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BGH Urteil vom 29.01.2002 - VI ZR 230/01 - Zur Beendigung der Verjährungshemmung durch eine Vergleichs- und Abfindungserklärung

BGH v. 29.01.2002: Zur Beendigung der Verjährungshemmung durch eine Vergleichs- und Abfindungserklärung


Der BGH (Urteil vom 29.01.2002 - VI ZR 230/01) hat entschieden:
Ein Abfindungsvergleich, in dem eindeutig die Einstellung des Kfz-Haftpflichtversicherers zum Ausdruck kommt, dass die Schadensregulierung endgültig abgeschlossen ist, beendet die Hemmung der Verjährung gemäß PflVG § 3 Nr 3 S 3 auch für die in diesem Vergleich vorbehaltenen Ansprüche auf Ersatz erst in der Zukunft möglicher materieller Schäden, soweit diese von der Anspruchsanmeldung umfasst sind.


Siehe auch Abfindungsvergleich und Verjährung der Schadensersatzansprüche und Stichwörter zum Thema Personenschaden


Tatbestand:

Am 17. März 1987 verursachte der Versicherungsnehmer der Beklagten einen Verkehrsunfall. Dabei wurde der Kläger als Beifahrer verletzt. Die volle Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Parteien streiten jedoch darum, ob die Ansprüche des Klägers verjährt sind.

Nach einem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust des Klägers Anfang Juli 1988 stellte der Neurologe und Psychiater O. in einer gutachtlichen Äußerung fest, nach dem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma sei noch nach Jahren mit einem Anfallsleiden zu rechnen. Dieses Gutachten erhielt die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers am 28. April 1989. Mit Schreiben vom 3. Juni 1993 regte sie gegenüber der Beklagten einen Abfindungsvergleich an. Nach weiteren Verhandlungen über mögliche künftige Gesundheitsprobleme aus einem unfallbedingten Hüftschaden unterzeichnete der Kläger am 12. August 1993 einen Vordruck der Beklagten "Vergleich und Abfindungserklärung". Er erklärte sich mit der Zahlung von weiteren 49.729,40 DM "wegen aller Ersatzansprüche aus dem Unfall, auch hinsichtlich etwaiger unvorhersehbarer Schäden, die sich künftig ergeben sollten", für abgefunden. Handschriftlich wurde auf seinen Wunsch eingefügt: "Der materielle Zukunftsschaden bleibt von diesem Vergleich ausgeschlossen, soweit hierfür keine Sozialversicherungsträger eintreten". Ferner heißt es in dem Formular, die Zahlung des Abfindungsbetrags bedeute kein Anerkenntnis der Haftung.

Mit Schreiben seiner Anwälte vom 5. März 1997 begehrte der Kläger weiteren materiellen Schadensersatz. Die Beklagte lehnte Zahlungen unter Hinweis auf die Abfindungserklärung und die Verjährungsfrist von 10 Jahren gemäß § 3 Nr. 3 PflVG mit Schreiben vom 25. März 1997 und 9. März 1999 ab.

Am 8. November 1999 kollabierte der Kläger und war für einige Minuten bewusstlos. Die behandelnden Ärzte gingen vom dringenden Verdacht einer unfallbedingten Epilepsie aus. Mit Anwaltsschreiben vom 3. Februar 2000 forderte der Kläger die Beklagte erneut zu der Erklärung auf, dass seine Ansprüche nicht verjährt seien. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 14. Februar 2000 ab. Mit Schriftsatz vom 29. Februar 2000 erhob der Kläger Klage auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von mindestens 10.000 DM; er begehrte ferner die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, den künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien.

Das Landgericht hat die Beklagte für verpflichtet gehalten, dem Kläger den künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch den Unfall vom 17. März 1987 entstehe, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sei. Im übrigen hat es die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und auf Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten für den immateriellen Zukunftsschaden abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Zurückweisung der Berufung der Beklagten weiter.


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Ersatz weiterer materieller Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 17. März 1987 sei verjährt (§§ 3 Nr. 3 Satz 1 PflVG, 14 StVG, 852 BGB). Zwar seien Schadensersatzansprüche aus möglichen neurologischen Spätfolgen eines Schädel-Hirn-Traumas gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG mit angemahnt und damit Gegenstand der Abfindungsvereinbarung gewesen. Der Vorbehalt im Abfindungsvergleich bedeute jedoch keine konkludente Befreiung der Beklagten von der Verjährungseinrede. Anhaltspunkte für einen Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung fehlten. Der Abfindungsvergleich enthalte auch kein konstitutives Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB. Er beinhalte ferner keinen Vertrag eigener Art, der wie ein Feststellungsurteil mit einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren (§ 218 Abs. 1 Satz 1 BGB) wirke. Die Auslegung des Vorbehalts ergebe lediglich, dass künftige materielle Ansprüche von der Abfindung nicht erfasst sein sollten. Der Kläger sei gehalten gewesen, auf ein eindeutiges Anerkenntnis der Beklagten hinzuwirken oder Feststellungsklage zu erheben.

Der Abfindungsvergleich vom 12. August 1993 habe die Verjährungshemmung beendet. Die Verjährungsfrist sei mit Zahlung des Vergleichsbetrages spätestens Ende September 1993 erneut in Lauf gesetzt worden. Mit Ablauf des Septembers 1996 sei daher die Verjährungsfrist abgelaufen. Der Kläger habe jedoch erstmals mit Schreiben vom 5. März 1997 weitere Ansprüche geltend gemacht.


II.

Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Prüfung stand. Der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer verjährt wie der Anspruch gegen den Schädiger in drei Jahren (§ 3 Nr. 3 Satz 1 PflVG; § 14 StVG; § 852 Abs. 1 BGB a.F.; vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB in der Fassung Art. 2 Nr. 2 lit. b Gesetz vom 26. November 2001 - BGBl I 3138) ab dem Zeitpunkt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt (vgl. BGHZ 117, 287, 292). Eine dreißigjährige Verjährungsfrist kommt hier nicht in Betracht. Die Beklagte hat weder ein schuldumschaffendes (konstitutives) Anerkenntnis gemäß § 781 BGB (§ 195 BGB a.F.) noch ein titelersetzendes Anerkenntnis (§ 218 Abs. 1 BGB a.F. entsprechend) abgegeben (vgl. hierzu Senatsurteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 253/91 - VersR 1992, 1091), die zu einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren hätten führen können (s.u. 1 und 2). Die Beklagte kann sich, ohne gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, auf die Verjährung berufen (3). Der Lauf der Verjährungsfrist war auch nicht in ausreichendem Maße gehemmt (§ 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG; s.u. 4).

1. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines schuldumschaffenden Anerkenntnisses (§ 781 BGB) ohne Rechtsfehler verneint.

a) Die Auslegung des Abfindungsvergleichs ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer acht gelassen worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 21. September 2001 - V ZR 14/01 - zur Veröffentlichung bestimmt; vom 27. Juni 2001 - VIII ZR 235/00 - NJW 2001, 3775, 3776; vom 14. Juni 2000 - VIII ZR 73/99 - NJW 2000, 3130, 3132; vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663, 2664). Die Auslegung hat vom Wortlaut auszugehen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1992 - I ZR 186/90 - NJW 1993, 721, 722 f. und vom 18. Mai 1998 - II ZR 19/97 - NJW 1998, 2966), wobei jedoch der wirkliche Wille der Vertragschließenden zu erforschen ist. Die Auslegung hat den Interessen der Parteien gerecht zu werden (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1998 - X ZR 116/97 - NJW 1999, 418, 420).

b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Dem Vorbehalt ist weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck ein schuldumschaffendes Anerkenntnis zu entnehmen. Zweck des Vorbehalts war, den materiellen Zukunftsschaden von dem Verzicht des Klägers auf den Abfindungsbetrag übersteigende Ansprüche auszunehmen. Diese Auslegung des Abfindungsvergleichs begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken. Der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 131, 136, 138; 137, 69, 72; BGH, Urteile vom 7. November 2001 - VIII ZR 213/00 - zur Veröffentlichung bestimmt; vom 21. September 2001 - V ZR 14/01 - aaO; vom 31. Oktober 1995 - XI ZR 6/95 - NJW 1996, 248) ist entgegen der Ansicht der Revision nicht verletzt. Die Regulierung der (vorhersehbaren) immateriellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft sowie der materiellen Schäden für die Vergangenheit unter Vorbehalt der zukünftigen materiellen Schäden führte zur Beendigung des Streits der Parteien. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Parteien für die materiellen Zukunftsschäden eine von dem zugrundeliegenden Haftungsgrund losgelöste selbständige Rechtsgrundlage hätten schaffen wollen (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 253/91 - aaO). Feststellungen des Berufungsgerichts oder Vortrag der Revision dazu, die Schadensersatzpflicht der Beklagten sei streitig gewesen, fehlen. Dann aber bedurfte es nicht der Schaffung einer selbständigen Anspruchsgrundlage (vgl. Senatsurteil vom 6. März 1990 - VI ZR 44/89 - VersR 1990, 755). Die Erklärung des Haftpflichtversicherers, er erkenne die Ansprüche des Geschädigten an, ist nur als schuldbestätigend (deklaratorisch) anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 28. September 1965 - VI ZR 88/64 - VersR 1965, 1153, 1154).

Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung auch berücksichtigt, dass der Kläger möglicherweise von der Vorstellung geleitet worden ist, die Beklagte habe mit der Annahme des Vorbehalts zugleich einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt; es hat indessen mit Recht zugrundegelegt, dass die Interessenlage des Geschädigten bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung allein nicht maßgebend ist (vgl. Senatsurteile vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 318/97 - VersR 1999, 382, 383 f. und vom 26. Mai 1992 - VI ZR 253/91 - aaO). Der Kläger war zwar bei Abschluss des Abfindungsvergleichs anwaltlich beraten; auch hat er im Berufungsrechtszug unwidersprochen vorgetragen, die Beklagte habe seinen Wunsch nach einer langfristigen Absicherung gekannt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Parteien einen schuldumschaffenden Anerkenntnisvertrag mit der Folge einer dreißigjährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB a.F.) abgeschlossen haben. Den Parteien war die Problematik bekannt, wie die Erklärung des Klägers zeigt, die Zahlung des Abfindungsbetrages bedeute kein Anerkenntnis der Haftung. Es hätte deshalb konkreter Anhaltspunkte bedurft, um eine Verselbständigung der zwischen den Parteien nicht umstrittenen Einstandspflicht der Beklagten durch Schuldumschaffung nahezulegen. Der Kläger war nicht schutzbedürftig. Er konnte auf eine deutliche Erklärung der Beklagten zur Verjährung seiner Ansprüche auf Ersatz zukünftiger materieller Schäden hinwirken oder Feststellungsklage erheben (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2001 - VI ZR 381/99 - VersR 2001, 874, 875).

2. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht in dem Abfindungsvergleich vom 12. August 1993 kein titelersetzendes Anerkenntnis gesehen hat.

Ein titelersetzendes Anerkenntnis ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats anzunehmen, wenn der Schädiger oder sein Haftpflichtversicherer den Geschädigten klaglos stellen (vgl. Senatsurteile vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 318/97 - VersR 1999, 382, 383; vom 26. Mai 1992 - VI ZR 253/91 - VersR 1992, 1091, 1092; vom 4. Februar 1986 - VI ZR 82/85 - VersR 1986, 684, 685; vom 23. Oktober 1984 - VI ZR 30/83 - VersR 1985, 62, 63; vom 8. Mai 1979 - VI ZR 207/77 - VersR 1979, 646, 648; vom 2. Dezember 1966 - VI ZR 10/65 - VersR 1967, 181, 182). Das hat das Berufungsgericht hier ohne Rechtsfehler verneint.

a) Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte habe ohne Abgabe einer die Verjährung langfristig hinausschiebenden Erklärung eine Feststellungsklage des Klägers hinsichtlich des materiellen Zukunftsschadens konkret zu erwarten gehabt, zeigt die Revision nicht auf. Dass der Kläger bei Abschluss des Abfindungsvergleichs anwaltlich vertreten war und deshalb eine Feststellungsklage näher gelegen haben mag, genügt nicht (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 253/91 - aaO). Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts München (AnwBl 1998, 609) vermag die Revision nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Im dort entschiedenen Fall hatte der Haftpflichtversicherer von sich aus ein umfassendes Vergleichsangebot formuliert und den Vorbehalt für künftige materielle Schäden selbst vorgesehen. Es kann dahinstehen, ob ein solcher Umstand allein stets für die Annahme ausreichend wäre, der Geschädigte sei von der Erhebung einer Feststellungsklage abgehalten worden. Hier ist jedenfalls der Vorbehalt hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden erst auf Betreiben des Geschädigten aufgenommen worden.

b) Der Vorbehalt des Klägers in der Abfindungserklärung und seine Entgegennahme durch die Beklagte war ohne deren gleichzeitigen Verzicht auf die Einrede der Verjährung möglicherweise kein ausreichender Schutz des Klägers vor Verjährung. Das allein genügt jedoch nicht, um den Willen der Parteien zur Klaglosstellung aufzuzeigen. Der Kläger hätte deshalb, wenn er einen langfristigen Ausschluss der Verjährungseinrede erreichen wollte, eine Feststellungsklage erheben oder die Beklagte zur Abgabe eines Verzichts auf die Einrede der Verjährung veranlassen müssen (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 253/91 - aaO).

3. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung einen Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung verneint. Ein solcher Verzicht wäre unwirksam (vgl. § 225 BGB a.F.). Die Berufung auf die Unwirksamkeit könnte allerdings einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellen, wenn die Beklagte beim Kläger den Eindruck erweckt hätte, sie werde dessen Ansprüche befriedigen oder doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen, und wenn sie den Kläger dadurch von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten hätte. Die Beklagte hat aber weder auf die Einrede der Verjährung verzichtet noch hat sie den Kläger von der Erhebung einer Feststellungsklage abgehalten.

Der Wortlaut des Abfindungsvergleichs und die Interessenlage des Klägers bilden hier keine tragfähige Grundlage für eine Auslegung im Sinne eines stillschweigend erklärten Verzichts auf die Einrede der Verjährung. Die Abfindungsvereinbarung der Parteien enthält - anders als im Fall des Senatsurteils vom 23. Juni 1998 (VI ZR 327/97 - VersR 1998, 1387) - keinen ausdrücklichen Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede. Die Beklagte hat auch nicht zu erkennen gegeben, sie werde die Ansprüche des Klägers ohne Rücksicht auf die Einrede der Verjährung befriedigen. Diese tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist frei von Rechtsfehlern.

Die Auslegung der Vereinbarung durch das Berufungsgericht lässt ferner keine unbewusste Regelungslücke erkennen, die zu einer ergänzenden Auslegung des Abfindungsvergleichs im Sinne der Revision führen könnte. Eine Bestimmung über die Verjährung der vorbehaltenen Ansprüche war zudem nicht erforderlich. Der Lauf der Verjährungsfrist wurde durch die Zahlung des Abfindungsbetrages unterbrochen (§ 208 BGB a.F.). Der Kläger hatte ab Zahlung drei Jahre Zeit für die Entscheidung, ob er einen materiellen Zukunftsschaden erstattet verlangen oder seinen Anspruch durch eine Feststellungsklage absichern wollte.

4. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision schließlich insoweit stand, als es auch hinsichtlich der vorbehaltenen Ansprüche von einem Ende der Verjährungshemmung mit Abschluss des Abfindungsvergleichs ausgeht.

Die Beklagte wird als Kfz-Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen. Der Kläger hat bei ihr seine Ansprüche aus dem Unfall angemeldet. Damit setzte die Verjährungshemmung gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG ein. Sie umfasste nach dem Grundsatz der Schadenseinheit alle Folgeschäden, die voraussehbar (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1999 - VI ZR 37/99 - VersR 2000, 331) waren.

Der Abfindungsvergleich vom 12. August 1993 erledigte die angemeldeten Ansprüche. Von dieser Erledigung waren nur die Ansprüche auf Ersatz künftig entstehender materieller Schäden ausgenommen, die vorbehalten blieben. Insoweit hat die Zahlung des Abfindungsbetrages im September 1993 die Verjährungsfrist erneut in Lauf gesetzt (§§ 208, 217 BGB a.F.; vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 318/97 - aaO 384); die durch die Anmeldung der Ansprüche gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG eingetretene Hemmung hat mit der vereinbarten Zahlung des Abfindungsbetrages geendet. 23 Die Frage, ob die Verjährungshemmung nach § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG auch für die vorbehaltenen Ansprüche durch den Abfindungsvergleich ohne die sonst erforderliche Mitteilung (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 50/95 - VersR 1996, 369, 370) über die Entscheidung des Versicherers endet, hat der erkennende Senat bislang nicht entschieden. Eine Ansicht in der Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1998, 632, 633; OLG Hamm ZfS 1999, 93 und DAR 2001, 166), der das Berufungsgericht gefolgt ist, bejaht das Ende der Hemmung, weil der Abfindungsvergleich auch ohne förmliche Erklärung eindeutig die Einstellung des Versicherers ausdrücke, dass die Schadensregulierung endgültig abgeschlossen sei, und das Bestehen auf einer schriftlichen Erklärung eine bloße Förmelei wäre.

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Wollte man eine Fortdauer der Verjährungshemmung für die in einem Abfindungsvergleich vorbehaltenen Ansprüche annehmen, müsste sie selbst dann andauern, wenn mögliche Folgeschäden ausblieben. Das erscheint nicht sinnvoll. Die Revision kann ihre abweichende Ansicht auch nicht auf den Nichtannahmebeschluss des Senats vom 11. Juli 1995 (- VI ZR 395/94 - VersR 1996, 78) stützen, weil jener Fall anders gelagert war. Damals (vgl. OLG Hamm VersR 1996, 78) hatten die Parteien nach Abschluss des Abfindungsvergleichs nämlich über die vorbehaltenen Ansprüche weiter verhandelt, so dass noch eine abschließende Entscheidung des Versicherers in Betracht kam. Schon von daher war eine andere Interessenlage gegeben, die denn auch zu einer anderen Auslegung des Vergleichs - nämlich nicht im Sinne einer abschließenden Regelung - durch den Tatrichter geführt hat. Demgegenüber hat vorliegend das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt, der Kläger habe seinen damaligen Schaden endgültig reguliert haben wollen; nach Vergleichsabschluss habe der Kläger erstmals am 5. März 1997 Ersatz weiterer Schäden begehrt. Das beanstandet die Revision nicht. Mithin wurden im Streitfall durch den Abfindungsvergleich die Ersatzansprüche abschließend reguliert; die Beklagte hatte deshalb keine Veranlassung, noch eine Entscheidung über eine (weitere) Regulierung zu treffen und dem Geschädigten mitzuteilen.

Bei dieser Sachlage konnte die mit Schriftsatz vom 29. Februar 2000 eingereichte Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des künftigen materiellen Schadens, um den es allein noch geht, die Verjährung nicht mehr unterbrechen, weil die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 1973 - VI ZR 38/72 - VersR 1973, 1066, 1067; BGH, Urteil vom 27. Juni 1990 - IV ZR 115/89 - FamRZ 1990, 1107, 1108).

Der vereinbarte Vorbehalt rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dabei bedarf die Frage, ob ein Teilvergleich eine nur eingeschränkte Hemmung der Verjährung zur Folge haben könnte, im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Die Parteien haben nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts den Schaden nämlich umfassend reguliert. Dass sie dem Kläger Ansprüche auf Ersatz zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verwirklichter, erst in Zukunft möglicher Schäden vorbehalten haben, macht die Regulierung nicht zu einer nur teilweisen. Für eine umfassende Regulierung spricht nicht nur die Bezeichnung der Regelung als "Vergleich und Abfindungserklärung". Der Kläger erklärte sich auch wegen aller Ersatzansprüche aus dem Unfall für abgefunden. Ausgenommen von dieser Regelung wurde lediglich ein Zukunftsschaden, der sich noch nicht konkret abzeichnete. In einem solchen Fall wären zur Annahme eines Teilvergleichs konkrete Hinweise dafür erforderlich, dass die Parteien Regelungsbedarf auch für Schäden gesehen haben, deren Eintreten nur möglich und nicht auszuschließen war, sich aber noch nicht andeutete. Soweit die Revision hierzu auf den Willen der Vertragspartner verweist, zeigt sie tatsächliche Anhaltspunkte für diesen nicht auf. Ihr Versuch, einen solchen Willen aus einer Pflicht des anwaltlichen Vertreters abzuleiten, den sichersten und ungefährlichsten Weg anzuraten, kann keinen Erfolg haben, zumal sie weder tatrichterliche Feststellungen noch entsprechenden Vortrag des Klägers aufzuzeigen vermag.

Die Revision war nach allem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.