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OLG Hamm Beschluss vom 10.03.2011 - 6 U 207/10 - Zur Auseinandersetzung mit Einwänden gegen den Schwacke Mietpreisspiegel

OLG Hamm v. 10.03.2011: Zur Auseinandersetzung mit Einwänden gegen den Schwacke Mietpreisspiegel


Das OLG Hamm (Beschluss vom 10.03.2011 - 6 U 207/10) hat entschieden:
Der Tatrichter hat Einwendungen zur Tauglichkeit des Schwacke-Mietpreisspiegels im konkreten Fall bei Vorlage entsprechender Vergleichsangebote und Bezugnahmen auf mehrere Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren nachzugehen.


Siehe auch Unfallersatztarif und Mietwagenkosten


Gründe:

In dem Rechtsstreit ....

wird Bezug genommen auf die Verfügung vom 17.02.2011 und der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger sich mit dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag einverstanden erklärt hat.

Im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 04.03.2011 von der Beklagten erhobenen Bedenken gegen den Abschluss eines Vergleiches weist der Senat nochmals darauf hin, dass nach neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, VersR 2010, 1054 f. ) zwar die Schätzung der erforderlichen Mietkosten nach § 287 ZPO auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels oder der sog. Fraunhofer-Liste grundsätzlich nicht als fehlerhaft zu erachten ist. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 18.05.2010 (VI ZR 293/08) aber klargestellt, dass die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, abzuklären ist, wenn konkrete Mängel der Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden (BGH, VersR 2010, 1054 ff.).

In dem vorliegenden Fall hat die Beklagte - entsprechend dem vom BGH (VersR 2010, 1054 ff. ) entschiedenen Fall - günstigere Angebote anderer Anbieter als Beispiele für die von ihr geltend gemachten Mängel der Schwackeliste aufgezeigt; sie hat sich ferner auf zahlreiche Gutachten, die in anderen Verfahren bereits eingeholt worden sind, bezogen und im Einzelnen ausgeführt, dass nach den Ergebnissen dieser Gutachten die in der jeweiligen Schwackeliste verzeichneten Mietpreise überhöht waren. Auch die Erhebungs- und Auswertungsmethode hat die Beklagte angegriffen und sich insoweit die Ausführungen in der Studie von Dr. Zinn zu Eigen gemacht. Sie hat ferner auf die Ergebnisse eines in einem anderen Verfahren eingeholten Gutachtens Bezug genommen und auf - die Bedenken gegen die sog. "offene" Anfrage - die bei der Ermittlung der Mietpreise für die Schwackeliste üblich sei - hingewiesen. Schließlich hat sie ihren Vortrag jeweils unter Beweis gestellt durch Sachverständigengutachten. Darüber hinaus hat sich die Beklagte mit konkretem Sachvortrag gegen die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Aufschlags für Winterreifen und einen Zweitfahrer gewandt.

Das Landgericht hat sich mit diesem Sachvortrag in seinem Urteil nicht auseinander gesetzt. So hat es nicht geprüft, ob es tatsächlich einem "Normaltarif" - wie die Schwackeliste suggeriert - entspricht, Kosten für Winterreifen, Zweitfahrer, Zustellkosten und Vollkaskoversicherung als Nebenkosten gesondert abzurechnen, obwohl die Beklagte Angebote vorgelegt hat, die diese Kosten im Preis enthalten. Insoweit ist die Methode des Landgerichts, die reinen Mietkosten von 1.800,95 EUR ohne Einbeziehung der Nebenkosten - bei einem Vergleich mit dem "Normaltarif" zugrunde zu legen, angegriffen. Auch ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils nicht, dass die Einwendungen der Beklagten - die im Tatbestand ausdrücklich keine Erwähnung finden gegen die Schwackeliste aus 2003 nicht greifen. Der Hinweis auf die Entscheidung des BGH, NJW 2009, 58, 59 kann eine Begründung nicht ersetzen; der BGH hat. in dieser Entscheidung zwar die Schwackeliste 2003 grundsätzlich als Schätzungsgrundlage gebilligt. In dem vom BGH entschiedenen Fall sind aber offenkundig substantiierte Einwendungen gegen die Geeignetheit der Liste aus 2003 als Schätzungsgrundlage - anders als vorliegend - nicht erhoben worden. Entsprechendes gilt für die Vorgehensweise des Landgerichts zur Schätzung des örtlichen "Normaltarifs" für 2008. Das Landgericht legt die Schwackeliste 2003 zugrunde und geht von einer Preissteigerung von 2003 bis 2008 in Höhe von insgesamt 10% aus, welche die Beklagte in Abrede stellt; dass das Landgericht für die Schätzung des Inflationsausgleichs bzw. der zu veranschlagenden Preissteigerung bei Mietwagenkosten die erforderliche Sachkunde besitzt, ist nicht dargetan. Soweit das Landgericht auf die Entscheidung des BGH, NJW 2009, 58 ff. verweist, sind Bedenken gegen den in dieser Entscheidung zugrunde gelegten Inflationsausgleich von 6% in der Berufungsinstanz offenkundig nicht erhoben worden. Die Revision hatte sich insoweit nicht damit zu befassen.

Soweit das Landgericht schließlich die Auffassung vertreten hat, es könne dahinstehen, ob die geltend gemachten Kosten notwendig gewesen seien, hat der Kläger im vorliegenden Verfahren bislang nicht hinreichend dargetan, dass ihm die Anmietung zu einem örtlichen "Normaltarif" nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist; nur im letzteren Fall kann der Geschädigte einen den örtlichen "Normaltarif" übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen, soweit die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren - welche vorliegend nicht dargetan sind, insbesondere ist kein Unfalltarif in Anspruch genommen worden - gerechtfertigt wäre (BGH, WM 2009, 58 ff. m.w.N.).

In Anbetracht des Streitwertes von lediglich 1.500,00 EUR sowie im Hinblick auf das bereits erteilte Einverständnis des Klägers zu einer vergleichsweisen Regelung wird. die Beklagte daher gebeten, bis zum 23.03.2011 nochmals zu überprüfen, ob das Verfahren tatsächlich streitig fortgeführt werden soll.

Die mit Verfügung vom 17.02.2011 gesetzte Frist für den Kläger wird im Hinblick auf die heutige Verfügung bis zum 21.04.2011 verlängert.