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Landgericht Hagen Beschluss vom 01.08.2012 - 7 S 31/12 - Zum Haftungsanteil des Automieters bei Missachtung der Durchfahrthöhe

LG Hagen v. 01.08.2012: Zum Haftungsanteil des Automieters bei Missachtung der Durchfahrthöhe


Das Landgericht Hagen (Beschluss vom 01.08.2012 - 7 S 31/12) hat entschieden:

   Wenn der Fahrer eines Mietfahrzeugs mit einer großen Aufbauhöhe die durch eine entsprechende Beschilderung gekennzeichnete niedrige Durchfahrtshöhe einer Unterführung bzw. eines Tunnels missachtet und bei einer Tunneldurchfahrtshöhe von 3,10 m und einer Fahrzeughöhe von 3,50 m mit der rechten Seite des Kofferaufbaus des Lkw an die Tunneldecke stößt,

  -  hat er den Schaden an dem Fahrzeug in objektiver Hinsicht grob fahrlässig herbeigeführt;
  -  ist dem Fahrer auch in subjektiver Hinsicht grobe Fahrlässigkeit anzulasten (auch bei Fehlen nennenswerter Erfahrung im Führen von Lkw; keine hinreichende und tragfähige Anhaltspunkte für den Fahrer, dass das Passieren der Unterführung mit dem höheren Fahrzeug entgegen der ausgewiesenen Durchfahrtshöhe möglich wäre; an der Windschutzscheibe angebrachter Hinweis auf das Höhenproblem);
  -  ist eine Haftungsquote von 50% angemessen.




Siehe auch
Missachtung der zulässigen Durchfahrthöhe
und
Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung

Gründe:


I.

Die Berufung des Beklagten bietet keine Aussicht auf Erfolg, so dass die Kammer von einer mündlichen Verhandlung absehen und gemäß § 522 Abs. 2 ZPO verfahren, mithin die Berufung durch Beschluss zurückweisen will.

Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.




1. Entgegen der Auffassung der Berufung hat der Beklagte den Verkehrsunfall vom 26.02.2011 in grob fahrlässiger Weise herbeigeführt.

Zu Recht weist das Amtsgericht darauf hin, dass es in objektiver Hinsicht einen groben Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht darstellt, wenn der Fahrer eines Mietfahrzeuges mit einer großen Aufbauhöhe die niedrige Durchfahrtshöhe einer Unterführung oder eines Tunnels missachtet und damit gegen die Vorschrift des § 41 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. Verkehrszeichen 265 StVO verstößt. Hiervon geht auch die Entscheidung des OLG Hamm vom 23.05.1995, 7 U 3/95, aus, auf die sich der Beklagte beruft. Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Durchfahrtshöhe des Tunnels – 3,10 m - durch entsprechende Beschilderung gekennzeichnet war. Ebenfalls unstreitig ist, dass dem Beklagten die Höhe des Mietfahrzeuges – 3,50 m - aufgrund des innen an der Windschutzscheibe angebrachten Warnhinweises bekannt war.



Auch die Annahme des Amtsgerichts, dem Beklagten sei auch in subjektiver Hinsicht grobe Fahrlässigkeit anzulasten, begegnet keinen Bedenken. Denn dieser hat sich über Bedenken hinweggesetzt, die sich jedem in seiner Lage befindlichen Verkehrsteilnehmer geradezu aufdrängen mussten. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass er keine nennenswerte Erfahrung im Führen von Lastkraftwagen besaß. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten fehlt es im vorliegenden Fall – anders als in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall (a.a.O.) – jedoch an konkreten Umständen, die die Annahme einer subjektiv grob fahrlässigen Verhaltensweise ausgeschlossen erscheinen lassen. Allein die Tatsache, dass die Unterführung von einer Straßenbahn mit Oberleitung durchfahren wurde, rechtfertigte nicht die Annahme, dass auch ein Lkw vom Typ des Mietfahrzeuges den Tunnel ohne weiteres passieren konnte. Denn es fehlt insofern bereits an der Vergleichbarkeit beider Fahrzeuge im Hinblick auf Höhe, Breite und Bauart bzw. an einer Darlegung, inwiefern die Nutzung des Tunnels durch Straßenbahnen den Rückschluss darauf zuließ, dass die Durchfahrthöhe auch für einen Lkw ausreichend sein würde. Dies gilt umso mehr, als die Straßenbahn die gewölbte Unterführung in der Mitte und damit am höchsten Punkt durchfuhr, während sich die Fahrspuren für den Fahrzeugverkehr seitlich hiervon befanden, die Unterführung an dieser Stelle somit zwangsläufig und für den Beklagten klar erkennbar eine niedrigere Durchfahrtshöhe aufwies. Der vorliegende Fall ist folglich anders gelagert als der vom OLG Hamm entschiedene Rechtsstreit, da der Beklagte in jenem Rechtsstreit annahm, die eingeschränkte Durchfahrtshöhe dadurch umgehen zu können, dass er in der Mitte des Tunnels fuhr. Zu dieser Annahme gelangte er im Wege des "Erst-Recht-Schlusses", nachdem er beobachtet hatte, dass ein entgegenkommendes schwereres und, wie er annahm, größeres Fahrzeug die Unterführung auf diese Art und Weise passiert hatte. Im vorliegenden Fall fehlt es aus Sicht der Kammer dagegen an hinreichenden und tragfähigen Anhaltspunkten, aufgrund derer der Beklagte darauf vertrauen konnte, dass entgegen der ausgewiesenen niedrigeren Durchfahrtshöhe das Passieren der Unterführung mit dem höheren Mietfahrzeug möglich sein würde.

2. Schließlich hält auch die vom Amtsgericht angenommene Haftungsquote von 50 % einer rechtlichen Überprüfung stand. Auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil kann insoweit vollumfänglich verwiesen werden.

II.

Die Kammer beabsichtigt deshalb angesichts der unter Ziff. I dargestellten Rechtslage, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Wie sich aus den vorherigen Ausführungen ergibt, hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so dass die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO vorliegen.


Auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO sind gegeben, denn die Rechtssache hat weder eine allgemeine grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine tatsächliche Entscheidung der Berufungskammer in der Sache.

Die Kammer erachtet ferner eine mündliche Verhandlung für nicht geboten. Eine mündliche Verhandlung ist dann geboten im Sinne des § 522 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese angemessen mit dem Berufungsführer nicht im schriftlichen Verfahren erörtert werden kann (Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 522 Rz. 40). Vorliegend deckt sich die der Auffassung der Kammer zugrunde liegende rechtliche Begründung im Wesentlichen mit derjenigen des Amtsgerichts und bedarf daher einer mündlichen Erörterung nicht. Schließlich hat der Rechtsstreit auch keine existenzielle Bedeutung für eine der Parteien.

III.

Dem Berufungskläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu den Hinweisen Stellung zu nehmen.

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