Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Fankfurt am Main Beschluss vom 08.03.2012 - 2 Ss OWi 181/12 - Zur Entpflichtung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen von Heranwachsenden

OLG Frankfurt am Main v. 08.03.2012: Zur Entpflichtung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen von Heranwachsenden


Das OLG Fankfurt am Main (Beschluss vom 08.03.2012 - 2 Ss OWi 181/12) hat entschieden:
Der Umstand, dass der Betroffene zur Tatzeit Heranwachsender war, rechtfertigt - ungeachtet dessen, dass § 50 I JGG im Verfahren gegen Heranwachsende keine Anwendung findet – keine andere Behandlung als bei Erwachsenen. Heranwachsende werden im Bußgeldverfahren sanktionsrechtlich wie Erwachsene behandelt. Sie sind deshalb auf Antrag genauso von der Verpflichtung vom persönlichen Erscheinen zu entbinden, wenn die sonstigen Entpflichtungsvoraussetzungen vorliegen.


Siehe auch Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung und Säumnis des Betroffenen und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:

Das Amtsgericht verwarf mit dem angefochtenen Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom …. Mai 2011, mit dem gegen den Betroffenen als Führer eines PKW wegen eines Rotlichtverstoßes eine Geldbuße in Höhe von 200,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden war.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge der Verletzung von §§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2 OWiG – zumindest vorläufig – Erfolg.

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn dieser seine Fahrereigenschaft eingeräumt und im übrigen angekündigt hat, sich in der Hauptverhandlung nicht weiter zur Sache zu äußern. Denn dann ist seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. den Beschluss vom 22. Januar 2009 - 2 Ss-OWi 22/09-). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - über ein Fahrverbot zu entscheiden ist, da der Betroffene zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, an einer weiteren Aufklärung der persönlichen Verhältnisse mitzuwirken (vgl. u.a. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. August 2005 - 2 Ss-OWi 152/05).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte der Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung vom Amtsgericht nicht zurückgewiesen werden dürfen. Der Betroffene hatte mit Schreiben seines Verteidigers vom 20. September 2011 seine Fahrereigenschaft eingeräumt und erklärt, dass er in der Hauptverhandlung zur Sache keine weiteren Angaben machen werde.

Unter diesen Umständen gab es keinen sachlichen Grund für die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung. Konkrete Anhaltspunkte für eine bei Erscheinen des Betroffenen noch zu erwartende Sachaufklärung waren vorliegend nicht gegeben. Auch der Umstand, dass der Betroffene zur Tatzeit Heranwachsender war, rechtfertigt - ungeachtet dessen, dass § 50 I JGG im Verfahren gegen Heranwachsende keine Anwendung findet – keine andere Beurteilung. Heranwachsende werden im Bußgeldverfahren sanktionsrechtlich wie Erwachsene behandelt (KK-Rengier, OWiG, 3. Auflage, Rdnr. 15 zu § 12 m.w.N.). Bei der Bemessung der gegen einen Heranwachsenden zu verhängenden Geldbuße sind allein die nach § 17 III OWiG maßgebenden Umstände zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht hätte daher dem Entbindungsbegehren des Betroffenen entsprechen müssen. Seine Entscheidung hierüber stand insoweit nicht in seinem freien Ermessen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. August 2005 - 2 Ss-OWi 152/05).

Da das Amtsgericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen hätte entbinden müssen, war die Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid wegen unentschuldigten Ausbleibens in der Hauptverhandlung rechtsfehlerhaft und das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Wiesbaden zurückzuverweisen. Für die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlass.



Datenschutz    Impressum