Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 27.10.1993 - IV ZR 33/93 - Zum Forderungsübergang von Schadensersatzansprüchen gegen Familienangehörige des Versicherungsnehmers in der privaten Schadensversicherung

BGH v. 27.10.1993: Zum Forderungsübergang von Schadensersatzansprüchen gegen Familienangehörige des Versicherungsnehmers in der privaten Schadensversicherung


Der BGH (Urteil vom 27.10.1993 - IV ZR 33/93) hat entschieden:
Bei der sogenannten Einmann-GmbH, bei der sich alle Geschäftsanteile in einer Hand befinden, ist stets zwischen der Gesellschaft als selbständigem Rechtssubjekt und deren Eigentum einerseits und dem Gesellschafter und dessen Eigentum andererseits zu unterscheiden. Die Konzentration der Geschäftsanteile in einer Hand lässt die rechtliche Zuordnung des Eigentums unberührt. Deshalb kommt dem Alleingesellschafter ein Eigentümerinteresse an der versicherten Sache nicht zu. Daher ist der Übergang des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende Tochter auf die Versicherung auch nicht gemäß § 67 Abs. 2 VVG ausgeschlossen.


Siehe auch Das Familienprivileg im privaten Versicherungs- und im Sozialrecht - Haftungsausschluss im Familien- und Partnerschaftsverband und in eheähnlichen Lebensgemeinschaften und Forderungsübergang in der privaten Versicherung


Tatbestand:

Die Z. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Vater der Beklagten ist, hat bei der Klägerin für einen ihr gehörenden Personenkraftwagen eine Fahrzeugversicherung genommen. Die Beklagte, die mit ihrem Vater in häuslicher Gemeinschaft lebt, verursachte am 21. März 1990 mit diesem Fahrzeug einen Verkehrsunfall, bei dem an dem Wagen erheblicher Sachschaden entstand.

Zum Ausgleich des Fahrzeugschadens bezahlte die Klägerin an die Z. GmbH - unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung - 28.746,59 DM. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht nach § 67 Abs. 1 VVG auf Zahlung dieses Betrages sowie ihr vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten in Höhe von 72 DM in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klaganspruch weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat im wesentlichen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, so dass der Geltendmachung eines auf den Versicherer gemäß § 67 Abs. 1 VVG übergegangenen Ersatzanspruchs nicht schon § 15 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) entgegenstehe. Auf die Klägerin sei indessen ein Ersatzanspruch nicht übergegangen; ein solcher Forderungsübergang sei vielmehr im vorliegenden Falle gemäß § 67 Abs. 2 VVG ausgeschlossen. Die Beklagte lebe mit ihrem Vater in häuslicher Gemeinschaft und dieser sei - als Alleingesellschafter der GmbH - nicht "Dritter" im Sinne des § 67 Abs. 1 VVG, sondern in der von der Gesellschaft genommenen Fahrzeugversicherung mitversicherte Person. Dazu führt das Berufungsgericht aus: Bei einer Einmann-GmbH stelle sich das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich als ein Sondervermögen des Alleingesellschafters dar. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH, wenn er in seinen Rechten verletzt wird und dadurch der Gesellschaft ein Vermögensnachteil entsteht, diesen grundsätzlich als eigenen Schaden geltend machen könne. Insoweit erscheine eine solche Gesellschaft schadensrechtlich praktisch als ein in besonderer Form verwalteter Teil des Vermögens des Alleingesellschafters. Da die Fahrzeugversicherung dazu diene, Vermögenswerte der Gesellschaft, die Versicherungsnehmer sei, zu erhalten, würden durch die Versicherung gleichzeitig auch die Vermögenswerte des Alleingesellschafters geschützt. Der wirtschaftlichen Verflechtung der Gesellschaft mit dem alleinigen Gesellschafter werde daher eine Betrachtungsweise nicht gerecht, die allein auf die Verschiedenheit der Rechtssubjekte abstelle und das mit dem Abschluss der Versicherung verfolgte wirtschaftliche Ziel außer acht lasse. Da sich das Eigentümerinteresse des Alleingesellschafters im Abschluss der Versicherung manifestiere, sei der Gesellschafter nicht "Dritter", sondern mitversicherte Person.


II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

1. Allerdings ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt, die Beklagte habe den Versicherungsfall nicht bedingt vorsätzlich, vielmehr grob fahrlässig handelnd herbeigeführt. Sie wird von den getroffenen Feststellungen getragen; auch die Revision greift sie nicht an.

Als im Ansatz rechtlich zutreffend erweist es sich auch, dass ein Übergang des Ersatzanspruchs auf die Klägerin gemäß § 67 Abs. 2 VVG dann ausgeschlossen ist, wenn dem Vater der Beklagten, mit dem diese in häuslicher Gemeinschaft lebt, die Rechtsstellung eines Versicherten in der von der Gesellschaft genommenen Fahrzeugversicherung zukommt. Denn § 67 Abs. 2 VVG schließt den Forderungsübergang für die Ersatzansprüche des Versicherungsnehmers und des Versicherten gegen die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen aus. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer - das gleiche gilt auch für den Versicherten - durch einen Rückgriff gegen einen in seiner häuslichen Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen selbst in Mitleidenschaft gezogen wird (BGHZ 30, 40, 45; BGH, Urteil vom 9. März 1964 - II ZR 216/61 - VersR 1964, 479).

2. Als rechtsfehlerhaft erweist sich jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, dem Vater der Beklagten komme als Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin - der GmbH - die Rechtsstellung eines in der Fahrzeugversicherung (Mit-)Versicherten zu.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes deckt die Fahrzeugversicherung als reine Sachversicherung nach den §§ 12ff. AKB regelmäßig nur das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung der Sache. Nicht versichert ist dagegen ein Sachersatzinteresse des nutzungsberechtigten Nichteigentümers, also dessen Interesse daran, nicht aufgrund seiner Haftung gegenüber dem Eigentümer wegen Beschädigung oder Verlustes der Sache in Anspruch genommen zu werden. Denn bei Einbeziehung dieses Haftpflichtrisikos würde die Fahrzeugversicherung zu einer Haftpflichtversicherung (BGHZ 22, 109, 114; 30, 40, 43; 43, 295, 297; 116, 278, 283f.; Senatsurteil vom 23. Januar 1991 - IV ZR 284/89 - VersR 1991, 462).

b) Der Senat hat diesen Grundsatz auch für andere Sachversicherungen bestätigt. Sowohl für die Leitungswasserversicherung (Urteil vom 23. Januar 1991 - IV ZR 284/89 - aaO) als auch für die Gebäudefeuerversicherung (Beschluss vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 259/91 - VersR 1992, 311) hat er entschieden, in eine reine Sachversicherung könne ein Sachersatzinteresse des Mieters, bestehend in seinem Haftpflichtrisiko, nicht einbezogen werden.

3. Daraus ergibt sich für den folgenden Fall:

a) Die GmbH ist eine juristische Person des Privatrechts; sie hat als solche selbständig ihre Rechte und Pflichten (§ 13 Abs. 1 GmbHG). Eigentum der Gesellschaft ist deshalb nicht Eigentum der Gesellschafter, auch nicht des Alleingesellschafters. Die von der Gesellschaft für das in ihrem Eigentum stehende Fahrzeug genommene Fahrzeugversicherung deckt somit deren Eigentümerinteresse an der Erhaltung des Fahrzeugs. Dagegen ist ein solches Eigentümerinteresse in der Person eines Gesellschafters nicht gegeben; er stellt sich insoweit - wie andere zur Nutzung des Fahrzeugs berechtigte Nichteigentümer - gegenüber der Gesellschaft als Dritter dar. Dadurch unterscheidet sich seine Rechtsstellung von derjenigen eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft, dem ein Eigentümerinteresse an der Erhaltung der im Gesamthandseigentum stehenden Sachen zukommt (BGH, Urteil vom 9. März 1964 - II ZR 216/61 - aaO). Das Interesse des Gesellschafters einer GmbH an der versicherten Sache kann demgemäß nur darin bestehen, bei deren Verlust oder Beschädigung von der Gesellschaft als Eigentümer nicht in Anspruch genommen zu werden, also im Sachersatzinteresse. Dieses aber kann in die Fahrzeugversicherung nicht einbezogen werden. Der Gesellschafter einer GmbH ist damit nicht Versicherter, also Dritter im Sinne des § 67 Abs. 1 VVG (Bruck-Möller-Sieg, VVG 8. Aufl. § 67 Anm. 43; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 15. Aufl., nach § 13 AKB Rdn. 6).

b) Der Umstand, dass der Vater der Beklagten geschäftsführender Alleingesellschafter der GmbH ist, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht.

Auch bei der sogenannten Einmann-GmbH, bei der sich alle Geschäftsanteile in einer Hand befinden, ist stets zwischen der Gesellschaft als selbständigem Rechtssubjekt und deren Eigentum einerseits und dem Gesellschafter und dessen Eigentum andererseits zu unterscheiden. Die Konzentration der Geschäftsanteile in einer Hand lässt die rechtliche Zuordnung des Eigentums unberührt. Deshalb kommt dem Alleingesellschafter ein Eigentümerinteresse an der versicherten Sache nicht zu. Das ist die Folge der von ihm herbeigeführten Trennung zwischen seinem Vermögen und dem der Gesellschaft. Sie kann durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht aufgehoben werden. Zwar trifft es zu, dass sich in besonderen Fällen jedenfalls für die schadensrechtliche Beurteilung die Einmanngesellschaft praktisch als ein in besonderer Form verwalteter Teil des dem Alleingesellschafter gehörenden Vermögens darstellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1988 - III ZR 143/87 - NJW-RR 1989, 684). Mit diesen Erwägungen trägt die Rechtsprechung zwar den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung, ohne jedoch die rechtliche Verschiedenheit von GmbH und ihrem Alleingesellschafter in Frage zu stellen (Gribbohm, ZGR 1990, 1, 12). Auf eine solche schadensrechtliche Beurteilung kommt es hier jedoch nicht an. Denn in der Fahrzeugversicherung ist das Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers versichert, versicherungsrechtlicher Anknüpfungspunkt also das Eigentum an der versicherten Sache.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt diese rechtliche Einordnung auch nicht dazu, dass der Alleingesellschafter einer GmbH - bewirkt er selbst den Eintritt des Versicherungsfalles - bei Leistung des Versicherers an die Gesellschaft stets dem Rückgriff des Versicherers ausgesetzt wäre. Handelt er selbst weder grob fahrlässig noch vorsätzlich, greift auch zu seinen Gunsten die Vorschrift des § 15 Abs. 2 AKB ein.

Kommt dem Vater der Beklagten mithin die Rechtsstellung eines in der von der Gesellschaft genommenen Fahrzeugversicherung (Mit-)Versicherten nicht zu, ist der Übergang des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen die Beklagte auf die Klägerin auch nicht gemäß § 67 Abs. 2 VVG ausgeschlossen.

Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben; da die Sache jedoch zur Entscheidung reif ist, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO).

4. Die Höhe der Klagforderung ist unstreitig, soweit die Klägerin auf den Fahrzeugschaden unter Abzug der Selbstbeteiligung einen Betrag von 28.746,59 DM geleistet hat. Soweit die Klägerin daneben Anwaltskosten in Höhe von 72 DM geltend gemacht hat, die ihr nach ihrem Vortrag für die Beschaffung eines Auszugs aus den Ermittlungsakten entstanden sind, handelt es sich um Kosten des Kasko-Versicherers, die nicht vom Rechtsübergang erfasst werden (vgl. Stiefel/Hofmann, aaO, nach § 13 Rdn. 41 m.w.N.). Vorgerichtliche Kosten von 6 DM hat die Beklagte bestritten; die Klägerin hat insoweit Beweis nicht angetreten. Die Klagforderung ist daher lediglich in Höhe eines Betrages von 28.746,59 DM begründet.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch ab Zustellung des Mahnbescheides folgt aus §§ 284, 288 BGB. Das Schreiben der Klägerin vom 10. August 1990 erfüllt weder die Voraussetzungen des § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB, noch ist ihm - da die Beklagte darin lediglich um Mitteilung gebeten wird, wie sie sich die Rückzahlung vorstelle - eine unbedingte Zahlungsaufforderung zu entnehmen. Einen weitergehenden Verzugsschaden hat die Klägerin trotz Bestreitens der Beklagten nicht nachgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.