Das Verkehrslexikon

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BGH (Beschluss vom 06.03.2012 - 1 StR 28/12 - Zur Tateinheit zwischen Kfz-Diebstahl und Fahren ohne Fahrerlaubnis

BGH v. 06.03.2012: Zur Tateinheit zwischen Kfz-Diebstahl und Fahren ohne Fahrerlaubnis


Der BGH (Beschluss vom 06.03.2012 - 1 StR 28/12) hat entschieden:

   Der Diebstahl eines Kraftfahrzeugs (hier: eines Motorrads) und das Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis stehen in Tateinheit zueinander, wenn die Wegnahme des Kraftfahrzeugs gerade durch das Wegfahren erfolgt, die Tathandlungen somit identisch sind.



Siehe auch

Tateinheit - Tatmehrheit - mehrere Verstöße auf einer Fahrt


Gründe:


Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten M. nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen schweren Bandendiebstahls in 25 Fällen (hiervon sieben versucht) und Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen - sämtlich in Tateinheit mit Sachbeschädigung -, wegen Diebstahls in 14 Fällen - in zwei Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung -, wegen Betruges sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte - vier weitere Verurteilte haben das Urteil nicht angefochten - mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zwar zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der für die Fälle C. II. 2. und C. III. 2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von jeweils drei Monaten Freiheitsstrafe, hat aber darüber hinaus keinen Erfolg.

1. a) Nach den Feststellungen brach der Angeklagte M. - gemeinsam mit einem bzw. zwei der Mitangeklagten - in den Fällen C. II. 1. und C. III. 1. der Urteilsgründe jeweils das Schloss eines ihm nicht gehörenden Motorrades auf, um das Fahrzeug zu entwenden und für sich zu behalten. „Daraufhin“ (Fall C. II. 2. der Urteilsgründe) bzw. „anschließend“ (Fall C. III. 2. der Urteilsgründe) fuhr er das Motorrad vom jeweiligen Tatort auf öffentlichen Straßen in einen anderen Ort, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein.

Die Würdigung der Strafkammer, die beiden (in Tateinheit mit Sachbeschädigung begangenen) Diebstähle stünden zum jeweils nachfolgenden Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit (§ 53 StGB), hält rechtlicher Prüfung nicht stand (§ 349 Abs. 4 StPO). Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 7. Februar 2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Angeklagte die Delikte jeweils tateinheitlich (§ 52 StGB) verwirklicht hat, weil die Wegnahme des Motorrades in beiden Fällen gerade durch das Wegfahren erfolgt ist, die Tathandlungen somit identisch waren (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1962 - 4 StR 266/62, BGHSt 18, 66, 69; BGH, Beschluss vom 8. August 2006 - 4 StR 263/06).

b) Die für die Fälle C. II. 2. und C. III. 2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen müssen daher entfallen.

c) Die Gesamtfreiheitsstrafe wird davon nicht berührt. Dieser liegen auch nach dem Wegfall der beiden dreimonatigen Freiheitsstrafen noch 42 Einzelstrafen zugrunde, von denen allein 24 auf ein bis zwei Jahre festgesetzt worden sind. Angesichts dessen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer gegen den vielfach einschlägig vorbestraften Angeklagten eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt und damit die im Rahmen der Verständigung zugesagte Untergrenze unterschritten hätte, wäre sie sich der tateinheitlichen Begehung in den Fällen C. II. 1. und 2. bzw. C. III. 1. und 2. der Urteilsgründe bewusst gewesen. Der Gesamtunrechtsgehalt aller Taten ist durch die abweichende Beurteilung der Konkurrenzen bei vier Taten unverändert geblieben.

d) Von den Rechtsfehlern sind die nicht revidierenden Angeklagten nicht betroffen (§ 357 StGB).

2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat ergänzt die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 7. Februar 2012 nur wie folgt:

Soweit der Angeklagte M. bei zwei gewerbsmäßig verübten Diebstählen jeweils eine Geldbörse entwendet hat, in der sich lediglich etwa 12 € Bargeld sowie Personalausweis, Führerschein und diverse Karten (Fall C. I. 5. der Urteilsgründe) bzw. andere nicht näher bezeichnete persönliche Sachen (Fall C. I. 9. der Urteilsgründe) befanden, war das Landgericht an der Anwendung des sich aus § 243 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmens nicht durch § 243 Abs. 2 StGB gehindert, auch wenn nach dieser Bestimmung trotz gewerbsmäßiger Begehungsweise (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) ein besonders schwerer Fall ausscheidet, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

Insofern kommt es nicht auf den Wert der Geldbörsen - diesen hat die Strafkammer nicht festgestellt - und auf die Frage an, ob dieser zusammen mit dem jeweils entwendeten Bargeld noch unterhalb der Geringwertigkeitsgrenze (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 3. Mai 2011 - 1 StR 100/11, StV 2011, 53) lag. Denn selbst wenn dem so war, wäre § 243 Abs. 2 StGB nur anwendbar, wenn zudem der Tatvorsatz des Angeklagten auf die Erlangung eines geringwertigen Gegenstandes gerichtet gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1986 - 3 StR 264/86, NStZ 1987, 71; Hohmann/Sander, BT-1, § 1 Rn. 185 f.). Dies aber kann nach den Urteilsgründen insgesamt, vor allem unter Berücksichtigung sechs vergleichbarer Diebstähle und der dabei erzielten Beute ausgeschlossen werden. § 243 Abs. 2 StGB greift im Übrigen nicht ein, wenn Sachen ohne messbaren Verkehrswert gestohlen werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460, 1461), wie etwa Ausweispapiere.

3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten freizustellen.