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BGH Urteil vom 12.04.2011 - VI ZR 158/10 - Zum Zeitpunkt des gesetzlichen Übergangs auf den Sozialversicherungsträger
BGH v. 12.04.2011: Zum Zeitpunkt des gesetzlichen Übergangs auf den Sozialversicherungsträger bei neu geschaffenen Leistungsberechtigungen nach dem Schadensereignis
Der BGH (Urteil vom 12.04.2011 - VI ZR 158/10) hat entschieden:
- Der Übergang von Schadensersatzansprüchen nach § 1542 RVO, § 116 Abs. 1 SGB X vollzieht sich grundsätzlich schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, soweit der Sozialversicherungsträger dem Geschädigten möglicherweise in Zukunft Leistungen zu erbringen hat, die sachlich und zeitlich mit den Erstattungsansprüchen des Geschädigten kongruent sind.
- Dieser Grundsatz erfährt eine Ausnahme in den Fällen, in denen neue Leistungsberechtigungen erst nach dem Schadensereignis aufgrund sogenannter "Systemänderungen" geschaffen werden.
- Die Neuregelung des Anspruchs auf häusliche Pflegehilfe in §§ 36ff. SGB XI bedeutet keine Systemänderung, sondern lediglich eine Modifizierung der bereits seit 1989 in §§ 53ff. SGB V a.F. vorgesehenen Pflegeleistungen (Fortentwicklung der Senatsurteile vom 18. Februar 1997, VI ZR 70/96, BGHZ 134, 381, 386 und vom 3. Dezember 2002, VI ZR 142/02, VersR 2003, 267).
Siehe auch Forderungsübergang auf die Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger und Forderungsübergang im Schadensfall
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Trägerin der gesetzlichen Pflegeversicherung, nimmt die beklagte Stadt aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten I. auf Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Anspruch.
Die Versicherte erlitt bei ihrer Geburt am 22. März 1981 im Städtischen Krankenhaus G., dessen Trägerin die Beklagte war, infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers einen irreversiblen Hirnschaden. Am 25./31. Dezember 1991 schlossen die Versicherte und die Beklagte einen Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Zahlung von 626.000 DM verpflichtete. Mit der Zahlung sollten alle Ansprüche der Versicherten aus Anlass ihrer Geburt abgegolten sein. Im Dezember 1992 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der AOK L., bei der I. gesetzlich krankenversichert war, deren künftige Aufwendungen, soweit sie schadensbedingt und übergangsfähig sind, zu 70 % zu erstatten. Am 1. Januar 1994 ging die AOK L. durch Vereinigung gemäß § 145 SGB V in der AOK S. (inzwischen AOK N.), bei der die klagende Pflegekasse besteht, auf. Von August 2006 an gewährte die bei der AOK S. bestehende Pflegekasse ihrer Versicherten nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB XI Pflegegeld gemäß Pflegestufe I.
Mit der Behauptung, die von der Pflegekasse bei der AOK S. erbrachten Leistungen seien auf den ärztlichen Behandlungsfehler bei der Geburt ihrer Versicherten zurückzuführen, verlangt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung von 70 % des in der Zeit von August 2006 bis einschließlich Dezember 2009 an I. gezahlten Pflegegeldes. Ferner begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte aufgrund des zwischen dieser und der AOK L. geschlossenen Vergleichs verpflichtet ist, ihr alle infolge des Behandlungsfehlers vom 22. März 1981 zum Nachteil ihrer Versicherten noch entstehenden Aufwendungen zu 70 % zu ersetzen.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Ansprüche der Versicherten auf Erstattung ihrer vermehrten Bedürfnisse aus § 843 Abs. 1 BGB nicht auf die Pflegekasse bei der AOK S. übergegangen, weil die Versicherte durch den Abfindungsvergleich vom 25./31. Dezember 1991 wirksam über sie verfügt habe. Hierzu sei sie in der Lage gewesen, weil die Ansprüche nicht bereits im Schädigungszeitpunkt auf die bei der AOK S. bestehende Pflegekasse oder einen anderen Sozialversicherungsträger übergegangen seien. Ein Anspruchsübergang hätte frühestens mit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches XI am 1. Januar 1995 erfolgen können. Zwar vollziehe sich der Übergang der Schadensersatzansprüche nach § 116 Abs. 1 SGB X grundsätzlich im Zeitpunkt des Unfalls, soweit der Sozialversicherungsträger dem Geschädigten in Zukunft möglicherweise Leistungen zu erbringen habe, die sachlich und zeitlich mit den Erstattungsansprüchen des Geschädigten kongruent seien. Werde die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers aber erst nach dem Unfallzeitpunkt durch eine Änderung des bisherigen Leistungssystems neu begründet, finde ein Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X erst mit dem Inkrafttreten der neuen Regelung statt. Die Einführung eines Anspruchs auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XI stelle für erheblich Pflegebedürftige gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI - d.h. Pflegebedürftige der Pflegestufe I wie die Versicherte der Klägerin - im Verhältnis zu den Regelungen nach den §§ 53 ff. SGB V a.F. eine Systemänderung dar. Denn § 53 Abs. 1 SGB V a.F. habe Leistungen nur für Schwerpflegebedürftige vorgesehen. Durch das Sozialgesetzbuch XI sei das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit für die Bemessung des Pflegebedarfs verringert worden. Während § 53 Abs. 1 SGB V a.F. eine Hilfebedürftigkeit noch in sehr hohem Maße vorausgesetzt habe, genüge gemäß § 14 Abs. 1 SGB XI ein Hilfebedarf in erheblichem Maße.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche der Versicherten wegen vermehrter Bedürfnisse aus § 843 Abs. 1 Fall 2 BGB hätten frühestens am 1. Januar 1995 auf die bei der AOK S. bestehende Pflegekasse oder einen anderen Sozialversicherungsträger übergehen können mit der Folge, dass diese Ansprüche von dem zwischen der Versicherten und der Beklagten geschlossenen Abfindungsvergleich vom 25./31. Dezember 1991 erfasst worden und nach §§ 779, 362 BGB erloschen seien.
1. Die Erwägungen des Berufungsgerichts erweisen sich im Ausgangspunkt allerdings als zutreffend.
a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich der Übergang von Schadensersatzansprüchen sowohl nach § 116 Abs. 1 SGB X als auch nach dem gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Schadensereignisse vor dem 30. Juni 1983 anwendbaren § 1542 RVO grundsätzlich schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses vollzieht, soweit der Sozialversicherungsträger dem Geschädigten möglicherweise in Zukunft Leistungen zu erbringen hat, die sachlich und zeitlich mit den Erstattungsansprüchen des Geschädigten kongruent sind. Dabei reicht selbst eine weit entfernte Möglichkeit des Eintritts solcher Tatsachen aus, aufgrund derer Versicherungsleistungen zu erbringen sein werden; es darf die Entstehung solcher Leistungspflichten nur nicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen sein (vgl. Senatsurteile vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, BGHZ 134, 381, 383 f.; vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, VersR 1990, 1028, 1029; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, VersR 2003, 267, 268; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 197/07, VersR 2008, 1350 Rn. 12; vom 15. März 2011 - VI ZR 162/10, z.V.b. Rn. 9, jeweils mwN; BGH, Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, BGHZ 48, 181, 186). Dieser frühe Zeitpunkt ist für den Forderungsübergang auch wegen solcher Leistungen maßgebend, deren inhaltliche Ausgestaltung durch Veränderungen im Leistungsgefüge erst später erfolgt, soweit eine als Grundlage für den Forderungsübergang geeignete Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Geschädigten überhaupt in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 30. November 1955 - VI ZR 211/54, BGHZ 19, 177, 178 f.; vom 25. März 1953 - VI ZR 13/52, VersR 1953, 209, 210; vom 22. Oktober 1957 - VI ZR 222/56, VersR 1957, 802, 804; vom 12. Juli 1960 - VI ZR 122/59, VersR 1960, 830 f.; vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO; BGH, Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, aaO).
b) Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, erfährt dieser Grundsatz allerdings eine Ausnahme in den Fällen, in denen neue Leistungsberechtigungen erst nach dem Schadensereignis aufgrund sog. "Systemänderungen" geschaffen werden. Insoweit findet ein Forderungsübergang erst mit Inkrafttreten der Neuregelung statt (vgl. Senatsurteile vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, aaO, S. 384; vom 24. März 1954 - VI ZR 24/53, VersR 1954, 537, 538; vom 30. April 1955 - VI ZR 35/54, VersR 1955, 393; vom 11. Januar 1966 - VI ZR 173/64, VersR 1966, 233, 234; vom 4. Oktober 1983 - VI ZR 44/82, VersR 1984, 35, 36; vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO; vom 13. April 1999 - VI ZR 88/98, VersR 1999, 1126; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO; vom 27. Juni 2006 - VI ZR 337/04, VersR 2006, 1383 Rn. 19; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 197/07, aaO; BGH, Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, aaO). Eine Systemänderung in diesem Sinne liegt vor, wenn eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers begründet wird, für die es bisher an einer gesetzlichen Grundlage gefehlt hat (vgl. Senatsurteile vom 24. März 1954 - VI ZR 24/53, VersR 1954, 537, 538; vom 11. Januar 1966 - VI ZR 173/64, VersR 1966, 233, 234), wenn also eine gesetzliche Neuregelung eine Anspruchsberechtigung, die im bisherigen Leistungssystem noch überhaupt nicht enthalten war, neu schafft (vgl. Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 - VI ZR 44/82, VersR 1984, 35, 36; vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO; vom 27. Juni 2006 - VI ZR 337/04, aaO Rn. 20). Entscheidend ist, ob einem Sozialversicherungsträger infolge einer Systemänderung ganz neue Leistungspflichten auferlegt worden sind, die nach der bisherigen gesetzlichen Regelung überhaupt nicht bestanden (vgl. Senatsurteile vom 24. März 1954 - VI ZR 24/53, aaO; vom 11. Januar 1966 - VI ZR 173/64, aaO; vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO; vom 27. Juni 2006 - VI ZR 337/04, aaO; BGH Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, BGHZ 48, 181, Rn. 14). Von einer solchen Systemänderung sind Gesetzesänderungen zu unterscheiden, die nur eine Erhöhung oder Modifizierung bereits gegebener Ansprüche regeln (vgl. Senatsurteile vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, BGHZ 134, aaO S. 384; vom 12. Juli 1960 - VI ZR 122/59, VersR 1960, 830 f.; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO) oder sich als Fortentwicklung von im Kern bereits angelegten sozialversicherungsrechtlichen Leistungen darstellen (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO S. 1031).
Eine Systemänderung hat der erkennende Senat beispielsweise für den mit dem Gesundheitsreform-Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 1988 S. 2477) mit Wirkung zum 1. Januar 1989 eingeführten Anspruch auf häusliche Pflegehilfe nach §§ 53 ff. SGB V a.F. angenommen (Senatsurteile vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, aaO S. 386; vom 13. April 1999 - VI ZR 88/98, aaO und vom 27. Juni 2006 - VI ZR 337/04, aaO Rn. 21). Maßgeblich hierfür war, dass die Neuregelung erstmals einen Anspruch auf Pflegeleistungen gewährte, der vom Vorliegen einer Krankheit unabhängig war und allein die Pflegebedürftigkeit voraussetzte. Zuvor war Pflegehilfe nur im Rahmen einer häuslichen Krankenpflege gewährt worden, die eine behandlungsfähige und behandlungsbedürftige Krankheit voraussetzte. Mit der Gesetzesänderung war mithin eine im bisherigen Leistungssystem neue und neuartige Leistungspflicht geschaffen worden (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, aaO S. 386 sowie Begründung des Pflege-Versicherungsgesetzes, BT-Drucks. 12/5262 S. 70).
Eine Systemänderung hat der erkennende Senat dagegen verneint für den durch Art. 1 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 (PflegeVG; BGBl. I S. 1014) geschaffenen Anspruch auf Bewilligung eines Pflegegeldes gemäß § 37 SGB XI, soweit bereits nach §§ 53 ff. SGB V a.F. leistungsberechtigte Schwerpflegebedürftige betroffen waren (Senatsurteil vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO). Jedenfalls insoweit seien die durch das Gesundheitsreform-Gesetz vom 20. Dezember 1988 begründeten Ansprüche nämlich lediglich fortgeführt und modifiziert worden (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche der Versicherten I. wegen vermehrter Bedürfnisse nach dem Vortrag der Klägerin, der der revisionsrechtlichen Überprüfung mangels gegenteiliger Feststellungen zugrunde zu legen ist, mit dem Inkrafttreten des Gesundheitsreform-Gesetzes vom 20. Dezember 1988 am 1. Januar 1989 auf die AOK L., am 1. Januar 1994 auf die AOK S., am 1. April 1995 auf die Pflegekasse bei der AOK S. und im Verlauf des Revisionsverfahrens auf die Klägerin übergegangen.
a) Da bis zur Einführung des Anspruchs auf häusliche Pflegehilfe nach §§ 53 ff. SGB V a.F. keine vom Vorliegen einer Krankheit unabhängige Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse wegen Pflegebedürftigkeit bestand und die Neuregelung deshalb eine Systemänderung bedeutet (Senatsurteile vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, aaO S. 386; vom 13. April 1999 - VI ZR 88/98, aaO und vom 27. Juni 2006 - VI ZR 337/04, aaO), erfasste der grundsätzlich im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses am 22. März 1981 eingetretene Anspruchsübergang nach § 1542 RVO a.F. die mit der Klage geltend gemachten Ersatzansprüche der Versicherten I. wegen vermehrter Bedürfnisse aus § 843 Abs. 1 BGB nicht.
b) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vortrag der Klägerin sind diese Ansprüche aber gemäß § 116 Abs. 1 SGB X mit dem Inkrafttreten der §§ 53 ff. SGB V a.F. am 1. Januar 1989 auf die AOK L. als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung übergegangen.
aa) Wie das Landgericht, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, zutreffend angenommen hat, sind die Leistungen zur häuslichen Pflegehilfe sachlich und zeitlich kongruent mit den Ansprüchen des Geschädigten auf Ausgleich seiner vermehrten Bedürfnisse (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsurteile vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, aaO; vom 28. November 2000 - VI ZR 352/99, BGHZ 146, 108, 110 f.; vom 8. Oktober 1996 - VI ZR 247/95, VersR 1996, 1565; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO; vom 27. Juni 2006 - VI ZR 337/04, aaO; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 197/07, aaO Rn. 17).
bb) Nach den Umständen des Schadensfalles war es auch nicht völlig unwahrscheinlich, dass die bei der AOK L. gesetzlich krankenversicherte I. infolge des bei ihrer Geburt erlittenen irreversiblen Hirnschadens in Zukunft in einem Umfang pflegebedürftig werden würde, der eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse gemäß §§ 53 ff. SGB V a.F. ausgelöst hätte.
cc) Der eingetretene Forderungsübergang erfasste dem Grunde nach die Ansprüche der Versicherten I. auf Ersatz der ihr schadensbedingt entstandenen Pflegeaufwendungen. Er war nicht auf die Ansprüche auf Ersatz nur derjenigen Aufwendungen beschränkt, die im Falle ihrer Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 53 ff. SGB V a.F. angefallen wären oder waren, sondern erstreckte sich auch auf solche Ersatzansprüche, denen lediglich eine erhebliche Hilfsbedürftigkeit der Versicherten unterhalb der Schwelle der Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne des § 53 SGB V a.F. zugrunde lag.
Dem steht nicht entgegen, dass die Versicherte I. im Streitfall Leistungen nicht gemäß §§ 53 ff. SGB V a.F., sondern auf der Grundlage des durch Art. 1 PflegeVG neu geschaffenen § 37 SGB XI bezogen hat. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedeutet die Neuregelung des Anspruchs auf häusliche Pflegehilfe in §§ 36 ff. SGB XI keinen erneuten Systemwechsel, sondern lediglich eine Modifizierung der bereits seit 1989 in §§ 53 ff. SGB V a.F. vorgesehenen Pflegeleistungen. Durch die gesetzliche Neuregelung wurde nicht infolge einer Systemänderung eine Anspruchsberechtigung neu geschaffen, die im bisherigen Leistungssystem noch überhaupt nicht enthalten war. Vielmehr wurde eine im Kern bereits angelegte sozialversicherungsrechtliche Leistungsberechtigung lediglich inhaltlich umgestaltet und fortentwickelt (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO). Hiermit mussten der Schädiger bzw. sein Versicherer seit der Einführung der §§ 53 ff. SGB V a.F. auch grundsätzlich rechnen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, aaO S. 192 f.; Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., § 30 Rn. 32).
(1) Allerdings kann sich das Berufungsgericht für seine abweichende Auffassung auf obergerichtliche Rechtsprechung und Stimmen in der Literatur stützen, die in der zum 1. April 1995 in Kraft getretenen Ablösung der Regelungen in §§ 53 ff. SGB V a.F. durch die Vorschriften über die soziale Pflegeversicherung im Sozialgesetzbuch XI einen erneuten Systemwechsel sehen. Begründet wird dies damit, dass mit der sozialen Pflegeversicherung ein völlig neuer, eigenständiger Zweig der Sozialversicherung geschaffen und dabei das Leistungsspektrum sowie der leistungsberechtigte Personenkreis erweitert worden sei (vgl. OLG Koblenz, VersR 1999, 911; OLG Saarbrücken, OLG-Report 1999, 323, 324; OLG Bamberg, OLG-Report 2000, 256, 257; KG, KGR Berlin 2002, 56, 57; Wiesner, VersR 1995, 134, 144; Küppersbusch, NZV 1997, 30, 32; Budel in 35. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1997, S. 269, 283 f. = r+s 1997, 133, 137 f.; Schrinner in 35. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1997, S. 248, 254 f.; Wussow/Schneider, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 73, Rn. 21; Jahnke, VersR, 1996, 924, 929; Wegmann, VersR 1995, 1288, 1289 f.; v. Wulffen/Bieresborn, SGB X, 7. Aufl., § 116 Rn. 4c; a.A. Geigel/Plagemann, aaO).
(2) Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat jedoch nicht anzuschließen.
(a) Die §§ 53 ff. SGB V a.F. sahen als "Einstieg" in eine versicherungsrechtliche Gesamtlösung bereits von einer Krankheit unabhängige, allein an die Pflegebedürftigkeit des Versicherten anknüpfende Leistungen in Form der häuslichen Pflegehilfe, der Leistungen bei Urlaub oder Verhinderung der Pflegeperson und des Pflegegeldes vor (vgl. BT-Drucks. 11/2237, S. 145, 156, 182; Wagner in Hauck/Wilde, SGB XI, K § 14 Rn. 6 - Stand: Dezember 2001). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die §§ 53 ff. SGB V a.F. die krankheitsunabhängigen Pflegeleistungen von vornherein nur vorläufig bis zu einer vollständigen Absicherung der Pflegebedürftigen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung regeln. Es wurden weitere Schritte zur besseren sozialen Absicherung der Pflegebedürftigen für erforderlich gehalten und ein Gesamtkonzept außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung in Aussicht genommen (vgl. BT-Drucks. 11/2337, S. 145, 156, 182; Senatsurteil vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, BGHZ 134, 381). Daran knüpfte der Gesetzgeber bei Schaffung des Sozialgesetzbuchs XI an (vgl. BT-Drucks. 12/5262, S. 80, 94 f.). Dementsprechend wurden die §§ 53 bis 57 SGB V a.F. in Art. 4 Nr. 4 PflegeVG mit Wirkung vom 1. April 1995 aufgehoben und der Anspruch auf häusliche Pflege aus gesetzessystematischen Gründen in das Sozialgesetzbuch XI überführt, weil Pflege, die nicht Krankenpflege ist, ein Fremdkörper im Sozialgesetzbuch V ist (vgl. Senatsurteile vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, aaO; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO; Jahnke, VersR 1996, 924 ff., 929). Die Definition der Pflegebedürftigkeit in § 14 Abs. 1 SGB XI entspricht weitgehend der des § 53 Abs. 1 SGB V a.F.. Sie stellt ebenfalls auf den dauernden krankheits- oder behinderungsbedingten Hilfebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens ab (vgl. BT-Drucks. 12/5262, S. 80, 94 f.; Udsching/Udsching, SGB XI, 3. Aufl., Einleitung Rn. 14; Wagner in Hauck/Wilde, aaO Rn. 4; Gürtner in Kasseler Kommentar, § 14 SGB XI, Rn. 2 f. - Stand: Dezember 2003). Unterschiedlich geregelt ist lediglich das anspruchserhebliche Ausmaß der Hilfebedürftigkeit. Während § 53 Abs. 1 SGB V a.F. die Hilfebedürftigkeit noch in sehr hohem Maße voraussetzte, genügt nach § 14 Abs. 1 SGB XI ein Hilfebedarf in erheblichem oder höherem Maße. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass die Berechtigung der Versicherten zum Bezug von Leistungen zur häuslichen Pflegehilfe wegen Pflegebedürftigkeit im Grundsatz im bisherigen Leistungssystem schon enthalten war. Durch die Herabsetzung des maßgeblichen Ausmaßes der Hilfebedürftigkeit ist die im Grundsatz bereits bestehende Leistungsberechtigung lediglich inhaltlich modifiziert und fortentwickelt worden. Dies gilt umso mehr, als durch die Neuregelung auch die Kriterien für die Feststellung der anspruchserheblichen Pflegebedürftigkeit modifiziert worden sind mit der Folge, dass die Schwerpflegebedürftigkeit nach altem Recht nicht mit der Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI (Pflegestufe II) gleichgesetzt werden kann und deshalb Fälle denkbar sind, in denen der Versicherte gemäß den §§ 53 ff. SGB V a.F. als Schwerpflegebedürftiger leistungsberechtigt gewesen wäre, nach den §§ 14, 15 SGB XI dagegen als erheblich pflegebedürftig anzusehen ist (vgl. dazu ausführlich Wagner in Hauck/Wilde, aaO, Rn. 6 mwN; s. auch BT-Drucks. 12/5262 S. 95). Eine derartige inhaltliche Umgestaltung von im Kern bereits angelegten sozialversicherungsrechtlichen Leistungen bewirkt aber keine Systemänderung (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO; BGH, Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, aaO S. 184 f.).
(b) Auch der Umstand, dass mit der sozialen Pflegeversicherung ein völlig neuer, eigenständiger Zweig der Sozialversicherung geschaffen und das Sozialversicherungsverhältnis zwischen der Versicherten I. und der Klägerin erst mit deren Entstehung im Jahr 1995 begründet wurde, rechtfertigt nicht die Annahme eines Systemwechsels. Hierdurch wurden lediglich die inhaltliche Ausgestaltung einer im Kern bereits angelegten Leistungsberechtigung und die Organisation der Leistungsgewährung, insbesondere die Leistungszuständigkeit, verändert. Die Schaffung gänzlich neuer, im bisherigen System nicht bestehender Berechtigungen war damit nicht verbunden (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 1997 - VI ZR 70/96, BGHZ 134, 381 Rn. 19 f.).
(c) Eine andere Beurteilung trüge auch dem hinter § 1542 RVO (jetzt § 116 SGB X) stehenden sozialversicherungsrechtlichen Anliegen nicht hinreichend Rechnung. Der gesetzliche Forderungsübergang gemäß § 1542 RVO, § 116 Abs. 1 SGB X dient dem Schutz des Sozialversicherungsträgers auch im Hinblick auf dessen Rückgriff wegen seiner künftigen Leistungen; er hat zum Ziel, dem Verletzten Verfügungen über die künftigen Schadensersatzansprüche schon dann zu verwehren, wenn zunächst noch ungewiss ist, ob und in welcher Höhe der Sozialversicherungsträger Leistungen erbringen wird, die ihn in Zukunft berechtigen werden, Rechte aus den übergegangenen Ansprüchen geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, aaO S. 185). Damit ist ein möglichst weitgehender Schutz des Sozialversicherungsträgers vor anderweitigen Verfügungen des Geschädigten bezweckt (vgl. Senatsurteil vom 9. Januar 1990 - VI ZR 86/89, VersR 1990, 437, 438). Er wird nur dann erreicht, wenn in den Forderungsübergang bereits im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses auch Ersatzansprüche in Bezug auf solche Sozialversicherungsleistungen einbezogen werden, die nach dem Leistungssystem der sozialen Sicherung in dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Sozialversicherungsverhältnis im Kern rechtlich schon angelegt sind (vgl. Senatsurteile vom 30. November 1955 - VI ZR 211/54, BGHZ 19, 177, 183 f.; vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89, aaO). Dem entspricht es, dass der zum Schutz der Versicherungsträger wegen künftig zu erbringender Versicherungsleistungen erfolgende Forderungsübergang auch Ersatzansprüche in Bezug auf solche Sozialversicherungsleistungen erfasst, die in der Folgezeit wesentlich zugunsten des Versicherten umgestaltet werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1967 - III ZR 78/66, aaO S. 184 f., 190 f.).
(d) Die Annahme eines Systemwechsels führte auch zu unbefriedigenden Ergebnissen. Das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit kann durchaus Schwankungen unterliegen, sei es durch Veränderungen des Gesundheitszustands des Versicherten, sei es infolge von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen (vgl. BT-Drucks. 12/5262 S. 81, 96; Wagner in Hauck/Wilde, aaO Rn. 26). Gemäß §§ 5, 31 SGB XI haben die Pflegekassen nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Pflege" auch nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit darauf hinzuwirken, dass die Pflegebedürftigkeit überwunden oder gemindert wird (vgl. BT-Drucks. 12/5262 S. 81, 96). Bejahte man einen Systemwechsel und beschränkte den Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 SGB X dementsprechend auf Ansprüche des Versicherten auf Ersatz der für seine Versorgung als Schwerpflegebedürftiger im Sinne der §§ 53 ff. SGB V a.F. erforderlichen Aufwendungen (vgl. dazu Senatsurteil vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO), so wäre bei schwankendem Hilfebedarf des Versicherten die Regressberechtigung des Trägers der Pflegeversicherung Wechseln unterworfen. Zugleich wären wiederholte Streitigkeiten zwischen dem Träger der Pflegeversicherung und dem Schädiger über das nur mit hohem Tatsachenaufwand zu ermittelnde (vgl. Wagner in Hauck/Wilde, aaO Rn. 21) Ausmaß des jeweiligen Hilfebedarfs des Versicherten vorherzusehen.
c) Am 1. Januar 1994 sind die mit der Klage geltend gemachten Ersatzansprüche aus § 843 Abs. 1 BGB gemäß § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB V in der Fassung vom 20. Dezember 1988 von der AOK L. auf die AOK S. übergegangen, in der die AOK L. nach Vereinigung gemäß § 145 SGB V aufgegangen ist.
d) Mit der Begründung der Leistungszuständigkeit der Pflegekasse bei der AOK S. mit Wirkung vom 1. April 1995 sind die Ersatzansprüche von der AOK S. als gesetzlicher Krankenversicherung sodann auf die bei ihr bestehende Pflegekasse übergegangen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gehen bei einem Wechsel der versicherungsrechtlichen Leistungszuständigkeit nach dem Forderungsübergang die vom zuerst verpflichteten Sozialversicherungsträger gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X erworbenen Ersatzansprüche kraft Gesetzes auf den nun zuständigen Sozialversicherungsträger über, sofern die geschuldeten Versicherungsleistungen - wie im Streitfall - gleichartig sind (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1982 - VI ZR 9/81, VersR 1983, 262 f.; vom 4. November 1997 - VI ZR 375/96, VersR 1998, 124, 125; vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 318/97, VersR 1999, 382, 383; vom 13. März 2001 - VI ZR 290/00, VersR 2001, 1005 f.; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02, aaO; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 197/07, aaO Rn. 17, 29).
e) Mit der Vereinigung der AOK S. und anderer allgemeiner Ortskrankenkassen zur AOK N. sind die Ersatzansprüche schließlich von der bei der AOK S. bestehenden Pflegekasse auf die Klägerin übergangen (vgl. § 46 Abs. 5 SGB XI).
3. Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen und zur Durchsetzbarkeit des geltend gemachten Ersatzanspruchs sowie zu den weiteren Voraussetzungen des Anspruchsübergangs gemäß § 116 Abs. 1 SGB X treffen kann. Das Berufungsgericht wird dabei auch Gelegenheit haben, die Auslegung des zwischen der AOK L. und der Beklagten geschlossenen Vergleichs vom 28./29. Dezember 1992 unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsausführungen zu überprüfen. Hinsichtlich der von der Beklagten eingewandten Verjährungseinrede wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen vermehrter Bedürfnisse in der Zeit zwischen dem Schadensereignis am 22. März 1981 bis zum 31. Dezember 1988 der Versicherten I. zustand, so dass es bezüglich der Voraussetzungen der Verjährung für diesen Zeitraum nicht auf die Verhältnisse der AOK L., der AOK S., der bei dieser bestehenden Pflegekasse oder der Klägerin als Sozialversicherungsträger, sondern auf diejenigen der Versicherten I. als ursprünglicher Anspruchsinhaberin ankommt. Einen vor dem Forderungsübergang etwa erfolgten Ablauf der Verjährungsfrist müsste die Klägerin als Zessionarin nach §§ 412, 404 BGB gegen sich gelten lassen (vgl. Senatsurteil vom 13. April 1999 - VI ZR 88/98, aaO S. 1127).