Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Oldenburg Urteil vom 31.10.2001 - 2 U 159/01 - Zur Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall an einem unbeschrankten Bahnübergang

OLG Oldenburg v. 31.10.2001: Zur Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall an einem unbeschrankten Bahnübergang


Das OLG Oldenburg (Urteil vom 31.10.2001 - 2 U 159/01) hat entschieden:
§ 19 StVO regelt das Verhältnis zwischen Schienen- und Straßenverkehr an unbeschrankten Bahnübergängen dahin, dass die schienengebundenen Fahrzeuge bei Beschilderung mit Andreaskreuzen den absoluten Vorrang haben und die Straßenverkehrsteilnehmer vor diesen Verkehrszeichen warten müssen, wenn sich ein Schienenfahrzeug nähert. Da ein Fahrzeugführer stets mit Bahnverkehr rechnen muss, ist er vor unbeschrankten Bahnübergängen zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Er muss deshalb seine Fahrweise so einstellen, dass er auf kürzester Entfernung anhalten kann, notfalls muss er mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder vor dem Übergang anhalten und sich vergewissern, dass sich kein Schienenfahrzeug nähert, solange er nicht die Bahnstrecke nach beiden Seiten als frei erkannt hat. In den Gleisbereich darf er nur dann einfahren, wenn er mit Gewissheit - notfalls unter Einschaltung von Hilfspersonen - diesen bei Annäherung eines Zuges mit Sicherheit vollständig und rechtzeitig verlassen kann.


Siehe auch Bahnübergang - Bahngleisunfall - Bahnschranke und Vorfahrtrecht und Annäherung bei schlechter Einsehbarkeit des Kreuzungs- bzw. Einmündungsbereichs


Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 23.02.1999 gegen 7.30 Uhr in W... an einem unbeschrankten Bahnübergang. Am Unfall beteiligt waren der bei der Beklagten angestellte Lokomotivführer G... (im folgenden: Lokführer) mit einer von der Beklagten eingesetzten Diesellokomotive der Stadtwerke O... (im folgenden: Diesellok) und P... L... , die Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) und 3), als Fahrerin eines PKWs. P... L... verunglückte beim Zusammenstoß von Diesellok und PKW auf dem Bahnübergang tödlich.

Die Beklagte ist Betreiberin der in W... durch eine Wohnsiedlung führenden und dort von der Bahnhofstraße gekreuzten Bahnstrecke B... O... , in deren Verlauf sich mehrere unbeschrankte Bahnübergänge befinden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dieser Strecke beträgt 30 km/h. Auf dem im Bereich der Unfallstelle eingleisigen Teilstück der Strecke befand sich am Unfalltag, in Richtung P... O... gesehen, 96 m vor dem Bahnübergang rechts von den Gleisen ein Signal, das dem Lokführer vorschrieb, ein 3 Sekunden andauerndes Warnsignal zu geben, sowie ein weiteres Signal, nach dem er vor dem Bahnübergang seine Geschwindigkeit auf 20 km/h herabgesetzt haben musste.

Direkt vor dem Bahnübergang, an dem es bis dahin noch nicht zu einem Unfall gekommen war, waren beidseitig der Fahrtrichtung Andreaskreuze aufgestellt; Lichtsignale waren nicht vorhanden.

P... L... befuhr vor dem Unfall - vertraut mit den örtlichen Gegebenheiten - mit einem PKW F... T... - für den Lokführer von rechts kommend - die Bahnhofstraße Richtung B... . Die zulässige Geschwindigkeit auf der Bahnhofstraße im Bereich des Bahnübergangs betrug 20 km/h. Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschten schlechte Sichtverhältnisse, es schneite und hagelte. Auf dem ungesicherten Bahnübergang wurde der PKW von der Diesellok auf der linken Seite erfasst und etwa 29 bis 30 m über den Gleiskörper vor sich hergeschoben.

Mit der Klage haben die Kläger Schadensersatz unter Berücksichtigung eines 50%igen Verursachungsanteils von P... L... verlangt.

Sie haben behauptet: P... L... sei mit angepasster Geschwindigkeit gefahren. Die Bahnstrecke sei wegen der seitlich dort vorhandenen Bepflanzung nur schwer einsehbar gewesen. Die Diesellok müsse mit weit überhöhter Geschwindigkeit sich dem Bahnübergang genähert haben, wobei notwendige Warnsignale vor dem Zusammenstoß nicht abgegeben worden, jedenfalls im PKW nicht hörbar bzw. wahrnehmbar gewesen seien. An dem Bahnübergang sei es zuvor auch bereits zu Beinahe-Unfällen gekommen.

Die Beklagte hat behauptet: P... L... habe den Vorrang des Schienenverkehrs missachtet, indem sie die herannahende Diesellok nicht beachtet habe. Bereits aus einer Entfernung von 16 m vor den Andreaskreuzen seien für einen PKW-Fahrer die Bahngleise nach rechts sowie links über eine Strecke von mindestens 65 m einsehbar gewesen. Die Sicht nach links sei durch Sträucher nicht beeinträchtigt gewesen, da diese niedrig und unbelaubt gewesen seien und die Sicht auf eine Diesellok nicht behindert hätten. P... L... habe dreimalige, deutlich vernehmbare Pfeifsignale des als äußerst vorsichtig und zuverlässig bekannten Lokführers nicht beachtet. Etwa 96 m vor dem Bahnübergang habe er 3 Sekunden lang ein Pfeifsignal abgegeben. Dies habe er zweimal vor dem Übergang wiederholt, wobei zwischen dem ersten Pfeifsignal und dem Erreichen des Bahnübergangs eine Zeitspanne von mindestens 10 bis 15 Sekunden gelegen habe. Ferner habe er zwischen der Signaltafel und dem Bahnübergang, der (auch) durch die freigehaltenen Sichtdreiecke hinreichend gesichert gewesen sei, vorschriftsmäßig auf eine Geschwindigkeit von 20 km/h abgebremst.

Die Streithelferin der Beklagten, Eigentümerin des neben der Bahnlinie befindlichen Grünstreifens, hat behauptet: Sie habe alle erforderlichen Arbeiten zur Freihaltung der Sichtdreiecke durchgeführt. Es sei sowohl der entsprechende Schnitt vorhandener Bepflanzung durchgeführt als auch - soweit erforderlich - der Aufwuchs beseitigt worden. Die Arbeiten seien in der Zeit vom 12. bis zum 19.03.1998 ausgeführt worden.

Das Landgericht hat mit am 01.06.2001 verkündetem Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, die Klage mit der Begründung abgewiesen, der PKW- Fahrerin sei ein schwerer verkehrsrechtlicher Verstoß anzulasten, hinter dem die von der Diesellok ausgehende Betriebsgefahr gänzlich zurücktrete.

Mit der Berufung greifen die Kläger dieses Urteil teilweise an. Sie verlangen nur noch Ersatz ihres materiellen Schadens und wollen sich jetzt einen Mitverursachungsanteil von P... L... von 2/3 anrechnen lassen.

Der Kläger zu 1) beantragt,
  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.199,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.12.1999, ansonsten jeweils ab Fälligkeit zu zahlen,

  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, beginnend am 01.09.2001, eine monatliche Geldrente in Höhe von 806,65 DM zu zahlen, längstens bis zu seinem Tode,

  3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm einen etwaigen zukünftigen weiteren Unterhaltsschaden aus dem Unfall vom 23.02.1999 unter Berücksichtigung einer Schadensbeteiligung seiner getöteten Ehefrau von 2/3 zu erstatten.
Der Kläger zu 2) beantragt,
  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.400,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.12.1999, ansonsten jeweils ab Fälligkeit zu zahlen,

  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine monatliche Geldrente in Höhe von 380,-- DM, beginnend am 01.09.2001, endend mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, zu zahlen,

  3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet seit, ihm einen etwaigen zukünftigen weiteren Unterhaltsschaden aus dem Unfall vom 23.02.1999 unter Berücksichtigung einer Schadensbeteiligung seiner getöteten Mutter von 2/3 zu erstatten.
Der Kläger zu 3) beantragt,
    1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.399,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.12.1999, ansonsten jeweils seit Fälligkeit zu zahlen,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine monatliche Geldrente in Höhe von 546,65 DM, beginnend am 01.09.2001, endend mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, zu zahlen,

  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm einen etwaigen zukünftigen weiteren Unterhaltsschaden aus dem Unfall vom 23.02.1999 unter Berücksichtigung einer Schadensbeteiligung seiner getöteten Mutter von 2/3 zu erstatten.
Des weiteren beantragen die Kläger,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.733,47 DM (Beerdigungskosten) sowie 1.146,16 DM (PKW-Schaden pp.), insgesamt also 3.879,63 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.12.1999 zu zahlen.
Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen aller Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die Akten 41 Js 7039/99 der StA Osnabrück waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.


Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Das Landgericht hat nach Auswertung der Beweismittel die Klage abgewiesen, weil P... L... grob fahrlässig gehandelt habe und die dadurch erhöhte Betriebsgefahr des am Unfall beteiligten PKWs für den Unfall ganz überwiegend ursächlich gewesen sei, während die der Beklagten anzulastende Betriebsgefahr ihres Eisenbahnbetriebes dahinter vollkommen zurücktrete. Dem folgt der Senat nicht.

Die Berufung rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Urteils und führt zum Erlass eines Grund- und Teilurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache für das Betragsverfahren an das Landgericht (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Die Zahlungsklage ist entgegen der Annahme des Landgerichts jedenfalls in dem von der Berufung noch geltend gemachten Umfang, also zu 1/3, dem Grunde nach gerechtfertigt, und die Feststellungsklage hat im Umfang des Berufungsbegehrens Erfolg. Abweichend von der Auffassung des Landgerichts kann eine Haftung der Beklagten nicht als ausgeschlossen erachtet werden, vielmehr fällt die Betriebsgefahr der von der Beklagten eingesetzten Diesellok im Rahmen der hier nach der Spezialregelung des § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsanteile (BGH NJW-RR 1994, 603, 604) wesentlich ins Gewicht.

1. Die Haftung der Beklagten ergibt sich aus den §§ 1, 5, 8 HPflG 843 BGB. Das Unfallgeschehen stellte sich für keinen der Unfallbeteiligten als unabwendbares Ereignis dar. Die Kläger nehmen für sich ein für P... L... unabwendbares Ereignis erkennbar nicht in Anspruch, wie die nunmehr ausdrücklich eingeräumte Mithaftungsquote zu 2/3 belegt. Aber auch für die Beklagte gilt nichts anderes, weil nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht ernsthaft angenommen werden kann, dass der Lokführer im Sinn von § 1 Abs. 2 S. 3 HPflG jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Vielmehr hätte sich bei Anwendung der gebotenen höchstmöglichen Sorgfalt durch den Lokführer die Kollision jedenfalls mit größerer Wahrscheinlichkeit sogar vermeiden lassen.

Der Sachverständige S... hat in seinem schriftlichen Gutachten zum Unfallablauf und zur Vermeidbarkeit unter Berücksichtigung der polizeilich getroffenen Feststellungen im Anschluss an die Kollision nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sich aus technischer Sicht ein Geschehen darstellen lässt, bei dem der Unfall bei vorschriftsmäßiger Fahrweise des Lokführers vermieden worden wäre. Im einzelnen wird insoweit auf die Auswertung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO). dass der Sachverständige andererseits auch Geschehensabläufe für darstellbar hält, bei denen eine Kollision für den Lokführer unvermeidbar gewesen wäre, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da die Beklagte insoweit beweispflichtig ist.

Dass die Beklagte gleichwohl die ihr als einziger Prozessbeteiligter mögliche nähere Schilderung des zum Unfall führenden Geschehens (über die Abgabe von Warnsignalen hinaus) unterlassen und den einzigen Zeugen für den gesamten Unfallhergang, nämlich den Lokführer, dafür nicht benannt hat, mag prozesstaktisch zulässig oder aus anwaltlicher Fürsorge - etwa zum Schutz des vom erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Ermittlungsverfahren vertretenen Lokführers, der sonst vielleicht doch ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung zu gewärtigen gehabt hätte - geboten gewesen sein, verwundert aber doch sehr, wie der Senat im Verhandlungstermin deutlich zum Ausdruck gebracht hat, ohne damit eine weitere Reaktion zu erreichen.

Dass weiterer Sachvortrag in diesem Sinn unterblieben ist, rechtfertigt nun nicht etwa die Feststellung eines die Betriebsgefahr des Bahnbetriebes der Beklagten erhöhenden unfallursächlichen Verschuldens des Lokführers, führt aber im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG bei der Bewertung des die Betriebsgefahr des PKWs erhöhenden mitwirkenden Verschuldens von P... L... zur Berücksichtigung der für die Kläger günstigsten denkbaren Unfallvariante auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens. Es ist danach nicht auszuschließen, dass P... L... erschrocken ist, als sie die auf der - unwiderlegt - außer von Museumszügen nur noch gelegentlich von Güterzügen befahrenen Strecke - ebenfalls unwiderlegt - vergleichsweise ungewöhnlich schnell herannahende Diesellok wann auch immer bemerkt hat, deshalb den PKW abgebremst hat, statt weiterzufahren, auf den Gleisen zum Stillstand gekommen ist und es in einer Art Panik nicht mehr geschafft hat, den Gleisbereich wieder zu verlassen, obwohl das technisch möglich gewesen wäre.

Bei dieser Sachlage mag immer noch von einem Verstoß P... L... gegen die verkehrs-rechtliche Bestimmung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StVO auszugehen sein, weil sie der in dieser Vorschrift geregelten Verpflichtung, mit größter Aufmerksamkeit vor Erreichen eines Bahnübergangs der vorliegenden Art sich zu vergewissern, dass sich kein Schienenfahrzeug näherte, nicht nachgekommen ist. § 19 StVO regelt das Verhältnis zwischen Schienen- und Straßenverkehr an unbeschrankten Bahnübergängen dahin, dass die schienengebundenen Fahrzeuge bei Beschilderung mit Andreaskreuzen den absoluten Vorrang haben und die Straßenverkehrsteilnehmer vor diesen Verkehrszeichen warten müssen, wenn sich ein Schienenfahrzeug nähert. Da ein Fahrzeugführer stets mit Bahnverkehr rechnen muss, ist er vor unbeschrankten Bahnübergängen zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Er muss deshalb seine Fahrweise so einstellen, dass er auf kürzester Entfernung anhalten kann, notfalls muss er mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder vor dem Übergang anhalten und sich vergewissern, dass sich kein Schienenfahrzeug nähert (OLG Oldenburg NZV 1999,419), solange er nicht die Bahnstrecke nach beiden Seiten als frei erkannt hat (OLG München VersR 1993, 242). In den Gleisbereich darf er nur dann einfahren, wenn er mit Gewissheit - notfalls unter Einschaltung von Hilfspersonen - diesen bei Annäherung eines Zuges mit Sicherheit vollständig und rechtzeitig verlassen kann (vgl. OLG Frankfurt VersR 1988, 295).

Der Schuldvorwurf, der P... L... bei dem hier wie ausgeführt zugunsten der Kläger zu unterstellenden Unfallhergang zu machen ist, ist jedoch von geringerem Gewicht als im "Normalfall" (vergl. dazu BGH NJW-RR 1994, 603, 604 und VersR 1986, 707, 708) einer Kollision zwischen einem Schienenfahrzeug und einem Kraftfahrzeug auf einem unbeschrankten, mit Andreaskreuzen gesicherten schienengleichen Bahnübergang. Von einem grob fahrlässigen Verhalten kann bei einer solchen Sachlage nicht mit Sicherheit gesprochen werden, so dass sich im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG eine Mithaftung der Beklagten von einem Drittel ergibt.

2. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen: Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch aus den §§ 831, 823 BGB, wie im Senatstermin erörtert worden ist. Der von der Beklagten eingesetzte Lokführer hat in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtungen den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Sinn von § 823 Abs. 1 BGB erfüllt. Die Beklagte hat bis zum Schluss der Verhandlung nicht einmal den Versuch unternommen, den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB zu führen.

Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 02.10.2001 gibt insoweit keinen Anlass und keine Handhabe zur Wiedereröffnung der Verhandlung (§ 156 ZPO). Denn die Verhandlung ist ohne Verfahrensfehler - nicht zu früh - geschlossen worden. Insbesondere liegt kein Fall des 278 Abs. 3 ZPO vor. Die Beklagte hat § 831 BGB als Anspruchsgrundlage nach der Überzeugung des Senats keineswegs übersehen, sondern nach der sprichwörtlichen Regel, "schlafende Hunde nicht zu wecken", lediglich nicht deutlich angesprochen, wie dem Vorbringen auf Seite 6 der Klageerwiderung zu entnehmen ist, nach dem der Lokführer G... der Beklagten "als äußerst vorsichtiger und zuverlässiger Lokführer bekannt" sein soll. Dazu passt die bei der Erörterung von § 831 BGB als Anspruchsgrundlage im Senatstermin auf die Frage, warum bisher der Versuch, den Entlastungsbeweis zu führen, unterblieben sei, allein gegebene Antwort, dass man sich möglicherweise nichts davon versprochen habe, und der Umstand, dass nicht etwa zugleich wenigstens um Erklärungsnachlass zur Ergänzung des Sachvorbringens im Hinblick auf § 831 Abs. 1 S. 2 BGB gebeten worden ist.

Mit dem Argument, der Lokführer habe sich sozialadäquat verhalten, das die Streithelferin bei der Erörterung der Haftung der Beklagten nach den §§ 831, 823 BGB im Senatstermin angebracht und die Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 02.10.2001 übernommen hat, soll wohl auf die Rechtsprechung zum Schutzzweck der Norm des § 831 BGB abgehoben werden. Danach haftet der Geschäftsherr dem Geschädigten trotz rechtswidriger Schadenszufügung durch einen Verrichtungsgehilfen nicht, wenn dieser objektiv fehlerfrei gehandelt, also sich so verhalten hat, wie jede mit Sorgfalt ausgewählte und überwachte Person sich sachgerecht und vernünftig verhalten hätte (BGH NJW-RR 1988, 38). Davon kann hier indessen nach den vom Sachverständigen im Zusammenhang mit der Diagrammscheibenauswertung getroffenen Feststellungen - ersichtlich - keine Rede sein, wie wiederum im Senatstermin erörtert worden ist. Denn bei sachgerechtem und vernünftigem Verhalten hätte der Verrichtungsgehilfe der Beklagten die Signaltafel 96 m vor dem Bahnübergang nicht mit unverminderter Geschwindigkeit von etwa 30 km/h überfahren, um dann erst viel später und aus welchen Gründen auch immer eine stärkere Bremsung bis zum Stillstand der Diesellok einzuleiten. Vielmehr hätte er bei einem solchen Verhalten rechtzeitig, nämlich beim Passieren der Signaltafel eine leichte Betriebsbremsung mit einer nur geringen Bremsverzögerung eingeleitet und so sichergestellt, dass bei Erreichen des Bahnübergangs die hier nur zulässige Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h erreicht gewesen wäre. dass es auch dann zum Unfall gekommen wäre, lässt sich nicht feststellen, was wiederum auf das bereits weiter oben angesprochene Schweigen der Beklagten zum Unfallhergang im einzelnen zurückzuführen sein könnte, jedenfalls aber der beweispflichtigen Beklagten zur Last fällt.

Werden das nach allem zugrundezulegende Auswahl- und Überwachungsverschulden der Beklagten und die Betriebsgefahr der Diesellok gegenüber der Betriebsgefahr des PKWs und dem Mitverschulden von P... L... abgewogen, so ist nach Überzeugung des Senats eine Haftungsverteilung im Verhältnis von 2:1 zu Lasten der Kläger für die Beklagte noch zu günstig. Die Einzelheiten können jedoch dahinstehen, weil jedenfalls an der allein entscheidungserheblichen Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 1/3 keine Zweifel bestehen.

3. Nebenentscheidungen: §§ 708 Nr. 10, 546 Abs. 1 und 2 ZPO.