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OLG Koblenz Beschluss vom 20.01.2012 - 1 SsRs 4/12 - Zur Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen innerhalb der EU

OLG Koblenz v. 20.01.2012: Zur Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen innerhalb der EU


Das OLG Koblenz (Beschluss vom 20.01.2012 - 1 SsRs 4/12) hat entschieden:
Keine Reduzierung einer in einem EU-Mitgliedstaat verhängten Geldsanktion.


Siehe auch Die Vollstreckung von ausländischen europäischen Strafzetteln und Themen zum Bußgeldverfahren


Gründe:

1. Die …[A] ist (oder war) Eigentümerin eines Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen ..., das am 23. November 2010 um 20:40 Uhr auf einer Autobahn nahe Rotterdam mit einer Geschwindigkeit vom 102 km/h geführt wurde, obwohl die Höchstgeschwindigkeit dort auf 80 km/h begrenzt war.

Deshalb wurde gegen sie von der zuständigen niederländischen Behörde mit Bescheid vom 20. Dezember 2010, rechtskräftig seit dem 31. Januar 2011, eine als Ordnungsstrafe bezeichnete Geldsanktion von 117 € (zzgl. 6 € Verwaltungsgebühr) festgesetzt. Vor Erlass des Bescheids hatte die Betroffene Gelegenheit, sich schriftlich zu dem Vorwurf zu äußern. Außerdem wurde sie über die Möglichkeit der Anfechtung belehrt.

Nach niederländischem Recht tritt Vollstreckungsverjährung am 21. Januar 2016 ein. Die Geldsanktion ist noch in voller Höhe offen.

2. Mit Ersuchen vom 27. August 2011, das den Anforderungen des § 87a IRG genügt, bat das Königreich der Niederlande um Vollstreckungshilfe (§ 87 IRG). Nach Mitteilung des ersuchenden Staates handelt es sich bei dem Bescheid um die Entscheidung "einer nicht gerichtlichen Behörde des Entscheidungsstaates aufgrund einer nach dessen Recht strafbaren Handlung", so dass, was für die Senatsbesetzung (§ 87l Abs. 3 Nr. 1 IRG) Bedeutung hat, § 87 Abs. 2 Nr. 2 IRG einschlägig ist.

Das nach inländischem Recht zuständige Bundesamt für Justiz kam zu dem (zutreffenden) Ergebnis, dass ein Bewilligungshindernis in Sinne des § 87d IRG nicht vorliegt und stellte – nach ordnungsgemäßer Anhörung der Betroffenen (§ 87c Abs. 1 IRG) – beim Amtsgericht Prüm den Antrag, den niederländischen Ordnungsstrafbescheid für im Inland vollstreckbar zu erklären sowie die Ordnungsstrafe in eine Geldbuße nach inländischem Recht umzuwandeln (§ 87i IRG).

Mit Beschluss vom 25. November 2011 hat das Gericht die Vollstreckbarkeit festgestellt und eine Geldbuße von 70 € festgesetzt. Eine Begründung für die Verringerung um 47 € fehlt; vermutlich hat sich das Gericht am inländischen Bußgeldkatalog orientiert.

3. Der zulässigerweise auf die Festsetzung der Geldbuße beschränkte Antrag des Bundesamtes der Justiz auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 87j, 87k IRG) bleibt ohne Erfolg.

a) Die Versagung rechtlichen Gehörs (§ 87k Abs. 1 Nr. 2 IRG) wird nicht geltend gemacht.

b) Eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 87k Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. IRG) kommt nicht in Betracht, weil keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Raum steht. Vielmehr ist der Gesetzeswortlaut eindeutig.

aa) Nach § 87i Abs. 3 Satz 2 IRG war die in den Niederlanden verhängte Geldsanktion also solche in die ihr im deutschen Recht am meisten entsprechende Sanktion, hier also in eine Geldbuße, umzuwandeln, was auch geschehen ist.

bb) Für eine eventuell notwendige Anpassung der Höhe der Geldsanktion verweist § 87i Abs. 3 Satz 3 IRG auf § 87f Abs. 2 IRG, wobei hier nur dessen Satz 1 anwendbar ist, der wiederum auf § 54 Absatz 2 und 4 IRG verweist. Dort ist zum einen die Umrechnung einer in ausländischer Währung berechneten Geldsanktion geregelt, was bei Vollstreckungsersuchen aus Mitgliedsstaaten des "Euro-Raumes" keine Rolle spielt. Zum anderen geht es um die Anrechnung bereits erfolgter Teilvollstreckungen im Ausland.

cc) Für die vom Amtsgericht Prüm vorgenommene Anpassung der ausländischen Geldsanktion an inländische Regelsätze gibt es keine Rechtsgrundlage; die angefochtene Entscheidung ist insoweit offensichtlich falsch.

b) Die angefochtene Entscheidung stellt auch nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Frage (§ 87k Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. IRG). Es handelt sich um einen "Ausrutscher" im Einzelfall, den das Amtsgericht Prüm spätestens nach Kenntnis der Gründe der jetzt ergangenen Entscheidung mit Sicherheit nicht wiederholen wird. Da die fehlerhafte Entscheidung keine Begründung enthält, die zumindest theoretisch geeignet wäre, andere Gerichte auf eine falsche Fährte zu lenken, sieht der Senat auch nicht das Risiko eines Nachahmungseffekts. Er geht vielmehr davon aus, dass andere Gerichte durch bloßes Lesen des Gesetzestextes zu dem richtigen Ergebnis gelangen werden.

4. Kosten: § 87j Abs. 2 IRG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.




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