- Das Rechtsfahrgebot bestimmt nicht nur, welche von mehreren nebeneinander gelegenen Fahrbahnen zu benutzen ist, sondern gilt auch in der jeweiligen Fahrbahn selbst, also auch im Einbahnverkehr. Was "möglichst weit rechts" ist, hängt ab von der Örtlichkeit, der Fahrbahnart und -beschaffenheit, der Fahrgeschwindigkeit, den Sichtverhältnissen, dem Gegenverkehr und anderen Umständen. Dabei hat der Kraftfahrer - innerhalb der Fahrbahn - einen gewissen Beurteilungsspielraum, solange er sich soweit rechts hält, wie es im konkreten Fall im Straßenverkehr "vernünftig" ist.
- Das Rechtsfahrgebot gilt grundsätzlich auch im einspurigen Kreisverkehr. Die Verkehrsteilnehmer werden durch die Straßenführung dazu gezwungen, ihre Geschwindigkeit zu vermindern. Zwar steht dem Kraftfahrer im Kreisverkehr grundsätzlich ein erweiterter Beurteilungsspielraum zu, weil ihm durch einfahrende Fahrzeuge von rechts Gefahr drohen kann. Er hat sich aber grundsätzlich an die vorgeschriebene Kreisbahn zu halten und darf nicht ohne vernünftigen Grund bis an deren äußersten linken Rand fahren, wenn nicht besondere Umstände dies gebieten.
Siehe auch Kreisverkehr und Das Rechtsfahrgebot
Gründe:
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO):
Die Klägerin verlangt Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich in einem einspurigen Kreisverkehr mit vier Zubringerstraßen ereignet hat, kurz nachdem sie in den Kreisel hineingefahren ist. Das vom Beklagten zu 1) gesteuerte Kraftfahrzeug rammte den Pkw der Klägerin im linken hinteren Bereich, nachdem der Beklagte zu 1) die von der Klägerin aus gesehen in Fahrtrichtung vorherige Zufahrt in den Kreisel benutzt und - unstreitig - über die gekennzeichnete Mittelinsel des Kreisels hinweg gefahren war, weil er die von ihm aus gesehen in gerader Richtung gegenüber liegende Ausfahrt benutzen wollte. Die Parteien streiten darüber, welches Fahrzeug sich zuerst im Kreisverkehr befunden hat. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung hat im erkannten Umfang Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von zwei Dritteln des ihr anlässlich des Verkehrsunfalls vom 27. Januar 2002 entstandenen Schadens gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 StVG, 3 PflVG.
Das Landgericht ist zwar davon ausgegangen, die Klägerin sei erst nach dem Beklagten zu 1) in den Kreisverkehr eingefahren. Insoweit ist der Senat jedoch an die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht gebunden. Der Tatbestand ist in sich widersprüchlich und entfaltet keine Beweiskraft i.S.d. § 314 ZPO (vgl. BGH NJW 1999,1339). Zwar ist die besagte Feststellung in seinem unstreitigen Teil enthalten, bei der Darstellung des streitigen Vorbringens der Klägerin ist jedoch deren Behauptung wiedergegeben, sie habe an der Einmündung angehalten und niemanden bemerkt. Wenngleich es damit an der Darstellung der eigentlich wesentlichen Behauptung der Klägerin, sich zuerst im Kreisverkehr befunden zu haben, fehlt, ergibt sich deshalb auch aus dem Tatbestand selbst, dass die Klägerin behaupten wollte, es habe sich kein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug im Kreisverkehr befunden.
Nach dem Ergebnis des vom Senat deshalb eingeholten Sachverständigengutachtens haben beide Parteien den Unabwendbarkeitsnachweis i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG bereits aus dem Grunde nicht geführt, weil nicht festgestellt werden kann, welches der Kraftfahrzeuge zuerst in den Kreisverkehr gefahren ist. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, aus technischer Sicht sei keine der von den Parteien geschilderten Varianten als wahrscheinlicher anzusehen.
Mit diesem Ergebnis lässt sich aber nicht die Abweisung der Klage rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen bei der Ausgleichspflicht mehrerer Unfallbeteiligter gemäß § 17 StVG nur tatsächlich bewiesene Umstände herangezogen werden. Daraus folgt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen, dass im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung jeweils der eine Halter die Umstände zu beweisen hat, die dem anderen zum Verschulden gereichen. Bleiben die Unfallursache und damit die ein Verschulden ergebenden Umstände ungeklärt, kommt bei gleicher Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge eine hälftige Schadensteilung in Betracht (BGH NJW 1996, 1405 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat der ungeklärte Streit der Parteien darüber, wer zuerst in den Bereich des Kreisverkehrs gefahren ist, also nicht zur Folge, dass eine der Parteien voll, die andere dagegen nicht haftet. Die Unaufklärbarkeit des Geschehens geht vielmehr grundsätzlich zu Lasten beider Parteien.
Dennoch kommt eine gleichmäßige Schadensteilung im Streitfall nicht in Betracht. Denn in die Abwägung sind hier besondere Umstände einzubeziehen, nach denen ein Verschulden des Beklagten zu 1) und eine damit verbundene erhöhte Betriebsgefahr des von ihm gesteuerten Fahrzeugs festzustellen ist. Der Beklagte zu 1) hat eingeräumt, die Mittelinsel des Kreisels befahren und damit gegen § 9 a Abs. 2 StVO verstoßen zu haben. Das Schneiden der durch die Kreisfahrbahn beschriebenen Kurve unter Mitbenutzung der Mittelinsel ist grundsätzlich verboten (Hentschel, 37. Aufl., § 9a StVO, Rdnr. 14). Ein Ausnahmefall i.S.v. § 9 a Abs. 2 StVO liegt nicht vor.
Der Sachverständige hat hierzu im Termin ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) den Unfall hätte vermeiden können, wenn er der kreisförmig verlaufenden Fahrbahn gefolgt und hierbei nicht scharf an der linken Fahrbahnbegrenzung entlang gefahren wäre. Wäre der Beklagte dagegen unter Ausnutzung der vollen Fahrbahnbreite an deren äußersten linken Rand gefahren, hätte es ebenfalls zum Zusammenstoß kommen können. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen kommt es für die Entscheidung darauf an, ob der Beklagte den äußersten linken Rand der einspurigen Kreisfahrbahn hätte befahren dürfen. Denn Schäden, die auch bei einem rechtmäßigen Verhalten des Schädigers entstanden wären, werden vom Schutzzweck der Haftungsnormen regelmäßig nicht erfasst (vgl. BGH NJW 2000, 661).
Der Beklagte zu 1) hätte die Fahrbahn nicht bis zu ihrem äußersten linken Rand befahren dürfen. Dies folgt aus dem auch im Kreisverkehr geltenden Rechtsfahrgebot. In Rechtsprechung und Literatur ist grundsätzlich unumstritten, dass das Rechtsfahrgebot aus § 2 Abs. 2 StVO auch im Kreisverkehr gilt (vgl. OLG Schleswig, VM 1959, 65; Hentschel, § 2 StVO, Rdnr. 31), wobei allerdings angenommen wird, dass es wenigstens im geballten innergroßstädtischen Verkehr weitgehend an Bedeutung zurücktritt (vgl. OLG Celle, VM 1966, 45). Die zitierte Rechtsprechung zum Rechtsfahrgebot im Kreisverkehr betrifft jedoch Sachverhalte, in denen mehrere nebeneinander gelegene Fahrspuren vorhanden sind (vgl. auch OLG Saarbrücken, NJW 1973, 2216).
Das Rechtsfahrgebot gilt grundsätzlich aber auch im einspurigen Kreisverkehr. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch innerhalb einer Fahrbahn "möglichst weit rechts" gefahren werden muss. Das Rechtsfahrgebot bestimmt insoweit nicht nur, welche von mehreren nebeneinander gelegenen Fahrbahnen zu benutzen ist, sondern gilt auch in der jeweiligen Fahrbahn selbst, also auch im Einbahnverkehr. Was "möglichst weit rechts" ist, hängt ab von der Örtlichkeit, der Fahrbahnart und -beschaffenheit, der Fahrgeschwindigkeit, den Sichtverhältnissen, dem Gegenverkehr und anderen Umständen. Dabei hat der Kraftfahrer - innerhalb der Fahrbahn - einen gewissen Beurteilungsspielraum, solange er sich soweit rechts hält, wie es im konkreten Fall im Straßenverkehr "vernünftig" ist (BGH NZV 1996, 444; VersR 1990, 573; OLG Hamm DAR 2000, 265). Hieraus folgt, dass die Benutzung des äußersten linken Randes der Fahrbahn regelmäßig nur dann erlaubt ist, wenn besondere Umstände - etwa eine außergewöhnlich schmale Straße, schlechte Sicht oder Hindernisse am rechten Fahrbahnrand - dies erfordern. Derjenige Kraftfahrer, der die Fahrbahn trotz genügender Breite ohne Not bis zum äußersten linken Rand ausnutzt, überschreitet den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum.
Gegen eine Übertragung dieser Grundsätze auf den einspurigen Kreisverkehr lässt sich nicht einwenden, dass sich der Schutzzweck des Rechtsfahrgebotes auf den Schutz des Gegen- und des Überholverkehrs auf der gleichen Straße bezieht (vgl. BGH VersR 1958, 550), der im Kreisverkehr mit nur einer Fahrbahn nicht vorkommt. Denn das Rechtsfahrgebot rechtfertigt sich dort aus hiervon unabhängigen Gründen. Die - gerade in jüngster Zeit zunehmende - bauliche Umgestaltung von Straßenkreuzungen oder Einmündungen zum Kreisverkehr bezweckt die Herabsetzung des Risikos von Zusammenstößen im Kreuzungsbereich sowie die Förderung des Verkehrsflusses. Die Verkehrsteilnehmer werden durch die Straßenführung dazu gezwungen, ihre Geschwindigkeit zu vermindern. Hierdurch und durch die besondere Vorfahrtsregelung im Kreisel soll das gefahrlose Einreihen in den fließenden Verkehr gefördert werden. Mit dieser Zielsetzung ist es nicht zu vereinbaren, dass Kraftfahrer unter voller Ausnutzung der vorhandenen Fahrbahnbreite die Kreisbahn "schneiden", um sich gegenüber solchen Fahrzeugen, die erst noch in den Kreisel einfahren wollen, einen Vorteil zu verschaffen. Zwar steht dem Kraftfahrer im Kreisverkehr grundsätzlich ein erweiterter Beurteilungsspielraum zu, weil ihm durch einfahrende Fahrzeuge von rechts Gefahr drohen kann. Er hat sich aber grundsätzlich an die vorgeschriebene Kreisbahn zu halten und darf nicht ohne vernünftigen Grund bis an deren äußersten linken Rand fahren, wenn nicht besondere Umstände dies gebieten. Ein hiervon abweichendes Verhalten lässt sich mit Sinn und Zweck des Kreisverkehrs nicht vereinbaren. Denn gerade durch die Kurvenfahrt soll die Geschwindigkeit verringert werden.
Der Schutzzweck von §§ 2 Abs. 2, 9a StVO betrifft folglich Unfälle der hier geschehenen Art. Das in die Abwägung einzubeziehende Verschulden des Beklagten zu 1) ist mit der Quote von zwei Dritteln zu Lasten der Beklagten angemessen berücksichtigt.
Im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten einzelnen Schadenspositionen steht ihr der Betrag von 104,94 EUR nicht zu. Die Beklagten haben die Notwendigkeit zweimaligen Abschleppens bestritten. Die Klägerin hat zur Erläuterung dieser Kosten nicht vorgetragen.
Die Schadenspauschale ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur in Höhe von 20,00 EUR begründet.
Es ergeben sich folgende berücksichtigungsfähige Schäden:
Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert 4.400,00 EUR Kosten des Gutachtens 494,16 EUR Abschleppkosten 92,80 EUR Schadenspauschale 20,00 EUR 5.006,96 EUR
Der Klägerin stehen hiervon 2/3, also 3337,97 EUR zu. Der Betrag ist ab dem 12. Juli 2002 zu verzinsen, nachdem die Beklagte zu 3) die Regulierung des Schadens mit Schreiben vom 11. Juli 2002 abgelehnt hat. Die weitergehende Zinsforderung ist mangels Verzugs unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat sich zum Rechtsfahrgebot innerhalb einer Fahrbahn abschließend geäußert (vgl. BGH NZV 1996, 444). Dem ist der Senat gefolgt.