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BGH Urteil vom 10.07.1974 - IV ZR 212/72 - Zum Problem notwendiger oder einfacher Streitgenossenschaft zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer im Passivprozess

BGH v. 10.07.1974: Zum Problem notwendiger oder einfacher Streitgenossenschaft zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer im Passivprozess


Der BGH (Urteil vom 10.07.1974 - IV ZR 212/72) hat entschieden:
  1. Werden der Versicherungsnehmer und der Versicherer von dem Geschädigten im selben Prozess auf Zahlung von Schadensersatz als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, so sind sie nicht notwendige, sondern einfache Streitgenossen.

  2. Fügt ein Ehegatte dem anderen durch Verstoß gegen die Vorschriften des Straßenverkehrs Schaden an seiner Gesundheit oder an seinem Eigentum zu, so kommen Haftungsbeschränkungen aufgrund der ehelichen Beziehungen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der verantwortliche Ehegatte durch eine Haftpflichtversicherung geschützt wird (Anschluss BGH, 1970-03-11, IV ZR 772/68, BGHZ 53, 352).

  3. Zur Anwendung und Auslegung der Angehörigenklausel bei Haftpflichtansprüchen der Ehefrau des Versicherungsnehmers.

Siehe auch Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschluss und Stichwörter zum Thema Zivilprozess


Tatbestand:

Der Erstbeklagte und die Klägerin, seine Ehefrau, verunglückten am 22. Juli 1966 auf einer Urlaubsreise mit dem Kraftwagen. Die Fahrt führte gegen 22.30 Uhr über eine Gefällstrecke der österreichischen Bundesstraße am Achenpass. Dort aufgestellte Verkehrszeichen begrenzen die zulässige Geschwindigkeit auf 25 km/h und enthalten die Warnung "Gefährliche Gefälle 20%". Der Erstbeklagte, der den ihm gehörenden Wagen lenkte, fuhr schneller als 25 km/h, geriet in einer Rechtskurve auf die linke Fahrbahnseite und prallte gegen eine ca 30 cm hohe Kanalschachtwand. Die Klägerin wurde vom Beifahrersitz nach vorn geschleudert und stieß mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe. Hierbei erlitt sie schwere Verletzungen vor allem an beiden Augen, die zu ihrer Erblindung führten. Die Eheleute leben seit Februar 1968 getrennt.

Die Klägerin hat den Erstbeklagten und dessen Haftpflichtversicherer, die Zweitbeklagte, als Gesamtschuldner auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Anspruch genommen. Sie hat ferner die Feststellung begehrt, dass ihr die Beklagten den gesamten unfallbedingten Schaden zu ersetzen haben, soweit nicht die Ansprüche auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Erstbeklagte habe den Unfall grob fahrlässig verschuldet; doch sei er ihr auch dann uneingeschränkt zum Schadensersatz verpflichtet, wenn ihm nur einfache Fahrlässigkeit zur Last fallen sollte.

Die Beklagten haben um Abweisung der Klage gebeten. Der Erstbeklagte hat ein grob fahrlässiges Verhalten bestritten und sich im übrigen auf den Standpunkt gestellt, gegenüber der Klägerin habe er nur für die in eigenen Angelegenheiten beobachtete Sorgfalt einzustehen (§ 1359 BGB). In jedem Falle treffe die Klägerin, die ihn durch ein Gespräch abgelenkt habe, ein Mitverschulden. Die Zweitbeklagte hat hierüber hinaus geltend gemacht, die Haftpflichtansprüche der Klägerin gegen ihren Ehemann seien nach § 11 Nr 4 AKB von der Versicherung ausgeschlossen und zudem verjährt.

Das Landgericht hat durch Teilurteil den Erstbeklagten verurteilt, an die Klägerin 50.000,00 DM Schmerzensgeld sowie ab 1. Mai 1970 eine Schmerzensgeldrente von monatlich 300,00 DM zu zahlen; ferner hat es gegenüber dem Erstbeklagten die begehrte Feststellung getroffen. Die Berufung des Erstbeklagten ist zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt er sein Ziel der Klageabweisung weiter. Sie blieb erfolglos.

Durch Schlussurteil hat das Landgericht die Zweitbeklagte im gleichen Umfang wie den Erstbeklagten und als Gesamtschuldnerin mit diesem verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Zweitbeklagten ist noch beim Berufungsgericht anhängig.


Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin hat mit der Klage nach § 3 Nr 1, 2 PflVG nF den Versicherungsnehmer und den Versicherer als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Wären die beiden Beklagten notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Abs 1 ZPO, so wäre es nicht zulässig gewesen, ein Teilurteil zur Sache nur gegen einen der Streitgenossen zu erlassen und die Entscheidung gegen den zweiten Streitgenossen dem Schlussurteil vorzubehalten (BGH LM ZPO § 62 Nr 10 = NJW 1962 1722; Stein/Jonas/Pohle, ZPO, 19. Aufl § 62 Anm V 5; Thomas/Putzo, ZPO, 7. Aufl § 62 Anm 10; Zöller/Degenhart, ZPO, 11. Aufl § 62 Anm 3d). Die Frage, ob ein solcher Verfahrensmangel der Tatsacheninstanz im Revisionsrechtszug von Amts wegen oder nur auf eine entsprechende - hier nicht erfolgte - Rüge der Revision gemäß §§ 559, 554 Abs 3 Nr 2b ZPO zu berücksichtigen ist, wird in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich entschieden (vgl einerseits BVerwGE 3, 208, 211; BGH V. Zivilsenat LM ZPO § 62 Nr 10 = NJW 1962, 1722; andererseits BGH II. Zivilsenat in BGHZ 16, 71, 74). Einer Entscheidung dieser Frage, die möglicherweise für die beiden Fälle des § 62 Abs 1 ZPO unterschiedlich zu beantworten ist, bedarf es nicht. Der Senat ist nämlich der Auffassung, dass die beiden Beklagten nicht notwendige, sondern nur einfache Streitgenossen sind, so dass der Erlass eines der Klage stattgebenden Teilurteils gegen den Erstbeklagten zulässig war.

Zwar wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung durchweg die Auffassung vertreten, der Versicherungsnehmer und der Versicherer seien notwendige Streitgenossen, wenn sie gemäß § 3 Nr 1, 2 PflVG in einem Verfahren auf Schadensersatz in Anspruch genommen würden (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl § 50 II 2b; Zöller/Degenhart, aaO § 62 Anm 1a; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970 § 29 II 1 Fußn 15; Prölss/Martin, VVG, 19. Aufl § 3 Nr 8 PflVG Anm 1; Stiefel/Wussow/Hofmann, AKB, 9. Aufl § 10 Anm 2; Geigel, Haftpflichtprozeß, 15. Aufl S 377 Rdn 60; OLG Oldenburg VersR 1969, 47; OLG Köln VersR 1970, 678 und 1974, 64; anderer Meinung: Sieg, Zeitschrift für Versicherungswissenschaft 1965, 357, 372; OLG Düsseldorf VersR 1974, 229). Die Stellung der Beklagten als notwendige Streitgenossen wird daraus hergeleitet, dass gemäß § 3 Nr 8 PflVG ein rechtskräftiges Urteil, wonach dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherer wirkt. Die Erstreckung der Urteilswirkung ist danach auf den Fall begrenzt, dass über den Schadensersatzanspruch negativ entschieden wird. Diese Beschränkung der Urteilswirkung soll aber nicht im Wege stehen, die Voraussetzung der ersten Alternative zu § 62 Abs 1 ZPO zu bejahen, wonach eine notwendige Streitgenossenschaft besteht, wenn das streitige Rechtsverhältnis den Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann. Die häufig als "Rechtskrafterstreckung" bezeichnete Urteilswirkung, die bei einem Nacheinander der Prozesse gegen die beiden Beklagten besteht, soll zur notwendigen Streitgenossenschaft bei einem Miteinander der Prozesse führen und damit die einheitliche Entscheidung sicherstellen (vgl Rosenberg/Schwab, aaO § 50 II). Anders entscheidet die neuere Rechtsprechung und durchweg auch die Rechtslehre in dem Fall, dass ein Gläubiger einer offenen Handelsgesellschaft im selben Prozess die Forderung gegen die offene Handelsgesellschaft und gleichzeitig gegen einen Gesellschafter geltend macht, der nach § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich haftet. Hier folgt aus § 129 Abs 1 HGB, dass ein die Gesellschaftsschuld bejahendes rechtskräftiges Urteil in diesem Umfang auch gegen den Gesellschafter wirkt, der wegen dieser Verbindlichkeit in Anspruch genommen wird, während andererseits der Gesellschafter sich darauf berufen kann, dass im Gesellschaftsprozess das Bestehen einer Gesellschaftsschuld rechtskräftig verneint worden sei (vgl im einzelnen Fischer, Großkommentar zum HGB, 3. Aufl, Anm 28 zu § 124). Die Urteilswirkung ist also im Recht der offenen Handelsgesellschaft insoweit umfassender, als es nicht darauf ankommt, ob über das Bestehen der Gesellschaftsschuld positiv oder negativ entschieden worden ist. Andererseits geht die Urteilswirkung nur von einer Entscheidung aus, die im Prozess gegen die Gesellschaft, nicht von einer solchen, die in dem Prozess gegen den Gesellschafter getroffen worden ist. Es ist also nicht die reziproke Urteilswirkung angeordnet, wie sie § 3 Nr 8 PflVG vorsieht. Wenn verneint worden ist, dass Gesellschaft und Gesellschafter, die im selben Prozess verklagt sind, notwendige Streitgenossen seien, so ist hierfür entscheidend gewesen, dass die Entscheidung gegen die beiden Beklagten nicht notwendig einheitlich sein muss, weil sich der Gesellschafter mit persönlichen Einwendungen verteidigen kann (etwa mit dem Einwand des Erlasses der Forderung oder der Aufrechnung mit einer ihm zustehenden Forderung gegen den Gesellschaftsgläubiger). Es soll auch nicht darauf ankommen, ob sich der Beklagte im konkreten Fall mit persönlichen Einwendungen verteidigt oder nicht (so der VIII. Zivilsenat in BGHZ 54, 251 in Auseinandersetzung mit der Rechtslehre und mit der früheren gegenteiligen Rechtsprechung des Reichsgerichts). Nach Ansicht des VIII. Zivilsenats, der sich der erkennenden Senat anschließt, geht es schon aus Gründen der Rechtsklarheit und der Praktikabilität nicht an, dass je nach den wechselnden Einwendungen des Beklagten im Prozess zu entscheiden ist, ob eine notwendige oder nur eine einfache Streitgenossenschaft vorliegt. Im Recht der offenen Handelsgesellschaft hat sich offenbar kein Bedürfnis ergeben, die für die notwendige Streitgenossenschaft geltenden Rechtsregeln auf einen Prozess anzuwenden, in dem die Gesellschaft und ein Gesellschafter auf Bezahlung einer Gesellschaftsschuld in Anspruch genommen werden.

Einen Grund, die Frage der notwendigen Streitgenossenschaft von Versicherungsnehmer und Versicherer anders zu entscheiden als im Recht der offenen Handelsgesellschaft, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Entscheidung gegen den Versicherer kann durchaus anders ausfallen als die Entscheidung gegen den Versicherungsnehmer, so, wenn der Versicherer einen Risikoausschlussgrund (etwa § 11 AKB) oder seine nur subsidiäre Haftung in einem kranken Versicherungsverhältnis (vgl § 3 Nr 6 PflVG in Verbindung mit § 158c VVG) geltend macht. Bei folgerichtiger Anwendung der für die notwendige Streitgenossenschaft geltenden Rechtsregeln dürfte in diesem Fall ein der Klage stattgebendes Teilurteil gegen den Versicherungsnehmer trotz Entscheidungsreife nicht ergehen, wenn das Sachurteil gegen den Versicherer weitere Aufklärungen und Beweiserhebungen erfordert. Es passt auch nicht die Rechtsregel, dass die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens gegen einen Streitgenossen die Sachentscheidung gegen den anderen Streitgenossen hindert (vgl hierzu die Entscheidung des Österreichischen Obersten Gerichtshofs vom 5. Juni 1973, VersR 1974, 708 und den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 9. Juli 1973, VersR 1974, 229). Das wird besonders deutlich, wenn gegen einen der beiden Streitgenossen das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Wären diese Rechtsfolgen zwangsläufig, so würde der Geschädigte gut daran tun, die beiden Streitgenossen stets in getrennten Verfahren zu verklagen. Was den in § 62 Abs 1 ZPO niedergelegten Grundsatz angeht, dass bei Termins- oder Frist*-versäumnissen der säumige Streitgenosse durch den nicht säumigen Streitgenossen vertreten wird, so ist ein ernstes Bedürfnis für diese Vertretung nicht erkennbar. Denn der Versicherungsnehmer hat die Führung des Rechtsstreits dem Versicherer zu überlassen und dem von ihm beauftragten Anwalt Vollmacht zu geben (§ 7 II 5 AKB), im übrigen gilt die Bevollmächtigung des Versicherers, für den Versicherungsnehmer Erklärungen gemäß § 10 Nr V AKB abzugeben (vgl hierzu auch Sieg aaO). Liegt ein Interessenwiderstreit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vor, passt der Grundsatz des § 62 Abs 1 ZPO nicht; im besonderen ist dann die bei der notwendigen Streitgenossenschaft anerkannte Rechtsregel nicht angemessen, dass das von einem Streitgenossen eingelegte Rechtsmittel auch zugunsten des anderen Streitgenossen wirkt. Entscheidet man sich trotz aller Bedenken zur Bejahung der notwendigen Streitgenossenschaft zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, so wäre das nur vertretbar, wenn die Anwendung der anerkannten Rechtsregeln, die sonst für die notwendige Streitgenossenschaft gelten, wesentlich zurückgedrängt würden (so der österreichische Gerichtshof aaO und Call VersR 1974, 710). Nach Ansicht des Senats ist aus den gleichen Gründen, die im Recht der offenen Handelsgesellschaft erörtert worden sind, auch bei einem Prozess gegen Versicherer und Versicherungsnehmer gemäß § 3 Nr 1, 2 PflVG anzunehmen, dass die beiden Beklagten nicht notwendige, sondern nur einfache Streitgenossen sind. Die Gefahr, dass es bei einer solchen verfahrensrechtlichen Würdigung der Rechtslage in der Praxis häufig zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen werde, wird vom Senat jedenfalls nicht hoch eingeschätzt. Diese Gefahr ist bei einem einheitlichen Prozess gegen beide Beklagte ohnehin geringer als bei getrennten Verfahren, wo die Gefahr nach übereinstimmender Meinung hingenommen werden muss. Wird - wie meist - nur über den Haftungsgrund gestritten, so ist der Richter bei Entscheidungsreife ohnehin gezwungen, gegenüber beiden Beklagten gleichzeitig zu entscheiden.


II.

Das Berufungsgericht hat die Haftung des Erstbeklagten ohne Rechtsirrtum bejaht. Es ist von der Entscheidung des erkennenden Senats BGHZ 53, 352 ausgegangen, dass der mildere Haftungsmaßstab des § 1359 BGB nicht gilt, wenn ein Ehegatte dem anderen durch Verstoß gegen die Vorschriften des Straßenverkehrs Schaden an seiner Gesundheit oder an seinem Eigentum zufügt. Inzwischen hat sich der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs dieser Rechtsprechung in dem Urteil BGHZ 61, 101 angeschlossen. Er hat insbesondere ausgesprochen, dass ein Ehegatte, der dem anderen hiernach wegen schuldhafter Körperverletzung ersatzpflichtig ist, grundsätzlich auch ein angemessenes Schmerzensgeld schuldet. Der erkennende Senat tritt dieser Ansicht bei.

Das Berufungsurteil steht mit den angeführten Entscheidungen im Einklang. Der Erstbeklagte hat unstreitig durch fahrlässige Missachtung der aufgestellten Verkehrszeichen den Unfall und damit die schweren Verletzungen der Klägerin verschuldet. Seine Haftung nach den allgemeinen Bestimmungen entfällt entgegen der Meinung der Revision nicht deshalb, weil sich die Parteien auf einer einverständlich unternommenen Urlaubsreise befanden. Die Entscheidung BGHZ 53, 352 bietet keinen Anhalt für eine dahingehende Einschränkung. Dort ist nur bemerkt worden, der Haftungsmaßstab des § 1359 BGB möge bei Körperverletzungen und Sachbeschädigungen anzuwenden sein, die sich unter Ehegatten im häuslichen Bereich ereignen. Für die stets in den außerhäuslichen Bereich fallende Teilnahme am Straßenverkehr ist diese Möglichkeit schlechthin verneint worden. Der Grund, dass der Ehegatte als Kraftfahrzeuglenker für die Verletzung allgemein gültiger Verkehrspflichten einzustehen und nicht nur eheliche Obhutspflichten zu wahren hat, trifft für jede derartige Fahrt unabhängig von ihrem Anlass und Zweck zu. An solche Umstände unterschiedliche Haftungsmaßstäbe zu knüpfen, wäre - von der praktischen Undurchführbarkeit abgesehen - sachlich nicht gerechtfertigt. Auch bei einer von der ehelichen Fürsorgepflicht mitbestimmten Urlaubsreise im Kraftwagen kann der schuldige gegenüber dem verletzten Ehegatten nicht einwenden, er pflege die Verkehrsvorschriften zu missachten und die damit verbundene Gefährdung in Kauf zu nehmen.

Ebensowenig ist in der genannten Entscheidung zum Ausdruck gekommen, dem verletzten Ehegatten stehe ein Ersatzanspruch nicht zu, wenn das eheliche Verhältnis im Zeitpunkt des Unfalls ungestört (intakt) gewesen sei. Es ist nur offengelassen worden, ob der verletzte Partner mit Blick auf seine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs 1 BGB) gehalten sein kann, derartige Schadensersatzansprüche nicht geltend zu machen, solange sich der schuldige Ehegatte im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten in einer der ehelichen Gemeinschaft angepassten Weise um einen Ausgleich des Schadens bemüht. Damit ist der rechtliche Bestand der Ansprüche nicht in Frage gestellt und schon gar nicht von den ehelichen Beziehungen gerade im Unfallzeitpunkt abhängig gemacht worden. Die Erwägungen, nach denen allenfalls die Geltendmachung eingeschränkt sein könnte, heben im Gegenteil auf das künftige, besonders fürsorge- und opfer*-bereite Verhalten des schuldigen Ehegatten ab. Zu einem solchen Auffangen der schweren Unfallfolgen in einer hierauf eingestellten ehelichen Lebensgemeinschaft ist es vorliegend nicht gekommen. Die Parteien, deren Verhältnis schon vordem nicht ungetrübt war, haben sich im Gegenteil nach dem Unfall gerade seinetwegen unheilbar zerstritten und daraufhin scheiden lassen. Von einer Pflicht der Klägerin, keine Ersatzansprüche zu erheben, oder gar von deren rechtlichem Ausschluss kann bei dieser Entwicklung keine Rede sein.

Hinsichtlich der von der Revision herangezogenen Rechtsprechung zur gefahrengeneigten Arbeit hat es der erkennende Senat nur als nicht fernliegend bezeichnet, dass quantitative Eingrenzungen der Schadensersatzforderung, wie sie die Rechtsprechung im arbeitsrechtlichen Haftungsrecht anerkannt hat, unter Ehegatten in ähnlicher Weise in Betracht zu ziehen sein könnten. Ein gänzlicher Ausschluss der Forderung ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erwogen worden. Er käme überdies vorliegend nach den arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätzen nicht in Betracht, weil den Erstbeklagten ein erhebliches, an grobe Fahrlässigkeit zumindest grenzendes Verschulden trifft. Endlich bezieht sich die für denkbar gehaltene quantitative Eingrenzung der Schadensersatzansprüche wiederum nur auf den Fall ihrer Befriedigung im Rahmen der eheliche Lebensgemeinschaft und der dort möglichen Fürsorge.

Eine derartige Bescheidung wie Belastung innerhalb der Ehe auf sich zu nehmen haben die Eheleute keinen Grund, wenn der schuldige Partner zur Abwendung der wirtschaftlichen Folgen eines Unfalls eine Haftpflichtversicherung genommen hat oder im Falle der Zwangsversicherung nehmen musste. Der vorsorglich erworbene Anspruch auf Deckung gehört dann zu seinem Vermögen, und hierauf kann der verletzte Ehegatte zurückgreifen, ohne dem anderen wirtschaftliche Opfer abzuverlangen, die letztlich wieder gemeinsam getragen werden müssten. Damit entfällt für jede etwa denkbare Verpflichtung, sich aus ehelicher Rücksicht Beschränkungen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufzuerlegen, der tragende Grund. Noch weniger kann dem verletzten Ehegatten unterstellt werden, er habe dem anderen ungeachtet des für diesen Fall bereitstehenden Versicherungsschutzes die Haftung für fahrlässiges Verhalten von vornherein erlassen wollen oder nachträglich darauf verzichtet. Der schuldige Ehegatte, hinter dem ein Haftpflichtversicherer steht, hat keinen Anlass, von seinem verletzten Partner irgendwelche Verzichtbereitschaft zu erwarten oder zu fordern, und erst recht kann der Versicherer eine solche Haltung nicht verlangen, weil sie allenfalls auf einem ehelichen Einverständnis über die beschränkten Möglichkeiten einer internen Wiedergutmachung beruhen könnte.

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Zweitbeklagte nach § 10 AKB verpflichtet war, dem Erstbeklagten Versicherungsschutz gegenüber den Ansprüchen der Klägerin zu gewähren. Auf den Ausschluss in § 11 Nr 4 AKB kann sie sich nicht berufen. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Angehörigenklausel auf rechtliche Bedenken stößt, die ihrer Anwendung schlechthin entgegenstehen (vgl Dieckmann, Festschrift für Reinhardt S 51, 60f). Die Bestimmung führt praktisch zu dem Ergebnis, dass Versicherungsschutz gegenüber Haftpflichtansprüchen der Ehefrau nur gewährt wird, wenn diese berufstätig ist oder sonst eigenes Einkommen hat, nicht wenn sie sich nur als Hausfrau betätigt. Diese Unterscheidung muss um so befremdlicher wirken, als die Frau ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie (und damit zum eigenen) beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts erfüllt (§ 1360 Satz 2 BGB). Sollte die so ausgestaltete Angehörigenklausel gleichwohl auch ferner hinzunehmen sein, so muss sie jedenfalls einengend ausgelegt werden. Bei einem 1969 erzielten eigenen Netto-Arbeitsverdienst von 586,87 DM monatlich, von dem auch die Revision ausgeht, könnte die Klägerin dann mit Blick auf die ehelichen Lebensverhältnisse nicht als Empfängerin von Unterhalt im Sinne von § 11 Nr 4 AKB angesehen werden. Das gilt auch für den Fall, dass die Eheleute bestrebt waren, das Einkommen der Klägerin möglichst zum Hausbau zu verwenden. Sollte der Erstbeklagte den hiernach bestehenden Anspruch auf Versicherungsschutz haben verjähren lassen, was noch offen und insbesondere vom Berufungsgericht nicht schon angenommen worden ist, so könnte sich dies nicht zum Nachteil der Klägerin auswirken. Nach dem Scheitern der Ehe wäre sie keinesfalls für verpflichtet zu halten, die Folgen einer vom Erstbeklagten eingebüßten Deckung durch Beschränkung ihrer Ansprüche mitzutragen.

Ein zur Anspruchsminderung führendes mitwirkendes Verschulden der Klägerin hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum verneint. ...