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Verwaltungsgericht Bremen Urteil vom 26.01.2009 - 5 K 2812/08 - Zu den Abschleppkosten bei einem Parkverstoß im Haltverbot
VG Bremen v. 26.01.2009: Zu den Abschleppkosten bei einem Parkverstoß im Haltverbot
Das Verwaltungsgericht Bremen (Urteil vom 26.01.2009 - 5 K 2812/08) hat entschieden:
- Das Halteverbotszeichen enthält neben dem Verbot des Haltens zugleich das Gebot des Wegfahrens und hält damit zur Vornahme einer vertretbaren Handlung an den Kfz-Führer, sodass eine Ersatzvornahme in Form des Abschleppens recht- und verhältnismäßig ist.
- Sind in einer Zone mit eingeschränktem Haltverbot Parkbuchten mit Parkscheinautomaten aufgestellt, so verleihen diese Parkbuchten eine Ausnahme vom Haltverbot. Fehlen in einigen dieser Parkbuchten die Parkscheinautomaten, so erstreckt sich diese Ausnahme nicht auf die Parkbuchten ohne Parkscheinautomat; in ihnen ist das Parken weiterhin verboten.
Siehe auch Abschleppkosten bei Halt- und Parkverstößen und Stichwörter zum Thema Abschleppkosten
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid aus Anlass einer Abschleppmaßnahme.
Der Kläger parkte am Mittwoch, den 02.04.2008 mindestens in der Zeit von 10.45 Uhr bis 11.48 Uhr seinen Pkw mit amtlichem Kennzeichen am Do. vor Hausnummer 31/33. Der Do. liegt in einem Gebiet, das durch das Zeichen 290 („eingeschränktes Haltverbot für eine Zone“) mit Zusatzzeichen 1020.32 („Bewohner mit Parkausweis J frei“) und Zusatzzeichen 1042.33 („Mo - Fr 8-20 h Sa 8 - 16 h) als Haltverbotszone mit Sonderparkberechtigung nur für Anwohner ausgewiesen ist. Ein Verkehrsüberwacher veranlasste das Abschleppen des Fahrzeugs mit der Begründung „Parken im eingeschränkten Haltverbot für eine Zone - keine Ladetätigkeit, länger als 1 Stunde“. Mit Bescheid vom 23.04.2008 setzte das Stadtamt Bremen gegen den Kläger Kosten für das Abschleppen in Höhe von 94,00 Euro und eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 55,00 Euro fest. Gegen den Kostenfestsetzungsbescheid ließ der Kläger am 28.04.2008 anwaltlich Widerspruch einlegen, der nicht begründet wurde.
Den Widerspruch wies der Senator für Inneres und Sport mit Bescheid vom 30.07.2008, zugestellt am 08.08.2008, zurück. Der Kläger habe sein Fahrzeug verbotswidrig länger als eine Stunde auf einem Parkplatz innerhalb eines eingeschränkten Haltverbots für eine Zone geparkt. Hierin habe ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit gelegen. Die Abschleppmaßnahme sei zur Beseitigung der Störung geeignet und erforderlich gewesen und im Übrigen verhältnismäßig gewesen, da ein Umsetzen des Fahrzeugs innerhalb der Verbotszone nicht möglich gewesen sei.
Der Kläger hat am 08.09.2008 Klage erhoben. Er trägt vor, es liege kein Verkehrsverstoß vor, da die Beschilderung der Zone uneindeutig sei Das „Parkschild“ vor der Parkbucht, in der er sein Fahrzeug abgestellt habe, differenziere nicht zwischen Bewohnerparken und Parkscheinnotwendigkeit und habe auch keinen Parkscheinautomaten gehabt. Er habe daher davon ausgehen können, dass dort im Unterschied zu den vorherigen Parkbuchten das Parken gestattet gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides. Ergänzend trägt sie vor, das Verkehrszeichen 290/292 sei beidseitig an allen Zufahrtstraßen zur Verbotszone aufgestellt. Das Zonenhaltverbot gelte für alle öffentlichen Verkehrsund Parkflächen, die für den ruhenden Verkehr in Betracht kämen. Einer gesonderten Beschilderung bedürfe es nicht. Der Kläger unterliege einem Irrtum, wenn er meine, das Schild vor der Parkbucht, in der er sein Fahrzeug abgestellt habe, sei ein Parkschild. Es handele sich vielmehr um das Verkehrszeichen 331 („Kraftfahrstraßen“).
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 09.12.2008 auf die Einzelrichterin übertragen.
Die den Kläger betreffenden Akten haben dem Gericht vorgelegen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, soweit das Urteil darauf beruht.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch die Einzelrichterin, da dieser der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 09.12.2008 zur Entscheidung übertragen worden ist.
II.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
II.1. Rechtsgrundlage für die im Kostenfestsetzungsbescheid vom 23.04.2008 festgesetzten Abschleppkosten und die Verwaltungsgebühr sind die §§ 11, 15, 19 Abs. 3 Bremisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (BremVwVG). Nach § 15 BremVwVG kann die Vollzugsbehörde einen anderen mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen, wenn die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt wird. Wird die Handlung auf Kosten des Pflichtigen im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt, so setzt die Vollzugsbehörde die ihr daraus entstandenen notwendigen besonderen Aufwendungen (Kosten) nach § 19 Abs. 3 BremVwVG gegenüber dem Pflichtigen fest.
Die Abschleppmaßnahme ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn es handelt sich um eine rechtmäßige Ersatzvornahme. Der Pkw des Klägers war vorliegend unter Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b der Straßenverkehrsordnung (StVO) geparkt. Danach ist das Halten unzulässig, soweit es durch das Verkehrszeichen „eingeschränktes Haltverbot“ (Zeichen 286) verboten ist. Nach § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO kann das eingeschränkte Haltverbot für eine Zone bestimmt werden. Das Verbot gilt in diesem Fall für alle öffentlichen Verkehrsflächen innerhalb des durch die Zeichen 290 und 292 begrenzten Bereichs, sofern nicht abweichende Regelungen durch Verkehrszeichen angeordnet oder erlaubt sind. Hiergegen hat der Kläger verstoßen, denn er parkte sein Fahrzeug innerhalb einer durch die Zeichen 290 und 292 begrenzten Haltverbotszone. Das Halteverbotszeichen enthält neben dem Verbot des Haltens zugleich das Gebot des Wegfahrens und hält damit zur Vornahme einer vertretbaren Handlung an (vgl. BVerwG, Urteil v. 11.12.1996, Az. 11 C 15/95). Da der Kläger nicht zum Personenkreis der Parkberechtigten gehörte, traf ihn die Verpflichtung, das ordnungswidrig geparkte Fahrzeug wegzufahren. Hierin liegt eine vertretbare Handlung im Sinne des § 15 BremVwVG.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Beschilderung der Verbotszone sei uneindeutig gewesen. Die Beklagte hat, ohne dass der Kläger dem substantiiert widersprochen hätte, vorgetragen, dass an allen Zufahrtsstraßen zu dem Gebiet beidseitig die Zeichen 290 (mit den genannten Zusatzzeichen) und entsprechend an den Ausfahrten das Zeichen 292 angebracht waren. Am Vorliegen dieser Ausschilderung besteht kein Anlass zu Zweifeln. Die Haltverbotszone war damit wirksam angeordnet. Einer wiederholten Anordnung des Haltverbots durch Ausschilderung hinter der Einmündung der Steinhäuserstraße bedurfte es nicht. Wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, unterbricht die Einmündung der Steinhäuserstraße auf die Straße Do. nicht das wirksam angeordnete Haltverbot. Die Regelung des § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO, wonach Haltverbote nur bis zur nächsten Kreuzung oder bis zur nächsten Einmündung auf der gleichen Straßenseite gelten, gilt nur für die Zeichen 283 und 286, nicht aber innerhalb einer Verbotszone nach Zeichen 290 und 292. Es ist gerade der Sinn der Zeichen 290 und 292, im Interesse einer Verringerung der Zahl der Verkehrsschilder für ein bestimmtes Gebiet eine Einzelausschilderung durch das Zeichen 286 entbehrlich zu machen. Ein Verstoß gegen den für die Verkehrsregelung durch Schilder ansonsten geltenden Sichtbarkeitsgrundsatz ist auch aus diesem Grund nicht zu erkennen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.02.2002, Az. 3 Bf 237/00 m.w.N.). Da die streitgegenständliche Parkbucht nicht mit einem Parkscheinautomat versehen war, erstreckte sich das eingeschränkte Haltverbot im Gegensatz zu denjenigen Parkbuchten, die ein Parken mit gültigem Parkschein erlaubten, auch auf diese Verkehrsfläche. Der Umstand, dass die übrigen Parkbuchten in der Haltverbotszone sämtlich bzw. überwiegend mit Parkscheinautomaten ausgestattet sind, die Besuchern ein Kurzzeitparken gestatten, und damit eine Ausnahme vom Zonenhaltverbot bilden, führt nicht zur Uneindeutigkeit der Verkehrsregelung. Insbesondere lässt sich daraus, dass einige wenige Parkbuchten nicht mit einem Parkscheinautomat versehen sind, nicht der Umkehrschluss ziehen, dass das Zonenhaltverbot für diese Parkbuchten nicht gelte. Vielmehr hätte der Schluss nahe gelegen, dass mangels Ausnahmeregelung für diese Parkflächen kein Kurzzeitparken zulässig ist, sondern das Parken ausschließlich Bewohnern vorbehalten ist. Falls sich der Kläger - wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - beim Erreichen der Parkbucht des Zonenhaltverbots schon nicht mehr bewusst gewesen sein sollte, so geht dies zu seinen Lasten. Von einem Verkehrsteilnehmer kann die Vergegenwärtigung einer wirksam angeordneten Haltverbotszone erwartet werden. Dass der Kläger das vor der Parkbucht aufgestellte Verkehrszeichen 331 („Kraftfahrtstraße“) offenbar mit dem Zeichen 314 („Parkplatz“) verwechselte, ist ihm ebenfalls anzulasten, denn bei einem Verkehrsteilnehmer darf auch die Kenntnis der verschiedenen Verkehrszeichen vorausgesetzt werden. Der Kläger hätte sich daher ohne besondere Mühe Klarheit über Inhalt und Umfang der Haltverbotsregelung verschaffen können.
II.2. Die Ersatzvornahme war auch verhältnismäßig. Eine Abschleppmaßnahme ist grundsätzlich verhältnismäßig, wenn sie im Hinblick auf den angestrebten Erfolg der Erfüllung der von dem Pflichtigen vorzunehmenden vertretbaren Handlung, das Entfernen des Kraftfahrzeugs, geeignet, als einzig wirksames Mittel erforderlich und auch unter Abwägung mit dem für den Pflichtigen eintretenden Nachteil angemessen ist. Auf ein Verschulden beim Verbotsverstoß kommt es nicht an. Nach diesen Maßgaben war die Anordnung, das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug des Klägers abzuschleppen, rechtlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Das Absehen von der Androhung der Ersatzvornahme war ermessensfehlerfrei, denn der Kläger konnte für eine Bekanntgabe der Androhung der Ersatzvornahme nicht rechtzeitig erreicht werden. Grundsätzlich ist die Behörde nicht gehalten, den Aufenthaltsort des Pflichtigen zu erkunden, wenn dieser nicht selbst Vorkehrungen dafür getroffen hat, dass er leicht erreichbar ist, z. B. dadurch, dass er einen deutlich sichtbaren Zettel mit einem Hinweis auf einen jederzeit erreichbaren Aufenthalt in unmittelbarer Nähe in das Kraftfahrzeug gelegt hat (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 12.03.1985, Az. 1 BA 66/84 und v. 17.12.1985, Az. 1 BA 71/85, sowie Beschl. v. 20.11.1984, Az. 1 BA 65/84). Dies war nicht der Fall.
Der Do. liegt in unmittelbarer Nähe des Doventorsteinweg, in dem sich das Dienstgebäude der Agentur für Arbeit, der BAgIS und der Familienkasse befindet sowie in der Nähe der Doventorscontrescarpe, dem Sitz der Hochschule für Öffentliche Verwaltung. Der Publikumsverkehr der genannten Einrichtungen ist ganz erheblich. Das verbotswidrige Parken des Klägers beeinträchtigte die verkehrsregelnde Funktion der Haltverbotszone, durch Anordnung zeitlich begrenzten Parkens knappen Parkraum während der Geschäftszeiten möglichst vielen Kraftfahrern zur Verfügung zu stellen bzw. an der betreffenden Stelle für Anwohner freizuhalten (vgl. VG Bremen zum Parken ohne Parkschein, Urteil vom 06.10.2008, Az. 5 K 3448/07 m.w.N.). Darauf, ob zum Zeitpunkt des Abschleppens eine konkrete Behinderung vorlag, d.h., Anwohner mit Parkberechtigung den Parkplatz haben ansteuern wollen, kommt es nicht an (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.05.1992, Az. 3 C 3.90). Zudem ist ein generalpräventives Interesse zu berücksichtigen. Erfahrungsgemäß veranlassen Personenkraftfahrzeuge, die längere Zeit verbotswidrig abgestellt sind, andere Kraftfahrer zu gleichem verbotswidrigem Verhalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.07.1983, a.a.O.). Nach einer gewissen Zeit ist nicht mehr absehbar, ob und wann ein Fahrzeug weggefahren und damit der verbotswidrige Zustand beendet wird. Im Hinblick auf die Dauer des Verkehrsverstoßes war die vom Verkehrsüberwacher veranlasste Ersatzvornahme auch nicht unverhältnismäßig. Es begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, ein Fahrzeug, das in einem Zonenhaltverbot länger als eine Stunde die den allein berechtigten Anwohnern bzw. Kurzbesuchern vorbehaltene Parkmöglichkeit beeinträchtigt, abschleppen zu lassen (vgl. OVG Hamburg, a.a.O.; VGH Mannheim, Urt. v. 13.06.1995, Az. 1 S 631/95).
II.4. Das Abschleppen des Kraftfahrzeugs war zur Beendigung des Verkehrsverstoßes geeignet und erforderlich, weil es ein anderes, ebenso wirksames aber weniger beeinträchtigendes Mittel zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Ersatzvornahme nicht gab. Insbesondere war ein Umsetzen des Fahrzeuges auf einen kostenfreien Parkplatz in unmittelbarer Nähe wegen der angeordneten Haltverbotszone nicht möglich. Der durch das Abschleppen des Fahrzeugs für den Kläger entstandene Nachteil, sein Fahrzeug an einer anderen Stelle abzuholen und die Kosten in Höhe von 94,00 Euro zu zahlen, steht nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg, nämlich den Verkehrsverstoß zu beenden und den Parkplatz bestimmungsgemäß für die Nutzungsberechtigten frei zu machen.
III.
Der Kläger ist auch zu Recht als Verursacher des ordnungswidrigen Zustandes in Anspruch genommen worden. Er war daher zur Erstattung der durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten verpflichtet. Dies umfasst neben den Kosten der Abschleppmaßnahme auch die Verwaltungsgebühr. Die Höhe der Verwaltungsgebühr von 55,00 Euro ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der nach Ziffer 102.03 der Anlage zu § 1 BremAllKostV für das Anordnen einer vorher nicht schriftlich angedrohten Ersatzvornahme nach §§ 15, 19 BremVwVG oder entsprechenden anderen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit verbotswidrig abgestellten Fahrzeugen vorgesehenen Gebühr. Ein Missverhältnis zwischen der vom Kläger geforderten Gebühr und der auf Seiten der Verwaltung erbrachten Tätigkeiten ist nicht erkennbar.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO.