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BGH Beschluss vom 16.10.2007 - VI ZB 65/06 - Zum Zeitpunkt der Eintragung des endgültigen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender

BGH v. 16.10.2007: Zum Zeitpunkt der Eintragung des endgültigen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender


Der BGH (Beschluss vom 16.10.2007 - VI ZB 65/06) hat entschieden:
  1. Bei Beschlüssen, die das Verfahren ganz oder teilweise abschließen sollen oder von deren Rechtskraft weitergehende Wirkungen abhängen, muss sich aus der Urschrift ergeben, zwischen welchen Parteien die Entscheidung ergangen ist.

  2. Der Eintrag des endgültigen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender ist erst zulässig, wenn eine beantragte Fristverlängerung tatsächlich gewährt worden ist.

Siehe auch Fristenkontrolle und Wiedereinsetzung


Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend. Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 13. März 2006 zugestellte Urteil des Amtsgerichts, mit dem die Klage abgewiesen wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 13. April 2006 Berufung eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 15. Mai 2006, der am selben Tage bei dem Berufungsgericht eingegangen ist, hat sie um "Fristverlängerung um einen Monat, bis zum 15. Juni 2006" zur Berufungsbegründung gebeten. Eine Einwilligung des Prozessgegners hat sie nicht vorgetragen.

Am 16. Mai 2006 wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Juni 2006 verlängert, weil die Zustellung des Urteils am 13. März 2006 erfolgt sei, und eine Mitteilung an die Parteivertreter per Telefax verfügt. Ausweislich eines Vermerks in den Akten wurde diese Verfügung am 23. Mai 2006 ausgeführt.

Die Berufungsbegründung ging am 16. Juni 2006 (dem Tag nach Fronleichnam) bei dem Berufungsgericht ein. Nach dem Hinweis, dass die Berufungsbegründung verspätet eingegangen sei, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgeführt, sie hätten die Fristverlängerung bis zum 15. Juni 2006 beantragt, weil der 13. Mai 2006 ein Samstag gewesen sei. Dass die Berufungsbegründungsfrist nur bis 13. Juni 2006 verlängert worden sei, sei nicht mitgeteilt worden. Sie hätten daher davon ausgehen können, dass die Fristverlängerung, wie beantragt, bis zum 15. Juni 2006 gewährt worden sei. Vorsorglich haben sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Ohne Einwilligung des Gegners habe die Begründungsfrist um einen Monat, also bis 13. Juni 2006, verlängert werden können. Diese rechtlichen Erwägungen ergäben sich aus dem Gesetz. Die Nichtkenntnis von einer gerichtlichen Entscheidung fingiere keine antragsgemäße Entscheidung. Die Klägervertreter seien daher verpflichtet gewesen, sich innerhalb der Begründungsfrist nach der beantragten Entscheidung zu erkundigen.


II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht.

a) Die angefochtene Entscheidung ist nicht bereits deswegen aufzuheben, weil aus ihrer Urschrift die Parteien des Rechtsstreits nicht ersichtlich sind. Zwar ist der Beschluss formell fehlerhaft zustande gekommen, weil ein vollständiges Rubrum entsprechend § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO fehlt. Bei Beschlüssen, die das Verfahren ganz oder teilweise abschließen sollen oder von deren Rechtskraft weitergehende Wirkungen abhängen, muss sich aus der Urschrift selbst ergeben, zwischen welchen Parteien die Entscheidung ergangen sein soll. Auch wenn § 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht auf § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verweist, ist allgemein anerkannt, dass auch für Beschlüsse die letztgenannte Vorschrift entsprechend anwendbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2001 - XII ZB 75/00 - VersR 2002, 464; vom 27. Juni 2003 - IXa ZB 72/03 - NJW 2003, 3136, 3137; OLG Köln BB 2001, 1498; OLG Jena, OLGR 2003, 122). Trotz dieses Rechtsmangels liegt aber ein wirksamer Beschluss vor, bei dem unter Berücksichtigung des Urteils erster Instanz sowie des Berufungsverfahrens ohne weiteres ersichtlich ist, zwischen welchen Parteien der Rechtsstreit stattgefunden hat und hinsichtlich welcher Parteien der angefochtene Beschluss erlassen ist. Besondere Umstände, die hier eine Feststellung der Parteien erschweren würde, liegen nicht vor. Deshalb ist nicht allein wegen des fehlerhaften Rubrums eine Aufhebung des Beschlusses erforderlich.

b) Wie vom Berufungsgericht angenommen, lief die Berufungsbegründungsfrist mit dem 13. Juni 2006 ab, weil die Frist nur bis zu diesem Zeitpunkt verlängert worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 82/07 - Rn. 8). Die Verfügung vom 16. Mai 2006 ist kein gerichtsinterner Vorgang geblieben, auch wenn die Klägerin geltend macht, diese Verfügung sei ihren Prozessbevollmächtigten nicht zugegangen. Ausweislich seines Schriftsatzes vom 10. August 2006 wurde die Verfügung jedenfalls dem Beklagtenvertreter per Fax zugeleitet. Die Verlängerung bedurfte, auch soweit sie hinter dem Antrag der Klägervertreter zurückblieb, keiner förmlichen Zustellung, weil sie keine Frist in Lauf setzte (BGHZ 93, 300, 305), so dass nach § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO die formlose Mitteilung genügte. Die Teilablehnung der Fristverlängerung kann außerdem nach § 225 Abs. 3 ZPO nicht angefochten werden.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführerin sind keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass sie bzw. ihre Prozessbevollmächtigten, deren Verschulden ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (vgl. §§ 233, 236 Abs. 2 ZPO).

aa) Zwar kann der Klägerin kein Verschulden ihrer Prozessvertreter insoweit angelastet werden, als diese auf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist in der beantragten Weise vertrauten, nachdem sie einen ersten Verlängerungsantrag unter Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestellt hatten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. September 2001 - VI ZB 26/01 - VersR 2001, 1579, 1580; vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05 - VersR 2006, 568; vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Demgemäß waren die Prozessbevollmächtigten der Klägerin grundsätzlich auch nicht verpflichtet, sich innerhalb des Laufs der Berufungsbegründungsfrist beim Gericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben werde (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05 - aaO; BGH, Beschlüsse vom 12. März 1986 - VIII ZB 6/86 - VersR 1986, 787, 788; vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98 - VersR 1999, 1559, 1560).

bb) Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben aber weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass sie durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen haben, dass nach einem Fristverlängerungsantrag die Frist nicht versäumt wird.

Für die Kontrolle von Fristen bei Fristverlängerungsanträgen gelten grundsätzlich entsprechende Voraussetzungen wie für die unmittelbare Fristenkontrolle von Berufung und Berufungsbegründung. Danach ist es erforderlich, das mutmaßliche Ende einer Berufungsbegründungsfrist bei oder alsbald nach Einreichung einer Berufungsschrift im Fristenkalender einzutragen. Dieser Vermerk muss später anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung überprüft werden, damit sichergestellt ist, dass keine hypothetische, sondern die wirkliche Frist eingetragen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - aaO Rn. 7; BGH, Beschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663 m.w.N.). Die Eintragung nur vorläufig berechneter bzw. hypothetischer Fristen birgt nämlich eine Gefahrenquelle, weil sie leicht darüber hinwegtäuschen kann, dass das wirkliche Fristende auf einen anderen Tag als angenommen fällt. Dementsprechend darf eine beantragte Fristverlängerung nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist im Kalender eingetragen wird, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Auch hierbei handelt es sich nämlich zunächst um eine hypothetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen kann. Der Eintrag des endgültigen Fristablaufs ist deshalb erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - aaO; vom 10. Januar 2001 - XII ZB 127/00 - BGH-Report 2001, 483, 484; vom 13. Dezember 2001 - VII ZB 19/01 - BGH-Report 2002, 246, 247). In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass vor dem beantragten Fristablauf das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - festgestellt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - aaO; vom 10. Januar 2001 - XII ZB 127/00 - aaO; vom 13. Dezember 2001 - VII ZB 19/01 - aaO; vom 15. August 2007 - XII ZB 82/07 - Rn. 16).

Die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs enthält keinen Vortrag dazu, dass im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin solche organisatorischen Maßnahmen vorgesehen waren. Diese durften aber entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung nicht so lange vertrauen, wie sie keine anders lautende Nachricht von dem Gericht erhielten (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - aaO Rn. 8). Sie hätten sich vielmehr rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist, gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht, Gewissheit verschaffen müssen, nachdem keine entsprechende Verfügung zugegangen war. Der Umstand, dass nach § 224 Abs. 3 ZPO entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet wird, hier also von dem Tag an, an dem die gesetzliche Berufungsbegründungsfrist unter Berücksichtigung des ursprünglichen Fristendes an einem Sonnabend abgelaufen wäre (§ 222 Abs. 2 ZPO), ändert hieran nichts. Diese Besonderheit hätte die Prozessbevollmächtigten allenfalls zu einer besonderen Sorgfalt bei der Fristenkontrolle veranlassen können.

d) Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.