Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Konstanz Urteil vom 26.11.2009 - 3 O 119/09 - Zur groben Fahrlässigkeit bei Missachtung der Durchfahrthöhe

LG Konstanz v. 26.11.2009: Zur groben Fahrlässigkeit bei Missachtung der Durchfahrthöhe


Das Landgericht Konstanz (Urteil vom 26.11.2009 - 3 O 119/09) hat entschieden:

  1.  Die Missachtung der erkennbaren Durchfahrthöhe durch den Führer eines gemieteten Lkw ist grobfahrlässig, insbesondere wenn durch ein an der Einfahrt angebrachtes Verbotsschild sowie zusätzlich durch farbige Ballons auf die begrenzte Durchfahrthöhe hingewiesen wurde.

  2.  Ist im formularmäßigen Automietvertrag eine Haftungsfreistellung des Mieters "nach den Grundsätzen der Kaskoversicherung" vereinbart, so stellt es eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, wenn er für den Fall der groben Fahrlässigkeit die volle Haftung tragen soll. Die Unwirksamkeit der Klausel führt zu einer Schadensteilung zwischen Vermieter und Mieter.


Siehe auch
Die grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Voll- oder Teilkaskoversicherung
und
Missachtung der zulässigen Durchfahrthöhe

Tatbestand:


Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin wegen der Beschädigung eines von ihr an den Beklagten Ziff. 1 vermieteten und von der Beklagten Ziff. 2 geführten Fahrzeuges.

Mit Mietvertrag vom 04.10.2008 vermietete die Klägerin an den Beklagten Ziff. 1 ihren Mercedes Laster (MB 211) mit dem Kennzeichen ... . Dem Mietvertrag lagen die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin (ECAVB) zugrunde. Diese enthalten u.a. folgende Regelungen:

   "8. Verhalten bei Unfällen und sonstige Schadensfälle

Der Mieter hat nach einem Unfall, Brand, Diebstahl, Wild- oder sonstigen Schaden sofort die Polizei zu verständigen. Dies gilt auch bei selbstverschuldeten Unfällen ohne Mitwirkung Dritter. [...]

10. Haftung des Mieters

a. Bei Unfallschäden, Verlust, Diebstahl oder unsachgemäßer Bedienung des Fahrzeugs oder Verletzung vertraglicher Obliegenheiten gemäß Ziff. 5, 6 und 8 dieser Bedingungen haftet der Mieter für die Reparaturkosten [...] sofern er oder der Fahrer den Schaden zu vertreten hat. Daneben hat der Mieter auch etwaige anfallende Folgeschäden (...) zu ersetzen.

b. Wird eine Haftungsbefreiung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts vereinbart, stellt Europcar den Mieter nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung mit nachfolgender Selbstbeteiligung für Schäden am Mietfahrzeug frei. Die Haftungsbefreiung erfasst die Beschädigung durch Unfall, d.h. durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis; [...]

c. Die Haftungbefreiung entbindet nicht von den Verpflichtungen in Ziff. 5, 6 und 8 dieser Bedingungen. Der Mieter haftet voll bei Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen [...]. Hat der Mieter Unfallflucht begangen oder seine Pflichten gemäß Ziff. 8 verletzt, haftet er ebenfalls voll, es sei denn die Verletzung hat keinen Einfluss auf die Feststellung des Schadensfalles.

Ferner haftet der Mieter voll bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Schadens, insbesondere bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit."

Wegen der Einzelheiten wird auf die Allgemeinen Vermietbedingungen (Anlage B1) Bezug genommen.




Die Beklagte Ziffer 2 war als Tochter des Klägers gemäß Ziffer 5 der ECAVB berechtigt, das Fahrzeug zu lenken. Für Vollkasko- und Diebstahlschutz bezahlte der Beklagte Ziffer 1 ein zusätzliches Entgelt (siehe Anlage B1).

Am gleichen Tag, einem Samstag, fuhr der Beklagte Ziff. 1 in Begleitung seiner Tochter, der Beklagten Ziff. 2, mit dem Fahrzeug von Konstanz nach Sindelfingen. Bei dem Versuch, mit dem Fahrzeug dort gegen 16.00 Uhr in das Parkhaus des dortigen IKEA- Marktes einzufahren, blieb das - zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten Ziff. 2 gesteuerte - Fahrzeug der Klägerin aufgrund zu großer Höhe in der Einfahrt des Parkhauses stecken. Die Fahrzeughöhe betrug 2,90 m; die Einfahrtshöhe war jedenfalls geringer. Vor der Einfahrt befand sich ein Schild (Zeichen 265 gem. § 41 StVO), wonach die zulässige Einfahrtshöhe maximal 2,40 m betrage. Ob auf die Einfahrtshöhe zu diesem Zeitpunkt auch noch zusätzlich durch herabhängende orangefarbene Ballons hingewiesen worden war, ist zwischen den Parteien streitig.

Nachdem das Fahrzeug "steckengeblieben" war kamen Mitarbeiter des Möbelhauses zu dem Fahrzeug; unter ihnen befand sich auch der stellvertretende Geschäftsführer der Niederlassung. Die Polizei wurde nicht hinzugezogen.

Am Fahrzeug der Klägerin entstand ein Schaden in Höhe von 6.217,71 Euro. Hierauf hat der Beklagte Ziff. 1, der in der Schadensmeldung (siehe Anlage K 6) auf Frage, wer den Unfall verursacht habe, mit "ich" geantwortet hatte, einen Betrag in Höhe seiner unstreitigen Selbstbeteiligung von 750,00 Euro bezahlt.

Mit Schreiben vom 07.01.2009 forderte die Klägerin den Beklagten Ziffer 1 unter Fristsetzung zum 21.01.2009 zum vollständigen Ausgleich des Schadens auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch zum Ersatz des restlichen Schadens verpflichtet seien. Es liege ein Fall grober Fahrlässigkeit vor. Dies insbesondere auch deshalb, weil vor der Einfahrt des Parkhauses zusätzlich in einer Höhe von 2,38 m orangefarbene, deutlich sichtbare Ballons angebracht gewesen seien. Die Beklagte Ziff. 2 habe diese durchfahren, was im Fahrzeug noch vor der Einfahrt in das Parkhaus auch ein hörbares und als Warnung zu empfindendes Geräusch verursacht habe. Zudem sei im Führerhaus des Fahrzeuges ein Aufkleber angebracht gewesen, der auf die Höhe des Fahrzeuges hingewiesen habe. Aufgrund der Regelung in Ziff. 10 c der ECAVB, die wirksam sei, müssten die Beklagten den Schaden daher auch über ihre Selbstbeteiligung hinaus in vollen Umfange ersetzen. Zudem hafteten sie auch deshalb, weil versäumt worden sei, die Polizei hinzuziehen; diese hätte Feststellungen zu einem eventuellen vorangegangenen Alkohol- oder Drogenkonsum der Beklagten Ziffer 2 treffen können. Hinzu komme noch, dass der Beklagte Ziffer 1 die Schadensmeldung falsch ausgefüllt habe, weil sich aus dieser ergebe, dass er das Fahrzeug gefahren habe.




Nachdem sie Klage zunächst nur gegen den Beklagten Ziffer 1 erhoben hatte, hat die Klägerin die Klage mit - der Beklagten Ziffer 2 am 24.07.2009 zugestelltem - Schriftsatz vom 16.07.2009 gegen diese erweitert und beantragt zuletzt, wie folgt zu erkennen:

   Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch dazu verurteilt, an die Klägerin über einen vom Beklagten Nr. 1 bereits bezahlten Betrag von Euro 750,00 Euro hinaus weitere 5.467,71 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, der Beklagte Nr. 1 seit 22.1.2009, die Beklagte Nr. 2 ab Zustellung der heutigen Klageschrift, sowie der Beklagte Nr. 1 4,00 Euro Mahnkosten zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

   die Klage abzuweisen.

Ein Fall grober Fahrlässigkeit liege nicht vor. Am fraglichen Tag sei viel Verkehr gewesen; auf die Höhe der Einfahrt sei nicht ausreichend deutlich und rechtzeitig hingewiesen worden. Auch liege keine Obliegenheitsverletzung vor. An die Hinzuziehung der Polizei sei gar nicht gedacht worden. Sie sei auch nicht geboten gewesen. Unter Alkohol- oder Drogeneinfluss habe die Beklagten Ziff. 2 nicht gestanden. Die Schadensmeldung sei in Eile ausgefüllt worden.

Das Gericht hat die Klage im Termin vom 27.10.2009 verhandelt und die Beklagten dabei persönlich angehört. Auch wurde durch die Vernehmung der Zeugen W. und L. Beweis erhoben. Wegen der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen. Im Termin wurden auch verschiedene Lichtbilder sowie zwei vom Gericht gefertigte Videoaufnahme des Zufahrtsbereiches (Aufnahmedatum: 14.06.2009) in Augenschein genommen, auf die ebenfalls verwiesen wird.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner auf Erstattung der Hälfte des noch offenen Schadens.

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten Ziff. 1 ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe von weiteren 2.733,86 Euro zu.

a) Aufgrund des Mietvertrages war der Beklagte Ziff. 1 verpflichtet, eine Beschädigung des Mietfahrzeugs der Klägerin zu vermeiden. Hiergegen hat die Beklagte Ziffer 2 als seine Erfüllungsgehilfin schuldhaft verstoßen, was sich der Beklagte Ziffer 1 gem. § 278 BGB, Ziff. 5 der ECAVB zurechnen lassen muss. Der der Klägerin entstandene Schaden beläuft sich unstreitig auf 6.217,71 Euro.

b) Hiervon musste der Beklagte Ziffer 1 unstreitig 750,00 Euro Selbstbeteiligung bezahlen, was er vorgerichtlich bereits getan hat. Der verbleibende Schaden von 5.467,71 Euro ist vom Beklagten Ziffer 1 hälftig zu erstatten. Die Beklagte Ziffer 2 hat beim Versuch mit dem Fahrzeug in das Parkhaus einzufahren grob fahrlässig gehandelt, was sich der Beklagten Ziffer 1 zurechnen lassen muss (aa). Da Ziffer 10 lit. c) ECAVB nicht zu einer vollen Haftung des Beklagten Ziffer 1 führt (bb), ist der verbleibende Schaden gemäß Ziffer 10 lit. b) der ECAVB i.V.m. § 81 VVG im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und dem Beklagten Ziffer 1 hälftig zu teilen (cc).


aa) Die Beklagte Ziff. 2 handelte grob fahrlässig, als sie versuchte, mit dem Mietfahrzeug in die ersichtlich zu niedrige Einfahrt des oberirdischen Parkhauses einzufahren. Dieses Verschulden muss sich der Beklagte Ziff. 1 gem. § 278 BGB zurechnen lassen.

Grobe Fahrlässigkeit setzt eine besonders schwerwiegende Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Die Annahme von grober Fahrlässigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn das nicht beachtet wird, was jedem einleuchten musste, weil einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Dabei ist auch subjektiven Umständen in der Weise Rechnung zu tragen, dass dem Handelnden nur ein besonders schweres Verschulden anzulasten ist (siehe z.B. OLG Hamburg, Urteil v. 21.02.2006, OLGR Bremen 2006, 483, zitiert nach Juris, dort Rz. 42). Notwendig ist daher objektiv ein besonders grober, über das gewöhnliche Maß hinausgehender Verstoß gegen Sorgfalts- und Verkehrspflichten und subjektiv ein in besonderer Weise vorwerfbares Verhalten, also ein beträchtliches und erhebliches schuldhaftes Versagen gegen die zu stellenden Anforderungen an die Achtsamkeit und Sorgfalt (OLG Karlsruhe, Urteil v. 29.07.2004, Az.: 19 U 94/04, zitiert nach Juris, dort Rz. 6).

Nach diesen Maßstäben liegt im Falle der Beklagten Ziff. 2 grobe Fahrlässigkeit vor:

- Die Höhe der Einfahrt in das oberirdische gelegene Parkhaus ist ersichtlich eher niedrig, was einem Fahrer bei der Anfahrt nicht verborgen bleiben kann. Hinzu kommt, dass durch das unstreitig angebrachte Verbotsschild (Zeichen 265) auf die auf 2,40 m begrenzte Durchfahrtshöhe hingewiesen wird.

- Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Zeugen W. ist das Gericht zudem davon überzeugt, dass auch am Unfalltag in einer Höhe von 2,38 m orangefarbene Ballons angebracht waren, die nochmals deutlich darauf hinweisen, dass die Einfahrtshöhe begrenzt ist. Selbst wenn einzelne Ballons möglicherweise aufgrund nicht völlig auszuschließender vorausgegangener Anstöße anderer Fahrzeuge an diese und einem dadurch bedingten "Aufwickeln" um Stange höher gehangen haben sollten, hätte dies den Ballons nicht die deutliche optische Signalwirkung genommen, die zumindest zu einer kritischen Prüfung der Einfahrtshöhe Anlass gab. Diese optische Signalwirkung wird auch nicht dadurch gemindert, dass die Ballons am rechten Fahrbahnrand nur einen vergleichsweise geringen Abstand zur Parkhauswand aufwiesen, der sich - wegen der Krümmung des Gebäudes - erst nach links hin vergrößerte. Darauf, ob die Beklagte mit dem Fahrzeug auch noch gegen die Ballons gestoßen und dadurch ein vernehmliches Geräusch entstanden ist, kommt es angesichts der Nähe der Ballons zur Einfahrt nicht entscheidend an.

- Hinzu kommt noch, dass die Beklagten Ziff. 2 aufgrund der erhöhten Sitzposition im Mietfahrzeug, die sich von der in einem üblichen Pkw deutlich unterschied, zusätzlich dafür hat sensibilisiert sein müssen, dass sie ein Fahrzeug steuerte, das eine größere als die übliche Höhe aufweist.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände liegt nicht nur objektiv, sondern auch in subjektiver Hinsicht ein in besonders hohem Maße vorwerfbares Verhalten der Beklagten Ziff. 2 vor. Dem steht nicht entgegen, dass die Zufahrt zur Einfahrt der Tiefgarage erst - nach einer scharfen 90° Rechtskurve und einem Hinweisschild auf das Einrichtungsgeschäft - relativ spät ersichtlich ist und zum fraglichen Zeitpunkt (Samstagnachmittag), wie die Beklagten glaubwürdig angaben, "viel los" war.

Die Schuld der Beklagten Ziffer 2 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Augenblicksversagen nicht, schon gar nicht aber entscheidend, gemindert. Die Schuld wird zwar dann gemindert, wenn einem Verkehrsteilnehmer sein Fehlverhalten bei einer seine Konzentration erfordernden Dauertätigkeit aus einem Augenblicksversagen heraus gleichsam als "Ausrutscher" unterläuft, also dann, wenn es sich bei dem Fehlverhalten um ein bei der menschlichen Unzulänglichkeit typisches einmaliges Versagen handelt (siehe z.B. OLG Karlsruhe, ebd; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, 1549, 1550, m.w.N.). Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor: Zum einen waren die Warnhinweise (Ballons und Zeichen 269) schon ab der Rechtskurve für die Beklagte Ziffer 2 deutlich erkennbar, zum anderen lag angesichts der bevorstehenden Einfahrt zum Abschluss der Fahrt mit dem bekanntermaßen großen Fahrzeug in eine ersichtlich eher niedrig gehaltene Parkhauseinfahrt ohnehin eine ungewöhnliche Verkehrssituation vor, die einem typischen Versagen bei einer Dauertätigkeit nicht gleichgestellt werden kann. Darauf, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte Ziffer 2 mitten in der Fahrt an einer zu niedrigen Brücke "steckengeblieben" wäre, kommt es nicht an; so lag der vorliegende Fall gerade nicht.




bb) Die Regelung in Ziff. 10 lit. c) der ECAVB führt nicht dazu, dass der Beklagte Ziffer 1 den Schaden voll zu tragen hat.

- Die Haftungsfreistellung ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte Ziffer 1 entgegen Ziffer 8 der ECAVB nicht die Polizei hinzugezogen hat (zur Wirksamkeit solcher Klauseln siehe BGH, Urteil v. 10.06.2009, XII ZR 19/08, zitiert nach Juris). Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil das Gericht aufgrund der mündlichen Verhandlung (§ 286 ZPO) davon überzeugt ist, dass deren fehlende Hinzuziehung auf die Feststellung des Schadensfalles keinen Einfluss hatte. Ein Schaden an der Einfahrt des Parkhauses war nicht eingetreten. Die Annahme, die Beklagte Ziffer 2 könnte am Samstagnachmittag gegen 16.00 Uhr unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gestanden haben, erscheint bereits eher fernliegend; aufgrund des persönlichen Eindrucks den das Gericht von der Beklagten Ziffer 2 im Termin gewonnen hat, kann dies zudem sicher ausgeschlossen werden. Dass andere Feststellungen beeinträchtigt worden sein könnten, hat die Klägerin weder aufgezeigt, noch ist es sonst erkennbar.

- Die Angabe des Wortes "ich" auf die Frage der Schadensmeldung (Anlage K 6), wer den Schaden "verursacht" habe, ist bereits nicht falsch. Die Beantwortung der Frage legt eine Wertung zumindest nahe und die Wertung, der Beklagte Ziffer 1 sei Verursacher im Sinne der Frage, weil er sich das Verhalten der Beklagten Ziffer 2 zurechnen lassen müsse, ist gut vertretbar. Dass sich die Antwort "ich" zusätzlich auch auf die Frage "Fahrer des EC-Fahrzeuges" bezieht, ist keineswegs zwingend. Ebenso ist denkbar, dass durch das Ankreuzen der Alternative "Ja" lediglich die Verantwortlichkeit des Fahrers - in Abgrenzung zu der eines Dritten - angegeben wird. Wenn die Klägerin sicher wissen möchte, wer das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gefahren hat, muss sie danach klar und zweifelsfrei fragen.

- Die Haftungsfreistellung entfällt nicht deshalb vollständig, weil die Beklagte Ziffer 2 grob fahrlässig handelte und die Klausel der ECAVB für diesen Fall eine uneingeschränkte Haftung vorsieht.

Insoweit ist die Klausel, bei der es sich um eine von der Klägerin gestellte allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 BGB) handelt, nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie den Beklagten Ziffer 1 als Vertragspartner der Klägerin entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Regelung ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.


Auch wenn zwischen der Klägerin und dem Beklagten Ziff. 1 kein Vollkaskoversicherungsvertrag geschlossen wurde, muss sich die Klausel am gesetzlichen Leitbild der Vollkaskoversicherung messen lassen, da sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten Ziffer 1 zu einer Haftungsfreistellung entsprechend den "Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung" verpflichtet hat (siehe BGH, Urteil v. 19.01.2005, XII ZR 94/07; zitiert nach juris, dort Rdnr. 13).

Gemessen an diesem Maßstab verstößt die Regelung in Ziffer 10 lit c) gegen die Regelung in § 81 VVG n.F., die - ebenso wie andere Regelungen der Neufassung des VVG - das bisherige Alles-oder-Nichts-Prinzip aufgibt und im Falle grober Fahrlässigkeit die Möglichkeit einer Kürzung der Versicherungsleistung vorsieht (ebenso: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 1. Aufl., 2009, § 81 Rdnr. 114). Bei der Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips handelte es sich um ein wesentliches Kernstück der Reform des VVG, das nicht auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten sondern auf einem vom Gesetzgeber angenommenen Gerechtigkeitsgebot beruht (vgl. S. 49 der Begründung des Regierungsentwurfs, linke Spalte "Dies wäre allenfalls weiterhin vertretbar wenn,...", BT-Drs. 16/3945). Zudem liefe dieses wesentliche Element der Reform angesichts der überaus großen praktischen Relevanz von AGB im Bereich des Versicherungsvertragsrechts in der Praxis weitgehend leer, wenn hiervon durch AGB abgewichen werden könnte.

Dass die Regelung des § 81 VVG gemäß § 87 VVG nicht zum Kreis der zu Gunsten des Versicherungsnehmers zwingenden Vorschriften zählt, steht dem nicht entgegen, da der Verzicht auf die Erwähnung von § 81 VVG im Rahmen des § 87 VVG angesichts der Möglichkeiten individualvertraglicher Gestaltungen durchaus sinnvoll und praktisch bedeutsam bleibt.

cc) Angesichts der Unwirksamkeit von § 10 lit c) des Vertrages ist für das Verhältnis der Parteien aufgrund nach Ziffer 1 lit b) der ECAVB (§§ 133, 157 BGB) die Regelung des § 81 VVG maßgebend. Dies führt zu einer Teilung des restlichen Schadens zwischen Klägerin und Beklagtem Ziffer 1.

Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer gem. § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, seine Leistungen in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.



Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere auch des Grades des Verschulden der Beklagten Ziffer 2 und des Umstandes, dass die Klägerin im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes Fahrzeuge an Kunden vermietet, die nicht selten über keine oder nur geringe Erfahrungen mit den - von dem ihnen vertrauten Pkw abweichenden - Besonderheiten großer Mietfahrzeuge verfügen und diesen dann zugleich einen einer Vollkaskoversicherung vergleichbaren Schutz verspricht, erscheint eine Kürzung des Anspruchs der Klägerin um 50 % angemessen aber auch ausreichend (vgl. auch allgemein Rüffer/Halbach/Schimikowski, a.a.O., § 81 Rz. 98: Kürzung um 50 % im Regelfall).

2. Die Beklagte Ziff. 2 haftet gemäß § 823 Abs. 1 BGB - als Gesamtschuldnerin mit dem Kläger - ebenfalls auf Schadensersatz. Als berechtigter Fahrer gemäß Ziff. 5 der Allgemeinen Vermietbedingungen kann auch sie sich auf die Haftungsfreistellung in Ziff. 10 der Allgemeinen Vermietbedingungen berufen.

3. Die Nebenforderungen der Klägerin stützen sich auf §§ 280 Abs. 1, 249, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum