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BGH Beschluss vom 29.11.2011 - VI ZR 201/10 - Zur prozessualen Teilnahme des Kfz-Haftpflichtversicherers als Streitgenosse bzw. Streithelfer beim Verdacht der Unfallmanipulation

BGH v. 29.11.2011: Zur prozessualen Teilnahme des Kfz-Haftpflichtversicherers als Streitgenosse bzw. Streithelfer beim Verdacht der Unfallmanipulation


Der BGH (Beschluss vom 29.11.2011 - VI ZR 201/10) hat entschieden:
Beim Verdacht einer Unfallmanipulation darf der neben seinem Versicherungsnehmer verklagte Haftpflichtversicherer im Prozess sowohl als Streitgenosse als auch als Streithelfer nach §§ 61, 69 ZPO seine eigenen Interessen wahrnehmen.


Siehe auch Unfallmanipulation und Stichwörter zum Thema Zivilprozess


Gründe:

Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf der im Wege des Direktanspruchs mitverklagte Haftpflichtversicherer (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG) sowohl mit einem vom Vorbringen des Versicherungsnehmers abweichenden Sachvortrag die Unfallmanipulation geltend machen als auch als dessen Streithelfer eine Klageabweisung der gegen den Versicherungsnehmer gerichteten Klage beantragen.

Der Bundesgerichtshof hat in Verfahren, die den Ersatz von Rechtsanwaltskosten des Versicherungsnehmers betrafen, entschieden, dass es dem Haftpflichtversicherer in den Fällen der Unfallmanipulation wegen des bestehenden Interessengegensatzes zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer nicht verwehrt werden kann, sich gegen die gegen ihn gerichtete Klage umfassend zu verteidigen und zwar auch mit der Behauptung, das schadensbegründende Ereignis sei nicht - wie vom Geschädigten behauptet - unfreiwillig erlitten, sondern von den angeblich Unfallbeteiligten einvernehmlich herbeigeführt worden (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Juni 2010 - VI ZB 31/08, VersR 2010, 1472 Rn. 9 f.; BGH, Urteil vom 15. September 2010 - IV ZR 107/09, VersR 2010, 1590 Rn. 13 ff.).

Bei der neben der Klage gegen den Versicherungsnehmer auch gegen den Haftpflichtversicherer gerichteten Direktklage ergibt sich dies bereits daraus, dass es sich um einfache Streitgenossen handelt und die Handlungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen dürfen (§ 61 ZPO). Bei der Nebenintervention des Haftpflichtversicherers ergibt sich dies auch aus § 69 ZPO. Nach dieser Vorschrift gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 ZPO als Streitgenosse der Hauptpartei, insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist. Insoweit ist anerkannt, dass ein streitgenössischer Nebenintervenient nicht den Schranken des § 67 Halbsatz 2 ZPO unterliegt, sondern auch gegen den Willen der Hauptpartei ein Rechtsmittel durchführen kann. Das Gesetz räumt ihm mit Rücksicht auf die stärkere Einwirkung des Urteils auf seine rechtlichen Belange ein eigenes Prozessführungsrecht ein, das unabhängig von dem Willen der von ihm unterstützten Hauptpartei ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1984 - IVb ZB 23/84, BGHZ 92, 275, 276 mwN).

Diese Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anwendbar. Ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil, das zwischen dem klagenden Geschädigten und dem Versicherer ergangen ist, wirkt nach § 3 Nr. 8 PflVG a.F., § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auch zugunsten des beklagten Versicherungsnehmers. Dies gilt auch dann, wenn der Direktanspruch und der Haftpflichtanspruch nicht in getrennten, nacheinander geführten Prozessen geltend gemacht, sondern - wie im Streitfall - Versicherer und Schädiger als einfache Streitgenossen gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genommen werden. Zweck dieser Regulierung ist es, dem Geschädigten keine Ansprüche gegen den Versicherer über das materielle Haftpflichtrecht hinaus zuwachsen zu lassen. Ist in einem solchen Fall die Klageabweisung gegen einen Beklagten rechtskräftig, ist auch gegen den anderen regelmäßig nur noch eine Klageabweisung möglich. Der Haftpflichtversicherer soll nicht Gefahr laufen, trotz des für ihn günstigen, die Klage abweisenden Urteils im Falle der Verurteilung seines Versicherungsnehmers aufgrund seiner Zahlungspflicht aus dem Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen zu werden (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 2008 - VI ZR 131/07, VersR 2008, 485 Rn. 6 f. mwN). Gemäß dem Zweck des § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 3 Nr. 8 PflVG a.F. darf der Haftpflichtversicherer, der zusammen mit seinem Versicherungsnehmer in Anspruch genommen wird, auch vor Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils bereits im Prozess seine eigenen Interessen nach §§ 61, 69 ZPO wahrnehmen.

Nach den vorstehenden Ausführungen durfte die Beklagte zu 2 nicht nur abweichend vom Beklagten zu 1 argumentieren, sondern auch als Streithelferin des Beklagten zu 1 ihm gegenüber eine Klageabweisung beantragen. Im Übrigen hat sich die Beklagte zu 2 mit diesem Antrag nicht einmal in Widerspruch zum Beklagten zu 1 gesetzt, weil dieser im Berufungsverfahren keinen Sachantrag gestellt hat.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 S. 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.



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