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OLG Oldenburg Urteil vom 11.08.2011 - 2 SsRs 187/11 - Zur ausreichenden Entschuldigung beim Ausbleiben des Betroffenen

OLG Oldenburg v. 11.08.2011: Zur ausreichenden Entschuldigung durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie einer ärztliche Bescheinigung über die fehlende Reise- und Vernehmungsfähigkeit des Betroffenen


Das OLG Oldenburg (Urteil vom 11.08.2011 - 2 SsRs 187/11) hat entschieden:
Legt der Betroffene nicht nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sondern auch noch eine Bescheinigung über die Reise- und Vernehmungsfähigkeit vor, muss das Amtsgericht den Betroffenen solange als genügend entschuldigt ansehen, als nicht die Unglaubwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen feststeht. Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass in den Bescheinigungen die Art der Erkrankung genannt wird.


Siehe auch Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung und Säumnis des Betroffenen und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht einen Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid des Landkreises Oldenburg vom 16.07.2010, in dem gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 115,00 Euro festgesetzt worden ist, verworfen. In den Gründen des Verwerfungsurteils heißt es:
"Dem Bußgeldrichter wurde zwar heute früh unmittelbar vor Beginn des Sitzungstages ein ärztliches Attest des Dr. H. vom 19.03.2011 vorgelegt, nach dem der Betroffene aufgrund einer akuten Erkrankung nicht reise- und vernehmungsfähig sei, dazu eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18.03.2011 mit Wirkung zum 22.03.2011. Die Art und Schwere der Erkrankung wurde aber genauso wenig spezifiziert, wie der Umfang der Untersuchung erläutert oder die Frage geklärt, wie der Arzt zu der Annahme kommen konnte, der Betroffene wäre etwa noch 3 Tage nach der Untersuchung reise- und vernehmungsfähig. Rücksprache mit dem Arzt konnte nicht mehr gehalten werden, weil der Schriftsatz vom 21.03.2011 nebst Anlagen dem Bußgeldrichter erst unmittelbar vor Beginn des Sitzungstages mit 17 Verhandlungen vorgelegt wurde und deshalb keine Zeit mehr dafür bestand. Auch der Verteidiger, welcher im Termin das Originalattest vorlegte, vermochte keine näheren Einzelheiten zur Art und Schwere einer eventuell akuten Erkrankung des Betroffenen mitzuteilen.

Mangels Angabe und Glaubhaftmachung der Voraussetzungen für eine Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen am heutigen Tage, vermochte das Gericht eine solche im Freibeweisverfahren auch nicht festzustellen. Der Betroffene fehlte damit unentschuldigt."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt. Er ist der Auffassung, dass die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ausreichend gewesen seien, um das Nichterscheinen im Termin zu entschuldigen, gegebenenfalls hätte es dem Amtsgericht freigestanden, bei noch bestehendem Aufklärungsbedarf diese Aufklärung einzuholen. Es sei zu befürchten, dass der Bußgeldrichter auch künftig in derselben Art und Weise wie hier urteilen werde und es sich nicht nur um einen Einzelfall handele, sondern um eine beim Bußgeldrichter fest verankerte Vorstellung, wie man solche Einsprüche aus der Welt schaffe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält Zulassungsgründe nicht für gegeben.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages sieht der Betroffene die Zulassung (wohl) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung als erforderlich an.

Allerdings begegnet die Handhabung durch das Amtsgericht Bedenken. Zumindest angesichts des Umstandes, dass der Betroffene nicht nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sondern auch noch eine Bescheinigung über die Reise- und Vernehmungsfähigkeit vorgelegt hatte, hätte das Amtsgericht den Betroffenen solange als genügend entschuldigt ansehen müssen, als nicht die Unglaubwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen festgestanden hätte (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14.01.2009, 2 Ss OWi 1623/08 juris). Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass in den Bescheinigungen die Art der Erkrankung genannt wird (OLG Bamberg a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2008, 4 Ss OWi 873/08; OLG Hamm, Beschluss vom 02.10.2008, 4 Ss OWi 731/08 jeweils bei juris). Insofern waren die vorgelegten Bescheinigungen nicht unbrauchbar.

Eine überzeugende Begründung dafür, weshalb es dem Amtsgericht nicht möglich war, in der Zeit, die für die Verhandlung gegen den Betroffenen vorgesehen war, die vom Gericht für erforderlich gehaltene Nachfrage zu halten, enthält das angefochtene Urteil nicht. Das Amtsgericht wäre vielmehr verpflichtet gewesen, sich die volle Überzeugung davon zu verschaffen, ob der Betroffene verhandlungsfähig ist und ihm das Erscheinen in der Hauptverhandlung zumutbar war (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.10.2008, a.a.O.).

Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht eine "fest verankerte Vorstellung, wie man solche Einsprüche aus der Welt schafft" hat, liegen allerdings nicht vor. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Amtsgericht zukünftig bei einer im Raume stehenden Verwerfung des Einspruches die in diesem Beschluss gegebenen Hinweise berücksichtigen wird. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist deshalb nicht geboten, da der erforderlichen Wiederholungsgefahr durch diesen Beschluss begegnet wird (vgl. OLG Hamm MDR 78, 780; OLG Koblenz NJW 90, 2398; Kammergericht, Beschluss vom 29.11.2000, 2 Ss 257/00, juris).



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