Das Verkehrslexikon
OVG Münster Urteil vom 23.06.2004 - 8 A 2057/03 - Zum Parkvorrecht für Schwerbehinderte bei Parkmöglichkeit auf dem eigenen Grundstück
OVG Münster v. 23.06.2004: Zum Parkvorrecht für Schwerbehinderte bei Parkmöglichkeit auf dem eigenen Grundstück
Das OVG Münster (Urteil vom 23.06.2004 - 8 A 2057/03) hat entschieden:
Eine Sonderregelung durch Schaffung einer Parkbevorrechtigung für Schwerbehinderte wird generell dann nicht in Betracht kommen, wenn es sich um eine Straße handelt, auf der wegen starken Verkehrs z.B. ein absolutes Halteverbot (Zeichen 283) angeordnet wurde und eine Parksonderregelung daher den übrigen Verkehr behindert oder gar gefährden würde. Auch wird z.B. kein Bedürfnis für derartige Parkvorrechte zu bejahen sein, wenn auf eigenem Grund und Boden Parkmöglichkeiten bestehen oder in zumutbarer Weise geschaffen werden können oder sonst ausreichender Parkraum in unmittelbarer Nähe bzw. der Arbeitsstätte des Schwerbehinderten oder Blinden vorhanden ist.
Siehe auch Behinderte Verkehrsteilnehmer und Verkehrsrecht und Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung von Parkplätzen für Schwerbehinderte.
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks U.-straße 6 in E. . Im Hintergelände des Grundstücks, an der seitlichen Grenze zum Grundstück I.-straße 110, befindet sich eine Garage, deren Breite - gemessen an den Innenwänden - 3 m beträgt. Die U.-straße weist im Bereich des klägerischen Grundstücks eine Breite von etwa 5 m auf. Dort ist eine Tempo-30-Zone eingerichtet. Über einen abgesenkten Bordstein besteht eine Zufahrtsmöglichkeit zu der mit Betonplatten befestigten Garagenzufahrt des klägerischen Grundstücks. Diese ist zunächst 2,42 m breit. Zum Grundstück I.-straße 110 schließt sich seitlich eine 0,96 m breite, derzeit als Beet genutzte Fläche an. Die Breite zwischen dem Ende der dem Haus zugewandten ausgebauten Seite der Zufahrt und der Grundstücksbegrenzungsmauer Grundstück I.-straße 110 beträgt mithin zunächst 3,38 m. Vor der Eingangstür zum klägerischen Haus befindet sich eine Treppe, die zu einer Verengung des zur Verfügung stehenden Streifens auf 2,90 m führt. Die Grundstückseinfahrt ist zwischen vorhandenem Gartentor (Breite: 2,30 m) und Außenwand der Garage 11,45 m lang.
Die Klägerin leidet an einem Zustand nach Kinderlähmung (sog. Post-Polio- Syndrom). Sie ist Inhaberin eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung von 100 % sowie mit den Merkzeichen "G", "aG", "B" und "RF". Der Kläger leidet an Multipler Sklerose, die derzeit nicht fortschreitet. Er ist ebenfalls Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung von 100 %; ferner sind die Merkmale "aG" und "B" eingetragen. Der Kläger ist nicht auf die Benutzung von Gehhilfen oder einen Rollstuhl angewiesen. Letzteres gilt auch für die Klägerin, die von Zeit zu Zeit einen Stock verwendet.
Die Kläger verfügen über einen Renault Clio mit Schaltgetriebe. Das Fahrzeug ist zweitürig und weist keine von der Serienausstattung abweichende behindertengerechte Einrichtung auf. Ein zweites Fahrzeug, einen Nissan Micra, haben die Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens veräußert.
Mit Schreiben vom 4. April 2000 beantragten die Kläger bei der Beklagten wegen ihrer Gehbehinderungen eine reservierte Parkfläche vor ihrem Grundstück. Zur Begründung verwiesen sie auf die dortige, sich zuspitzende Parksituation und ihren sich verschlechternden Gesundheitszustand. Unter dem 5. Juli 2000 ergänzten sie ihren Antrag dahin gehend, dass sie "2 behindertengerechte und reservierte Parkflächen" vor ihrem Grundstück beantragten. Die Parksituation sei insbesondere während der Öffnungszeiten der gegenüber liegenden Zahnarztpraxis unzumutbar. Im Falle lediglich allgemeiner Schwerbehindertenparkplätze vor ihrem Hausgrundstück sei zu befürchten, dass diese von behinderten Besuchern der Zahnarztpraxis belegt werden würden.
Nachdem ihr Begehren unbeschieden geblieben war, erhoben die Kläger am 3. August 2000 Klage gegen die Beklagte (VG Düsseldorf - 6 K 5017/00 -). Diese nahmen sie noch im gleichen Monat zurück.
Durch gleich lautende, gesondert an die Kläger gerichtete Bescheide vom 8. November 2000, zugestellt am 10. November 2000, lehnte die Beklagte den Antrag auf Errichtung von zwei für die Kläger reservierten Behindertenparkplätzen vor dem Haus U.-straße 6 ab. Zur Begründung führte sie unter Hinweis auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen aus, bei der Prüfung der Einrichtung von Schwerbehindertenparkplätzen für bestimmte Schwerbehinderte sei ein strenger Maßstab anzulegen. Derartige Entscheidungen gingen zu Lasten des Gemeingebrauchs der Straße sowie der übrigen Verkehrsteilnehmer. Es sei anzunehmen, dass in der Zufahrt zum klägerischen Grundstück mindestens zwei Fahrzeuge geparkt werden könnten. Im Übrigen bestehe vor der Grundstückszufahrt ein gesetzliches Parkverbot, das ausschließlich Berechtigten Vorteile verschaffe.
Zur Begründung ihres hiergegen am 8. Dezember 2000 erhobenen Widerspruchs ließen die Kläger vortragen: Sie besäßen einen Anspruch auf Errichtung von zwei Schwerbehindertenparkplätzen vor ihrem Haus. In der Grundstückseinfahrt könnten nicht zwei Fahrzeuge so abgestellt werden, dass auch Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung ohne größere Probleme dort ein- und aussteigen könnten. Nur wenn man mit dem Fahrzeug ganz eng an eine Seite der Einfahrt fahre, sei es möglich, auf der anderen Seite auszusteigen. Selbst dann sei ein gefahrloses Be- und Entladen des Kofferraums für sie nicht möglich. Hinzu komme, dass Fahrzeuge von Verkehrsteilnehmern auf der Straße in der Form geparkt seien, dass man nur mittels Rangierens in ihre Einfahrt einfahren könne. Eine Nutzung der vorhandenen Garage komme nicht in Betracht. Diese sei so eng, dass wegen ihrer Schwerbehinderung ein Aussteigen aus dem Fahrzeug nicht möglich sei. Ein Parken vor der Garageneinfahrt nütze ihnen nichts. Denn sie seien derart schwer behindert, dass es für sie mit unzumutbarem Kraftaufwand verbunden sei, das Fahrzeug zunächst zu be- bzw. zu entladen, um es dann wieder in der Garageneinfahrt zu parken. Vor diesem Hintergrund bestehe ein Anspruch auf mindestens einen Schwerbehindertenparkplatz.
Die Beklagte legte den Widerspruch der Landrätin des Kreises Wesel mit Schreiben vom 23. Januar 2001 vor. Der Widerspruch ist bis heute unbeschieden.
Die Kläger haben am 20. August 2001 Klage erhoben. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend machen sie geltend: Die Klage sei nach § 75 VwGO zulässig. Sie sei auch begründet. Ihnen stehe gemäß § 45 Abs. 1 b) Satz 1 Nr. 2 StVO i.V.m. Nr. 8 der Verwaltungsvorschriften zu § 45 StVO ein Anspruch auf die Errichtung von Behindertenparkplätzen zu.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 8. November 2000 zu verpflichten, zwei ihnen zugewiesene Behindertenparkplätze vor dem Haus U.-straße 6 in E. zu errichten,
hilfsweise einen den Klägern zugewiesenen Parkplatz vor dem Haus U.-straße 6 in E. zu errichten,
hilfsweise, den Antrag der Kläger vom 4. April 2000 unter Beachtung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Für die Anordnung des begehrten Parksonderrechts sei erforderlich, dass ausreichender Parkraum nicht zur Verfügung stehe oder der Schwerbehinderte nicht in zumutbarer Entfernung eine Garage oder einen Abstellraum außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes besitze. Letzteres sei bei den Klägern anzunehmen. Ausgehend von ihren Angaben sei es ihnen zuzumuten, die 2,70 m breite Garageneinfahrt auf die Breite von Schwerbehindertenparkplätzen (grundsätzlich 3 m) zu verbreitern. Die Teilentfernung des neben der Garagenzufahrt befindlichen Blumenbeets sei mit wesentlich geringeren Belastungen für die Allgemeinheit verbunden als die Einrichtung von zwei Schwerbehindertenparkplätzen. Darüber hinaus sei zu erwägen, dass die Kläger ihre Garage im Wege des Umbaus seitlich vergrößerten. Gegebenenfalls sei zu erwägen, dass sie direkt vor ihrem Haus zum Gehweg hin einen Stellplatz einrichteten.
Durch auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2003 ergangenes, am 6. Februar 2003 verkündetes Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet. Die Kläger seien auf die in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehende Garage bzw. Abstellplätze außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums zu verweisen. Sie hätten in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass für das Abstellen ihrer beiden Personenkraftwagen weder Bäume gefällt noch umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt werden müssten. Abgesehen von der Garage sei jedenfalls eine Garagenzufahrt in einer (zumindest mit zumutbaren Mitteln zu schaffenden) ausreichenden Breite und Länge vorhanden. Diese erlaube es ihnen, beide Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück abzustellen. Die Beklagte habe als Straßenverkehrsbehörde in ihre Erwägungen auch den Gesichtspunkt einstellen dürfen, dass in dem von den Klägern bewohnten Bereich mit Blick auf die umliegende Bebauung sowie die Art der Grundstücksnutzung erheblicher "Parkdruck" bestehe. Vor diesem Hintergrund scheide auch ein Anspruch auf Errichtung nur eines den Klägern zugewiesenen Schwerbehindertenparkplatzes vor ihrem Grundstück aus. Der Antrag auf Neubescheidung bleibe erfolglos, da die ablehnenden Bescheide der Beklagten keine Ermessensfehler i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO aufwiesen. Unter Ermessensgesichtspunkten begegne es keinen Bedenken, wenn die Abwägung der klägerischen Interessen mit denen der Allgemeinheit sowie anderer Betroffener zu dem Ergebnis geführt habe, vor dem klägerischen Grundstück keinen Schwerbehindertenparkplatz einzurichten.
Auf den am 24. März 2003 gestellten Antrag der Kläger hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 zugelassen.
Die Kläger führen zur Begründung ihrer Berufung aus: Zur Herstellung von Parkmöglichkeiten auf ihrem Grundstück müssten umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt werden. Hierzu zähle u.a. das Fällen von sieben an der Seite zum Grundstück I.-straße 110 stehenden Zypressen und einer vor ihrem Haus stehenden etwa 20 Jahre alten Edeltanne. Ausweislich zweier Kostenvoranschläge seien für entsprechende Baumaßnahmen zwischen vier- und sechseinhalbtausend Euro aufzuwenden. Denn der gesamte Vorgarten müsse entfernt und das Niveau angepasst werden. Die vorhandene Einfahrt sei für ein ordnungsgemäßes Befahren ungenügend. Das Interesse des öffentlichen Straßenverkehrs überwiege ihr Interesse an der Errichtung der Schwerbehindertenparkplätze nicht. Trotz der gegenüber liegenden großen Zahnarztpraxis fänden sich in unmittelbarer Nähe keine Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte. Die Beklagte habe in der Kirchstraße einen Schwerbehindertenparkplatz - wohl nur auf Wunsch eines einzelnen Bürgers - eingerichtet. Dessen Nutzung sei ihnen wegen zu großer Entfernung nicht zumutbar.
In dem vom Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermin am 5. Mai 2004 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf hingewiesen, es gebe Absichten, auf Dauer wieder ein zweites Fahrzeug zu erwerben. Da derzeit nur ein Wagen vorhanden sei, werde mit der Berufung die Einrichtung lediglich eines (für die Kläger bestimmten) Schwerbehindertenparkplatzes vor dem klägerischen Grundstück auf der Straße erstrebt.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Februar 2003 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 8. November 2000 zu verpflichten, einen ihnen zugewiesenen Schwerbehindertenparkplatz vor dem Haus U.-straße 6 in E. einzurichten,
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung vorerwähnter Bescheide zu verpflichten, einen allgemeinen Schwerbehindertenparkplatz vor dem Haus U.-straße 6 in E. einzurichten.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend trägt sie vor, die in ihrem Stadtgebiet eingerichteten Schwerbehindertenparkplätze wiesen je nach den örtlichen und baulichen Voraussetzungen eine Breite zwischen 1,95 und 3,70 m auf. Die von den Klägern eingereichten Kostenvoranschläge überstiegen das Maß des Erforderlichen. Im Übrigen sei die Gewährung eines Parksonderrechts für einen Einzelnen mit den Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Innerstädtischer Parkraum könne nicht beliebig vermehrt werden. Im Interesse aller Verkehrsteilnehmer müsse an deren Gleichbehandlung möglichst festgehalten werden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Hinsichtlich des vom Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermins wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Das Berufungsverfahren ist einzustellen, soweit es den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Einrichtung eines zweiten (für sie bestimmten) Schwerbehindertenparkplatzes betrifft, vgl. § 126 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 VwGO. Denn die vom Prozessbevollmächtigten der Kläger im Erörterungstermin vom 5. Mai 2004 abgegebene Erklärung, Klageziel sei die Einrichtung eines (für die Kläger bestimmten) Schwerbehindertenparkplatzes, ist als teilweise Rücknahme der Berufung zu werten.
Im Übrigen ist die vom Senat zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung der Kläger unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit über sie nicht rechtskräftig entschieden ist, zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Einrichtung eines für sie bestimmten Schwerbehindertenparkplatzes vor ihrem Grundstück noch können sie die Kennzeichnung eines allgemeinen, dort angeordneten Schwerbehindertenparkplatzes beanspruchen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie besitzen auch keinen - vom Klagebegehren umfassten - Anspruch auf Neubescheidung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Als Grundlage für dieses Begehren kommt allein § 45 Abs. 1 b) Satz 1 Nr. 2 StVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift, zu der § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG ermächtigt, treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde. § 45 Abs. 1 b) Satz 1 Nr. 2 StVO begünstigt mit der Benennung von Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinden jeweils hinreichend abgrenzbare Personenkreise. Ihnen wird die Begünstigung auch nicht allein als Rechtsreflex zuteil. Der Zweck der verordnungsrechtlichen Ermächtigungsregelung besteht in der Versorgung vorerwähnten Personenkreises mit ausreichendem Parkraum. Allerdings kommt ein Anspruch auf Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ausnahmsweise eine Reduzierung des verkehrsbehördlichen Regelungsermessens auf Null gegeben ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1988 - 7 B 128.88 -, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 18; Senatsurteil vom 18. März 1996 - 25 A 3355/95 -, NZV 1997, 132; Nds. OVG, Urteil vom 14. April 1988 - 12 OVG A 269/85 -.
Dahinstehen kann, in welchen Fallgestaltungen eine derartige Ermessensreduzierung bei der Kennzeichnung von Schwerbehindertenparkplätzen denkbar ist. Jedenfalls ist das Ermessen der Beklagten hier angesichts der konkreten örtlichen Situation unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Regelung nicht im erwähnten Sinne reduziert. Sie hat den Antrag der Kläger ermessensfehlerfrei abgelehnt.
Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob die Beklagte die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten hat und ob sie von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Hiervon ausgehend leidet die Entscheidung der Beklagten, keinen (besonderen) Schwerbehindertenparkplatz vor dem klägerischen Haus, U.-straße 6 in E. , einzurichten, nicht an Ermessensfehlern. Insbesondere hat die Beklagte von ihrem Ermessen nicht deshalb in einer dem Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, § 45 Abs. 1 b) Satz 1 Nr. 2 StVO widersprechenden Weise Gebrauch gemacht (Ermessensfehlgebrauch), weil sie die Kläger auf eine auf ihrem Grundstück bestehende bzw. in zumutbarer Weise einzurichtende Parkmöglichkeit verwiesen hat.
Mit der Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG durch das Änderungsgesetz vom 6. April 1980 (BGBl. I S. 413) und des § 45 Abs. 1 b) Satz 1 Nr. 2 StVO durch die Änderungsverordnung vom 21. Juli 1980 (BGBl. I, S. 1060) verfolgte der Normgeber ausweislich der amtlichen Begründung zu diesen Regelungen das Ziel, den entwürdigenden Zustand zu beenden, dass u.a. Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung unzumutbar weite Wege gehen oder gar getragen werden müssen.
Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, BT-Drucksache 8/3150, S. 9, sowie die Begründung zur Verordnung der Änderung der Straßenverkehrsordnung vom 21. Juli 1980, Verkehrsblatt 1980, 514 (518).
In der amtlichen Begründung heißt es weiter u.a.:
"Bevor einem Schwerbehinderten Parkvorrechte eingeräumt werden, wird zu prüfen sein, ob er die persönlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung erfüllt: Er muss außergewöhnlich gehbehindert und wegen dieser Gehbehinderung darauf angewiesen sein, sein Kraftfahrzeug in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung oder seiner Arbeitsstätte zur Verfügung haben. Es muss für ihn unzumutbar sein, längere Wege zu diesem Zweck zu Fuß zurückzulegen. Lassen die allgemeinen Verkehrsverhältnisse die Reservierung von Parkraum nicht zu, muss nach einer anderen Lösung gesucht werden, die die Belange des Schwerbehinderten berücksichtigt. Gleiches gilt für den Blinden.
Eine solche Sonderregelung wird generell dann nicht in Betracht kommen, wenn es sich um eine Straße handelt, auf der wegen starken Verkehrs z.B. ein absolutes Halteverbot (Zeichen 283) angeordnet wurde und eine Parksonderregelung daher den übrigen Verkehr behindert oder gar gefährden würde. Auch wird z.B. kein Bedürfnis für derartige Parkvorrechte zu bejahen sein, wenn auf eigenem Grund und Boden Parkmöglichkeiten bestehen oder in zumutbarer Weise geschaffen werden können oder sonst ausreichender Parkraum in unmittelbarer Nähe bzw. der Arbeitsstätte des Schwerbehinderten oder Blinden vorhanden ist."
In Würdigung der Entstehungsgeschichte bezweckt die rechtliche Regelung, u.a. außergewöhnlich Gehbehinderte zu begünstigen, soweit für sie eine Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird. Andererseits sind die allgemeinen örtlichen Verkehrsverhältnisse zu berücksichtigen. Der übrige Verkehr soll weder behindert noch gefährdet werden.
Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 14. April 1988 - 12 OVG A 269/85 -.
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (vom 22. Oktober 1998, Bundesanzeiger Nr. 246 b vom 31. Dezember 1998, ber. 1999 S. 947, geändert durch Erlass vom 26. Januar 2001, Bundesanzeiger Nr. 21 S. 1419, und vom 18. Dezember 2001, Bundesanzeiger Nr. 242 S. 25 513; - VwV-StVO -), die das Ermessen im Sinne einer bundeseinheitlichen gleichmäßigen, am Gesetzeszweck orientierten Anwendung steuert,
vgl. Senatsurteil vom 14. März 2000 - 8 A 5467/98 -, VRS 99, 316 (318),
zielt in die gleiche Richtung. In Nummer IX. der VwV-StVO heißt es:
"1. a) Parkplätze, die allgemein dem erwähnten Personenkreis zur Verfügung stehen, kommen, ggf. mit zeitlicher Beschränkung, insbesondere dort in Betracht, wo der erwähnte Personenkreis besonders häufig auf einen derartigen Parkplatz angewiesen ist, z.B. in der Nähe von Behörden, Krankenhäusern, Orthopädischen Kliniken.
...
2. a) Parkplätze für bestimmte Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde, z.B. vor der Wohnung oder in der Nähe der Arbeitsstätte, setzen eine Prüfung voraus, ob
- ein Parksonderrecht erforderlich ist. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn Parkraummangel nicht besteht oder der Schwerbehinderte in zumutbarer Entfernung eine Garage oder einen Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes hat,
- ein Parksonderrecht vertretbar ist. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn ein Halteverbote (Zeichen 283) angeordnet wurde, - ein zeitlich beschränktes Parksonderrecht genügt."
Vgl. auch die insoweit inhaltsgleiche frühere Nummer VIII der VwV-StVO, Verkehrsblatt 1980, 520 (521 f.).
Ausgehend hiervon ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Prüfung der Erforderlichkeit eines Parksonderrechts für die Kläger zu dem Ergebnis gekommen ist, dass diese ihr eigenes Grundstück zu Parkzwecken in Anspruch nehmen können. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Kläger ihr derzeitiges Fahrzeug, einen Kleinwagen (Renault Clio, 2türig mit Schaltgetriebe ohne besondere behindertengerechte Ausstattung), in ihrer Garage, zumindest aber auf der Garagenzufahrt ihres Grundstücks abstellen können. Dies ergibt sich aus der Würdigung der zahlreichen in den Gerichtsakten befindlichen Lichtbildaufnahmen, die den maßgeblichen Bereich erkennen lassen, sowie mit Blick auf die vom Berichterstatter im Rahmen des Erörterungstermins getroffenen Feststellungen bezüglich der Maße der Garagenzufahrt auf dem klägerischen Grundstück.
Die Kläger können ihren Wagen auch unter Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderungen in ihrer Garage abstellen. Denn diese ist an den Innenwänden 3 m breit. Sie liegt damit oberhalb des Mittelbereichs der Breiten, die Schwerbehindertenparkplätze im Stadtbereich der Beklagten nach deren Angaben aufweisen (1,95 m bis 3,70 m).
Unabhängig hiervon ergibt sich nichts für die Kläger Günstigeres, wenn man lediglich ihre Garagenzufahrt in den Blick nimmt. Denn diese ist schon jetzt 2,42 m breit. Das pauschal gebliebenes Vorbringen der Kläger, diese Breite reiche für ein gefahrloses Be- und Entladen des Kofferraums bzw. Ein- und Aussteigen durch sie nicht aus, erscheint mit Blick auf die Breite ihres derzeitigen Fahrzeugs von 1,639 m als reine Schutzbehauptung. Es bleiben - vorausgesetzt, der Wagen wird am Rand der Zufahrt abgestellt - mithin noch zwischen 70 und 80 cm zum Ein- und Aussteigen. Bei dieser Beurteilung darf nicht außer Betracht bleiben, dass derzeit lediglich die Klägerin auf die (zeitweilige) Verwendung einer Gehhilfe angewiesen ist.
Selbst wenn man auch ohne Vorlage fachärztlicher Bescheinigungen zu Gunsten der Kläger davon ausgeht, dass die derzeitige Breite der Grundstückseinfahrt nicht ausreicht, um ihnen ein vergleichsweise unbeschwerliches Aufsuchen und Verlassen bzw. Be- und Entladen des dort abgestellten Fahrzeugs zu ermöglichen, ergibt sich für die Erforderlichkeit eines Parksonderrechts keine abweichende Beurteilung. Die dann als erforderlich anzusehende - von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren zulässiger Weise noch eingeführte (vgl. § 114 Satz 2 VwGO, § 45 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) - Verbreiterung der Garagenzufahrt im Bereich zumindest zwischen Gartentor und Beginn der Haustreppe setzt zumutbarer Weise lediglich die Inanspruchnahme eines Teils des dort befindlichen Gartenbeets unter Verlegung von - mit den bisherigen vergleichbaren - Betonplatten voraus. Dass dies einen für die Kläger übermäßigen Kostenaufwand nach sich zöge, vermag der Senat nicht anzunehmen, weil lediglich eine kleine Fläche verändert werden müsste. Die eingereichten Kostenvoranschläge besitzen in diesem Zusammenhang keine Aussagekraft. Sie beinhalten über die vorerwähnten, als vergleichsweise geringfügig zu erachtenden Umbaumaßnahmen hinausgehende Aufwendungen für die Umgestaltung eines Großteils ihres Vorgartens.
Durfte mithin die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass kein Bedürfnis für ein Parkvorrecht zugunsten der Kläger besteht, so scheidet der geltend gemachte Anspruch sowohl bezüglich eines für sie bestimmten als auch hinsichtlich eines allgemeinen Schwerbehindertenparkplatzes vor ihrem Haus in E. aus.
Nach alledem kommt ein vom Klagebegehren umfasster Anspruch auf Neubescheidung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2, 126 Abs. 3 Satz 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.