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BGH Beschluss vom 11.02.1992 - VI ZB 2/92 - Zu den Sorgfaltsanforderungen an den Rechtsanwalt bei der Fristenkontrolle

BGH v. 11.02.1992: Zu den Sorgfaltsanforderungen an den Rechtsanwalt bei der Fristenkontrolle - Aktenvorlage


Der BGH (Beschluss vom 11.02.1992 - VI ZB 2/92) hat entschieden:
Der Rechtsanwalt hat den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, wohl aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung vorgelegt werden.


Siehe auch Fristenkontrolle und Wiedereinsetzung


Gründe:

I.

Die Beklagte hat gegen das sie beschwerende Urteil des Landgerichts am 16. August 1991 rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels lief am 15. Oktober 1991 ab. Der die Berufung begründende Schriftsatz ist jedoch erst am 16. Oktober 1991 beim Berufungsgericht eingegangen. Mit ebenfalls am 16. Oktober 1991 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt und dazu vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter habe der Bürovorsteherin die Anweisung erteilt, den Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung auf den 15. Oktober 1991 einzutragen. Gleichwohl habe die Bürovorsteherin infolge eines Irrtums eigenmächtig den Fristablauf auf den 16. Oktober 1991 eingetragen. Bei Aktenvorlage am 9. Oktober 1991 zur Fertigung der Berufungsbegründung habe der Prozessbevollmächtigte die Frist nicht überprüft, weil er angesichts der Zuverlässigkeit der Bürovorsteherin angenommen habe, die Frist sei richtig eingetragen. Deshalb liege keine Sorgfaltspflichtverletzung des Prozessbevollmächtigten, sondern nur eine Fehlleistung der Bürovorsteherin vor, deren eidesstattliche Versicherung vorgelegt worden ist.

Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 4. November 1991 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 14. November 1991 zugestellten Beschluss richtet sich die am 27. November 1991 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten.


II.

Das form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Mit Recht legt das Berufungsgericht dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Last, dass er bei Vorlage der Akten zur Fertigung der Berufungsbegründung den Fristablauf nicht eigenverantwortlich überprüft hat.

Zwar kann sich ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass sein Büropersonal auch mündlich erteilte Weisungen befolgt (Senatsbeschlüsse vom 16. Oktober 1990 - VI ZB 13/90 und vom 19. Februar 1991 - VI ZB 2/91 - VersR 1991, 1269 f.).

Gleichwohl hat der Anwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, wohl aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung vorgelegt werden (Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 1976 - VI ZB 23/75 - VersR 1976, 962, 963; vom 2. November 1976 - VI ZB 7/76 - VersR 1977, 255 und vom 19. Februar 1991 - aaO; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1980 - VII ZB 2/80 - VersR 1980, 976, 977 und vom 25. März 1985 - II ZB 2/85 - VersR 1985, 552 jeweils m.w.N.). Eine Anweisung an das Büropersonal betreffend die Fristwahrung kann ihn von dieser Verpflichtung nicht befreien (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91).

Hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Frist zur Begründung der Berufung geprüft, als ihm die Handakten zur Anfertigung der Berufungsbegründung vorgelegt wurden, so hätte er festgestellt, dass diese Frist am 15. Oktober 1991 ablief. Die Berufungsbegründung hätte dann noch rechtzeitig beim Berufungsgericht eingereicht werden können. Wie der Senat im Beschluss vom 19. Februar 1991 (aaO) dargelegt hat, wird der Sorgfaltsverstoß umso deutlicher, als ein Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung zum 16. Oktober ungewöhnlich erscheinen musste. Daher beruht die Fristversäumung auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, welches sich diese gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Mithin war sie entgegen § 233 ZPO nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten.




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