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BGH Beschluss vom 20.09.2011 - VI ZR 337/10 - Zur Reichweite eines Verzichts auf die "Prüfung des Rechtsübergangs" in einem Teilungsabkommen

BGH v. 20.09.2011: Zur Reichweite eines Verzichts auf die "Prüfung des Rechtsübergangs" in einem Teilungsabkommen zwischen Haftpflichtversicherer und gesetzlicher Unfallversicherung


Der BGH (Beschluss vom 20.09.2011 - VI ZR 337/10) hat entschieden:
Wenn in einem zwischen einem Haftpflichtversicherer und einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung geschlossenen Teilungsabkommen auf die "Prüfung des Rechtsübergangs" bzw. den Einwand der mangelnden Übergangsfähigkeit verzichtet wird, erstreckt sich dieser Verzicht grundsätzlich auf das Fehlen der für den Regress vorausgesetzten Kongruenz zwischen einzelnen Schadenspositionen und den Versicherungsleistungen sowie auf das Eingreifen des Familienprivilegs. Von der Prüfung des Übergangs des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist die Prüfung der Haftungsfrage zu trennen.


Siehe auch Teilungsabkommen und Versicherungsthemen


Gründe:

1. Die Klägerin, Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, begehrt von der Beklagten, einem Kfz-Haftpflichtversicherer, gestützt auf das zwischen den Parteien bestehende Teilungsabkommen vom 29. Februar/23. März 1984 im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage Ersatz von 50 % der Aufwendungen, die ihr nach einem Unfall ihrer Versicherten M. entstanden sind. Diese sollte wegen einer Hemiparese rechts und Sprachstörungen am 14. September 1998 mit dem Rettungswagen in die Stroke Unit des Bezirksklinikums R. transportiert werden. Während der Fahrt kollidierte der Rettungswagen mit einem entgegenkommenden, bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw. Zwischen den Parteien steht das Alleinverschulden des Pkw-Fahrers außer Streit. M. erlitt bei dem Unfall u.a. Wirbelbrüche und Halswirbelquetschungen. Sie wurde mit dem Rettungshubschrauber in die Universitätsklinik R. verbracht. Dort kam es in der Nacht vom 15. zum 16. September 1998 zu einer Einblutung in das Gehirn, die einen operativen Eingriff und weitere Behandlungen erforderte und deren Folgen bis heute andauern. Die Klägerin hat in einem von M. gegen sie geführten Sozialgerichtsverfahren nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Folgeerscheinungen als Unfallfolge anerkannt. Sie hat für M. Sachleistungen (Aufwendungen für Heilbehandlungen) und Barleistungen (Verletztengeld und Renten) erbracht. Die Beklagte, die teilweise Ersatz geleistet hat, lehnt darüber hinausgehende Zahlungen mit der Begründung ab, die weiteren Aufwendungen der Klägerin seien nicht unfallbedingt.

Die für den Streitfall maßgebenden Regelungen des Teilungsabkommens (im Folgenden: TA) lauten wie folgt:
"§ 1

Werden von der BG [Berufsgenossenschaft = Klägerin] aufgrund von Vorschriften der §§ 116 ff. SGB X Ersatzansprüche gegen eine natürliche oder juristische Person erhoben, die gegen die gesetzliche Haftpflicht aus dem der Forderung zugrunde liegenden Schadensereignis bei dem HV [Haftpflichtversicherer = Beklagte] versichert ist, so verzichtet der HV auf die Prüfung der Haftungsfrage und beteiligt sich nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Aufwendungen der BG. (...) Die BG verzichtet ihrerseits auf weitergehende Forderungen, und zwar auch dann, wenn der Schaden nachweisbar in vollem Umfang durch das Verschulden des Haftpflichtigen verursacht worden ist.

§ 2

Für die Anwendung des Teilungsabkommens gelten die folgenden Voraussetzungen:

...

5. Im Kraftfahrzeug-Haftpflichtbereich (KH-Schaden) muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Rechtsprechung des BGH bestehen.

§ 4

...

12. Von den Barleistungen der BG (Übergangsgeld, Verletztengeld, Renten) werden die ersten DM 10.000,00 ... hälftig ohne Rücksicht darauf geteilt, ob die Leistungen zivilrechtlich übergangsfähig sind.

Soweit Leistungen der BG den vorstehenden Betrag von DM 10.000 übersteigen, ist dagegen der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit zulässig. Die Beweislast obliegt ausschließlich der BG.

13. Hinsichtlich der schadensbedingten Sachleistungen der BG, die der HV nach diesem Abkommen mit 50 % erstattet, ist der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit zulässig."
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen.

2. Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagte könne mit ihrem Einwand, es fehle an der haftungsausfüllenden Kausalität des Unfalls für die geltend gemachten Aufwendungen, nicht gehört werden, weil sie auf die Prüfung der Haftungsfrage verzichtet habe. Voraussetzung für ihre Haftung sei gemäß § 2 Nr. 5 TA lediglich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs bestehe. Daher komme es nur darauf an, ob ein innerer Zusammenhang zwischen Schadensfall und versichertem Wagnis bestehe. Dafür genüge bereits die Möglichkeit, dass der eingetretene Schaden auf dem versicherten Wagnis beruhe. Das sei hier der Fall. Ein sogenannter Groteskfall, bei dem schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich eine Ersatzpflicht des Haftpflichtversicherers gar nicht in Frage komme, liege nicht vor. Eine Beschränkung des Verzichts auf die Prüfung der Haftungsfrage, etwa dahin gehend, dass der Sozialversicherungsträger im Zweifel die Ursächlichkeit des fraglichen Schadensfalls für den der Kostenforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall nachzuweisen habe, sei hier nicht vereinbart worden. Vielmehr sei gemäß § 4 Nr. 13 TA hinsichtlich der schadensbedingten Sachleistungen der Klägerin lediglich der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit zulässig. Der Begriff "schadensbedingt" beziehe sich erkennbar auf den ursächlichen Zusammenhang gemäß § 2 Nr. 5 TA und sei nicht im Sinne von "unfallbedingt" zu verstehen. Es komme auch nicht darauf an, ob der Anspruch tatsächlich auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei. Ausgeschlossen seien nur Ansprüche, die ihrer rechtlichen Natur nach nicht übergangsfähig seien. Durch eine solche Auslegung werde das wirtschaftliche Gleichgewicht eines Teilungsabkommens auch nicht derart gestört, dass sich der Haftpflichtversicherer sofort davon trennen müsse. Der Umstand, dass die Haftungsfrage nicht geprüft werde, wirke sich auch zu seinen Gunsten aus, weil er auch bei alleiniger Verursachung durch seinen Versicherungsnehmer lediglich 50 % der entstandenen Aufwendungen erstatten müsse.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Bestimmungen des Teilungsabkommens zutreffend ausgelegt. Der vorliegend in § 4 Nr. 12 und 13 geregelte Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit betrifft weder die Haftungsfrage noch die Deckungsfrage, sondern die Frage, ob der Sozialversicherungsträger gemäß § 116 SGB X zur Geltendmachung des Anspruchs des Geschädigten berechtigt sei. Zu prüfen ist deshalb nur, ob der Anspruch, wenn er bestünde, gemäß § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen wäre (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 1977 - VI ZR 79/76, VersR 1978, 150, 153 und vom 8. Februar 1983 - VI ZR 48/81, VersR 1983, 534, 535; BGH, Urteile vom 2. Juni 1966 - II ZR 45/64, VersR 1966, 817, 818 und vom 11. Januar 1989 - IVa ZR 285/87, r+s 1989, 86). Der Begriff der "zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit" wird im Schadensersatzrecht einheitlich so verstanden, dass der Leistung des Sozialversicherers ein auch sachlich kongruenter Anspruch des Geschädigten gegenüberstehen muss (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl. 2010, Rn. 597 ff., mwN; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, Kap. 1, Rn. 78 f.). Wenn in einem Teilungsabkommen - wie dies häufig bis zu einer bestimmten Wertgrenze geschieht - auf die "Prüfung des Rechtsübergangs" bzw. den Einwand der mangelnden Übergangsfähigkeit verzichtet wird, erstreckt sich dieser Verzicht grundsätzlich auf das Fehlen der für den Regress vorausgesetzten Kongruenz zwischen einzelnen Schadenspositionen und den Versicherungsleistungen sowie auf das Eingreifen des Familienprivilegs (vgl. Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 30. Kap. Rn. 100). Von der Prüfung des Übergangs des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist die Prüfung der Haftungsfrage zu trennen, worauf die Beklagte in § 1 TA ausdrücklich und ohne Einschränkung verzichtet hat.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.