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Verwaltungsgericht Göttingen (Urteil vom 13.04.2011 - 1 A 126/10 - Zur Ausnahmegenehmigung vom Nacht- und Sonntagsparkverbot für LKW

VG Göttingen v. 13.04.2011: Zur Ausnahmegenehmigung vom Nacht- und Sonntagsparkverbot für LKW


Das Verwaltungsgericht Göttingen (Urteil vom 13.04.2011 - 1 A 126/10) hat entschieden:
Für die Anwendung des Nacht- und Sonntagsparkverbots für LKW nach § 12 Abs. 3 a Satz 1 StVO ist auch die tatsächlich vorhandene Bebauung des Gebiets ausschlaggebend und nicht nur die Ausweisung eines Gebiets im Bebauungsplan.


Siehe auch Sonntagsfahrverbot - Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen und Stichwörter zum Thema Transportrecht - Frachtverrtragsrecht - Güterkraftverkehr


Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Ausnahmegenehmigung von einem Parkverbot für Lkw.

Er wohnt in F. in der E. in dem Stadtviertel „O.“ und ist als Fernfahrer (Subunternehmer) für eine in Geldern ansässige Firma tätig. In der Vergangenheit parkte er seinen Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t an Wochenenden und über Nacht in der P. - oder Q. in der Nähe seiner Wohnung. Dies führte zu mehreren Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn, weil das Parken mit einem Lkw in der Q. - und E. gegen das Nacht- und Sonntagsparkverbot nach § 12 Abs. 3 a Straßenverkehrs-Ordnung verstoße. Seitdem parkt er im R. Weg oder auf dem Parkplatz der Autobahnraststätte F..

Mit Schriftsatz vom 30.03.2010 beantragte er bei der Beklagten, ihm gem. § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Straßenverkehrs-Ordnung eine Ausnahmegenehmigung von dem Nacht- und Sonntagsparkverbot nach § 12 Abs. 3 a Straßenverkehrs-Ordnung für den Bereich Q. -, E. in F. zu erteilen. Er sei aus beruflichen Gründen auf einen Parkplatz für seinen Lkw in der Nähe seiner Wohnung angewiesen. Seine Firma unterhalte in F. oder näherer Umgebung keine Zweigstelle. Er müsse seinen Lkw des Öfteren mit nach Hause nehmen, um auf Abruf Fahrten durchzuführen, oder er mache in F. über Nacht, insbesondere an Wochenenden, Zwischenstopps. Parke er weiter entfernt, könne er nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Taxi zu seinem Lkw gelangen, da er keinen Pkw besitze. Für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötige er bis zu 1 1/2 Stunden, die Taxifahrten stellten für ihn eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Mit dem Fahrrad könne er nicht fahren, da er für seine Touren Gepäck für mindestens eine Woche - Verpflegung, Bettzeug, Kühltasche - mitnehmen müsse. Wegen der erheblichen Fahrzeit zu seinem Lkw habe er in der Vergangenheit schon öfter Expresseinsätze seiner Auftraggeberin ablehnen müssen, was für ihn eine erhebliche finanzielle Einbuße bedeute. Seine Auftraggeberin erwarte von ihm, dass er jederzeit einsatzbereit sei, andernfalls vergebe sie die Aufträge an andere Subunternehmer. Darüber hinaus seien aus seinem Lkw schon öfter Waren entwendet worden, als er diesen auf der Autobahnraststätte F. abgestellt habe. Hierfür müsse er gegenüber seiner Auftraggeberin einstehen. Er fühle sich in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt und für ihn liege eine unzumutbare Härte vor, wenn er seinen Lkw nicht in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnung parken könne.

Mit Bescheid vom 03.05.2010 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Das Parkverbot nach § 12 Abs. 3 a Straßenverkehrs-Ordnung komme hier zur Anwendung, weil die P. - und S. bauordnungsrechtlich (richtig: bauplanungsrechtlich, Anmerkung Gericht) als reines Wohngebiet eingestuft seien. Dem Kläger könne keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Straßenverkehrs-Ordnung erteilt werden. Das in § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 Straßenverkehrs-Ordnung geregelte Parkverbot für Lkw in reinen und allgemeinen Wohngebieten diene dem Schutz der Wohnbevölkerung vor Schmutz, Staub und Lärm; von dem Verbot könne nur bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls eine Ausnahme gemacht werden. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen. Die vom Kläger angeführten Gesichtspunkte begründeten keinen Härtefall. Ihm sei - wie jedem Arbeitnehmer zu seinem Arbeitsplatz - ein gewisser Weg zu seinem Lkw zumutbar. Der Weg würde sich im Übrigen verkürzen, wenn er seinen Lkw nicht im R. Weg, sondern in der T. abstellen würde. Auch die angeführten finanziellen Gründe begründeten keine unzumutbare Härte. Jeder Arbeitnehmer habe es selbst in der Hand, wie und mit welchem finanziellen Aufwand er seine Arbeitsstelle erreiche. Eine Anfahrt mit dem Taxi sei nicht zwingend notwendig, es gebe auch günstigere Möglichkeiten wie z. B. mit dem Fahrrad. Mit Sattel- und Reisetaschen könne auch das notwendige Gepäck transportiert werden. Was die befürchtete Einbruchgefahr betreffe, so sei jeder, der sein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen abstelle, dieser Gefahr ausgesetzt. Der Kläger sei nicht in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt, wenn er seinen Lkw nicht in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnung parken könne. Allein gewisse Beeinträchtigungen hinsichtlich des unmittelbaren Zugriffs auf den Lkw schränkten die Berufsfreiheit nicht ein.

Der Kläger hat am 03.06.2010 Klage erhoben.

Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Seine Lebensgefährtin könne ihn nicht mit ihrem Pkw zu seinem Lkw fahren, da sie berufstätig sei und ihr Fahrzeug selbst benötige. Sie könne ihm auch keines ihrer zwei weiteren Fahrzeuge zur Verfügung stellen, diese würden überwiegend von ihrer Tochter bzw. ihrem Bruder genutzt. Entgegen der Ansicht der Beklagten komme es für die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 Straßen-Verkehrsordnung nicht auf die bauplanungsrechtliche Einstufung des Gebiets als reines oder allgemeines Wohngebiet an, sondern auf die tatsächliche Bebauung. Unter Berücksichtigung der näheren Umgebung von Q. - und E. - U. Klinik, Jugendanstalt F. - O., Bahnstrecke, V. - sei zweifelhaft, ob hier tatsächlich ein nach § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 Straßen-Verkehrsordnung schützenswertes Wohngebiet vorliege. Es sei auch zweifelhaft, ob eine Ausnahmegenehmigung nur im Fall einer unzumutbaren Härte erteilt werden dürfe. Für eine Ausnahmegenehmigung spreche hier, dass in der P. - und S. genügend Parkraum vorhanden sei, sodass ein lautes Rangieren entfalle. Die Fahrgeräusche eines modernen Lkw beim Anhalten und Starten seien jedoch nicht lauter als bei einem Pkw. Es gebe auch keine besondere Geräuschbelastung durch den Kühler des Lkw. Wenn Ware gekühlt werden müsse, parke er den Lkw nicht in F., sondern auf speziell dafür vorgesehenen Lkw- Parkplätzen, z.B. in W.. Die Lärm- und Abgasbelastung für die Anwohner von P. - und S. durch seinen Lkw sei auch deshalb gering, weil diese Straßen sehr breit seien und die Wohnhäuser mindestens 10 Meter entfernt stünden. Der Einwand der Beklagten, jedem Arbeitnehmer sei ein gewisser Anfahrtsweg zu seinem Arbeitsplatz zuzumuten, greife ebenfalls nicht. Er sei mit anderen Arbeitnehmern nicht vergleichbar. Diesen würden Bereitschaftsdienste gesondert vergütet bzw. könnten ihnen nicht verloren gehen, sie erhielten eine Fahrtkostenerstattung oder könnten ihre Fahrtkosten als Werbungskosten bei der Steuererklärung absetzen. Sie müssten auch nicht auf Abruf einsatzbereit sein. Entgegen der Behauptung der Beklagten gebe es im Umkreis von 4 km zu seiner Wohnung keinen geeigneten und sicheren Parkplatz für seinen Lkw. Die T. sei oft zugeparkt.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.05.2010 zu verpflichten, ihm entsprechend seinem Antrag vom 30.03.2010 gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StVO eine Ausnahmegenehmigung von dem Nacht- und Sonntagsfahrverbot des § 12 Abs. 3 a StVO für den Bereich S. /E. in F. zu erteilen,

hilfsweise,

die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Berufung zuzulassen.
Zur Begründung beruft sie sich auf den ablehnenden Bescheid und macht folgende Ergänzungen: Im Umkreis von 4 km zur Wohnung des Klägers gebe es genügend Gewerbegebiete - in X. oder auf der Y. -, in denen der Kläger seinen Lkw abstellen könne. Sie bestreitet, dass der Kläger Expresseinsätze fahren müsse, die einen Anfahrtsweg von 4 km zu seinem Lkw unzumutbar machten. Dagegen spreche, dass es sich um Fernfahrten handeln dürfte, bei denen ohnehin z. B. wegen Staus mit Verzögerungen gerechnet werden müsse. Der Kläger habe nicht dargelegt, inwieweit die Berufstätigkeit seiner Lebensgefährtin es ausschließe, ihn zu seinem Lkw zu fahren. Entgegen seiner Ansicht hätten an- und abfahrende Lkw gegenüber Pkw aufgrund des lauteren Motorengeräuschs, aber auch durch klappernde Geräusche wie z.B. die Spriegel des Aufliegers oder Anhängers einen erhöhten Lärmpegel. Sie hätten auch einen erhöhten Abgasausstoß und verursachten eine zusätzliche Belastung mit Feinstaub. Gegen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung spreche auch, dass andernfalls ein Präzedenzfall geschaffen werde. Die Flächen reiner und allgemeiner Wohngebiete hätten zugenommen und Unternehmer würden zunehmend dazu übergehen, ihren Lkw-Bestand direkt auf ihre Fahrer zu übertragen. Damit wachse die Gefahr, dass die vom Kläger begehrte Ausnahmegenehmigung zum Regelfall und § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 Straßenverkehrs-Ordnung faktisch außer Kraft gesetzt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Straßenverkehrs-Ordnung -StVO - zu (§ 113 Abs. 5 VwGO). Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StVO können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von dem Nacht- und Sonntagsparkverbot nach § 12 Abs. 3 a StVO genehmigen.

Das Nacht- und Sonntagsparkverbot des § 12 Abs. 3 a Satz 1 StVO findet im vorliegenden Fall Anwendung. Danach ist mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t u. a. in reinen und allgemeinen Wohngebieten (Nr. 1) das regelmäßige Parken in der Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen unzulässig. Die P. - und S. liegen in einem Gebiet, das mindestens einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne dieser Vorschrift entspricht. Die Begriffe "reine und allgemeine Wohngebiete" sind der 1977 in Kraft getretenen Baunutzungsverordnung vom 15.09.1977 (BGBl. I S. 1763) - BauNVO - entnommen (vgl. Begründung zur ÄndVO vom 21.07.1980, VkBl 1980, S. 516, abgedruckt in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, 2009, § 12 Rn. 7), sodass hier die §§ 3 (Reines Wohngebiet) und 4 (Allgemeines Wohngebiet) BauNVO in der aktuellen Fassung vom 22.04.1993 (BGBl. I S. 466) heranzuziehen sind. Dabei ist nicht allein die Ausweisung des Gebiets im Bebauungsplan als reines oder allgemeines Wohngebiet entscheidend, sondern auch die tatsächlich vorhandene Bebauung in dem Gebiet unter Berücksichtigung der in §§ 3 und 4 BauNVO enthaltenen Begriffsbestimmungen. Nur so wird der Schutzzweck des Parkverbots in § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 StVO, die Wohnbevölkerung vor Abgas- und Lärmbelastung durch ankommende und abfahrende Lkw zu schützen, umfassend erreicht (so OLG Hamm, Beschluss vom 17.08.1983 - 6 Ss OWi 788/83 -, VRS 1984, 53 ff.; BayObLG, Beschlüsse vom 26.02.1990 -1 Ob Owi 340/89 - und 10.07.1997 - 1 Ob Owi 259/97 -, jeweils juris; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage, 2008, § 12 StVO, Rn. 72). Soweit im Schrifttum vertreten wird, für die Begriffsbestimmung in § 12 Abs. 3 a Satz 1 StVO sei allein die bauplanungsrechtliche Ausweisung entscheidend; das Parkverbot nach § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 StVO gelte deshalb nicht, wenn das Gebiet im Bebauungsplan nicht als reines oder allgemeines Wohngebiet festgesetzt sei (so Hentschel., a.a.O., § 12 StVO Rn. 60 a), wird dieser Ansicht nicht gefolgt. Insofern ist es unerheblich, dass der im vorliegenden Fall maßgebende Bebauungsplan "Nr. 3 Am O.“ von 1961 keinerlei Festsetzungen zu reinen oder allgemeinen Wohngebieten enthält - die Baunutzungsverordnung gab es damals noch nicht - und die Beklagte durch die 4. Änderung des Bebauungsplans "Nr. 3 Am O. " lediglich einen Teilbereich der E. als reines Wohngebiet - WR - ausgewiesen hat.

Das hier zu betrachtende Gebiet entspricht aufgrund seiner tatsächlichen Bebauung mindestens der in § 4 BauNVO enthaltenen Definition eines allgemeinen Wohngebiets. Danach dienen allgemeine Wohngebiete vorwiegend dem Wohnen (Abs. 1). Zulässig sind nach Abs. 2 Wohngebäude (Nr. 1), die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe (Nr. 2) und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 3). Nach Abs. 3 können ausnahmsweise auch weitere, im Einzelnen aufgeführte, vorliegend jedoch nicht relevante Betriebe und Anlagen zugelassen werden. Bei der Beurteilung, ob der Parkplatz in einem solchen Gebiet liegt, ist auf die Art der Gebäude und deren äußerlich erkennbare Nutzung in der Umgebung des Parkplatzes abzustellen. Dabei ist nicht allein die Bebauung der Straße oder des Platzes, auf der oder auf dem der Lkw geparkt wird, sondern auch die Bebauung in der unmittelbaren Nachbarschaft von Bedeutung. Das Parkverbot besteht dort, wo - für jeden erkennbar - die Wohnfunktion eines Gebietes eindeutig im Vordergrund steht. Wie weit ein derartiges Gebiet reicht, kann nicht im Voraus generell nach Entfernungen angegeben werden, sondern muss im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 a StVO bestimmt werden (OLG Hamm, a.a.O.).

Wie dem amtlichen Stadtplan F., 3. Auflage 2006, zu entnehmen ist, liegen die Q. - und E. in einem Gebiet, das im Norden und Westen durch Bahngleise, im Osten durch die Straßen "Z. ", "V. " (bis zum AA.) und "AB. " (bis zur Jugendanstalt F.) und im Süden ebenfalls durch den AB. eingerahmt wird, und das ausschließlich mit Wohngebäuden und sonstigen Gebäuden bebaut ist. Nach Ortskenntnis des Gerichts handelt es sich bei den Wohngebäuden um Mehr- und Einfamilien-/Reihenhäuser, die sonstigen Gebäude fallen entweder unter § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO - ein Lebensmittelmarkt, eine Gaststätte und eine Apotheke in der E., ein Taxistand und eine Sparkassenfiliale in der S. - oder unter Abs. 2 Nr. 3 - AC. mit Sporthalle, Kindertagesstätte, Kinderhaus O. und AD. - (s. auch Stadtplan). Demnach entspricht das beschriebene Gebiet in seinen aufgezeigten Grenzen aufgrund seiner Bebauung einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO (ohne die Gaststätte sogar einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO). Nur dieses Gebiet ist im Rahmen des § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 StVO zu berücksichtigen, da es sich ganz klar von seiner Umgebung abgrenzt. Im Osten und Süden erfolgt die Abgrenzung durch die o.g. Straßen. Im Norden und Westen endet das Wohngebiet an den Bahngleisen; im Norden schließt sich der Stadtfriedhof an, im Westen die Gartenkolonien "O. - West" und "AE. " (vgl. Stadtplan). Eine Zäsur des Gebiets erfolgt auch durch den Grüngürtel, in den die südöstlich gelegene U. -Klinik und die Jugendanstalt F. eingebettet sind. Nach alledem berühren die außerhalb des Gebiets liegende U. -Klinik, die Jugendanstalt F., die Bahngleise und der V. den Gebietscharakter des Gebiets als allgemeines Wohngebiet nicht.

Auch das für ein Parkverbot nach § 12 Abs. 3 a Satz 1 StVO notwendige Tatbestandsmerkmal des regelmäßigen Parkens ist vorliegend erfüllt. Regelmäßig parkt, wer nicht nur ab und zu, sondern wiederholt in einem nach § 12 Abs. 3 a Satz 1 StVO geschützten Gebiet parkt. Auch größere zeitliche Abstände können bei ständiger Wiederholung zur Annahme der Regelmäßigkeit ausreichen (Hentschel, a.a.O., § 12 StVO Rn. 60 a m. w. Hinweisen). Nach diesem Maßstab beabsichtigt der Kläger regelmäßig nachts und an Sonn- bzw. Feiertagen in der P. - oder S. zu parken, denn er möchte seinen Lkw dort stets abstellen, wenn er in F. über Nacht einen Zwischenstopp macht und wenn er sein Wochenende in F. verbringt, was nach seinen Angaben beides öfter vorkommt.

Demnach gilt für den Kläger in der P. - und S. das Parkverbot nach § 12 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 StVO. Die Entscheidung, ob ihm nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StVO eine Ausnahme von dem Parkverbot zu bewilligen ist, steht im Ermessen der Behörde, sie unterliegt nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Ermessensausübung der Straßenverkehrsbehörde wird durch die hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften vereinheitlicht. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) in der Fassung vom 17.07.2009 (abgedruckt bei juris, Verwaltungsvorschriften) sind unter Rn. 1 - 149 zu § 46 die Voraussetzungen geregelt, unter denen Ausnahmegenehmigungen nach § 46 StVO erteilt werden können. Unter der Überschrift "Allgemeines über Ausnahmegenehmigungen" heißt es, die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei nur in besonders dringenden Fällen gerechtfertigt. An den Nachweis solcher Dringlichkeit seien strenge Anforderungen zu stellen (Rn. 1). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach Ausnahmegenehmigungen nur bei besonderer Dringlichkeit unter strengen Anforderungen an den Nachweis erteilt werden dürfen. Die mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Belange sind unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen die besonderen Interessen des Betroffenen abzuwägen (BVerwG, Urteil vom 22.12.1993 - 11 C 45/92 - DVBl.1994, 758; OVG Münster, Urteil vom 14.03.2000 - 8 A 5467/98 -, juris).

Nach diesem Maßstab hat die Beklagte ihr Ermessen in nach § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstandender Art und Weise ausgeübt. Ihr Ermessen ist nicht durch Rn. 147 (zu Nummer 12) VwV-StVO eingeschränkt. Danach soll eine Ausnahmegenehmigung grundsätzlich erteilt werden, wenn die Betroffenen über keine eigenen Betriebshöfe oder Abstellflächen verfügen und sich solche Möglichkeiten auch nicht in zumutbarer Weise beschaffen können und wenn sich zugleich keine Parkplätze mit Abstellerlaubnis in der näheren Umgebung befinden und auch nicht geschaffen werden können. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn es gibt in der näheren Umgebung des geschützten Wohngebiets Parkplätze für Lkw. Zu diesem Ergebnis ist auch die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung gelangt. Sie hat den Kläger u. a. darauf verwiesen, seinen Lkw im Gewerbegebiet X. und dort in der T. abzustellen. Die T. ist 2,3 km Fahrstrecke von dem in Rede stehenden Wohngebiet entfernt (ab Ecke S. /Z.); von der Wohnung des Klägers in der E. sind es 3 km. Ein Parkplatz in einer Entfernung von 2,3 bis 3 km zählt noch zur näheren Umgebung im Sinne der zitierten Verwaltungsvorschrift. Im Gewerbegebiet X. und damit auch in der T. dürfen Lkw auch parken. Falls - wie der Kläger behauptet - diese Straße oft zugeparkt ist, gibt es im Gewerbegebiet X. genügend Ausweichmöglichkeiten in den der T. benachbarten Straßen (Gewerbegebiet X. Südost). Darüber hinaus ist auch nicht davon auszugehen und vom Kläger nicht dargelegt, dass dieser sich nicht selbst in zumutbarer Weise eine Abstellfläche beschaffen könnte. Im Gewerbegebiet X. Südost gibt es viele Betriebe mit Abstellflächen, wo die Anmietung eines Dauerparkplatzes sicher möglich sein dürfte. Dabei ist auch die Zahlung eines gewissen Mietzinses zumutbar.

Die Beklagte hat auch ermessensfehlerfrei eine besondere Dringlichkeit für den Kläger verneint. Sie ist unter Würdigung aller vom Kläger geltend gemachter Gesichtspunkte zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht zwingend auf einen Parkplatz für seinen Lkw in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung angewiesen sei, und dass es für ihn keine unzumutbare Härte bedeute, seinen Lkw in einer Entfernung von 2 - 3 km zu dem geschützten Gebiet bzw. seiner Wohnung zu parken. Er muss einen Anfahrtsweg von 3 km zu seinem Lkw in Kauf nehmen. Insoweit unterscheidet er sich nicht von anderen Arbeitnehmern, die ebenfalls einen - oft viel längeren - Anfahrtsweg zu ihrem Arbeitsplatz haben. Daran ändert auch nichts, dass er dabei entstehende Kosten eventuell steuerlich nicht absetzen kann. Er muss auch selbst dafür Sorge tragen, dass er bei Expresseinsätzen rechtzeitig zu seinem Lkw gelangt. Auch insoweit unterscheidet er sich nicht von anderen Arbeitnehmern in Rufbereitschaft. Wenn die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Parkplatz zu lange dauert, muss er andere Möglichkeiten suchen. Sein Einwand, er könne nicht mit dem Fahrrad fahren, weil er das notwendige Gepäck nicht transportieren könne, überzeugt nicht. Auch mit dem Fahrrad lassen sich mit Satteltaschen Bettzeug, größere Mengen an Verpflegung und Kleidung transportieren. Er kann sein Gepäck alternativ auch direkt vor seiner Haustür in den Lkw laden, denn das Parkverbot gilt nur nachts von 22.00 bis 6.00 und an Sonn- und Feiertagen. Er hat auch nicht überzeugend dargelegt, dass seine Lebensgefährtin ihn grundsätzlich nicht zu seinem Lkw fahren könne. Warum dies allein aufgrund deren Berufstätigkeit ausscheide, leuchtet nicht ein. Das Gleiche gilt, soweit seine Lebensgefährtin ihm angeblich nie, noch nicht mal in Ausnahmefällen, eines ihrer zwei weiteren Fahrzeuge zur Verfügung stellen kann. Die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Kläger unzumutbare Einkommensverluste hinzunehmen hätte, wenn er bei Expresseinsätzen nicht direkt vor der Haustür mit seinem Lkw starten kann. Er hat bereits nicht substantiiert dargelegt, dass er solche Einkommensverluste in der Vergangenheit tatsächlich hatte bzw. zukünftig hätte. Es fehlen Angaben dazu, wie oft die sogenannten Expresseinsätze überhaupt anfallen und wie oft er solche Aufträge bereits ablehnen musste. Auch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben der "AF. " vom 11.04.2011, für die der Kläger nach seinen Angaben als Subunternehmer tätig ist, gibt hierüber keinen Aufschluss. Unabhängig davon ist kaum vorstellbar, dass es bei Expresseinsätzen auf Minuten - 10 Minuten dürfte der Weg mit dem Fahrrad von der Wohnung des Klägers zur T. dauern - ankommen soll. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil es sich bei diesen Einsätzen nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung um Fernfahrten handelt, bei welchen ohnehin Verzögerungen einkalkuliert werden müssen. Die Beklagte durfte bei ihrer Ermessensausübung auch berücksichtigen, dass im Fall einer Entscheidung zugunsten des Klägers die Gefahr besteht, einen Präzedenzfall zu schaffen. Mit den Argumenten des Klägers könnte nahezu jeder Lkw-Fahrer, dessen Arbeitgeber keine Parkplätze vor Ort zur Verfügung stellt, geltend machen, er benötige einen Parkplatz direkt vor seiner Haustür. Abgesehen davon wird auch ein Speditionsunternehmen vor Ort Lkw - Parkplätze nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe der Wohnungen seiner Fahrer einrichten. Das Gericht teilt auch nicht die Meinung des Klägers, die Lärmbelästigung durch moderne Lkw beim Starten und Abstellen sei nicht höher als bei Pkw. Wäre dies der Fall, wäre die in § 12 Abs. 3 a Satz 1 StVO getroffene Regelung überflüssig, hierfür gibt es jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Auch eine eventuell höhere Diebstahlsgefahr bei einem Parken außerhalb eines Wohngebiets begründet keine besondere Dringlichkeit. Dieser Gefahr ist jeder Lkw-Fahrer in vergleichbarer Lage ausgesetzt, sie kann deshalb keinen Ausnahmefall begründen. Zudem kann einer erhöhten Diebstahlsgefahr durch verstärkte Sicherheitsvorkehrungen begegnet werden. Soweit der Kläger vorträgt, bei Diebstahl habe er für den Verlust einzustehen, kann dieses Risiko durch Abschluss einer Diebstahlversicherung ausgeschlossen werden. Eine solche Versicherung dürfte auch üblich sein und der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er in der Vergangenheit tatsächlich schon Schadensersatz leisten musste. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, dass es sich bei der P. - und S. um großzügig angelegte Straßen handelt, die Wohnhäuser einen gewissen Abstand zur Fahrbahn haben und es genügend Parkraum gibt. Hierdurch wird der Schutzanspruch der Bewohner nicht herabgesetzt.