Das Verkehrslexikon
OLG München Beschluss vom 07.02.2012 - 1 U 3610/11 - Keine Schutzgesetzverletzung durch einen außerhalb der Fahrbahn aufgestellten Blumenkübel
OLG München v. 07.02.2012: Keine Schutzgesetzverletzung durch einen außerhalb der Fahrbahn aufgestellten Blumenkübel
Das OLG München (Beschluss vom 07.02.2012 - 1 U 3610/11) hat entschieden:
Ein Blumenkübel, der jenseits der Fahrbahn steht, in diese weder hineinragt noch einen überraschenden oder ungewöhnlichen Fahrbahnverlauf bewirkt, stellt kein Hindernis im Sinne von § 32 StVO dar und begründet deshalb unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 StVO) auch keine Schadenersatzpflicht.
Siehe auch Verkehrssicherungspflicht und Straßenverhältnisse und Verkehrssicherung
Gründe:
I.
Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint. Der Umstand, dass der Beklagte außerhalb der Fahrbahn einen Pflanztrog mit einem Durchmesser von ca. 1 Meter aufgestellt hat, den der Kläger beim Verlassen eines Grundstücks und Einfahren in die Straße mit seinem Fahrzeug gestreift hat, begründet keinen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten. Zu Recht hat das Landgericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf das sorgsam begründete Urteil des Landgerichts Bezug genommen werden, dem sich der Senat vollumfänglich anschließt. Der Kläger vermag in der Berufungsbegründung weder in rechtlicher noch in sachlicher Hinsicht entscheidungserhebliche Fehler des Landgerichts aufzuzeigen.
Ergänzend ist auszuführen:
1. Soweit sich der Kläger in der Berufungsbegründung auf § 32 StVO stützt, lässt er außer Acht, dass der fragliche Blumenkübel weder auf der Fahrbahn gestanden hat noch in diese hineinragte. Der Blumenkübel befand sich vielmehr außerhalb der Fahrbahn auf dem parallel dazu verlaufenden rechten Gehweg bzw. der Fläche, die sich zwischen Gehweg und Fahrbahn befindet. Insoweit unterscheidet sich die streitgegenständliche Konstellation von dem Sachverhalt in der Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 10.09.1991, Az. 14 U 244/89), auf die sich der Kläger stützt. Ein Blumenkübel, der jenseits der Fahrbahn steht, in diese weder hineinragt noch einen überraschenden oder ungewöhnlichen Fahrbahnverlauf bewirkt, stellt kein Hindernis im Sinne von § 32 StVO dar und begründet deshalb unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 StVO) auch keine Schadenersatzpflicht.
Auch im Übrigen ist eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu verneinen, da der Blumenkübel nicht in einer Weise aufgestellt worden ist, dass er zu einer Gefahrenquelle für diejenigen Verkehrsteilnehmer werden konnte, welche die Straße berechtigter Weise benutzen und die von einem durchschnittlichen Kraftfahrer zu fordernde Aufmerksamkeit walten lassen.
Ausgehend von den vom Kläger vorgelegten Fotos hält der Senat insbesondere auch den Abstand des Pflanzenkübels zur Ausfahrt für ausreichend, selbst wenn der Trog, wie der Kläger behauptet, nur 50 cm hoch gewesen sein sollte und nicht, wie der Beklagte vorträgt, 70- 90 cm. Der Beklagte musste nicht damit rechnen, dass ein Fahrer den Kübel beim Verlassen des Grundstücks übersieht, erst recht nicht dass jemand die Kurve schneidet und in einem derart ungünstigen Winkel in die Fahrbahn einfährt, dass er den Kübel noch touchiert. Soweit der Kläger geltend macht, er habe wegen der rechten A-Säule den Pflanzentrog nicht sehen können, ist zum einen festzustellen, dass ihm (wenn nicht schon beim Einfahren, dann jedenfalls) beim schrittweisen Verlassen des Grundstücks der große auffällige Trog (Durchmesser 1 Meter) hätte auffallen müssen, zum anderen hätte er sich nicht zuletzt zum Schutz etwaiger Fußgänger (Erwachsener oder Kinder) selbst versichern müssen, dass der Bereich, den er zum Einbiegen nutzen will, frei ist. Denn gemäß § 10 StVO hat derjenige, der aus einem Grundstück auf die Fahrbahn einfahren will, sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Auch der Hinweis auf den Gegenverkehr seitens des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wie die vorgelegten Fotos belegen, kann angesichts des sehr breiten, übersichtlichen Einfahrtbereichs von einem durchschnittlichen Fahrer sehr wohl erwartet werden, dass er in die Bahnhofstraße einbiegt, ohne die Mittellinie zu überfahren. Falls dies nicht möglich sein sollte, müsste ein Fahrer abwarten, bis auch die Gegenfahrbahn frei ist, oder er wählt einen Bogen, den er vollständig überblickt. Notfalls müsste sich ein Fahrer einweisen lassen, vgl. § 10 StVO. Wählt der Fahrer stattdessen eine Fahrlinie, bei der er einen für ihn nicht einsichtigen Bereich in seinem toten Winkel überfahren muss, tut er dies auf eigene Gefahr.
Der Senat teilt demnach die Beurteilung des Landgerichts, dass die Gemeinde nicht damit rechnen musste, dass ein Kraftfahrer den Pflanzenkübel übersieht und in einer Weise in die Fahrbahn einbiegt, dass er mit diesem kollidiert. Vielmehr hat der Kläger den Schaden durch sein nicht der StVO entsprechendes Fahrverhalten selbst zu verantworten.
2. Ebenso wenig vermag der Senat dem Argument des Klägers zu folgen, dass der Verlauf der Bordsteinkante eine Gefährdung bzw. eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellt.
3. Es handelt sich um ein sinnvolles und vernünftiges Vorgehen, wenn ein Verkehrssicherungspflichtiger nach einem gemeldeten Unfall Vorsorge trifft, dass sich ein derartiges Ereignis nicht wiederholt, zumal das Haftungsrisiko bei unverändertem Belassen eines Zustandes, der in der Vergangenheit zu einem Unfall geführt hat, objektiv steigt. Derartige Maßnahmen stellen weder ein Zugeständnis einer Haftung dar, noch indizieren sie einen verkehrssicherungspflichtwidrigen Zustand zum Zeitpunkt des Unfalls (vgl. Senatsbeschluss vom 04.10.2010, Az. 1 U 3427/10; Senatsurteil vom 16.09.2010, Az. 1 U 3515/10).
II.
Da das Vorbringen des Klägers nicht geeignet ist, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu stellen, wird dem Kläger geraten, die gänzlich aussichtslose Berufung zur Vermeidung weiterer Verfahrenskosten zurückzunehmen.