO. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass mit der Rechtsbeschwerde zunächst eine Herabsetzung der Geldbuße von 150 auf 60 DM erreicht werden sollte und dieser Antrag erst nach Erstattung des Gutachtens dahin eingeschränkt worden ist, die Geldbuße solle auf 100 DM ermäßigt werden.